Copyright © 2011-2021 Nikita Noemi Rothenbächer- Alle
Rechte vorbehalten!
Geschrieben und Bearbeitet von
Nikita Noemi Rothenbächer 2015
Bitte kopiert den Link und Gebt
diesen euren Verwandten, Freunde, Bekannten und Familie denn Information beugt
vor, einer Minderheit anzugehören!
Urteil
des Europäischen Gerichtshofs
Trans* und zeugungsfähig
Wer das Geschlecht anpassen will, muss
sich vorher nicht sterilisieren lassen. Das entschied der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte.
Es ist ein Grundsatzurteil für die Menschenrechte von
Trans*menschen: Wer das Geschlecht anpassen will, muss sich vorher nicht
sterilisieren lassen. Mit seinem am Dienstag verkündeten Urteil hat der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg der Klage eines
Trans*mannes aus der Türkei stattgegeben: Der Mann, der nur mit der Abkürzung
Y. Y. bezeichnet wird, wollte sich 2005 einer geschlechtsangleichenden
Operation unterziehen.
Das zuständige Gericht verbot ihm jedoch die OP:
Erst
müsse er sich sterilisieren lassen. Dagegen klagte er.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte nun
einstimmig: Sterilität darf keine Voraussetzung für eine Geschlechtsangleichung
sein. Vorschriften dieser Art widersprächen dem Artikel 8 der Menschenrechtskonvention,
die das allgemeine Recht jeder Person auf Achtung ihres Privat- und
Familienlebens festschreibt. Zudem sei die Freiheit, das eigene Geschlecht
auszuleben, ein essentieller Teil des Rechts auf Selbstbestimmung.
„Wir sind sehr zufrieden, dass das Gericht diese absurde
Regelung für ungültig erklärt hat“, kommentiert Richard Köhler von der
Menschenrechtsorganisation Transgender Europe (TGEU). „So können Trans*leute in
der Türkei Zugang zu medizinischer Behandlung bekommen, die ihre Lebensqualität
signifikant verbessern kann.“ Es sei nun an der Türkei, das Urteil des
Europäischen Gerichts auch im türkischen Recht umzusetzen.
Transgender Europe hatte bereits vor knapp zwei Wochen mit
einem berührenden Youtube-Video auf die demütigende Behandlung von Trans*menschen
durch Staat, Medizin und Gesellschaft hingewiesen. Der Clip ist aus der Sicht
einer Trans*frau gedreht, die versucht, ihren Personenstand zu ändern, um auch
offiziell als Frau leben zu können.
Wegweisender Charakter für Trans*aktivisten
Für Y.Y. hat das Gerichtsurteil vor allem symbolische
Wirkung, ihm wurde 2013 eine geschlechtsangleichende Operation dann doch
erlaubt. Doch für Trans*aktivist_innen und Menschenrechtler_innen hat das
Grundsatzurteil wegweisenden Charakter: 47 Staaten sind derzeit Mitglied des
Europarates, sie alle sind an die Urteile des Menschenrechtsgerichtshofes
gebunden. Doch nach Angaben von Transgender Europe gilt noch in 20 dieser
Länder Sterilität als Voraussetzung für geschlechtsangleichende Operationen.
Auch Deutschland arbeitet noch an der angemessenen
Behandlung von Trans*menschen. Das 1981 eingeführte Transsexuellengesetz
erlaubte eine Personenstandsänderung (also die formale Angleichung des
Geschlechts) nur, wenn die beantragende Person „dauernd fortpflanzungsunfähig“
sei und sich auch körperlich voll dem gefühlten Geschlecht angeglichen habe.
2011 kassierte das Bundesverfassungsgericht diese Regelung: Eine vom Staat
verordnete Operation sei unvereinbar mit der im Grundgesetz garantierten
Menschenwürde und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Vier der sieben Richter hätten diese Regelung, die so
ähnlich immer noch in vielen Ländern gilt, am liebsten auch gleich
mitbehandelt. „Auch dies ist ein wichtiges Zeichen für die
Trans-Community", sagte Alecs Recher, Anwalt und Co-Vorsitzender von
Transgender Europe. Der Weg zur Anerkennung der Rechte von Trans*menschen ist
noch weit. Doch das vorliegende Urteil macht Mut.
Quelltext: http://www.taz.de/!156298/
Vom "sie" und "er" zum
"sier"
Auf dem zweiten Europäischen
Transgender-Council gehen Menschen, die nicht ins Zwei-Geschlecht-Schema
passen, an die Öffentlichkeit.
Dass es zwei Geschlechter gibt, wird selten in Frage
gestellt. Dass man sich in seiner Haut nicht wohl fühlen kann, ebenso wenig. So
gibt es auch immer wieder Männer, die sich wie Frauen, und Frauen, die sich wie
Männer fühlen. "Tomboy" nennt man Letztere mitunter, wenn es sich um
junge Mädchen handelt, die gerne Jungs wären. "Das wächst sich raus",
heißt es meistens. Was aber, wenn nicht? Wenn die Frau partout ein Mann sein
will und der Mann eine Frau?
Manche machen sich dann auf den mühsamen Weg, sich dem
Wunschbild anzugleichen. Lange wurde dabei das zweigeschlechtliche Modell nicht
in Frage gestellt. Ein Dazwischen - im Kopf Mann, im Körper Frau etwa - war
kaum denkbar. Dass es solche transidentischen Menschen, für die sich auch der
Begriff "Transgender" durchgesetzt hat, gibt, wurde lange nicht
wahrgenommen. Erst seit wenigen Jahren ist Transgeschlechtlichkeit ein
politisches und öffentlich wahrgenommenes Thema.
Dabei gebe es neben Mann und Frau viele Spielarten von
Identität, sagt Dan Christian Ghattas, einer der Organisatoren. "Die
Bindung der Geschlechtsidentität an äußere Körpermerkmale - wie sie ja auch
vielen sogenannten geschlechtsuneindeutigen Neugeborenen operativ aufgezwungen
wird - spiegelt eine auf Kontrolle ausgerichtete Gesellschaft." In der
Regel denke man eben in zwei Geschlechtern. "Das Uneindeutige dagegen
macht Angst", fügt Carsten Balzer, Vorsitzender des wissenschaftlichen
Beirats des Transgender-Netzwerkes Berlin. Balzer weiß, wovon er spricht. Für
manche Menschen ist er eine sie.
Anfang Mai findet im Schöneberger Rathaus nun das Zweite
Europäische Transgender Council (TGEU) statt. Dort treffen sich fast 200
AktivistInnen aus 36 Ländern.
Der europäische Rahmen, auf den es ursprünglich
ausgerichtet war, ist gesprengt. Transgender-Menschen aus Südamerika, aus
Japan, aus Aserbaidschan haben sich auch angemeldet. Ihr oberstes Anliegen ist
die Verbesserung ihrer Lebenssituation. Denn neben der staatlichen Missachtung,
die sie in den meisten Ländern erfahren, auch in der EU, sind sie mancherorts
zusätzlich massiver Verfolgung oder Gewalt ausgesetzt, sagt Balzer. In einer
Studie aus Großbritannien sprechen 73 Prozent der befragten 800
transidentischen Menschen von alltäglicher Diskriminierung am Arbeitsplatz, in
der Öffentlichkeit, im Gesundheitssystem. In einigen Ländern wird gar schon das
Tragen der Kleidung des anderen Geschlechts sanktioniert, wie etwa in der
Türkei.
Gewalt kann jedoch auch anders aussehen. In Deutschland
muss, wer seinen Personenstand, also sein Geschlecht im Pass, geändert haben
will, Unfruchtbarkeit nachweisen. In Österreich und der Schweiz muss jemand,
der seinen Vornamen in einen Vornamen des anderen Geschlechts ändern will,
sogar sämtliche geschlechtsangleichenden Operationen hinter sich haben. Die
Erlaubnis dazu muss man sich vom Psychologen holen. Er diagnostiziert eine
Geschlechtsidentitätsstörung. "Und selbst, wenn Sie die OPs wollen, was
machen Sie in der Zwischenzeit?", fragt Ghattas. "Auf welches
öffentliche Klo gehen Sie? Zu welchem Arzt? Wie kommen Sie ins Ausland, wenn
Ihr Pass Unvereinbarkeiten zwischen Aussehen und Eintrag vorweist?" Immer,
wenn Ausweise gezeigt werden müssen, gebe es Probleme. "Und was macht man,
wenn man sich gar nicht operieren lassen will?"
Die Aktivisten der Transgender Organisationen fordern
deshalb auf der Konferenz das Recht auf freie Vornamenswahl sowie das Recht auf
Änderung des Personenstands ohne medizinische Vorbedingungen. Ebenso zentral
ist die Forderung, dass die Antidiskriminierungsgesetze auch für
transgeschlechtliche Menschen gelten müssen.
"Geschlechterrollen sind gesellschaftlich
hergestellt", sagt Ghattas. Eine Gesellschaft aber, die sich von diesem
Paradigma befreit, gewinne an Offenheit. "Bipolares Denken in Gut und Böse
in Schwarz und Weiß hat selten jemanden weitergebracht."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen