Samstag, 23. Juni 2012

Da war was Böses in mir!

Copyright © 2011-2021 Nikita Noemi Rothenbächer- Alle Rechte vorbehalten!

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Da war was Böses in mir!
Nikita Noemi über chirurgische Geschlechtsanpassungen und den Aufbau eines Neo-Penis.
 Die Operation dauert mehr als zehn Stunden. Ihre Vorgeschichte reicht etwa zehn Jahre zurück. Sie beginnt an einem Sommertag, als Theo noch Thea heißt und auf Bitten der Mutter erstmals ein Bikini-Oberteil anlegen soll. Sie endet an einem Frühlingsmorgen in der chirurgischen Abteilung der Clinique la Rosiaz bei Lausanne, als sich Theo (Name von mir geändert) in die Hände eines Arztes begibt, den er als "eine Art Gott" verehrt.
Für Dr. Paul-Jean Daverio beginnt an diesem Morgen ein Arbeitstag wie schon viele vorher: Gemeinsam mit ein bis zwei assistierenden Operateuren, unterstützt vom Anästhesistengespann und drei Operationsschwestern, will der Plastische Chirurg einen Eingriff vornehmen, den die Lehrbücher als "Geschlechtsumwandlung" beschreiben.
Er hat im Umkleideraum gerade seine Zivilkleidung gegen die grüne Kluft der Chirurgen eingetauscht, als sein Patient in den hellerleuchteten Operationssaal geschoben wird. Kein Anflug von Angst, wie er so häufig vor Operationen im Antlitz der wehrlos Ausgelieferten zu sehen ist; nur das ungeduldige Lächeln eines Befreiten im Augenblick der Errettung begleitet Theo in die Bewußtlosigkeit der Anästhesie.
Bis zu dem Tag im Schwimmbad, als die Badehose zum Bedecken der Blößen nicht mehr ausreicht, hat Thea das Wachsen ihrer Brüste beharrlich ignoriert. Nun erlebt die Zwölfjährige, nachdem kurz zuvor ihr Vater überraschend gestorben ist und die Mutter nach sieben trockenen Jahren das Saufen wieder angefangen hat, das unübersehbare körperliche Reifen als eine weitere Schmach.
"An dem Tag habe ich zum erstenmal so richtig vor mir gesehen, daß es Männer und Frauen gibt und daß ich in die Kategorie Frauen fallen sollte. Da dachte ich, halt, stopp, das geht nicht."
Seit damals, seit Beginn der Pubertät, begreift sich Thea-Theo als Opfer eines biologischen Irrtums: Er fühlt sich gefangen im Fleisch des falschen Geschlechts. Zunehmend sieht er sich beherrscht von dem Konflikt, den der Mann in seinem Kopf mit dem Körper der heranreifenden, immer fremder werdenden Frau austrägt.
Biologisch eindeutig Weibchen, im Geiste aber längst Männchen, liest das verwirrte Kind gerade 13jährig in einer Zeitschrift zufällig etwas über Transsexualität - und findet das beherrschende Thema seiner Jugend, vielleicht seines Lebens: "Das war umwerfend. Auf einmal wußte ich, dafür gibt es sogar einen Namen, und was ich in mir habe, ist keine Spinnerei."
Etwa zu dieser Zeit näht Paul-Jean Daverio in Lausanne zum ersten Mal einem Transsexuellen einen "Neo-Penis" auf die Scham. Der falsche Phallus wird zum Markenzeichen des Chirurgen, der heute als führender Penisbauer in Europa gilt. Mittlerweile gehe auf sein Konto die "größte Statistik mikrochirurgischer Phalloplastik in der Welt". Weit über 100 gemachte Männer tragen ein Glied aus seiner Werkstatt in ihrer Hose.
An diesem Frühlingsmorgen zählt Daverio seinen 83. Fall einer operativen Frau-zu-Mann-Geschlechtsanpassung. Die viel häufigeren, schnelleren und weniger komplizierten Fälle in umgekehrter Richtung hat er nicht gezählt.
Bis zum frühen Abend wird er Theo, soweit es in seiner Macht steht, die letzten Reste der Thea aus dem Leib schneiden. Er wird die primären Merkmale der Weiblichkeit tilgen, alles Fruchtbare aus dem Schoß entfernen, den Busen einebnen und damit der Gefangenschaft in der verhaßten Hülle ein blutiges Ende bereiten
Dann wird er Theo aus dessen eigenem Korpus ein komplett neues Stück Körper, eine "Rollappenpenoidplastik", erschaffen. Die soll sich, wenn alles gutgeht, für zweierlei eignen: als Geschlechtsersatzteil mit Gefühl für maskulinen Sex - freilich ohne Funktionen für die Fortpflanzung - und als ansehnliches Organ für das Pinkeln nach Männerart.
Dieser Eingriff führt zwei Menschen zusammen, die auch jenseits aller Gegensätze zwischen Arzt und Patient, Allmachtswahn und Ohnmachtsgefühl nicht ungleicher sein könnten: Hier der weltgewandte Held am Skalpell, strotzend vor Lebenskraft, der zupackt und aus sich herausgeht, der Kunst und gute Küche liebt und derbe Scherze ebenso schätzt wie schöne Frauen. Dort der verschüchterte, in sich gekehrte und auf eine geradezu unheimliche Weise geschlechtslos wirkende Schmächtling, an dem das Leben mit seinen Verlockungen bisher scheinbar spurlos vorbeigegangen ist.
Während sich der eine im Vorraum zum Operationssaal mit einer Wurzelbürste die Finger rosig schrubbt, widersetzt sich auf dem Tisch nebenan der andere mit weit aufgerissenen Augen für eine Weile schweigend dem übermächtigen Schlafzwang durch die Narkose. "Ich wollte den Moment bis zur letzten Sekunde auskosten", berichtet er später, "immer wieder dachte ich: Ich bin am Ziel. Ich bin am Ziel."
Und weil er sich das Wiedererwachen als Wiedergeburt in einem neuen Leib vorstellt, wird er, wie viele andere vor ihm, diesen Tag fortan als seinen wahren Geburtstag feiern.
Der Weg von A nach O, von Thea zu Theo, führt das Mädchen mit dem männlichen Bewußtsein zunächst durch langes Schweigen. Mit niemandem wagt sie zu reden. "Ich dachte, wenn ich das erzähle, daß dann keiner mehr was mit mir zu tun haben will."
Für die Mutter ist das einzige Kind auch "der einzige Lebensinhalt". Einmal erklärt sie der Tochter, sie habe sich "hundertprozentig immer nur ein Mädchen gewünscht". Hätte sie damals einen Jungen entbunden, sie hätte ihn "im Krankenhaus gelassen". Spätestens diese Äußerung verbaut den letzten Zugang zu einem offenen Gespräch.
Die beiden leben am Rande einer norddeutschen Provinzstadt in einer jener Reihenhaussiedlungen aus den sechziger Jahren, wo sich dem Neid und der Neugier der Nachbarn nur dünne Wände in den Weg stellen. Wo jede Andersartigkeit, jeder Ausbruch aus der Norm geahndet wird mit dem Ausschluß aus der Gemeinschaft.
Als Theo sich endlich dem Narkoseschlaf überläßt, zeigt die Uhr an der Kachelwand zehn vor acht. Schlappend keucht nun der Beatmungsapparat. Das Operationsteam beginnt mit der Arbeit. Der Anästhesist läßt das kleine Stereogerät hinter seinem Vorhang in gedämpften Ton Eric Claptons "Unplugged" abspielen, während sich vor dem Tuch die Maskierten mit Messerstahl an die Metamorphose der "Bio-Frau" zum sterilen Neutrum in männlicher Hülle machen.
Theo ist nun ausgeschlossen vom Theater um seinen Körper, gelb desinfiziert ruht sein Rumpf im blauen Tuch. Er verpaßt Wagner-Ouvertüren, Beach Boys und Vivaldi, die kurze Hektik um eine heftige Blutung, das Aufbrausen des Arztes und das aufgeregte Flüstern der Schwestern. Traumlos durchdämmert er das Ende seines zehnjährigen Alptraums: "Da war was in mir drin, was Böses, was nicht rauskonnte und was vielleicht nicht rauswollte."
Die Heranwachsende nimmt sich vor, sobald sie 18 ist, "nach Süddeutschland auszuwandern, wo mich keiner kennt und wo ich die ganze Sache dann durchziehen wollte". Bis dahin will sie ihr Geheimnis für sich bewahren. Nachdem sie den Widerspruch zwischen Seele und Leib entdeckt hat, fängt sie an, sich Namen für sich auszudenken und in ihrer Phantasie eine heile Gegenwelt einzurichten.
"Ich hatte mir das ganz gut aufgebaut, hatte eine Familie, Frau und Kinder. Auch Sex kam da vor. Und die Wirklichkeit hat immer weniger existiert."
Sie verliert zunehmend die Beziehung zu ihrem Körper, schaut sich selbst nicht mehr an, badet mit geschlossenen Augen. Der einzige Spiegel im Bad hängt so hoch, daß sie allenfalls ihr Gesicht sehen kann. Manchmal masturbiert sie sogar, ohne Hand an sich zu legen, in der Vorstellung als phantasierter Mann. Im wirklichen Leben aber kommt Sexualität nicht vor, als wäre das Geschlechtliche die Steigerung des Schlechten.
"Ich habe nicht mit meinem Körper gelebt. Ich würde mal sagen, ich habe gegen ihn gelebt. Und wenn ich mich dann doch mal anfassen mußte - also das ist ein Gefühl, als wenn man innerlich verbrennt."
Paul-Jean Daverio und sein Team haben ein umfangreiches Programm zu absolvieren: Mehrstufige Eingriffe mit möglichst vielen Schritten gelten als Spezialität der Lausanner Klinik.
Nach genau einer Stunde sind die Brustdrüsen entfernt. "Fleisch", sagt der Chirurg. Aus dem glitschigen Griff des zweiten Operateurs ist soeben eine blutige Handvoll Rohes in den Plastiksack geglitten, den ihm die Instrumentenschwester mit durchgestreckten Armen hingehalten hat. Nachdem der Assistent zuvor, Daverios schwarzen Markierungen sorgfältig folgend, vom Busen jeweils ein ringförmiges Stück aus Haut und Gewebe gelöst hat, scheinen die Brustwarzen nun auf der freigelegten Blöße zu schwimmen
Knapp 50 Minuten später ist die erste, eine weitere halbe Stunde danach auch die zweite Brustwarze mit dem freien Rand wieder vernäht, das frauliche Gewölbe auf ein flaches Gewächs reduziert. Daverio hat inzwischen seinen Arbeitsplatz zwischen den gespreizten Beinen des Bewußtlosen eingenommen, ihm einen Schlauch bis in die Blase vorgeschoben und aus der kleinen Schamlippe ein Stück der neuen Harnröhre genäht.
Der Instrumentenschwester juckt die Stirn. Da sie ihre latexverhüllten Hände steril halten muß, reibt sie wie ein Rind am Ast ihren Kopf am hochgebundenen Fuß des Patienten.
Obwohl Theo noch nicht einmal ein Drittel der "Sache" hinter sich hat, ist eines seiner großen Probleme bereits beseitigt: Da es ihm vor allem um seine sichtbare Erscheinung geht, hat ihn das Äußere stets mehr als alles Innere belastet, der Busen mehr als "das Zeug im Bauch".
"Mal so beim Abtrocknen, man kommt ja doch mal mit sich in Kontakt, da habe ich da irgendwas gemerkt und war fest davon überzeugt, daß es Brustkrebs sein muß. Und dann habe ich mich gefreut und gedacht, jetzt gehst du zum Arzt, und der sagt dir: ,Tut uns leid, aber das müssen wir leider alles wegmachen.' Und wenn ich dann aus dem Krankenhaus wiederkomme, dann ist das alles weg, und die Kacke ist vorbei." Solche Verstümmelungsphantasien spiegeln die überwältigende Sehnsucht von Transsexuellen wider, im Körper des anderen Geschlechts zu stecken.
In der Natur ist die Zweiteilung zwischen weiblich und männlich, von den höchst seltenen Fällen der Zwitter abgesehen, eindeutig. Erst die menschliche Kultur hat im Laufe ihrer Entwicklung die scharfe Trennung aufgeweicht - es entstand eine Zweideutigkeit, für die es im Englischen ein Wortpaar gibt: "sex" für das unveränderliche biologische und "gender" für das variable kulturelle Geschlecht. Androgyne, Transvestiten und Transsexuelle werden zu einer Art "drittem Geschlecht" zwischen Mann und Frau.
Während sich Androgyne durch Verwischen der Grenzen im Zwischenreich des Uneindeutigen aufhalten und Transvestiten, die Kleiderordnung durchbrechend, als Wanderer von einem Gender zum anderen das Geschlecht wechseln, fallen bei Transsexuellen Sex und Gender auseinander. Sie sind auf einen physischen Wandel aus: Nicht nur vorübergehend die Kleidung, sondern der Körper darunter soll unwiderruflich dem andersgeschlechtlichen Ich angepaßt werden. Ist die Anpassung erst vollzogen, empfinden sie sich nicht mehr einem dritten, sondern nur noch ihrem neuen Geschlecht zugehörig.
Paul-Jean Daverio glaubt, der Mensch sei "doppelt eingerichtet": anatomisch zwar eindeutig Mann oder Frau, bei der geistigen Vorstellung von der Gestalt allerdings nur mehr das eine oder mehr das andere. Seiner Ansicht nach können Biologie und Bewußtsein des Geschlechts in Ausnahmefällen auseinandergehen, da sich Physis und Psyche unabhängig voneinander entwickeln. Die Herrschaft der Seele über den Leib aber hält Daverio für so überwältigend, daß die Anatomie der Anomalie anzupassen sei und nicht umgekehrt.
Die Uhr zeigt halb elf, als er ausruft: "Regarde, regarde, quelle beauté" - schaut her, welche Schönheit. Er hat zwei Nerven im Schambereich freipräpariert, die er später mit dem Neo-Penis verbinden will.
Damit ist seine Arbeit im Schnittpunkt der Schenkel vorerst beendet. Nun beginnt der schöpferische Part, der Penisaufbau aus einem Teil des Unterarms.
Die Chirurgie ist für Daverio mehr Kunst denn Handwerk. Am Vorabend hat er Theo in dessen hoteltauglichem Einzelzimmer unter dem Dach der umgebauten Villa besucht. Lange hat er sich den zarten Körper seines Patienten angeschaut und dabei mit ihm über "Schwanzgrößen" gefachscherzt ("Elefantenrüssel haben wir nicht auf Lager, die müßten wir bestellen"). Schließlich hat er in der Manier eines Skulpteurs auf Theos linkem Unterarm die Konturen des Hautlappens skizziert, aus dem der Neo-Penis entstehen soll, und den er nun Millimeter um Millimeter mit ruhiger Hand freilegt.
Während er am Arm das Gewebe einschließlich Blutgefäßen und Nervensträngen präpariert, machen sich hinter seinem Rücken zwei Chirurgen daran, den Bauch des Dämmernden "auszuräumen". Nach einer Stunde liegen Eierstöcke, Gebärmutter und Vagina in der bereitgestellten Plastikschale. So ähnlich hat sich Theo das immer ausgemalt:
"Ich hatte dazu ein bißchen so eine masochistische Einstellung. Ich habe mir versucht vorzustellen, ich liege da und die zerschneiden mich in meine Einzelstücke, und das war ein tolles Gefühl."
Mit seinen totalen Operationen gehört Paul-Jean Daverio zu den konsequentesten Betreibern einer "Medikalisierung des Geschlechtswechsels", die Stefan Hirschauer in seinem Buch "Die soziale Konstruktion der Transsexualität" beschrieben hat. Der Bielefelder Soziologe glaubt, "daß die Transsexualität vor allem durch die Medizin selbst hervorgebracht wird".
Seit der Begriff Transsexualismus Anfang der fünfziger Jahre ins medizinische Blickfeld geriet, streiten Fachleute darüber, ob es sich dabei um ein psychisches Leiden am Körper oder einen veränderten Körperzustand mit psychischen Folgen handelt. Kürzlich berichteten niederländische Forscher, die Größe eines winzigen Nervenknotens im Gehirn hänge die Geschlechtsidentität zusammen. Allerdings wissen auch sie nicht sicher zu sagen, ob dessen Umfang den Wunsch nach Geschlechtsumwandlung verursacht oder ob er deren Folge ist.
"Das Verrückte am Transsexualismus ist, daß die Transsexuellen nicht verrückt sind", heißt es in dem Buch "Geschlechtswechsel": "Ihre seelische Verfaßtheit ist kein ,Irrtum' der Natur, sondern ein ,Kunstwerk' des Menschen."
Paul-Jean Daverio hat genau 20 Minuten nach Mittag von Theos Arm den Hautlappen freipräpariert, aus dem er den Neo-Penis formen will. Zwei Nervenenden sind mit weißen, eine Arterie mit einem roten und eine Vene mit einem blauen Bändchen gekennzeichnet. Der Lappen wird weiterhin mit Blut versorgt.
Um zwanzig nach eins hat er einen Teil des Hautlappens aus dem Unterarm, mit der Außenhautseite nach innen, um einen Silikonschlauch genäht. So entsteht eine feine Hautröhre, die in ein paar Tagen, wenn der Schlauch wieder entfernt ist, zur neuen Harnröhre wird. Um diese Röhre drappiert er, blutige Seite auf blutige Seite, den Rest der freipräparierten Haut. Er schichtet die beiden Hautflächen sandwichartig aufeinander, so daß sie miteinander verwachsen können. Die leicht behaarte Armhaut wird zur Außenhaut des Ersatzphallus.
Nachdem Daverio das Gebilde sorgfältig gewaschen und in feuchte Verbände gepackt hat, gönnt er sich mit seinen Kollegen eine Pause. Während sich die Ärzte im Garten der Villa mit Blick über den Genfer See das klinikübliche Mittagsmenü genehmigen, soll sich die Durchblutung in der Rolle stabilisieren. Ihr Patient hängt derweil am Tropf, bekommt bereits seine dritte Blutkonserve.
Theo wendet sich kurz vor seinem 21. Geburtstag an eine Telefonseelsorge und erfährt dort von einem wöchentlichen Transsexuellen-Stammtisch in der nahen Großstadt. Das Datum seines ersten Besuchs beim Treffen der "Transen" merkt er sich wie andere Leute ihren Hochzeitstag: "An diesem 28. Oktober war meine Phantasiewelt so gut wie abgeschlossen. Da wußte ich, jetzt kann ich anfangen, in der Wirklichkeit zu leben."
Erstmals weiß er sich unter Gleichgesinnten, hört Geschichten von medizinischen Odysseen, sieht Phalloplastiken auf Fotos und in natura ("da geht man halt kurz zusammen aufs Herrenklo"), vergleicht die Ergebnisse und hört den Namen eines Operateurs in der Schweiz, "der die schönsten Schwänze baut".
Wenn Paul-Jean Daverio zu Messer und Faden greift, gilt sein Augenmerk dem Ebenmaß der Formen. Er zeichnet genaue Baupläne, macht sich Schnittmuster, entwirft den Phallus passend zur Statur seines künftigen Besitzers. "Ein Penis muß auch in die Gestalt des Körpers hineinpassen", sagt er, "er darf nicht wie gefunden und aufgehängt wirken."
Um zehn vor drei beginnt der Chirurg mit der Feinarbeit an Theos neuem Körperteil. Das Operationsmikroskop wird aufgebaut. Mit feierlicher Geste begibt sich Daverio daran, den Rollappen aus dem schützenden Tuch zu wickeln, ihn mit dem Skalpell vom Arm abzutrennen und auf der Scham in Stellung zu bringen.
Die Musik aus dem Radiorekorder des Anästhesisten ist verstummt. Mit nervösen Blicken verfolgt die Instrumentenschwester jede Bewegung des Chirurgen, der mit der Präzision eines Uhrwerks die Blutgefäße aus Theas Unterleib mit Theos neuem Penis vernäht. Nur auf dem Monitor des Mikroskops ist das leichte Zittern seiner Hände zu erkennen. Gelegentlich entlädt sich die konzentrierte Spannung in einem Fluch. "Merde", ruft er und erklärt dem nervös blickenden Narkosearzt: "Scheiße schreien hilft."
Nicht weniger wichtig als die Form nimmt Daverio die Funktion seiner Konstrukte. Nach den Blutgefäßen verbindet er die freipräparierten Nervenenden aus der Vulva mit denen in der Rolle aus dem Arm. Spätestens nach einem halben Jahr soll die Phalloplastik voll sensibel sein. Der Neo-Penis wird sich für Theo anfühlen wie ein eigenes Körperteil, das er durch allmähliches "Umprogrammieren" des Körperbildes in seinem Gehirn an der passenden Stelle spüren wird. Selbst in der Harnröhre soll er Gefühle entwickeln, den Fluß des warmen Urins wahrnehmen.
Innerhalb von sechs Monaten könnte Theo dank Daverios Hilfe auch etwas erleben, was er bislang nur in seiner Phantasiewelt kannte: sexuelle Erregung. Der Chirurg hat die freipräparierte Klitoris an die "Penisbasis" genäht - unter dem Hodenersatz versteckt, der aus den Resten der Schamlippen entstanden ist.
"Das ist ein phantastisches Reizmittel, das er nur anstoßen muß", erklärt der Arzt. All jene Patienten, deren Entwicklung er über Jahre verfolge, seien "voll orgasmusfähig" und hätten "ein ganz normales Sexualleben". Davon konnte vor den Operationen keine Rede sein: Ausnahmslos alle "Bio-Frauen", denen Daverio zu Glied und neuer Identität verholfen hat, waren noch Jungfrauen, als er sie zu manngleichen Frauen ohne Unterleib machte.
Die verbesserten Resultate bei Frau-zu-Mann-Anpassungen dürfte eine der Ursachen dafür sein, daß sich die sogenannte Sex-Ratio immer weiter verschiebt: Kamen in den sechziger Jahren auf eine Bio-Frau, die sich zum Mann machen ließ, noch acht umgekehrte Fälle, liegt das Verhältnis heute bei eins zu zwei, mit Tendenz Richtung Gleichstand.
Schätzungen zufolge versteht sich nur etwa 1 von 45 000 Menschen als transsexuell. In Deutschland gibt es demnach gerade 1800, nach großzügigeren Berechnungen 5000 Fälle. Gleichwohl übt das Phänomen eine große Faszination aus. Als Dauergäste in Talkshows wecken Transsexuelle die Phantasie des Publikums wie einst menschliche Monstrositäten auf mittelalterlichen Jahrmärkten.
"Monster" nennt der Sexualwissenschaftler Reimut Reiche noch 1984 operierte Transsexuelle, "geschaffen von Menschenhand, in einem zur Wirklichkeit gewordenen Kabinett des Dr. Mabuse, des Dr. Moreau und des Studenten Frankenstein."
Als Paul-Jean Daverio in jener Zeit den ersten Phallus unter seinen Händen entstehen sieht, verspürt auch er noch eine Spur von Skrupel: "Wir gehen schon ziemlich weit", erinnert er sich seiner Gedanken. "Darf man das tun? Pfuschen wir Gott nicht ins Handwerk?" Doch die Praxis zerstreut seine Bedenken: Unters Messer kommen nur hormonell vorbehandelte Patienten, die der Eingriff nur von den Überresten ihres längst verschmähten Geschlechts befreien soll.
Der Chirurg vollendet, was die Chemie bereits vorbereitet hat: Aus seiner Sicht schafft er durch seine Frankensteiniaden nur einen offensichtlichen Widerspruch aus der Welt. Die Bio-Frauen sind längst Männer mit Bartwuchs und dunkler Stimme, denen Busen und Gebärmutter so überflüssig sind, wie ihnen das Gemächt als Insignie des Mannseins fehlt.
Daß er sich zur Geschlechtsanpassung Hormonspritzen geben lassen muß, daß er alle drei Wochen eine Injektion braucht und sein ganzes Leben lang von ärztlicher Hilfe abhängig sein wird, erfährt Theo erst beim "Transen"-Stammtisch. Die Bescheinigung einer Beratungsstelle verschafft ihm Zugang zu einem Arzt, der mit der Hormonbehandlung beginnt.
"Ich wußte einfach, daß diese Hormone da jetzt durch meinen Körper fliegen, und das war irre, das war eine Befreiung, das war alles. Ich habe heute noch die Fotokopie von dem Rezept."
Ungewollt verhilft ihm der Arzt auch zum privaten Coming-out, als er bei ihm zu Hause anruft und die Mutter ans Telefon geht. Hat sie nicht immer etwas geahnt? Nun stellt sie die Tochter, die kein Sohn sein sollte, zur Rede - und hört die Geschichte von A bis Z: "Ich werde das machen", beendet die längst volljährige Thea ihren Bericht, "egal, was du jetzt von mir denkst."
Doch die Mutter fühlt sich befreit, denn ihre größte Befürchtung hat sich nicht bewahrheitet: Daß die Tochter lesbisch sei. Sie wird es sein, die Theo entscheidend bei einer Aufgabe unterstützt, die ungleich heikler ist als alle medizinischen Maßnahmen: Mit der Geduld einer Missionarin klärt sie Nachbarn und Verwandte auf, wirbt um Verständnis für die Entscheidung ihres Kindes - und hat Erfolg. Theo wird akzeptiert, Thea ist vergessen, als habe die Natur nach 20 Jahren einen Irrtum korrigiert.
Ein halbes Jahr nach seinem ersten Stammtischbesuch begegnet Theo auf einer Fachtagung für Transsexualität erstmals Paul-Jean Daverio. "Er ging an mir vorbei, und da wußte ich einfach: Der ist es." Bei solchen Treffen tragen einige Teilnehmer sogar T-Shirts mit dem Konterfei des Chirurgen. Dort ist er der Star, als den er sich am liebsten auch außerhalb seiner sonderbaren Fan-Gemeinde sähe: "Ich wäre schon gern ein ganz Großer", sagt er.
Drei Monate nach dem Kongreß fährt Theo im Auto mit einem Stammtischkollegen zum Vorgespräch nach Lausanne. "Ich hatte nicht das Gefühl, daß er mich als Frau sieht. Ich wußte einfach, der weiß auch, da ist was, das muß weg, daß ihm das auch nicht gefällt. Ich war mir ganz sicher, daß er an mir was zustande bringen würde."
Er bekommt einen Kostenvoranschlag mit, reicht sein Begehren zu Hause bei der Krankenkasse ein, läßt sich von zwei Psychologen begutachten. Der eine beurteilt seinen Fall ohne weiteres positiv, der andere ("der haßt Transsexuelle") rät ihm zuerst, es mit einer lesbischen Beziehung zu versuchen, bis auch er schließlich zumindest der Namensänderung zustimmt.
Gegen Ende dieses Schicksalsjahres erhält "Frau Theo K." von der Versicherung die schriftliche Benachrichtigung, daß ihrem Antrag stattgegeben werde und er sich in der Schweiz operieren lassen dürfe. Andere Kassen lehnen die Behandlung im Ausland rundweg ab. Sie verlangen, daß der Eingriff in Deutschland vorgenommen wird - auch wenn es dazu etlicher Operationen statt wie in Lausanne nur einer bedarf und die zusammen am Ende sogar teurer sind als die zehnstündige Mammutveranstaltung in der Clinique la Rosiaz am Genfer See.
Dorthin wird Theos Krankenkasse 69 000 Schweizer Franken für die erste Operation inklusive Aufenthalt sowie aller Vor- und Nachbehandlungen überweisen. Falls Theo sich für einen zweiten Eingriff entscheidet, bei dem ihm Daverio Versteifungsmaterialien zur mechanischen Erektion und auf Wunsch Eichel und künstliche Hoden aus Silikon einpflanzen wird, sind weitere 20 000 bis 25 000 Franken fällig.
Die Uhr an der Kachelwand zeigt kurz nach halb sechs, als der Chirurg "seinen" Penis liebevoll reinigt und rasiert. "Das war's", sagt der Schöpfer sichtlich erschöpft. Genau zehn Stunden nach dem ersten Schnitt näht er die Scheide im grellen Licht der OP-Strahler für immer zu. Er schaltet ein Ultraschallgerät zum Abhören der Pulsschläge ein und drückt den Schallkopf fest in das weißwurstbleiche Gehänge. Zunächst ist aus dem Lautsprecher nichts als gleichförmiges dumpfes Krächzen zu hören.
Plötzlich ruft Daverio: "Da, hören Sie, tum-tum, tum-tum, tum-tum." Wie aus unendlicher Ferne ist aus dem Krächzen ein gleichmäßiges Pochen herauszuhören: Das Pumpen des Blutes im neuen Penis. Sein Geschöpf lebt.
Noch für Tage, während die Penisrolle anwächst, wird Theo in seinem Krankenzimmer mit dem Pulsdetektor verbunden bleiben, der ihm den Takt für das neue Leben schlägt. "Das pocht und pocht. Und dann kommt er und sagt: Das ist ja ganz toll. Und als er das zum erstenmal ausgepackt hat, das war, als wenn das schon immer dagewesen wäre."
Theos Mutter ist vom Alkohol wieder weg. Die Wand um die Badewanne hat ihr heimgekehrter Sohn mit Spiegelkacheln verkleidet. An der Treppe zu seinem Dachzimmer hängt säuberlich gerahmt ein Schwarzweißfoto, das den Chirurgen zeigt: entschlossen, schalkhaft, geheimnisvoll.
"Ich weiß ganz genau, daß ich nie irgendwas Großes in seinem Leben sein werde. Aber es gab Momente, in denen er praktisch nur für mich da war, und das reicht mir."
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