Dienstag, 25. Februar 2014

Transsexualität wirft eine ganze Reihe von kontroversen praktischen Fragen auf:

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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2013

Bitte kopiert den Link und gebt diesen euren Verwandten, Freunde, Bekannten und Familie denn Information beugt vor, einer Minderheit anzugehören!

Hallo nun nach vielen Wochen der Krankheit kam ich am 17.02 von der Reha zurück, als erstes möchte ich mich für die Anteilnahme vieler Leser und Freunden wie Bekannten bedanken!
In der Zeit von Klinik habe ich sehr viel Zeit gehabt zum Überlegen, habe eine Unmenge von Gesprächen geführt und durch diese wurde ich sehr Nachdenklich!
Transsexuallität ist keine Modeerscheinung sondern diese gibt es Zeit es die Menschen gibt!
Aber nicht nur diese gibt es sondern auch die Minderheit von Intersexuellen Menschen wie diese der Homosexualität.
Jede dieser Gruppen werden als Minderheit betrachtet, jedoch nur weil es nun mal weniger sind als der Hauptbestandteil der Menschen, dieses jedoch gibt keinem das Recht über diese Minderheiten ein falsches Urteil abzugeben.
Die Ereignisse der letzten Monate führt zu sehr vielen Diskussionen es fing schon sehr früh an würde sagen sehr früh, wenn man etwas Recherchen macht etwas Lesen und sich Austauschen bemerkt man schnell das es sehr wenige einzelne Personen gibt, welche Überhaupt mitreden können.
Die Vermutung das sagen und hören also nichts was sich Wissenschaftlich begründen lässt, vermag zu zeigen, das Minderheiten entstehen durch Unwissenheit und dem Druck der Allgemeinheit zu folgen.
Diese Diskussionen von Gesetzen welche in Russland jetzt auch Gana wie durch die Medien bekannt wurde eine Welle der Empörung hervorruft.
Meinungsfreiheit, persönliche Entfaltung und das Recht über das eigene Leben selbst zu entscheiden, kann und darf nicht von der Politik bestimmt werden!

Den Beitrag welcher folgt sollte man einfach mal genau durch lesen!

Transsexualität wirft eine ganze Reihe von kontroversen praktischen Fragen auf:

1. Kann sich ein Mensch mit männlichem Körper überhaupt als Frau fühlen oder ist so jemand als geisteskrank zu be- trachten? Darf eine solche Person Frauenkleider anziehen und sich damit womöglich sogar in der Öffentlichkeit  zeigen? Wie  soll  man  eine solche  Person  ansprechen?  Welche  Toilette  soll  eine  transsexuelle Person  benutzen?  Darf  ein  Mensch  seinen  Körper  selbst  designen?  Wer  soll  den  kostenintensiven Wunsch nach einer Geschlechtsanpassung bezahlen? Darf eine transsexuelle Person vor oder nach der Operation heiraten? Und darf sie Kinder adoptieren (oder zumindest behalten) und falls ja, gilt sie dann als Mutter oder als Vater? –Ich  konzentriere  mich  deshalb  auf  die  Frage,  ob  eine  transsexuelle  Frau  die  Freiheit haben sollte, in der Öffentlichkeit als Frau aufzutreten.
 Ich werde die Ansicht vertreten, dass Transsexualität als gleichberechtigte Lebensweise zu akzeptieren sei und dass jeder Mensch eine echte Wahl haben sollte, ob er «eine Frau» oder «ein Mann» werden will, unabhängig vom biologischen Geschlecht.
Was nun die von mir zu behandelnde Frage anbetrifft, so bin ich bereit, alle die mir durch das Vorurteil gestellten ungünstigen Bedingungen anzunehmen. [...] Ich lasse mir gefallen, dass das Urteil gegen mich lautet, bis ich nachgewiesen habe, dass der Richter selbst [die hergebrachte Sitte und das allgemeine Gefühl] bestochen sei. (Mill 1991: 10) Meine Motivation für diese Arbeit ist die persönliche Betroffenheit.

Als transsexuelle Frau kenne ich die damit  verbundene  Unsicherheit  in mir  selbst und  bei Menschen,  die  mit  mir  zu tun  haben.

Mein Anspruch an praktische Philosophie, wenn sie selbst praktischen Sinn haben soll, ist, dass sie real existierenden Menschen Orientierungshilfe für ihre tatsächlichen Probleme geben kann. Ich hoffe, zum Nach- denken anregen zu können, ob einiges von dem, was wir für selbstverständlich halten, nicht auch ganz anders sein könnte.

Was ist Transsexualität?

Eine transsexuelle Person empfindet ihr selbst empfundenes Geschlecht im Widerspruch zu ihrem biologischen Geschlecht. Sie fühlt sich im «falschen Körper» gefangen und leidet darunter, ihre personale Geschlechtsidentität nicht entfalten zu können und statt dessen eine als fremd empfundene Rolle spielen zu müssen. Kurz kann man Transsexualität als prinzipiell unauflösbaren Widerspruch zwischen der biologischen und der personalen Geschlechtsidentität definieren. Damit ist noch nichts über das Verhalten der Person gesagt: Ein Mann kann sich sehr wohl auf eine als eher weiblich bezeichnete Art verhalten, ohne deswegen eine Frau sein zu wollen. Umgekehrt kann sich eine transsexuelle Frau in sozialen Beziehungen bewusst oder unbewusst stark männlich geben, weil sie glaubt, nur so von ihren Mitmenschen akzeptiert zu werden, weil sie zu einem Mann erzogen wurde oder weil ihr Körper von einem männlichen Hormonmix  gesteuert  wird.  Manchmal  wird  anstatt  Transsexualität  auch  der  Begriff  «Transidentität» (siehe dazu Alter 1999: 11) verwendet. Ich persönlich finde Transidentität einleuchtender, weil es sich um  eine  außergewöhnliche  Konstellation  der  Geschlechtsidentität  handelt  und  nicht  um  eine  abweichende sexuelle Präferenz, wie der Begriff «Transsexualität» durch seine Nähe zu Homo- und Heterosexualität  suggerieren  mag.  Ich  werde  trotzdem  den  geläufigeren  Begriff  «Transsexualität»  verwenden. Über  die  sexuelle  Ausrichtung  einer  transsexuellen  Person  ist  übrigens  auch  noch  nichts  gesagt:  alle Möglichkeiten sind offen und kommen in der Realität auch vor

2. Es  ist  sinnvoll,  verschiedene  Phasen  oder  Ausdrucksweisen  von  Transsexualität  zu  unter- scheiden: Die meisten Transsexuellen passen sich in der Kindheit dem Verhalten der anderen Personen mit dem gleichen biologischen Geschlecht an. Das latente Gefühl, eigentlich dem anderen Geschlecht anzugehören, wird unterdrückt. Ich spreche in dem Fall von verborgenem Transsexualismus. Mit der Zeit merkt eine transsexuelle Person, dass irgendetwas nicht stimmt. Sie beginnt mit Attributen und Verhaltensweisen des Gegengeschlechts zu spielen oder Verbannt diese umso stärker aus dem eigenen Leben, um ein «richtiger Mann» bzw. eine «richtige Frau» zu sein. Das Erwachen setzt ein. Weil die entdeckten Gefühle nicht mit dem übereinstimmen, was für normal gehalten wird, lösen sie oft Scham und Schuldgefühle  aus. Die transsexuelle Person  spricht  nicht darüber und  versteckt alles was darauf  hindeutet  – weshalb ich hier von heimlichem Transsexualismus spreche.

Doch oft wird irgendwann der Leidensdruck für die betroffene Person so gross, dass sie sich nicht mehr verstecken und verstellen will oder kann. Für viele  Transsexuelle  ist  das  mit  depressiven  Krisen  verbunden  und  die  Selbstmordgefahr  ist  sehr  hoch. Wenn sie sich in dieser Situation dafür entscheidet, sich über alle Widerstände hinwegzusetzen und endlich ihr eigenes Leben zu leben, dann beginnt der offen gelebte Transsexualismus.

Dieses Coming-Out ist für die Betroffenen eine große Entlastung und Befreiung (sofern sie nicht durch ihre Mitmenschen wieder in die alten Schranken zurück verwiesen werden). Trotzdem wünschen sich Transsexuelle natürlich nach wie  vor,  dem  selbst  empfundenen  Geschlecht  wirklich  angehören  zu  können  und  von  den  anderen Mensch dementsprechend anerkannt zu werden. Außenstehende sehen aber lediglich einen Mann, der sich als Frau verkleidet, bzw. eine Frau, die sich als Mann verkleidet. Die transsexuelle Person trägt die ganze Last des Widerspruchs und muss sich in der Öffentlichkeit für ihr Verhalten rechtfertigen können. Mit  chirurgischen  Angleichungen  der  Geschlechtsmerkmale  ist  es  heute  möglich,  diesen  Widerspruch (nahezu) zu verbergen.

Diese «kosmetischen Anpassungen» ermöglichen der angeglichenen Transsexuellen tatsächlich ein Leben in ihrem selbst empfundenen Geschlecht zu führen, allerdings bleibt sie für den Rest ihres Lebens auf künstliche Hormone angewiesen. Woher kommt Transsexualität? – oder warum wollen einige Menschen nicht in ihrem biologischen Geschlecht leben? – Die Frage lässt sich mit gleichem Recht aber auch umkehren: Wie kommt es, dass über 99% der Menschen tatsächlich in ihrem biologischen Geschlecht leben wollen? – Wenn wir  darüber  nachdenken  und  ehrlich  antworten,  müssen  wir  sagen,  wir  wissen  es  nicht.  Ich  will  hier auch nicht weiter darauf eingehen. Was sich dennoch mit ziemlicher Sicherheit sagen lässt, ist, dass es biologische Wurzeln für die frühkindliche Identitätsentwicklung gibt, dass das soziale und kulturelle Umfeld einen prägenden Einfluss auf das Verhalten der Person haben und dass es ohne eigenen Willen undenkbar wäre, dass sich eine Person über biologische und soziale Widerstände hinwegsetzt, um in der anderen Geschlechterrolle zu leben.

Freiheit für wen?
Ein  möglicher  Umgang  mit  Transsexualität  ist,  die  betroffenen  Personen  als  unmündig  zu  betrachten.

 Dann ist es gar nicht nötig, dass wir uns mit solchen Fragen befassen, die durch «das gestörte Verhalten geisteskranker Menschen» aufgeworfen werden. John Stuart Mill sagt dazu: «Es ist vielleicht kaum nötig zu betonen, dass diese Lehre [der Freiheit] nur auf Menschen mit völlig ausgereiften Fähigkeiten anzuwenden  wäre»  (Mill  1974:  17).  Fachkundige  Ärzte  und  Psychiater  könnten  dann  von  außen  bestimmen, was gut für die transsexuelle Person ist, denn «wer sich noch in einem Stande befindet, wo andere für ihn sorgen müssen, den muss man gegen seine eigenen Handlungen ebenso schützen wie gegen äußere Unbill» (Mill 1974: 17). So lange ein Mensch nicht fähig ist, zu seiner «eigenen Vervollkommnung durch Überzeugung  oder  Überredung  geleitet  zu  werden»  (Mill  1974:  18),  «bis  dahin  ist  [ihm]  nichts  als  still- schweigender Gehorsam [...] angemessen - wenn [er] so glücklich [ist], einen [Herrscher] zu finden» (Mill 1974: 17f). Mit diesem Recht hat man früher bekennende Transsexuelle in Nervenheilanstalten mit Elektro- schock «therapiert». Trotz dieser drastischen Mittel blieb der Erfolg aus. Zum Einsatz solcher Methoden meint Mill dann doch, dass «die Mittel dadurch gerechtfertigt werden, dass man den Zweck wirklich er- reicht» (Mill 1974: 17), was höchst fragwürdig erscheint. Bisher bin ich stillschweigend davon ausgegangen, dass Mill die Meinung teilt, Transsexuelle seien  als  unmündig  zu  betrachten.  Doch  es  gibt  gute  Gründe,  die gegen diese  Annahme  sprechen: Transsexuelle sind  genau  so  intelligente  und  anständige  Menschen  mit  «ausgereiften  Fähigkeiten»  wie andere  auch.  Zumindest  so  lange  der  Transsexualismus  verborgen  oder  ein  gut  gehütetes  Geheimnis bleibt, ist Transsexuellen kaum etwas Außergewöhnliches anzumerken. Und selbst bei offen gelebtem Transsexualismus  wäre  es  absurd  und  willkürlich,  ihnen  die  Mündigkeit  abzusprechen,  nur  weil  ihre Vorstellungen des guten Lebens in einem Bereich nicht mit jenen der Mehrheit überein stimmen. Dazu Mill: Aber der Mann und – noch mehr – die Frau, die beschuldigt werden können, etwas getan zu haben, «was niemand tut», oder unterlassen zu haben, «was jeder tut», werden Gegen- stand so vieler abfälliger Bemerkungen, wie wenn er – oder sie – irgend ein schweres Ver- brechen begangen hätte. [...] denn wer mit zu viel Nachsicht rechnet, läuft das Risiko von etwas Schlimmerem als Verunglimpfung: er ist in Gefahr, als Geisteskranker behandelt [...] zu werden. (Mill 1974: 94f) Und in einer Anmerkung zu dieser Stelle fährt er fort: Was «nur den Anschein von etwas nicht absolut Normalem trägt, wird vor Gericht – oft mit Erfolg – als Beweis von Verrücktheit vorgelegt», denn «Richter und  Geschworene  [können]  nicht  einmal  fassen,  dass  eine  gesunde  Person  solche  Freiheit  wünschen kann»  (Mill  1974:  95).  Mill  warnt  eindringlich  vor  der  «Tyrannei  der  Mehrheit»  (Mill  1974:  9)  und  vor «sozialer Tyrannei», die «fürchterlicher als viele andere Arten politischer Bedrückung» sei, «da sie viel tiefer in das private Leben eindringt und die Seele selbst versklavt» (Mill 1974: 10). Genau diese Angst vor dem  Für-Verrückt-Gehalten-Werden  führt  dazu,  dass  Transsexuelle sich  anpassen  und  tun,  «was  jeder tut», und ihre Gefühle, mit denen sie allein zu sein scheinen, unterdrücken. Der Ausdruck «versklavte Seele» beschreibt äußerst treffend die Art von Unfreiheit im Bereich der geschlechtsrelevanten Interaktion, die Transsexuelle vor ihrem Coming-Out erleben.

Wozu Freiheit?

Wie wir gesehen haben, gibt es keinen einleuchtenden Grund einer transsexuellen Person grundsätzlich weniger Freiheit zuzugestehen, als sonst einer Person. Aber warum brauchen wir überhaupt Freiheit? – Mill ist erstens überzeugt, dass die maximalen Freiräume  des einzelnen Menschen der  Menschheit als Ganzes am meisten nützen: Ich  betrachte  Nützlichkeit  als  letzte  Berufungsinstanz  in  allen  ethischen  Fragen,  aber  es muss Nützlichkeit im weitesten Sinne sein, begründet in den ewigen Interessen der Menschheit als eines sich entwickelnden Wesens. (Mill 1974: 18) Die  einzige  untrügliche  und  andauernde  Quelle  für  den  Fortschritt  ist  die  Freiheit,  weil durch  sie  eben  so  viel  unabhängige  Zentren  des  Fortschritts  möglich  sind,  als  Individuen vorhanden. (Mill 1974: 97) Ich sagte, es sei wichtig, ungewöhnlichen Dingen einen möglichst freien Spielraum zu ge- währen, damit sich im Laufe der Zeit herausstellt, welche von ihnen sich eignen, Tradition zu werden. (Mill 1974: 93) Zweitens ist für Mill Freiheit auch eine notwendige Voraussetzung für die selbst bestimmte Entfaltung der eigenen  Persönlichkeit  als Ideal des  menschlichen  Lebens. Er zitiert Wilhelm  von Humboldt,  der  sagt, dass «der wahre Zweck des Menschen […] die höchste und harmonischste Entwicklung seiner Kräfte zu einem kompletten und folgerichtigen Ganzen ist» (Mill 1974: 79). Oder mit eigenen Worten: Soll der Anlage eines jeden freies Spiel gewährt werden, dann ist es wesentlich, dass verschiedene Personen auch ein verschiedenes Leben führen können. (Mill 1974: 88, Hervorhebung im Original) Mit der Bemerkung, dass Individualität und Entwicklung eins sind, und dass einzig ihre Pflege wohl entwickelte menschliche Wesen hervorbringt oder bringen  kann, könnte ich hier die Beweisführung schließen; denn was kann mehr oder Besseres von einem Zustand der menschlichen  Angelegenheiten  gesagt  werden,  als  dass  er  Menschen  dem  Ideal  näher bringt? (Mill 1974: 88) Taugt eine dieser beiden oder beide Begründungen der Freiheit auch im speziellen Fall von transsexuellen Menschen?

Ich stimme zu, dass die Freiheit im  einen oder im anderen Geschlecht zu leben  zur «freien Entwicklung der Persönlichkeit» beiträgt, aber dass Freiheit notwendigerweise «eine Hauptbedingung der Wohlfahrt ist» (Mill 1974: 78), wie Mill behauptet, lässt sich bestreiten.

Zwar zeigen Studien, dass eine geschlechtsangleichende Operation bei vielen Transsexuellen tatsächlich zu einer Verbesserung des Wohlbefindens führt, aber nicht bei allen!

3. Noch viel unsicherer wird es, wenn man behauptet, die Freiheit  von  Transsexuellen  trage  zum  Fortschritt  der  Menschheit  bei.  Von  der  Lebensweise  einer  kleinen Minderheit wie der der Transsexuellen, kann nicht erwartet werden, dass sie für breitere Bevölkerungs- schichten je Tradition wird. Mill bezeichnet Freiheit als «Bedingung» für «Zivilisation, Ausbildung, Erziehung, Kultur» (Mill 1974: 79), doch es gibt nicht wenige Leute, die eben diese Werte ernsthaft in Gefahr sehen, wenn man sogar Transsexuellen Freiheit für ihr «lasterhaftes Auftreten» lässt. Weiter kann nach Mill «das Genie [...] nur frei atmen in einer Atmosphäre von Freiheit» (Mill 1974: 89) und «die Leute finden das Genie ganz schön, wenn es jemanden befähigt, ein reizendes Gedicht zu schreiben oder ein Bild zu malen.

Aber Transsexuelle sind nicht unbedingt genial und die Wahrscheinlichkeit, dass sie kreativen Ausdruck für ihre verzweifelten Gefühle suchen oder sich kompensatorisch in Arbeit fliehen, ist vielleicht  grösser,  wenn  man  ihren  Leidensdruck  nicht  mildert.


Allenfalls  könnten  Transsexuelle  als «exotisches Sexobjekt»  oder als «Belustigungsobjekt in Talkshows» dienen.  Doch das wäre höchst zynisch und schießt an der Behauptung Mills vorbei: er behauptet nicht, dass Freiheit für eine bestimmte Gruppe von Menschen zum Fortschritt der ganzen Menschheit beiträgt, sondern lediglich, dass sich die Menschheit besser entwickeln kann, wenn alle möglichst frei sind, als wenn alle unfrei sind. Das mag zu- treffen oder auch nicht. Ich befürchte, dass Freiheit (im Sinne von Abwesenheit von Zwang) alleine noch kein  Garant  für  Fortschritt  ist.  Und  überhaupt  gehen  die  Meinungen  darüber,  was  Fortschritt  sei,  weit auseinander. Bleibt noch zu prüfen, ob die Begründung, dass «persönliche Selbstbestimmung [...] etwas innerlich Wertvolles oder etwas, das um seiner selbst Willen Beachtung verdient», (Mill 1974: 79) sei, allei- ne schon tragfähig genug ist, um Freiheit zu rechtfertigen. Mill geht nicht ausdrücklich darauf ein, da er voraussetzt, dass  Harmonie  zwischen  den  beiden  Begründungssträngen für  Freiheit  herrscht.  Dennoch deutet die Bemerkung von «Nützlichkeit im weitesten Sinne [...], begründet in den ewigen Interessen der Menschheit als eines sich entwickelnden Wesens» (Mill 1974: 18, Hervorhebung E.B.) darauf hin, dass Freiheit eine unbedingte Voraussetzung für menschenwürdiges Leben sei, ebenso wie folgende Passage: «[...] so wird doch das Sich-Anpassen an Gebräuche rein als solches in ihm keine der Qua- litäten  entwickeln,  welche  die  unterscheidende  Mitgift  menschlicher  Wesen  bilden.  Die menschlichen Fähigkeiten [...] kann man nur dadurch üben, dass man eine Wahl trifft. (Mill 1974: 80f) 2.3 Freiheit wozu? Jetzt,  da  wir  festgestellt  haben,  dass  Freiheit  ein  lohnenswertes  Ziel  sein  kann  und  dass  Transsexuelle Menschen sind, denen die Freiheit nicht a priori verweigert werden kann, interessiert uns natürlich, wie weit diese Freiheit gehen darf. Denn selbstverständlich meint Mill nicht Willkürfreiheit, sondern legitime Freiheit, die ihre Grenze an der Freiheit des anderen findet.

Die eigentliche Kernaussage seines Werks «Über die Freiheit» ist, dass «die Menschen […] die Freiheit haben sollten, nach ihrer Meinung zu handeln, […] solange es auf eigene Kosten und Gefahr geht» (Mill 1974: 77) und dass eine Einschränkung der individuellen  Freiheit  durch  die  Gemeinschaft  nur  gestattet  ist,  um  die  Schädigung  anderer  zu verhindern: Dies Prinzip lautet: dass der einzige Grund, aus dem die Menschheit, einzeln oder vereint, in die Handlungsfreiheit eines ihrer Mitglieder einzumengen befugt ist, der ist: sich selbst zu schützen. Dass der einzige Zweck, um dessentwillen man Zwang gegen den Willen eines Mitglieds einer zivilisierten Gesellschaft rechtmäßig ausüben darf, der ist: die Schädigung anderer zu verhüten. (Mill 1974: 16) Damit verneint Mill, dass irgendjemand besser weiß, wie man leben soll, und deshalb befugt ist, anderen zu sagen, wie sie zu leben haben. Stattdessen fordert sein Prinzip den größtmöglichen Respekt vor der anderen Person und deren Willen, bedingt einzig dadurch, dass keine negativen Folgen für andere entstehen. Damit ist für Mill auch klar, wer die Beweislast zu tragen hat: [...] die Beweisführung [wird] von denen erwartet, welche sich als Gegner der Freiheit hin- stellen und irgendeiner Einschränkung oder einem Verbot das Wort reden [...]. Es ist a priori die Annahme immer zu Gunsten der Freiheit und Unparteilichkeit. (Mill 1991: 7, Hervorhebung im Original) Dennoch scheint dieses Gesetz der Beweisführung nicht zu gelten, wenn man gegen «die hergebrachte Sitte und das allgemeine Gefühl» antritt, wie Mill in der Einleitung zu «Die Hörigkeit der Frau» feststellt (Mill 1991: 7ff). In Bezug auf Transsexuelle trifft das ebenso zu: dass jemand, der für einen Mann gehalten wird, Frauenkleider anzieht, wird als unnatürlich angesehen. Mill sagt, «dass man unnatürlich gewöhnlich das nennt, was ungewöhnlich ist, und dass alles, was hergebrachte Gewohnheit ist, auch natürlich erscheint» (Mill 1991: 24, Hervorhebung im Original). Die Gewohnheit kann jedoch auch überwunden werden und sich ändern:  Früher  war es ungewöhnlich,  dass Frauen Hosen anziehen, heute  gilt es als normal. Und die Forderungen Mills nach der rechtlichen Gleichstellung der Frau in «Die Hörigkeit der Frau» gelten heute als selbstverständlich, so dass wir uns fast nicht mehr vorstellen können, dass Mill vor 130 Jahren nur Unverständnis erntete4. Für Mill ist klar, dass in einer modernen Gesellschaft das Prinzip der Freiheit Vorrang haben muss vor der Tradition:

Was ist der Charakter der modernen Welt – der hauptsächlichste Unterschied zwischen modernen Institutionen, modernen sozialen Ideen, modernem Leben und dem längst vergangener Zeiten? Die Überzeugung, dass Menschen nicht für einen vorbestimmten Platz im Leben  geboren  und  an  die  Stelle,  wohin  sie  die  Geburt  gewiesen,  unwiderruflich  gefesselt sind, sondern die Freiheit haben, ihre Fähigkeiten anzuwenden und jede sich darbietende Gelegenheit  benutzen,  um  diejenige  Lebensstellung  zu  erlangen,  welche  ihnen  die  wünschenswerteste scheint. (Mill 1991: 30f) Müsste Mill konsequenterweise nicht auch die Freiheit bejahen, wenn Menschen die Gelegenheit benutzen, um dasjenige Geschlecht zu erlangen, welches ihnen das wünschenswertere scheint? Mill äußert sich meines Wissens nicht zu dieser Frage. Das kann daran liegen, dass zu seiner Zeit, in der die Sexual- moral vom strengen viktorianischen Geist beherrscht war, sich nur sehr wenige Transsexuelle getrauten, zu ihren Gefühlen zu stehen, und diejenigen, die es trotzdem taten, für verrückt gehalten und aus der Gesellschaft  ausgeschlossen  wurden.  Mill:  «Dass  so  wenige  wagen,  exzentrisch  zu  sein,  enthüllt  die hauptsächliche Gefahr unserer Zeit» (Mill 1974: 93).

Mill wäre vermutlich erstaunt über die Möglichkeit eines Geschlechtswechsels und überrascht, dass es Menschen gibt, die das wollen. Ob er nach reiflicher Überlegung zum Schluss käme, dass Menschen die Freiheit haben sollten, ihr Geschlecht selbst zu wählen, oder ob er vom eigenen Mut erschreckt zurückkrebsen würde, kann ich nicht beantworten.

Einen  weiteren  Einwand  kann  ich  nicht  unberücksichtigt  lassen:  Der  Wille  einer  Person kann sich ja ändern, auch bei einer Entscheidung, die nur sie selbst betrifft. Soll ein Mensch z.B. die Freiheit haben, sich selbst zu versklaven?  Oder ist es in einem solchen Fall nicht angebracht, die Person vor sich selbst zu schützen? – Ja, meint Mill, denn: Die Ursache der Nichteinmischung in das Handeln eines Menschen [...] ist die Achtung vor seiner Freiheit.  [...]  Verkauft er sich aber als Sklave, so entsagt er seiner Freiheit und  verzichtet damit auf allen künftigen Gebrauch außer diesem letzten. [...] Das Prinzip der Freiheit kann nicht fordern, dass er die Freiheit haben sollte, nicht frei zu sein. (Mill 1974: 141) Kann etwas Analoges wie zur Selbstversklavung auch zur «Selbstkastration» gesagt werden? Schließlich hat eine geschlechtsangleichende Operation (unter anderem) genau jenes Ziel und bereits eine Hormon- behandlung hat nach kurzer Zeit nicht mehr rückgängig machbare Folgen. – Es gibt durchaus Parallelen, auch  wenn  eine  Selbstkastration  nur  einen  Teilbereich  der  menschlichen  Freiheit  verunmöglicht.  Der entscheidende  Unterschied  ist  aber,  dass  Transsexuelle  die  Sexualität  in  ihrem  Geburtsgeschlecht  viel eher als Last denn als Lust empfinden und daher gerne bereit sind, auf einen Teil der Freiheiten zu verzichten, wenn diese Maßnahme ihnen dafür andere, neue Freiräume eröffnet. Dennoch, der Wille der geschlechtswechselwilligen Person könnte ja nochmals kippen. Das ist tatsächlich nicht ausgeschlossen,   wenn auch relativ selten.

Zu den Vorsichtsmaßnahmen  gehört  eine gute Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen sowie ein Alltagstest, in der  das tägliche  Leben in der  anderen  Geschlechterrolle  er- probt  werden  kann.  Unter  Berücksichtigung  dieser  Bedingungen  sollte  meiner  Meinung  nach  die  Entscheidung zu einem solch schwerwiegenden Schritt der betroffenen Person überlassen werden und nicht einem so genannten Spezialisten. Sowohl die eine, wie Der andere können sich irren. – Und wer möchte im Falle eines Irrtums nicht lieber selbst Schuld sein.

Orginaltext: http://geschlechter.net/trans_mill_1.html

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