Mittwoch, 21. Mai 2014

"Sag es keinem anderen" Die Geschichte der Hermaphroditen


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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2013
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Was bin ich? Mann oder Frau?

Bei jedem 200. Baby ist das Geschlecht nicht klar. Oft wird das Problem zu früh durch Operation gelöst. Gegen die Geschlechtsbestimmung per Skalpell regt sich Widerstand – zu Recht?
Als Debbie Hartman 1993 aus der Narkose erwacht, hört sie Stimmen. Sie hat gerade einen Kaiserschnitt hinter sich, und die Ärzte an ihrem Bett sagen so etwas wie »Das Kind: gesund. Junge oder Mädchen: unklar.« Hartman glaubt zu halluzinieren. Aber Untersuchungen ergeben, dass ihr Baby nur einen einzigen Hoden hat und lediglich einen Knubbel, der aussieht wie ein winziger Penis. Eine Scheide oder eine Gebärmutter ist nicht zu finden. Die genetischen Tests fallen noch verwirrender aus: Manche Zellen haben die typisch weiblichen XX-Chromosomen, andere XY-Chromosomen wie bei Jungen und manche ein einzelnes X-Chromosom, das als Turner-Syndrom bei Mädchen bekannt ist und sehr selten auftritt.
Die Mutter, die sich auf die Geburt eines Sohnes gefreut hat, ist schockiert: Welches Geschlecht hat ihr Kind? Ihre Freunde werden gebeten, erst mal keine hellblauen oder rosafarbenen Dinge für das Baby zu schenken – sie sollen lieber nur eine Karte schreiben. Zwei Wochen leben die Hartmans in Ungewissheit, bis die Ärzte entscheiden, dass ihr Kind ein Junge ist.
Doch kaum haben die Eltern ihn Kyle getauft, als er im dritten Lebensmonat wegen eines Leistenbruchs operiert werden muss. Noch während des Eingriffs kommt ein Chirurg ins Wartezimmer und erklärt den Eltern, ihr Sohn sei eine Tochter: Sie hätten verkümmerte Eierstöcke und Eileiter gefunden. Da das Kind noch unter Narkose stehe, solle man die Eierstöcke und den einzelnen Hoden gleich entfernen, denn dieses Gewebe sei anfällig für Krebsgeschwüre. Die verdatterten Eltern willigen ein. Anstelle ihres Sohnes Kyle nehmen sie am Tag darauf eine Tochter Kelli mit nach Hause.
»Diesmal brachten die Freunde rosa Babykleidung mit Rüschen und Schleifchen. Doch ich fühlte mich, als wäre mein Sohn gestorben«, erinnert sich Hartman später. »Zum Glück gab es Kelli.« Schwer nachzuempfinden, in welches seelische Auf und Ab die Eltern durch die Zweigeschlechtlichkeit ihres Neugeborenen getrieben wurden. Und die Leidensgeschichte der drei Hartmans war noch nicht vorbei.
Kyle/Kelli repräsentiert, was Mediziner traditionell als »Hermaphrodit« bezeichnen: ein Mensch mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen. Der Begriff leitet sich aus der griechischen Mythologie ab: In Ovids »Metamorphosen« umarmt die verliebte Nymphe Salmakis den Hermaphroditos, Sohn von Aphrodite und Hermes, so innig, dass sie mit ihm zu einem zweigeschlechtlichen Wesen verschmilzt. Die Bezeichnung Hermaphrodit wird heute von den Betroffenen als diskriminierend abgelehnt: Sie fühlen sich den »Intersexuellen« zugehörig – Menschen mit nicht eindeutigen Geschlechtsmerkmalen.
Ein Begriff, der auch die »Pseudohermaphroditen« einbezieht: Ihre Keimdrüsen sind eingeschlechtlich – ihre Geschlechtsorgane jedoch sind wie beim entgegengesetzten Geschlecht ausgebildet. Wie es zu intersexuellen Babys kommt, darüber stellt die moderne Medizin Vermutungen an, die nicht allzu weit von Ovid entfernt zu sein scheinen: Zwei Eier werden befruchtet, eines von einem X-, das andere von einem Y-Spermium. Aber statt sich unabhängig voneinander zu Zwillingen zu entwickeln, wachsen die Eizellen zu einem einzelnen Embryo zusammen, so die These.
Echte Hermaphroditen wie Hartmans Baby sind extrem selten, Pseudohermaphroditen kommen häufiger vor. Insgesamt schätzen US-Mediziner, dass bei jedem 200. Baby das Geschlecht nicht eindeutig ist. Rund 30 genetische und hormonelle Konditionen können Intersexualität hervorrufen. Bei manchen Betroffenen ist die Uneindeutigkeit so geringfügig, dass sie ohne Probleme in einer eindeutigen Geschlechterrolle leben. Bei anderen tritt erst in der Pubertät zutage, dass sie anders sind. Manche sind von Geburt an durch eine anatomische Besonderheit gekennzeichnet – einer zu großen Klitoris oder einem zu kleinen Penis. Jedes 2000. Neugeborene weist so gravierende Auffälligkeiten auf, dass es operiert wird, schätzt Anne Fausto-Sterling, Biologie-Professorin an der Brown-Universität in Providence, Rhode Island.
In den USA wird die Intersex-Thematik inzwischen einigermaßen offen diskutiert. Viele Betroffene outen sich und beklagen die frühen operativen Eingriffe, die ihnen die Möglichkeit zur sexuellen Empfindung oft unwiederbringbar genommen haben. In Deutschland sind Intersex-Babys ebenso häufig wie in den USA, doch die öffentliche Debatte darüber steckt noch in den Anfängen. Auch hier wird möglichst schnell nach der Geburt zum Messer gegriffen – in der Hoffnung, dass sich mit der körperlichen »Normalität« auch die mentale einstelle. Jetzt wächst in den USA allmählich der Widerstand: Die Medizin mache es sich mit ihrer gängigen Praxis zu einfach.
Intersexualität ist ein Phänomen, vor dem man gern die Augen verschließt. Dabei wäre eine neue Sichtweise der Geschlechtlichkeit angebracht: »Es gibt, philosophisch betrachtet, nicht zwei Geschlechter auf der Welt«, sagt Fausto-Sterling, »die menschliche Sexualität ist vielmehr ein Kontinuum oder ein Spektrum.« Mediziner kennen viele physische Abnormalitäten, mit denen Babys auf die Welt kommen können. Doch im Gegensatz etwa zur Hasenscharte tritt die Intersexualität in jenem sensiblen Bereich auf, der die Identität eines Menschen bestimmt.
Obwohl das Geschlecht eines Embryos bereits bei der Zeugung feststeht, zeigen sich anatomische Unterschiede erst zwei Monate später. Männliche und weibliche Genitalien wachsen aus denselben Geschlechtsdrüsen (»Gonaden«) heran. Erst ein Signal eines Gens auf dem Y-Chromosom veranlasst die Entwicklung der Gonaden zu Hoden. Fehlt das Signal, entstehen etwas später die Eierstöcke. Aus derselben ursprünglichen Masse bilden sich dann entweder der Penis oder die Klitoris sowie der Hodensack oder die Schamlippen. Wenn die Hormone im Embryo zu stark schwanken oder ein Signal nicht ankommt, entsteht Intersexualität:
- Bei der weiblichen Variante ist ein genetisch weiblicher Fötus im Mutterleib zu vielen Androgenen (männlichen Geschlechtshormonen) ausgesetzt: Eine fruchtbare Frau entsteht, deren Klitoris aber so groß ist, dass sie für einen Penis gehalten werden kann. Die Schamlippen wirken wie ein leerer Hodensack .
- Bei der männlichen Variante ist ein genetisch männlicher Fötus zu wenig Androgenen ausgesetzt. Das Kind kann entweder insgesamt sehr weiblich aussehen, oder es hat ambivalent wirkende Genitalien, etwa einen sehr kleinen Penis. Im Erwachsenenalter sind diese Männer unfruchtbar.
- Das »Androgen-Insensitivitäts-Syndrom« (AIS) ist besonders tückisch: Das Neugeborene wirkt perfekt weiblich, hat aber männliche Chromosomen. Bei diesem Syndrom hält ein Gen auf dem X-Chromosom den Fötus davon ab, auf Testosteron zu reagieren. Menschen mit AIS sind steril – die Vagina ist eine Sackgasse. Sie haben Hoden im Unterleib und keine Gebärmutter, fühlen sich aber ihr Leben lang weiblich. Meist wird AIS erst in der Pubertät festgestellt, wenn sich keine Regelblutung einstellt.
Trotz aller medizinischen Definitionen wirkt die Geschlechtsbestimmung eines Babys recht willkürlich. Die Ärzte handeln nach folgenden medizinischen Konventionen: Nur wenn ein Penis beim Neugeborenen größer als zwei Zentimeter ist und die Harnleiteröffnung vorn hat, geht das Baby als Junge durch; um ein Mädchen handelt es sich nur, wenn die Klitoris kürzer als einen Zentimeter ist. Hat ein Junge einen sehr kleinen Penis, kann er zum Mädchen umbestimmt werden, auch wenn er Hoden besitzt. Insbesondere wenn die Harnwegsöffnung seitlich sitzt, wird er häufig zum Mädchen umoperiert – auch weil ihm das Urinieren im Stehen unmöglich wäre. »Bei der Bestimmung des Geschlechts haben wir es mit viel Sexismus zu tun«, sagt Charlotte Boney, Kinder-Endokrinologin am Rhode-Island-Krankenhaus in Providence.
Die herrschende Praxis erscheint umso willkürlicher, als sie die genetische Präposition völlig außer Acht lässt. Der Genetik-Professor Eric Vilain an der Universität von Kalifornien in Los Angeles untersuchte Maus-Embryonen im Mutterleib, deren Geschlechtsmerkmale noch nicht ausgeprägt waren. Er fand in den Gehirnen 54 verschiedene Gene, die je nach Geschlecht der Maus mehr oder weniger aktiv waren: Das zeigt, dass auch Gene eine wichtige Rolle in der frühen Entwicklung sexueller Identität spielen. Vilain: »Hormone sind nicht allein verantwortlich für das Gefühl, männlich oder weiblich zu sein.«
Bislang wirft die Intersexualität viele Fragen auf: Was überhaupt definiert das Geschlecht eines Menschen – die Chromosomen, das Erscheinungsbild, die Psyche? Und was, wenn diese Merkmale nicht über-einstimmen? Wie kann man ein Geschlecht bestimmen, wenn es keine sicheren Indizien gibt? Und wenn man ein Kind operativ auf ein Geschlecht festlegt, es sich aber später für das andere entscheidet: Was bedeutet dann homo- oder heterosexuell?
In der Medizin gelten Intersex-Geburten als eine Art sozialer Notfall. Die Ärzte wollen das Geschlecht möglichst schnell bestimmen und korrektive Operationen durchführen, um den Eltern die Zeit der Ungewissheit zu verkürzen. Diese müssen natürlich zustimmen – doch meist sind sie so schockiert, dass sie den Vorschlägen der Ärzte folgen, ohne sich in Ruhe zu informieren. Die Zeit hätten sie – denn eine sofortige Operation ist nicht nötig.
Den Wendepunkt der öffentlichen Meinung über die Geschlechtsbestimmung per Skalpell markierte ein berühmter Fall des US-Psychologen John Money. Der empfahl 1965, einen acht Monate alten Jungen, dessen Beschneidung schiefgelaufen war, zu einem Mädchen umzuoperieren und danach mit Hormonen zu behandeln – obwohl er, abgesehen vom verstümmelten Penis, eindeutig männlich war. Als Mädchen namens Brenda schien er ein glückliches Leben zu führen; in Mediziner- und Psychologenkreisen sowie in der Presse galt der Fall als Paradebeispiel dafür, dass die Erziehung alles sei, was die Geschlechtsidentität prägt. Doch vor Kurzem platzte die Bombe: In seiner Autobiografie schildert der operativ verweiblichte Junge, dass er in seiner Kindheit niemals glücklich war. Als junger Erwachsener hat er den Namen David Reimer angenommen, und später versuchte er sogar, die ihm genommenen männlichen Geschlechtsorgane chirurgisch nachbilden zu lassen.
Die Operation vom Jungen zum Mädchen findet weitaus häufiger statt als umgekehrt: »Das ist viel leichter durchzuführen«, sagt Celia Kaye, Pediatrie-Professorin am »University of Texas Health Center« in San Antonio, »doch ob die Operierten zu glücklichen, funktionsfähigen Frauen heranwachsen, sei dahingestellt.« Studien von Professor William Reiner an der Johns-Hopkins-Universität haben gezeigt, dass Jungen, die mit einem Mikropenis auf die Welt kamen, zu Mädchen umoperiert wurden und auch als Mädchen aufwuchsen, später dennoch meist die männliche Geschlechtsidentität wählen.
Max Beck, ein Mann Mitte dreißig aus Atlanta, erinnert sich ungern an seine Kindheit: »Etwas war komisch. Es gab einmal im Jahr die heimlichen Arztbesuche in New York, wo mir zwischen die Beine geguckt wurde. Ich wusste, da war etwas Fürchterliches, über das man nicht spricht.« Erst mit 24 fand Max heraus, was los war: Er war als Junge geboren und dann wegen seines zu kurzen Penis zum Mädchen umoperiert worden: Mit 17 Monaten wurde sein kleiner Phallus zu einer Scheide, aus Max wurde Judy. »Ich kam mir immer vor wie ein Monster, aber mir war nicht klar, dass meine Gefühle mit einer männlichen Geschlechtsidentität zu tun hatten.«
Judy brach ihr Studium ab, heiratete einen Mann und beging später einen Selbstmordversuch. Dann traf sie Tamara und nahm Kontakt zur einer Selbsthilfegruppe auf. »Das rettete mein Leben«, sagt Max. Er begann, Testosteron einzunehmen, und wurde wieder zu einem Mann. Max und Tamara sind heute verheiratet, aber Max ist steril und hat keinen Penis – der wurde ihm als Kind entfernt. Das macht ihn heute wütend: »Wenn du etwas wegschneidest, kannst du es nicht wieder ankleben.«
Doch auch die Operation von Mädchen mit auffälligen Geschlechtsorganen ist problematisch: Manche Kritiker bezeichnen die Verkleinerung einer zu großen Klitoris als Genitalverstümmelung: »Das ist wie eine rituelle Beschneidung«, sagt Angela Lippert aus Peoria in Illinois. Als sie zwölf wurde, begann ihr Körper, der zweifellos weiblich war, sich zu verändern: Die Klitoris wuchs dramatisch. Mehrere Ärzte schlugen eine Operation vor: »Sie erzählten mir, dass meine Eierstöcke sich nicht entwickelt hätten und besser entfernt würden. Doch als ich aus der Narkose aufwachte, fehlte auch meine Klitoris. Aber ich war zu beschämt, um danach zu fragen.«
Der Widerstand gegen den willkürlichen Umgang mit Intersexualität in den USA hat sich in der Intersex Society of North America (ISNA) organisiert. Ihre Gründerin Cheryl Chase ist selbst Betroffene: Sie kam als Junge zur Welt und wurde mit 18 Monaten zum Mädchen erklärt. Damals entfernten die Ärzte den kompletten Penis, der eigentlich ihre Klitoris war. »Sie sagten, dass ich keine Klitoris bräuchte, weil ich ja eine Vagina hätte. Weibliche sexuelle Funktionen waren keinen Pfifferling wert.« Chase lebt heute mit ihrer Partnerin zusammen. Sie tritt dafür ein, dass Ärzte sich zwar wie bislang darum bemühen, Intersex-Babys so schnell wie möglich einem Geschlecht zuzuordnen – aber mit einem operativen Eingriff sollen sie so lange warten, bis die Kinder in die Pubertät kommen und mitentscheiden können: »Wenn eine Person mit doppeldeutigen Geschlechtsorganen später eine Operation will, kann sie eine informierte Entscheidung treffen.«
Dass zur Eile kein Grund besteht, zeigt das Beispiel der Transsexuellen. Sie sehnen sich nach einem Leben im Körper des anderen Geschlechts, kleiden sich entsprechend – und versuchen manchmal im Erwachsenenalter, sich chirurgisch umgestalten zu lassen. Aber bis es dazu kommt, müssen sie mehrere psychologische Gutachten beibringen. Anzeichen, dass es während der Wartezeit zu Identitätsproblemen kommt, sind nicht bekannt. Warum sollte es bei Intersexuellen anders sein? Oft werden die Identitätskrisen durch zu frühe, oft irreversible Eingriffe erst geschaffen.
Auch Debbie Hartman sagt heute, dass sie mit der Operation ihrer intersexuellen Tocher Kelli besser gewartet hätte: »Eltern können ihren Kindern helfen, mit Geschlechtsorganen zu leben, die anders aussehen.« Als Kelli zweieinhalb Jahre alt war, stimmte die Mutter »naiv und uninformiert« einer erneuten Operation zu: Um die Genitalien der weiblichen Norm anzunähern, wurde der kleine Knubbel-Penis entfernt und stattdessen aus Darmgewebe eine Vagina mit Klitoris geformt. Hartman: »Die Ärzte sagten, ich solle sie möglichst jung operieren lassen, damit sie später keine Erinnerung an den Eingriff hat.«
Aber dass Unheimliches mit ihm geschah, spürte das Kind schon früh – auch wenn es noch nicht darüber sprechen konnte. Dreimal am Tag musste die Mutter Kellis neue Vagina mit einem Stab weiten, damit das Narbengewebe die Öffnung nicht wieder verschloss. Dabei wehrte sich die Tochter so sehr, dass ihre Großmutter sich quer über sie legen musste. Und eines Tages kam die bange Frage: »Mama, warum hast du damals immer den Stab in mich hereingesteckt?« Hartman erinnert sich: »Da wusste ich zum ersten Mal, wie sehr Kelli das alles mitgenommen hat.«
Auch drei weitere Operationen schafften das Problem der Geschlechtsidentität nicht aus der Welt. Im Alter von vier Jahren begann Kelli zu fragen, ob sie ein Junge oder ein Mädchen sei. Mit sechs wollte sie wissen, was ihre Operationsnarben zu bedeuten hätten. Als die Tochter acht war, gab ihre Mutter auf und erklärte ihr alles über ihren Zustand. »Noch heute sagt sie oft, dass sie lieber ein Junge wäre. Sehr wahrscheinlich wird sich Kelli am Ende doch als Mann identifizieren«, sagt Hartman.
Die Mutter ist überzeugt, dass ihre Tochter »nicht nur körperliche, sondern auch seelische Narben« davongetragen hat. Die heute 13-Jährige leidet unter depressiven Schüben und der Konzentrationsschwäche ADHD. Ihre Interessen sind nicht unbedingt geschlechtsspezifisch: Sie bastelt gern mit Ton oder Holz, sie spielt Schlagzeug, Gitarre und Klavier, sie liebt die Backstreet Boys, und sie interessiert sich für Autos und Motoren. Auf die Frage, was sie einmal werden will, antwortet sie: »Vielleicht werde ich ein männlicher Schreiner. Dann werde ich ernster genommen.«

Sind Sie ein Mann oder eine Frau?
Können sie sich vorstellen beides gleichzeitig zu sein?
Das für die meisten von uns so eindeutige Geschlecht gibt meist keinen Anlass zum Zweifel. Was aber wäre, wenn dem vor Testosteron strotzendem männlichen Muskelpaket außer seinem Riesenphallus nun plötzlich zusätzlich große Brüste wüchsen. Oder die von zartester Haut umkleideten makellosen weiblichen Konturen würden beim Blick über den Busen auf ein fleischiges Ding zwischen den Beinen sehen mit einem faltigen Gebilde zweier Kugeln darunter? Dann würde das Geschlecht vermutlich zu einem phantasmagorischen Albtraum.
"Sag es keinem anderen"
Die Geschichte der Hermaphroditen
Von Kirstine Schwenger

Unser Recht kennt nur zwei Geschlechter: Männer und Frauen und Kinder männlichen oder weiblichen Geschlechts. Vor 200 Jahren tauchte im Allgemeinen Preußischen Landrecht noch ein drittes Geschlecht auf - ein "Zwitterparagraf" regelte die Rechte der Hermaphroditen, Menschen die mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen zur Welt kamen. Später wurde der Paragraf gestrichen, Recht und Gesellschaft verlangten Eindeutigkeit. Daran hat sich bis heute nicht viel verändert.

Seit Jahrhunderten werden Hermaphroditen oder Intersexuelle systematisch zum Verschwinden gebracht. Sie passen ganz offensichtlich nicht so recht in die alltägliche Ordnung unserer zweigeschlechtlichen Welt. Im Bereich der Medizin und selten genug in der Psychologie, dort wo Wissenschaftlerinnen und Fachleute es sich erlauben etwas genauer hinzuschauen, sind sie jedoch immer dagewesen, oft sogar überdeutlich sichtbar. Sie, vielmehr noch ihre Geschlechtsteile, wurden gezeichnet, fotografiert, gemessen und beschnitten. Denn wer nicht eindeutig als Mädchen oder Junge zu erkennen ist, soll mit Hilfe der medizinischen Technik männlich oder weiblich werden.

Der römische Dichter Ovid erzählt zu Beginn unserer Zeitrechnung die Sage von Hermaphroditos, dem Sohn der Göttin Aphrodite und dem Gott Hermes. Eine verliebte Nymphe soll ihn als Knaben ins Wasser einer Quelle gezogen haben um sich mit ihm zu vereinen. Sie bat die Götter den Widerstrebenden nie wieder von ihr zu trennen, und ihr Wunsch wurden erhört - der Knabe und sie wurden zu einem Wesen, halb Frau und halb Mann - Ovid nannte ihn Hermaphroditos.
Seither ist die Fabelgestalt ein beliebtes Motiv für Künstler gewesen, aber um 1600 taucht sie in ganz neuen, der Mythologie fremden Zusammenhängen auf. Sie wird zum Gegenstand der Rechtswissenschaft und der Medizin und auch die herrschende Moral schaut missgünstig und ganz genau hin - die Sagengestalt ist in der Wirklichkeit angekommen und verunsichert ihre Mitmenschen.

"Zum Beispiel gibt es ein zum damaligen Zeitpunkt recht intensiv diskutierten Fall des französischen Zimmermädchens Marie le Marcis aus Rouen, das 1601 wegen gleichgeschlechtlicher sexueller Akte vor Gericht gestellt wurde und in einer Serie von Gutachten wurde ihr am Ende von einem Mediziner bescheinigt, dass es keine Frau sei, sondern eben ein Hermaphrodit mit einem verborgenen Penis. Und dieses Urteil dieses Mediziners hat im Endeffekt diese Frau oder diesen Hermaphroditen, wie auch immer, vor einer recht starken Strafe bewahrt."

Fabian Krämer vom Berliner Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, der sich mit der Geschichte der Hermaphroditen beschäftigt hat.

"Woran man gleich dazu geben sollte, dass es zu diesem Zeitpunkt zwei große unterschiedliche Lehrmeinungen gab zum Hermaphroditismus, zwei unterschiedliche Erklärungsmodelle.
Dieser besagte Mediziner Jaques Duval war einem dieser Modelle anhängig, dem hippokratisch-galenischem Erklärungsmodell, demgemäß es Hermaphroditen gäbe, als Mischung der beiden Geschlechter. Diesem Erklärungsmodell gegenüber standen aber Aristoteliker, die sich auf Aristoteles berufend die Meinung vertreten haben, dass es keine Hermaphroditen gibt, sondern lediglich Individuen, die auf den ersten Blick so aussehen wie Hermaphroditen, weil sich eine Verdoppelung der Genitalien zeige, von denen aber jeweils ein Körperteil funktionsunfähig sei.
Also diese verschiedenen Lehrmeinungen waren beide schon ab einem gewissen Zeitpunkt im Mittelalter verfügbar und wurden auch vertreten. Allerdings bekam der Antagonismus zwischen ihnen neue Nahrung dadurch, dass hippokratische Lehrmeinungen im 16.Jahrhundert einen gewissen Auftrieb in Europa erhalten haben, sodass gerade die intensivierte Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Schulen oder Lehrmeinungen auch dazu geführt hat, dass Hermaphroditen noch stärker diskutiert wurden, als im Mittelalter."

Worauf die Wissenschaftler einer Epoche ihr Interesse richten, und vor allen Dingen, wie sie es tun, ist abhängig von wechselnden Moden. Im 16.Jahrhundert haben wir es laut Fabian Krämer offenbar mit dem neugierig staunenden Gelehrten zu tun - auf der Suche nach dem Wunderbaren.

"Für das Auftauchen von Hermaphroditen in dem Sinne, dass sie zunehmend thematisiert wurden um 1600 war auch noch ganz wesentlich, dass in diesem Zeitraum sowohl Naturkundige als auch andere Gelehrte sich zunehmend für die außergewöhnlichen oder seltenen Produktionen der Natur interessierten. Sogenannte Wunder oder sogenannte Monstren - und in diesem Kontext wurden eben auch Hermaphroditen zunehmend thematisiert.

Zunächst einmal hatte man damals einen Naturbegriff, der vom heutigen abweicht. Und zwar hat man die Natur als nicht in ihren Produktionen ganz gleichförmig, als Naturgesetzen unterworfen verstanden, sondern man hat ihr durchaus zugesprochen zu spielen etwa und ganz außergewöhnliche Dinge hervorzubringen. Und diese außergewöhnlichen und seltenen Dinge wurden als besonders wert der Aufmerksamkeit angesehen. In dem Zusammenhang ist auch wichtig, dass das Staunen als Emotion des Naturforschers, als Affekt während der Arbeit, während des Beobachtens eines Gegenstandes nicht abgewertet wurde, sondern zum Selbstbild des Naturkundigen gehörte; das heißt, es hatte einen Wert etwas Bestaunenswertes sich anzusehen und darüber wissenschaftlich zu arbeiten."

Das 18. Jahrhundert gilt als Jahrhundert der Aufklärung. An die Stelle des Staunens und unvoreingenommenen Beschreibens der als vielfältig und launisch empfundenen Natur, tritt die analytische Suche nach eindeutigen Wahrheiten. Den wunderlichen Erscheinungen der Natur sollen die Schleier weggerissen werden - sie verführen ja nur dazu, eigentlich Eindeutiges als schwankend, spielerisch und wechselhaft anzusehen. Im "Licht der Vernunft" sollte Klarheit geschaffen werden - es galt, Ordnung in die Natur zu bringen.

Das waren schlechte Zeiten für uneindeutige Zwitterwesen. Die Wissenschaft, die Medizin konzentrierte sich zunehmend darauf, festzustellen, dass es sich letzten Endes doch um fehlerhafte Männer oder fehlerhafte Frauen handelte. Hermaphroditen - als dritte Möglichkeit - verschwanden, wenn man so will - im Schatten des Lichtes der Aufklärung.

"Die Natur wurde nun nicht mehr als möglicherweise spielend angesehen, als eher durch Gewohnheiten, die sie immer mal wieder auch durchbrach, kategorisiert, sondern vielmehr als eine Natur, die Naturgesetzen starr unterworfen war. Das ist ein ganz wichtiger Faktor. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Veränderung der wissenschaftlichen Sensibilität. Das Staunen und das Vergnügen auch in der Beschäftigung mit außergewöhnlichen Phänomenen wurde zunehmend abgelehnt unter den Intellektuellen, und stattdessen die Skepsis in den Vordergrund gerückt."

Um die verlangten exakten Geschlechtsdiagnosen zu stellen, waren die Mediziner darauf angewiesen, eindeutige Merkmale oder Verhaltensweisen zu erkennen, die sie nur einem Mann oder nur einer Frau zuordnen konnten. Im 18. Jahrhundert wurde die Existenz von oder der Mangel an Hoden zum primären wissenschaftlichen Kriterium der Geschlechtszuordnung. Aber als wolle die Natur doch wieder zum Spielen auffordern, versteckte sie dieses Kriterium bei den Hermaphroditen häufig im Bauchraum und ließ es so klein bleiben, dass es kaum tastbar war. So wurde manche Frau nach dem Tod als "Mann", als "Hodenträger", diagnostiziert.

So sehr sich die Mediziner aber um eindeutige Kriterien für die Diagnose des wahren Geschlechts bemühten, sie mussten allenthalben einräumen, dass sie bei lebenden Hermaphroditen, insbesondere bei Kindern, zu keinem sicheren Urteil gelangen konnten. Trotzdem forderten akademische Ärzte eine medizinische Überwachung des Geschlechtsstatus sowie der Ehetauglichkeit von Hermaphroditen und stellten sich gegenüber Hebammen und Chirurgen als die allein zuständigen Experten dar: Denn jene würden leicht eine falsche Geschlechtszuweisung vornehmen, was zur Folge haben könne, dass sich ein verkannter Scheinzwitter mit einer Person gleichen Geschlechts verheirate. Das ziehe nicht nur gravierende individuelle Probleme nach sich, sondern bedrohe auch die Geschlechter- und die sexuelle Ordnung und unterlaufe den - im 18. Jahrhundert bereits unter bevölkerungspolitischen Gesichtspunkten thematisierten - Ehezweck der Fortpflanzung.

Die akademisch gebildeten Mediziner standen im 18. Jahrhundert unter einem gewissen Legitimationsdruck. Denn die praktische Arbeit am Patienten verrichteten Bader, Hebammen und Chirurgen. Den praxisfernen Akademikern blieb als Betätigungsfeld und als Einnahmequelle nur die Arbeit an der Universität und der medizinisch-administrative Bereich. Administration und Polizei riefen auch damals schon nach gesetzlichen Regelungen. Und die Juristen benötigten sie um Ehe - und Erbschaftsangelegenheiten zu bearbeiten. Und so tauchte im Preußischen Landrecht von 1794, nicht das erste Mal im deutschsprachigen Raum, aber doch an sehr prominenter Stelle ein "Zwitterparagraph" auf. Hermaphroditos ist angekommen im Preußischen Recht. Bis 1900 sollte er sich dort halten, dann verschwand er wieder spurlos aus den deutschen Gesetzbüchern.

"§19. Wenn Zwitter geboren werden, so bestimmen die Eltern, zu welchem Geschlecht sie erzogen werden sollen. §20. Jedoch steht einem solchen Menschen nach zurückgelegtem achtzehnten Jahr, die Wahl frei, zu welchem Geschlecht er sich halten wolle. §21. Nach dieser Wahl werden seine Rechte künftig beurteilt. §22. Sind aber Rechte eines Dritten von dem Geschlechte eines vermeintlichen Zwitters abhängig, so kann ersterer auf Untersuchung durch Sachverständige antragen. §23. Der Befund der Sachverständigen entscheidet, auch gegen die Wahl des Zwitters und seiner Eltern."

Um 1900 kommt in der Medizin so etwas auf, wie ein Entwicklungsdenken. Über Jahrhunderte hatten die Gelehrten geglaubt, alles Leben sei wie ein winzig kleiner Kern schon immer in der Welt gewesen und müsse sich nur auseinanderfalten und solange wachsen, bis seine ihm vorherbestimmte Größe erreicht sei. Diese "Präformationslehre" wurde durch den Entwicklungsgedanken abgelöst. Das war etwas völlig Neues, und es hatte mit der Entdeckung der weiblichen Keimdrüsen zu tun. Man hatte endlich herausgefunden, dass es nicht nur Hoden, sondern auch Eierstöcke - weibliche Keimdrüsen - gab - und dass in einem Zeugungsakt verschiedene Stoffe vermischt wurden - und dass aus dieser Mischung Organ für Organ die Lebewesen entstanden.

"Dieser Grundgedanke ist auch für den Hermaphroditismus ganz interessant, weil dann die Hermaphroditen einen neuen Platz bekommen. Und zwar sind sie nicht mehr einfach Männer und Frauen, die von Anfang an missgebildet waren, sondern sie sind jetzt die unterste Stufe dieser Entwicklung hin zu Mann oder Frau. Sie sind das Undifferenzierte, das Indifferente des Geschlechts, während männlich und weiblich die entfalteten Entwicklungsstufen sein sollen. Damit einher geht, dass man doch wieder anfängt über Geschlecht nachzudenken als ein Kontinuum zwischen männlich und weiblich und dem Hermaphroditen in der Mitte, aber nicht nur einfach in der Mitte, nicht gleichberechtigt, sondern als Unterstes."

Ulrike Klöppel vom Institut für Geschichte der Medizin an der Berliner Charite. Sie hat in ihrer Doktorarbeit die Geschichte des medizinischen Umgangs mit dem Hermaphroditismus untersucht.

"Man rückt nicht mehr davon ab, dass Geschlecht etwas ist, was sich aus einem undifferenzierten hin zu einem differenzierten entwickelt, und der Hermaphrodit eine unvollkommene Stufe dabei ist. Das wird eigentlich bis heute so fortgeführt, nur darin wird dann immer unterschiedlich akzentuiert. Da akzentuiert man das Kontinuum, also lückenlose Übergänge zwischen den Geschlechtern, die man auch bei den Menschen, wenn man sie in eine Reihe stellen würde, auch nachweisen könnte, und auf der anderen Seite gibt es Modelle, die sagen nein , das Kontinuum, das stimmt zwar irgendwie, aber man muss darin trotzdem klar abgrenzen: bis dahin geht männlich, und da fängt weiblich an. Und der Hermaphrodit fällt aus diesem Denken immer heraus. Er ist letztendlich dann doch weiblich oder männlich."

Weiblich sollte von nun an jedes Kind sein, dass weibliche Keimdrüsen hatte, ganz egal, wie uneindeutig die Geschlechtsteile aussahen - und männlich einzuordnen waren alle, die Hoden aufzuweisen hatten, auch wenn die versteckt im Bauchraum lagen und kaum tastbar waren. Doch die Wissenschaft und der Fortschritt an Erkenntnissen, den sie brachte, ließ das Fundament, auf dem die Ärzte nun so sicher zu stehen glaubten, rasch wieder einstürzen. Es fanden sich Menschen, die beides hatten, weibliche und männliche Keimdrüsen - und es gab Eierstöcke mit männlichem Hodengewebe und Hoden mit Eierstockgewebe. Der Sexualforscher Magnus Hirschfeld verweist 1919 auf solche "objektiv" diagnostizierten und aufgrund ihrer Seltenheit zur Anschauung präparierten Fälle:

"In der Landauschen Klinik in Berlin kann man absolut einwandfreie Präparate solcher menschlicher Zwitterdrüsen sehen."

"Wissenschaftlich stellt man sich zunehmend die Frage, inwiefern die Entwicklung des Geschlechtskörpers tatsächlich von den Keimdrüsen abhängt, oder ob es nicht in den Anlagen noch vor den Keimdrüsen schon festgelegt ist, wie sich der Geschlechtskörper in seinen Details entwickelt. Später kommt hinzu, dass man sagt, das ist genetisch bedingt, und die genetischen Bestimmungen für die Keimdrüsen und die genetische Bestimmung für den Rest des Körpers können unterschiedlich sein."

Doch nicht nur die Wissenschaftler sind verunsichert durch das, was sie forschend entdecken, auch in der Praxis werden die Ärzte durch Patienten mit uneindeutigen Geschlechtsteilen vor Entscheidungen gestellt, für die sie keine Theorie parat haben.

"Ende des 19. Jahrhunderts ist es so, dass Ärzte Hermaphroditen nur dann zu Gesicht bekommen, wenn sie als erwachsene Menschen zu Ihnen in die Praxis kommen. Diese Menschen leben schon seit Jahrzehnten in einem Geschlecht, kommen mit ihrer Vorstellung dorthin, dass sie sagen, ich möchte heiraten, es stört mich an meinen Genitalien dies und jenes, das soll verändert werden - helfen Sie mir dabei Herr Doktor! Das sind die Fälle, mit denen sie zu tun haben, und das ist auch die zahlungskräftige Klientel. Aus dieser Situation heraus entwickeln Ärzte um 1900 die Vorstellung, dass sie eigentlich gar nicht den Wünschen ihrer Klientel zuwider handeln können. Sie müssen sich danach richten, was ihre Patienten mitbringen an Eigenvorstellungen ihres Geschlechts, und wie sie leben wollen, was auch eine Operation bedeuten kann."

Hermaphroditos ist an einem entscheidenden Punkt angekommen. Er ist sozusagen erwachsen geworden. Aus dem Preußischen Landrecht, das ab 1900 als Bürgerliches Gesetzbuch erscheint, wird er zwar wieder verbannt - "Zwitter - keine Bestimmung" heißt es lapidar in den " Materialien zum BGB", aber zeitgleich mit dem Rauswurf beginnt die Wissenschaft endlich, ihn nicht mehr nur als Objekt ihrer Neugier, ihrer Forscherlust zu schätzen, sondern auch als selbständig handelndes Subjekt anzuerkennen. Magnus Hirschfeld, Direktor des Instituts für Sexualforschung in Berlin beschreibt immer wieder Fälle, bei denen er auf keine Weise eine Entscheidung treffen könne, und diese dann den Betreffenden selbst überlassen müsse.

Das ganz Besondere an Magnus Hirschfelds Gutachten über Hermaphroditen besteht darin, dass er der subjektiv empfundenen Geschlechtszugehörigkeit immer den Vorrang gibt - und sich strikt weigert, den Hermaphroditen gegenüber die besserwisserische Haltung des Fachmannes anzunehmen - er glaubte, dass die äußeren Geschlechtsmerkmale nicht ausschlaggebend waren für die Empfindungen der Menschen, die hilfesuchend zu ihm kamen - und er vermutete, dass die Erklärung für die abweichenden Gefühle seiner Patienten in einem Bereich zu finden waren, der der Medizin noch gänzlich verschlossen war. Er hat das sehr genau und fast poetisch so gesagt:

"Das Geschlecht des Menschen ruht viel mehr in seiner Seele als in seinem Körper, oder, um mich einer medizinischen Ausdrucksweise zu bedienen, viel mehr im Gehirn als in den Genitalien."

Beeinflusst und angeführt von Sexualwissenschaftlern wie Magnus Hirschfeld unterstützten Ärzte nach 1900 zunehmend die Wahlfreiheit der Hermaphroditen in Bezug auf ihr Geschlecht. Mit dem Siegeszug und der weiteren Entwicklung der Vererbungslehre geraten die Hermaphroditen jetzt natürlich auch ins Blickfeld der Biologie und der Genetik. Allerdings trägt auch die Entdeckung der Geschlechtschromosomen nicht dazu bei, sie eindeutig einem der beiden Geschlechter zuzuweisen, und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts müssen die Genetiker feststellen, dass es Menschen gibt, die einen männlichen XY-Chromosomensatz haben und weibliche äußere Geschlechtsteile. XY-Frauen nennen sie sich heute, und wer sie kennt, ist oft überrascht von ihrer weiblichen Schönheit.

Dass die Hermaphroditen während des Nationalsozialismus nicht verstärkt in den Blickwinkel der Eugeniker gerieten, liegt eventuell daran, dass die Theorien eines damals sehr bekannten Genetikers wenig hergaben für ihre Diskriminierung. Richard Goldschmidt entwickelte seine Genetik zu Beginn des 20. Jahrhunderts, und der Intersexualität - der Begriff stammt übrigens von ihm - galt sein besonderes Interesse, weil er an Hermaphroditen zeigen konnte, wie seiner Meinung nach eine genetische Geschlechtsbestimmung aussehen könnte. In seinem Modell mussten unterschiedliche Gene zu bestimmten Zeiten zusammentreffen um ein Merkmal zu bestimmen, taten sie das nicht, konnten verschiedene Zwischenstufen entstehen, zu denen er auch die Hermaphroditen zählte.

Goldschmidt war Jude und musste während der Herrschaft der Nationalsozialisten emigrieren. Erstaunlicherweise wurde seine spezielle Genetik weiterhin gepflegt, selbst von gestandenen Anhängern des Systems - aber es gab auch Widerspruch. Es ist aber interessant, dass die Goldschmidtsche Intersexualitätslehre mit ihren Zwischenstufen in dieser Zeit wissenschaftlich weiter aufrechterhalten wurde, obwohl sie keine Handhabe bot, rassenhygienische und eugenische Maßnahmen einzuleiten gegen Menschen, die ganz gewiss nicht den Vorstellungen der Machthaber des Dritten Reichs entsprachen.

Bis zum Beginn der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts bewahrten die Chirurgen im großen und ganzen Ruhe, wenn ein hermaphroditisches Kind geboren wurde. Sie empfahlen abzuwarten, welche Wünsche es in Bezug auf sein Geschlecht nach der Pubertät äußern würde. Operiert wurde meist nur, wenn die Ärzte fürchteten, dass die im Bauchraum lagernden, unvollständigen Keimdrüsen zu Tumoren entarten würden. Oder wenn die Eltern auf den Operationen - meist waren mehrere nötig - bestanden. Es waren übrigens gar nicht so selten die Eltern, die Ärzte zum Eingreifen veranlassten, weil sie fürchteten, dass ihre Kinder verspottet und gemieden würden, und sie waren ganz sicher auch selbst verunsichert und hatten Angst davor tagtäglich mit einem Kind umzugehen, von dem sie nicht wussten ob es ein Junge oder ein Mädchen war.
Obwohl Sexualwissenschaftler und Ärzte inzwischen ahnten, dass das sexuelle Empfinden und die geschlechtliche Identität abweichen konnten vom äußeren Erscheinungsbild, war ihnen unklar, wie und wodurch die sogenannte Psychosexualität eigentlich entstand.

"In dieser Situation wird in Amerika ein Behandlungs- und Forschungsprogramm entwickelt an intersexuellen Menschen und für intersexuelle Kinder, das es so noch nicht gegeben hat. Dort wird das erst Mal empfohlen, frühzeitig zu operieren, weil man glaubt, wenn man den Körper normalisiert, dass dann sich die Psychosexualität möglichst normal, d.h. eindeutig männlich oder eindeutig weiblich entwickeln würde. Dahinter steckte eine Theorie, dass die Psychosexualität durch den Einfluss der Erziehung im Wesentlichen und in zweiter Linie durch das Körperbild geprägt werden würde. Prägung, das war der Einfluss der Erziehung - aber nur in einem bestimmten Zeitraum - in den ersten beiden Lebensjahren."

Endlich scheint es eine Behandlungsalternative zu geben, die von einer schlüssigen Theorie gestützt wird - und die auch den Eltern der Kinder eine quälende Phase der Unsicherheit ersparen soll. Sie wären in der Lage, ihre Kinder zweifelsfrei gemäß der zugewiesenen Rolle zu erziehen - und noch einen Vorteil bot das neue Konzept den Wissenschaftlern: Der frühe Eingriff, der verbunden war mit jahrelanger Beobachtung der Ergebnisse hatte die Qualität eines Experiments. Die Theorie von der psychosexuellen Entwicklung konnte so immer wieder überprüft und eventuell bestätigt werden - ideale Bedingungen für die Wissenschaft, um eine Theorie zu festigen. Solche Experimente gelten als unethisch - hier wurden sie toleriert, weil die Behandlung und darauffolgende Begleitung für unumgänglich gehalten wurde.

Bis weit in die 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts blieb das frühe Operieren, gefolgt von immer wiederkehrenden Begutachtungen der Kinder die Regel. Ihre Leidensgeschichten füllen Bände wissenschaftlicher und zunehmend kritischer Veröffentlichungen, und es entbehrt nicht der Ironie, dass die Theorie von der frühkindlichen Prägung nicht nur dazu führte, dass hermaphroditische Kinder schon als Säuglinge operiert wurden, um ihnen frühzeitig eine weibliche oder männliche Geschlechtsrolle zuzuweisen - auch die Frauenbewegung der 1960er-Jahre berief sich auf genau diese Theorie, um zu beweisen, dass kleine Mädchen durch erzieherischen "Geschlechtsrollendrill" in die Frauenrolle gedrängt würden.

"Als Frau wird man nicht geboren - zur Frau wird man gemacht."

Der Sexualforscher John Money vom John Hopkins Hospital in Baltimore, USA war einer der bekanntesten Anhänger der Prägungstheorie. Weltweit bekannt wurde er durch ein Experiment mit einem verstümmelten kleinen Jungen. Sein Name war David Reimer. Im April 1966 wurde in einer kanadischen Klinik, in die seine Eltern ihre eineiigen Zwillinge zur Beschneidung gebracht hatten, sein Penis vollständig verbrannt. Sein Bruder blieb unbeschnitten. David ließen seine Eltern nach langer Beratung mit Dr. Money zu einem Mädchen umoperieren. Ihnen wurde nahegelegt, dem Kind niemals die Wahrheit zu sagen und es als Mädchen aufzuziehen.

David war als Mädchen ein Misserfolg. Weder er selbst noch die anderen Kinder erkannten ihn als Mädchen an - er verbrachte eine quälende Kindheit und ließ sich 1981 mehrmals operieren um wenigstens Teile seiner verlorenen Männlichkeit zurückzugewinnen. 1991 schließlich heiratete er eine Frau und 2004 - mit nicht einmal 40 Jahren - nahm er sich das Leben. Alice Schwarzer führte den Fall 1975, lange vor dem Bekanntwerden der unglücklichen Lebensgeschichte David Reimers, übrigens als Beleg dafür an, dass die Geschlechtsrollen eben nicht natürlich gegeben seien. Moneys Arbeiten gehörten, so Schwarzer zu "den wenigen Ausnahmen" im Feld der Wissenschaft, "die nicht manipulieren, sondern dem aufklärenden Auftrag der Forschung gerecht werden." Ein eindrucksvolles Beispiel für den schnellen Verfall wissenschaftlicher Wahrheiten!
Seit etwa 15 Jahren - ungefähr seit der Zeit, zu der die unglückliche Lebensgeschichte von David Reimer weltweit bekannt wurde, und auch der Glaube an die Macht der Erziehung abflaute - gehen Ärzte wieder sensibler und abwartender mit den Hermaphroditen um. Eltern werden von Anfang an psychologisch beraten, und in den allermeisten Fällen sind die Kinder und Jugendlichen nicht mehr Opfer degradierender Begutachtungen - und es gibt inzwischen wieder viele Kinder, die gar nicht oder erst nach der Pubertät operiert werden, falls sie das wünschen.
Ganz verzichten wollen die Mediziner, und übrigens auch viele Eltern und die Intersexuellen aber nicht auf die korrigierenden Operationen, denn es gibt Untersuchungen, die belegen, dass nicht wenige Intersexuelle mit den medizinischen Behandlungen zufrieden sind, und nicht auf sie hätten verzichten wollen. In diesem Punkt gibt es deutliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den sogenannten Intersex-Aktivisten, die frühzeitige Operationen generell ablehnen und sie als Menschenrechtsverletzungen ansehen.

Der Psychologe Knut Werner Rosen wird in Berlin immer in die Klinik gerufen, wenn ein Kind mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren ist, um die erschreckten Eltern zu beruhigen und zu beraten. Er führt dann tage- und oft wochenlange Gespräche, klärt über alle Alternativen vom "Gar-nichts-tun" bis zu den unterschiedlichen Operationen auf, und begleitet die Eltern und die Kinder, wenn sie es wünschen, auf dem Weg, den sie gewählt haben. Was er den Eltern sagt, zeigt uns, wie "normal", wie menschlich wir zukünftig mit Geschlechtsrollen, besser mit Geschlechtsidentitäten oder mit "Geschlechtsrollenklischees" umgehen könnten. Ob weiblich oder männlich wäre dann gar nicht mehr das allerwichtigste, wichtig wäre nur das Kind in seiner ganz eigenen Art und Weise.

"Das häufigste ist, dass Eltern erwarten, wenn sie das Kind jetzt in einer bestimmten Weise erziehen, vielleicht auch operieren, erziehen, dass sich das Kind in der Form, wie sie sich das vorgestellt haben auch entwickelt und sich verhält. Das Verhalten wird immer als Indikator dafür genommen, dann stimmt das mit der sogenannten Identität schon. Da gibt es zig Fälle, wo die Eltern festgestellt haben, die Kinder tun ihnen aber nicht den Gefallen. Die Mädchen verhalten sich wie rabaukige Jungen - wie immer die Eltern das interpretieren - aber das ist nicht mädchenhaft. Und jetzt kommt es drauf an, welches Bild sie von Jungen und Mädchen haben, und manche haben da ein sehr klares und sehr striktes Bild. Und dann haben die Eltern einen dicken Konflikt. Und dann kommen die am Rande des Nervenzusammenbruchs hierher und sagen, wir haben alles falsch gemacht, wir hätten das natürlich zum Jungen machen müssen. Das Problem war, und das kann man relativ gut mit den Eltern aufschlüsseln, sie haben einen zu engen Begriff von dem, was Mädchen ist. Sie brauchen im Grunde genommen nur ihr Kind als Protagonist auffassen, wenn sie sich auf Mädchen festgelegt haben, und das kann man nicht mehr so ohne weiteres revidieren - dann müssen sie einfach nur sehen, dass ihr Begriff zu eng ist, und alles das, was dieses Kind ihnen an Verhalten zeigt, an Gefühlen, an Sein, an Existenz zeigt, das gehört zu dem Begriff "Mädchen". Sie definieren, wenn Sie so wollen, immer neu, was 'Mädchen' ist. Und dem müssen sie immer nur folgen. Und das lernt man in diesen Elternberatungsgesprächen. Und das kann man denen vermitteln. Im Grunde genommen ist das gar keine Hexerei. Die Eltern sollen das ruhig so denken: die verhält sich ja, wie ein Junge, dann sollen die ruhig denken, aha, wie ein Junge, und das gehört zu deren speziellem 'Mädchensein'."

Oder, um noch einen Schritt weiter zu gehen, das gehört dann eben zu deren ganz speziellem "Menschsein".

Freitag, 16. Mai 2014

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Dem Grundgesetz ist es egal, ob man eine Frau oder Mann ist oder unsere Sprache einen bayerischen oder türkischen Akzent hat.




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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2013

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Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Dem Grundgesetz ist es egal, ob man eine Frau oder Mann ist oder unsere Sprache einen bayerischen oder türkischen Akzent hat.

 Auch die Frage, ob, wo und welchen Gott man anbetet ist Teil unsere geschützten Freiheit. Dennoch sind homosexuelle Frauen und Männer ebenso wie bisexuelle, transsexuelle oder intersexuelle Menschen rechtlichen und gesellschaftlichen Diskriminierungen ausgesetzt. Als Konsequenz aus der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Selektionspolitik hatte sich der Parlamentarische Rat 1948/49 dafür entschieden, neben dem allgemeinen Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 Absatz 1 GG in Art. 3 Absatz 3 zu verankern:

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Damals vergaß man zwei im nationalsozialistischen Deutschland systematisch verfolgte Personengruppen: Behinderte und Homosexuelle. Im Rahmen der Überarbeitung des Grundgesetzes nach der Angliederung der DDR wurde das Verbot der Benachteiligung aufgrund der Behinderung aufgenommen. Die LGBT-Community wartet auf ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität im Grundgesetz vergeblich. Zuletzt wurde eine Ergänzung des Grundgesetzes im Januar 2011 abgelehnt.

Für unser Grundgesetz ist Artikel 3 elementar. Er definiert das grundsätzliche Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz. Doch die Politik, die sich daraus ableitet, ist nicht immer vom Gedanken der Gleichwertigkeit geprägt. Ausgrenzung, beispielsweise für den Islam oder Sinti und Roma, ist Teil bundesrepublikanischer Realität. Mit diesen Verhältnissen geben wir uns nicht zufrieden. In meiner Rede möchte ich die Frage aufwerfen, ob die Verfassungswirklichkeit und Gesellschaft tatsächlich reflektieren, dass wir alle frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind, wo das nicht so ist und was wir konkret verändern müssen. (Volker Beck)

Ob eine Frau tatsächlich wie eine Frau fühlt oder doch wie ein Mann, entscheidet sich höchstwahrscheinlich schon im Mutterleib. Schon in den ersten Wochen der Schwangerschaft werden die Weichen für die Gehirnentwicklung festgelegt. Der kurzfristige Einfluss von männlichen Sexualhormonen könnte dann das Gehirn eines weiblichen Embryos "vermännlichen". Ein männliches Gehirn in einem weiblichen Körper könnte das Phänomen "Frau-zu-Mann-Transsexualität" erklären. Es ist jedoch heute nur in Ausnahmefällen möglich, mit Sicherheit nachzuweisen, welchen Konzentrationen von Sexualhormonen ein Mensch im Mutterleib ausgesetzt war. Das gilt beispielsweise für bestimmte Stoffwechselerkrankungen, die sich nach der Geburt bestimmen lassen. Selbst wenn solche Mädchen noch als Säuglinge mit weiblichen Hormonen behandelt werden, verhalten sie sich später wie Jungs. Sie spielen lieber mit Jungs, kleiden sich wie ein Junge und gehen manchmal sogar in die Umkleidekabine für Jungs. Genauso verhalten sich fast alle Frau-zu-Mann-Transsexuellen in ihrer Jugend. Vielleicht haben also tatsächlich männliche Hormone schon im Mutterleib die Weichen in Richtung Transsexualität gestellt.
Eine rätselhaftes Syndrom kommt bei Frau-zu-Mann-Transsexuellen häufiger vor

Dafür spricht auch die Beobachtung, dass das sogenannte polyzystische Ovarial-Syndrom bei Frau-zu-Mann-Transsexuellen überraschend häufig auftritt. Bei diesem Syndrom sind die Eierstöcke der betroffenen Frauen von vielen Zysten durchsetzt. Das liegt daran, dass die Eier, sich nicht wie sonst üblich beim Eisprung lösen. Eine Studie von Kieler Sexualmedizinern konnte das polyzystische Ovarialsyndrom bei 50 Prozent der untersuchten Frau-zu-Mann-Transsexuellen nachweisen. Bei anderen Frauen kommt es nur in fünf Prozent der Fälle vor. Die Entstehung dieses Syndroms führen Experten heute – genau wie die Frau-zu-Mann-Transsexualität – ebenfalls auf den Einfluss männlicher Hormone im Mutterleib zurück. Außerdem könnte ein weiteres Symptom des polyzystischen Ovarialsyndroms die Entstehung von Transsexualität begünstigen. Die betroffenen Frauen haben nämlich auch im Erwachsenenalter einen erhöhten Testosteronspiegel. Dieses männliche Sexualhormon könnte dazu beitragen, dass manche Menschen wie ein Mann fühlen und denken, obwohl sie einen weiblichen Körper haben.
Frau-zu-Mann-Transsexuelle haben schon vor der Hormonbehandlung einen "unweiblichen" Körper

Eine erhöhte Konzentration von männlichen Sexualhormonen könnte auch erklären, warum Frau-zu-Mann-Transsexuelle eher männliche Körperproportionen aufweisen. In einer Studie haben Kieler Sexualmediziner eine Reihe von Frau-zu-Mann-Transsexuellen vermessen und dabei festgestellt, dass ihr Taille nicht so schlank, ihre Schultern breiter und ihre Hüften schmaler sind als bei anderen Frauen.
Die Familiensituation trägt ebenfalls zur Entstehung von Transsexualität bei

Die Wirkung von männlichen Hormonen kann viele Symptome der Frau-zu-Mann-Transsexualität erklären. Allerdings müssen höchstwahrscheinlich noch andere Faktoren hinzukommen, damit eine Frau wie ein Mann fühlt. Schließlich gibt es etliche Frauen, die ebenfalls einen erhöhten Spiegel männlicher Sexualhormone aufweisen oder sogar schon im Mutterleib männlichen Hormonen ausgesetzt waren und trotzdem wie eine ganz normale Frau fühlen. Damit es tatsächlich zu einer Frau-zu-Mann-Transsexualität kommt, müssen noch andere Einflüsse hinzukommen. Experten haben nach solchen Faktoren in der Familiensituation von Transsexuellen gesucht und dabei sind ihnen einige Besonderheiten aufgefallen. Beispielsweise haben sich die Mütter von Frau-zu-Mann-Transsexuellen oft einen Jungen gewünscht. Die jungenhaften Verhaltensweisen ihrer Tochter würde eine solche Mutter eher fördern und positiv verstärken. Außerdem fehlt in den Familien von Frau-zu-Mann-Transsexuellen überdurchschnittlich häufig der Vater. Die Töchter neigen dann dazu, den Vater zu idealisieren und versuchen vielleicht gerade deswegen, sich typisch männlich zu verhalten.
Das Gehirn von Frau-zu-Mann-Transsexuellen verhält sich männlich

Es gibt vermutlich noch eine Vielzahl von bis jetzt unbekannten Faktoren, die die Entstehung von Frau-zu-Mann-Transsexualität begünstigen. Noch bleiben bei diesem Phänomen viele Rätsel ungelöst. Sicher wissen Experten im Moment nur eins: Das Gehirn von Transsexuellen verhält sich entsprechend ihrem gefühlten Geschlecht. In Tests im Kernspintomographen schneiden Frauen, die wie Männer fühlen, genauso ab wie nicht-transsexuelle Männer in der Kontrollgruppe. Dabei ist es völlig egal, ob dieser Test das räumliche Vorstellungsvermögen überprüft oder die sexuelle Erregbarkeit. Wie es dazu kommt, können Wissenschaftler allerdings immer noch nicht vollständig erklären. Das liegt aber nicht nur daran, dass es sich um ein schwieriges wissenschaftliches Problem handelt. Experten, die in diesem Feld arbeiten, beklagen immer wieder, wie schwierig es ist, Forschungsgelder für Studien zum Thema Transsexualität zu bekommen. Dabei haben viele Transsexuelle, wie Balian Buschbaum, ein großes Interesse daran, zu verstehen, was mit ihnen los ist.

Quelltext: http://www.google.de/imgres?start=391&hl=de&biw=1024&bih=677&tbm=isch&tbnid=i6KblqxOruQTnM:&imgrefurl=http://www01.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2011/1206/006_transsexualitaet.jsp%3Fsmonat%3D2012-3&docid=-Ob6YVDTU94AiM&itg=1&imgurl=http://www01.wdr.de/tv/quarks/sendungsbeitraege/2011/1206/imggen/475392_310_Text6_2.jpg&w=310&h=174&ei=IdqgUerCF8aG4ATv9IG4DQ&zoom=1&iact=rc&dur=727&page=17&tbnh=139&tbnw=248&ndsp=9&ved=1t:429,r:97,s:300,i:295&tx=154&ty=57

Nachrichten aus der Transgender Welt! Mai 2014


Nachrichten aus der Transgender Welt!
Im Mai
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Nachrichten aus der Transgender Welt!

Die Transsexuelle Shazia geht in Neu-Delhi auf den Strich, verkauft ihren in Saris gehüllten Männerkörper an Freier. Doch das Leben der Inderin könnte sich bald schlagartig bessern.

Das letzte Mal, dass sie es mit der Staatsmacht zu tun bekam, ist fünf Wochen her: Shazia kam nachts aus dem Haus eines Freiers, den sie und eine Kollegin gerade bedient hatten. In westliche Minikleider gehüllt, liefen die beiden Transsexuellen durch Neu-Delhis Defence Colony, einen teuren Stadtteil, in dem auch viele Ausländer wohnen. "Eine Streife hielt uns an, die Polizisten beschimpften uns und nahmen uns mit", sagt die 22-jährige Shazia. Vier Tage wurden die beiden in Neu-Delhis berüchtigtem Tihar Gefängnis festgehalten, beschuldigt, "öffentliches Ärgernis" erregt zu haben.

Erst als eine Hilfsorganisation die Kaution hinterlegte, kamen die beiden Transsexuellen frei. Am Donnerstag ist die Anhörung vor Gericht, doch Shazia hofft, dass die Anklage vielleicht fallengelassen werden könnte. "Angeblich soll doch alles besser werden für uns", sagt sie. "Wenn der Staat das ernst meint, kann er gleich damit anfangen, indem er unseren Fall zu den Akten legt."
Dass Transsexuelle in Indien es künftig leichter haben sollen, hat der Oberste Gerichtshof des Landes Mitte April beschlossen: Danach müssen sich Transsexuelle künftig nicht mehr als Mann oder Frau registrieren lassen. In öffentlichen Dokumenten wie Ausweisen und Führerscheinen soll es bald die dritte Kategorie "Andere" geben.

Richterspruch im Sinne der Transsexuellen


Einschneidender als solche Formalitäten jedoch ist für die geschätzt zwei bis sechs Millionen Transsexuellen in Indien der Beschluss der Richter, die Transgender-Gemeinschaft als sozial und wirtschaftlich rückständig einzustufen. Denn damit haben Menschen wie Shazia bald Anspruch auf staatliche Hilfen, wie ihn auch Angehörige niederer Kasten erhalten. Sie haben dadurch einen leichteren Zugang zu Bildungseinrichtungen und Regierungsposten, von denen ein bestimmter Prozentsatz für benachteiligte Gemeinschaften reserviert ist.

Geht es also nach dem Staat, könnte Shazia in Kürze von der Sexarbeiterin zur Beamtin aufsteigen. Sie würde dann doch noch in die Fußstapfen ihrer Eltern treten: Shazia wuchs in einer Polizistenfamilie im am Fuße des Himalaja gelegenen Bundesstaat Uttarakhand auf, erzählt sie in den Räumen der Hilfsorganisation Adobe, die sich in Delhis Vorort Noida für Homo- und Transsexuelle einsetzt.

Dass sie sich als Frau fühlt, entdeckte sie als 14-Jährige: Sie begann auf ihrem von der Armee betriebenen Internat, sich für Mitschüler zu interessieren. Nachdem Shazia mehrmals bei Techtelmechteln mit anderen Jungs erwischt wurde, benachrichtigte die Schulleitung ihre Eltern: Die nahmen ihren Sohn, der lieber eine Tochter sein wollte, von der Schule und sperrten Shazia zu Hause ein. Ihren College-Abschluss in Geologie und Chemie ließen die Eltern Shazia nur per Fernstudium machen. Vor zwei Jahren riss sie aus und kam nach Delhi.

"Die meisten von uns sind doch Analphabeten"


Hier versuchte sich Shazia, die gut Englisch spricht, als Telefonistin in einem Callcenter. "Weil die Kunden da nicht sehen konnten, dass ich anders bin." Doch mit ihrer Aufmachung in knallfarbenen Saris, Lippenstift und viel Strass-Schmuck eckte sie auch bei ihren Kollegen an. "Vor neun Monaten habe ich gekündigt, seitdem gehe ich anschaffen", sagt Shazia. Von ihrem Verdienst zahlt sie ein weiteres Fernstudium, einen Bachelor in Sozialarbeit. Dabei könnte die wegweisende neue Gesetzgebung ihr helfen, hofft sie. "Vielleicht kann ich ein Stipendium bekommen und dann einen Job aus dem Minderheiten-Kontingent", sagt Shazia.

Sie ist in der indischen Transgender-Community Indiens die absolute Ausnahme. Dass auf dem Subkontinent demnächst Millionen Männer in Frauenkleidern hinter Schaltern und Schreibtischen sitzen, ist höchst unwahrscheinlich. "Die meisten von uns sind doch Analphabeten, wie sollen wir da einen Beamtenjob bekommen", sagt Mala, die Anführerin einer sogenannten Hijra-Gemeinschaft. Hijras waren im alten Indien Eunuchen, die in familienähnlichen Gruppen am Rande der Gesellschaft lebten und die ihren Lebensunterhalt damit verdienten, bei Hochzeiten und Geburten zu singen und zu tanzen.

"Transsexuelle der nächsten Generation werden wählen können"


Heute amputieren die meisten Transsexuelle ihre Genitalien nicht mehr, leben aber immer noch im alten Stil: Die Häuser der Hijras bieten die einzige Zuflucht für die jungen transsexuellen Männer, die in der Pubertät von ihren Familien verstoßen werden.
Auch Mala und ihre 250 Untergebenen wohnen zusammen und sprengen lärmend und singend Familienfeiern. Ihr Besuch gilt als Fluch und Segen zugleich: Zum einen muss viel Geld gezahlt werden, damit die ungeladenen Gäste wieder abziehen. Andererseits gilt das Auftauchen der Transsexuellen als glückliches Omen. Mala ist sich sicher, dass sich in ihrem Leben so schnell nichts verbessern wird, nur weil einige Richter eine Entscheidung fällen. Zufrieden ist sie trotzdem. "So fängt Fortschritt an. Wir haben keine Chance gehabt, ein anderes Leben zu führen als das einer Hijra. Doch die Transsexuellen der nächsten Generation werden wählen können, was sie aus ihrem Leben machen wollen."

Ob Shazia tatsächlich in den Genuss der neuen Privilegien kommt, steht und fällt damit, ob sie angesichts der neuen Gesetzeslage eine bereits getroffene Entscheidung rückgängig macht. Eigentlich hatte sie beschlossen, eine Geschlechtsumwandlung vorzunehmen, die Hormonbehandlung vor der Operation läuft schon. Doch wenn sich Shazia zur Frau umoperieren lässt, verlöre sie alle ihr gerade zugesprochenen Rechte und stünde da, wo eine halbe Milliarde indischer Frauen stehen: auf der Verliererseite. "Nur dafür, dass man eine Frau ist, bekommt man hier kein Stipendium", sagt sie.


Indisches Gericht erkennt drittes Geschlecht an


Nicht Mann, nicht Frau - der Oberste Gerichtshof in Indien hat jetzt ein drittes Geschlecht anerkannt. Das Gericht ändert das Recht für Millionen Menschen.

Neu Delhi - Indiens Oberster Gerichtshof hat in einem wegweisenden Urteil neben Frauen und Männern ein drittes Geschlecht anerkannt. Laut der Agentur IANS soll es künftig in öffentlichen Dokumenten wie Führerscheinen oder Ausweisen neben den Kästchen "Mann" und "Frau" eine dritte Kategorie geben.

Bis jetzt wurden Transsexuelle, sogenannte Hijras, dazu gezwungen, sich einer der zwei gängigen Kategorien zuzuordnen. Laut "Times of India" wird ein drittes Geschlecht in Indien damit zum ersten Mal offiziell anerkannt.
Zu Hijras zählen sowohl Eunuchen, also Männer, die sich einer Kastration unterzogen haben, als auch Menschen, die beide Geschlechtsmerkmale aufweisen. Wie viele Hijras in Indien leben ist nicht ganz sicher. Laut Medienberichten bewegen sich die Schätzungen zwischen zwei und sechs Millionen.

Das Gericht sorgte sich laut "Times of India" darum, dass Transgender in Indien belästigt und diskriminiert würden. Die Polizei missbrauche demnach den Paragrafen 377 des indischen Strafgesetzbuches, der sexuelle Handlungen "gegen die natürliche Ordnung" kriminalisiere. Auch Homosexualität ist in Indien seit Dezember 2013 wieder strafbar. Oft leben Hijras in isolierten Gemeinschaften und verdienen ihren Lebensunterhalt mit Singen und Tanzen oder Prostitution.

Anspruch auf staatliche Hilfen


Das Gericht verfügte weiter, die Transgender-Gemeinschaften sollten als sozial und wirtschaftlich rückständig betrachtet werden. Damit haben sie Anspruch auf staatliche Hilfen, die auch niedere Kasten erhalten. Sie haben dadurch einen leichteren Zugang zu Bildungseinrichtungen und Jobs, da ein bestimmter Prozentsatz für benachteiligte Gemeinschaften reserviert ist.
Außerdem berichtete das Blatt, das Gericht habe die Politik dazu aufgerufen, mit einer öffentlichen Kampagne der sozialen Stigmatisierung der Transgender-Gemeinde entgegenzuwirken. Die Bundestaaten seien angehalten, öffentliche Toiletten zu entwerfen, die den besonderen Bedürfnissen von Menschen, die sich weder als Mann noch Frau sehen, gerecht werden.

Vertreter der Transgender-Gemeinde bejubelten das Urteil des Obersten Gerichtshofes als historisch. "Heute fühle ich mich zum ersten Mal stolz, ein Inder zu sein", sagte der Eunuch Laxmi Narayan Tripathi, der zu einer Gruppe von Aktivisten gehört, die den Antrag vor zwei Jahren einbrachten.


Neues Gesetz: Kalifornien stärkt Rechte von Transgender-Schülern

Als erster Bundesstaat in den Vereinigten Staaten hat Kalifornien ein Gesetz zu den Rechten von Transgender-Schülern verabschiedet. In Zukunft dürfen diese selbst entscheiden, welche Sportart sie betreiben oder welche Toilette sie aufsuchen wollen.

Los Angeles - Eine neue Verordnung verpflichtet öffentliche Bildungseinrichtungen im US-Bundesstaat Kalifornien, dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche vom Kindergartenalter bis in die zwölfte Klasse nach Belieben die Toilette für Jungs oder Mädchen aufsuchen dürfen. Auch bei der Wahl der Sportarten sind diese Schüler ab jetzt frei, hieß es.

Eltern hatten in der Vergangenheit beklagt, dass betroffene Schüler von wichtigen Schulaktivitäten ausgeschlossen worden seien und sich teilweise aufgrund der Diskriminierung gar nicht mehr in ihre Klasse getraut hätten.
Auch die US-Bundesstaaten Massachusetts und Connecticut schützen bereits die Rechte von Transgender-Personen, Kalifornien hat sie aber erstmals in einem Gesetz festgeschrieben. Der Entwurf 1266 für Erfolg und Chancengleichheit in der Schule war mit 21 zu 9 Stimmen im kalifornischen Senat verabschiedet worden. Gouverneur Jerry Brown unterzeichnete das Gesetz, das am 1. Januar in Kraft tritt.

Ashton Lee, ein 16-jähriger Transgender-Junge aus Manteca, der ins Highschool-Football-Team aufgenommen werden wollte, hatte sich im vergangenen Monat vor dem Bildungskomitee des Senats geäußert: "Ich will einfach nur wie alle anderen Jungen behandelt werden", zitiert ihn der Nachrichtensender CNN. "Aber meine Schule zwingt mich, am Mädchen-Sportunterricht teilzunehmen und als jemand zu leben, der ich nicht bin." Er könne nicht erfolgreich lernen, wenn er sich jeden Tag in der Klasse isoliert und alleingelassen fühle, so Lee.

Während Unterstützergruppen wie das Transgender Law Center die Entscheidung begrüßten, bemängelten Kritiker des Gesetzes, die Privatsphäre und die Rechte der anderen Kinder seien bedroht. "Es gibt jugendliche Triebtäter", warnte der republikanische Senator Jim Nielsen. "Ich garantiere, dass es welche gibt, die die Gelegenheit ausnutzen werden."

"Werden Transgender-Schüler anderen Kindern Unbehagen bereiten?", fragte der Autor des Entwurfs, der Demokrat Tom Ammiano, rhetorisch. "Vielleicht", so seine Antwort. "Ich will das nicht kleinreden, aber neue Erfahrungen sind oft unbequem. Das kann aber keine Entschuldigung sein für Vorurteile."


USA: Richter genehmigt Geschlechtsumwandlung für Häftling
Erstmals hat in den USA ein Richter einem Häftling erlaubt, eine Geschlechtsumwandlung durchführen zu lassen. Der Insasse habe ein Recht auf eine angemessene Behandlung seines medizinischen Bedürfnisses, heißt es in der Urteilsbegründung.

Boston - Im US-Bundesstaat Massachusetts hat ein Gericht die Geschlechtsumwandlung für den Häftling Robert Kosilek genehmigt. Bezirksrichter Mark Wolf entschied am Dienstag, dass der 1990 wegen Mordes an seiner Frau verurteilte Mann sich einer entsprechenden Operation unterziehen dürfe.

Wolf befand, Kosilek habe das Recht "auf angemessene medizinische Behandlung seines ernsten medizinischen Bedürfnisses". Er berief sich dabei auf die US-Verfassung, die grausame und unübliche Bestrafungen verbietet.
Kosilek wurde als Mann geboren, hat sich aber bereits einer Hormontherapie unterzogen und lebt heute als Frau namens Michelle in einer Strafanstalt für Männer. Die Gefängnisverwaltung hatte die Geschlechtsumwandlung abgelehnt und argumentiert, Kosilek könne dadurch für seine Mitgefangenen zum leichten Opfer werden. Das Gericht befand jedoch, es handle sich um ein vorgeschobenes Argument. Es sei Sache der Strafvollzugsbehörden zu entscheiden, ob Kosilek künftig in ein Männer- oder Frauengefängnis komme.

Kritiker wie der republikanische Senator Scott Brown brandmarkten die Entscheidung als "unfassbaren Missbruch von Steuergeldern", Anwälte werteten das Urteil als wichtiges Signal auf dem Weg zur Anerkennung der Geschlechtsidentitätsstörung als medizinische Diagnose.

Brown hatte 2008 eine Gesetzesänderung angestrengt, die es verbieten sollte, Steuergelder für solche Eingriffe bei Häftlingen zu nutzen - vergeblich. "Uns stehen als Nation viele große Herausforderungen bevor - aber dazu gehört nicht, Häftlingen Geschlechtsumwandlungen zu finanzieren", sagte er.

Geschlechts-OP für Transsexuelle: Fremd im eigenen Körper
Innen Frau und außen Mann oder umgekehrt: Transsexuelle fühlen sich im falschen Körper geboren - und darin gefangen. Viele wünschen sich einen chirurgischen Eingriff, der ihr Geschlecht verändert.

Schon vor der Angleichung leben die Betroffenen im Alltag im gewünschten Geschlecht
Anders als bei Intersexuellen ist das Geschlecht bei Transsexuellen körperlich eindeutig festgelegt. Sie empfinden es aber als falsch. Ein Transsexueller mit männlichem Körper wünscht sich ein weibliches Aussehen, er fühlt sich als Frau. Umgekehrt ist es genauso. Den Wunsch erfüllen sich viele mit einer Operation.

Heute spricht man dabei nicht mehr von einer Geschlechtsumwandlung, sondern von einer Angleichung des Geschlechts. Das ist medizinisch korrekter - weil nur der Körper verändert wird, nicht das Genom. Und es kommt dem Empfinden Transsexueller näher: Sie erleben die Operation als äußere Angleichung an ihre Identität als Mann oder Frau.
Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen für eine Geschlechtsangleichung. Allerdings nur, wenn Betroffene vorher in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung waren. Sie müssen einen "krankheitswertigen Leidensdruck" durch ihre Transsexualität belegen, der sich nur durch die Operation lindern lässt. Und sie müssen schon einige Zeit in der Rolle des Wunschgeschlechts gelebt haben.

Hohes Maß an Verzweiflung


Enver Özgür arbeitet als Chirurg an der Uni-Klinik Köln und operiert dort Transsexuelle. Viele seien so verzweifelt, dass sie lieber selbst für den Eingriff zahlen wollen, als länger auf die Bewilligung durch die Krankenkasse zu warten. "Dann operiere ich aber nicht. Wegen der hohen Kosten bitte ich die Patienten abzuwarten", sagt der Chirurg. Özgür bietet die Veränderung vom Mann zur Frau an. Sie kostet zwischen 10.000 und 15.000 Euro. Läuft der Eingriff einmal nicht nach Plan, sind die Kosten schnell noch höher.

Özgürs Patienten leben im Alltag bereits als Frau. Sie nehmen weibliche Geschlechtshormone, die ihnen Brüste wachsen lassen. Schon vor dem Eingriff sehen viele sehr weiblich aus. Für den Eingriff selbst wählt Özgür das insgesamt gängigste Operationsverfahren: Operateure machen sich dabei zu Nutze, dass sich männliche und weibliche Genitalien aus den gleichen Anlagen heraus entwickelt haben und sich umformen lassen.

Zunächst werden dazu die Schwellkörper aus dem Penis entfernt. Der Schaft als schlauchartiger äußerer Teil bleibt erhalten. Er wird in einen Hohlraum umgestülpt, der im Körper zwischen Darm und Harnröhre freigelegt wird. So entsteht eine künstliche Scheide. Aus der Gliedspitze wird die Klitoris erzeugt. Nach dem Entfernen der Hoden werden schließlich noch Schamlippen aus den verbliebenen Hodensäcken geformt. Um eine funktionstüchtige neue Scheide - Chirurgen sprechen von Neo-Vagina - zu erhalten, sind oft zwei Eingriffe nötig.

Bei Operationsfehlern können Harnröhre oder Darm verletzt werden. Im schlimmsten Fall müssen Patienten dann einige Monate mit einem künstlichen Darmausgang leben. "95 Prozent der Eingriffe gelingen aber ohne größere Komplikationen", sagt Özgür. Nach sechs bis acht Wochen können die neuen Frauen Geschlechtsverkehr haben.

Angleichung zum Mann ungleich aufwendiger


Die Angleichung einer Frau zum Mann bietet Özgür nicht an. Es ist ein komplizierterer Eingriff, der mehrere Operationen erfordert. Zunächst werden dabei Brustgewebe, Eierstöcke, Gebärmutter und Scheide entfernt. Ein künstlicher Penis wird entweder aus der Klitoris moduliert, die durch eine Hormontherapie vergrößert wurde. Er ist dann sehr klein. Oder es wird Gewebe von anderen Körperbereichen, wie zum Beispiel dem Rücken, entnommen, um damit ein normalgroßes Glied zu formen.
In den künstlichen Penis wird dann ein Implantat eingearbeitet, mit dem er sich für den Geschlechtsverkehr aufpumpen lässt. Imitate aus Silikon ersetzen die Hoden. Genau wie bei der Mann-zu-Frau-Variante müssen Operierte bis an ihr Lebensende Geschlechtshormone des Wunschgeschlechts zu sich nehmen: Der neue Körper kann diese nicht produzieren. Die Hormone beeinflussen unter anderem Stimme, Körperbehaarung, Brust- oder Muskelwachstum.

Zu den üblichen Operationsrisiken kommt bei Geschlechtsangleichungen eine weitere Gefahr: Die Fähigkeit zum Orgasmus kann danach beeinträchtigt sein, insbesondere bei Patienten, deren Penis aus Transplantaten geformt wurde. Bei den Mann-zu-Frau-Operationen bleibt die sexuelle Empfindsamkeit laut Özgür aber fast immer erhalten. Einige Frauen hätten sogar berichtet, seit dem Eingriff mehr Freude am Sex zu haben, sagt der Chirurg: "Medizinisch lässt sich das nicht erklären, aber es freut mich natürlich für sie."

Recht auf Unversehrtheit: Verbände fordern Operationsverbot intersexueller Kinder
Mädchen oder Junge? In manchen Fällen ist die Antwort nicht eindeutig.

Männlich oder weiblich? Nicht immer ist die Antwort eindeutig. Künftig muss das Geschlecht von intersexuellen Babys in der Geburtsurkunde nicht erfasst werden. Aktivisten fordern: Geschlechts-OPs dürfen frühestens in der Pubertät stattfinden.

Für die meisten werdenden Eltern ist es ein spannender Moment, wenn sie in der Frauenarztpraxis auf das Ultraschallbild blicken: Wird es ein Junge oder ein Mädchen? Doch manchmal ist die Antwort nicht klar - auch nach der Geburt nicht. Etwa eines von 4500 Babys wird mit uneindeutigem Geschlecht geboren.

Mediziner sprechen dann von einem intersexuellen Menschen. Bei ihnen weichen die inneren Geschlechtsorgane oft von den äußeren ab, oder vom chromosomalen Geschlecht. Ein Mensch mit männlichen XY-Chromosomen etwa kann äußerlich eine Frau sein. Ein anderer mit dem weiblichen Chromosomensatz XX kann eher als Mann erscheinen. Es gibt Misch- und Zwischenformen von Hoden und Eierstöcken, Klitoris und Penis.
Vom ersten November an soll das beim Eintrag ins Geburtenregister berücksichtigt werden: Anstatt ihr intersexuelles Kind der Kategorie männlich oder weiblich zuzuordnen, können Eltern den Punkt nun offen lassen.

"Ein Schritt in die richtige Richtung" sagt Lucie Veith, Vorsitzende des Bundesverband Intersexuelle Menschen. Obwohl sie auch Nachteile fürchtet, etwa, dass Kinder dadurch in der Schule "zwangsgeoutet" und diskriminiert werden könnten. Zudem fordern die Intersexuellen-Vereine noch etwas anderes: Sie wollen verbieten lassen, Kinder weiter auf ein Geschlecht hin zu operieren, das Eltern und Ärzte für sie bestimmen. Medizinisch sei das so gut wie nie nötig, sagt Veith. "Das Recht auf körperliche Unversehrtheit wird damit verletzt." Aktivisten von Zwischengeschlecht.org sprechen sogar von "verstümmelnden kosmetische Genitaloperationen an Kindern", die man dringend stoppen müsse.

Unnötige Eingriffe stoppen


Viele der heute erwachsenen Intersexuellen haben als Kind schmerzhafte und traumatische Behandlungen erlebt. Und immer noch sind umstrittene Eingriffe üblich. So wird Kindern, um sie zum Mädchen zu machen, eine Vaginalplastik angelegt - eine chirurgisch erzeugte Scheide. Damit diese nicht wieder zuwächst, müssen regelmäßig Fremdkörper eingeführt werden, bougieren lautet der Fachbegriff dafür.

"Ich habe von vielen gehört, die das wie einen regelmäßigen sexuellen Übergriff erlebten", sagt Veith. Die so Operierten sollen vaginalen Geschlechtsverkehr mit einem Mann haben können. Ob sie aber überhaupt einem Geschlecht angepasst werden wollen und wenn ja welchem, sollten Betroffene selbst entscheiden, sagt Veith - wenn sie die sexuelle Reife haben. "Medizinisch nicht notwendige Eingriffe vor dem 16. Lebensjahr gehören verboten."

"Mit dem Bestreben eindeutige Körper zu produzieren, wird dem Kind unter Umständen etwas übergestülpt, was es nicht möchte", sagt auch Sexualwissenschaftlerin Hertha Richter-Appelt vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Allerdings seien nicht alle Menschen, die als Kind operiert wurden, später unglücklich. Ein operiertes Kind könne den Eltern später vorwerfen "Warum habt ihr bloß?", ein nicht operiertes "Warum habt ihr bloß nicht?".

"Wenn es darum geht, eindeutig festzustellen, was wirklich besser für die Kinder ist, müssen wir ehrlich sein und sagen: Wir wissen es oft nicht genau", sagt Richter-Appelt. Sie empfiehlt, bis zur Pubertät mit geschlechtszuweisenden Eingriffen abzuwarten.

Neue Richtlinien sind notwendig


Susanne Krege operiert im Krankenhaus Maria-Hilf in Krefeld intersexuell geborene Kinder, am häufigsten genetische Mädchen mit dem Adrenogenitalen Syndrom (AGS). Bei dieser Stoffwechselstörung entsteht schon während der embryonalen Entwicklung ein Überschuss an männlichen Geschlechtshormonen. Viele AGS-Mädchen werden deshalb mit einer vergrößerten Klitoris geboren, die an einen kleinen Penis erinnern kann. In der Regel wird diese operativ verkleinert, der Eingriff kann die sexuelle Empfindsamkeit reduzieren.

Bei den modernen Operationsmethoden sei das aber selten, sagt Krege. Sie führt den Eingriff nur dann noch bei Babys durch, wenn Eltern stark darauf drängen. Meist rät sie abzuwarten, wie sich ein Kind entwickelt. Die Vaginalplastik bietet sie an, wenn Mädchen reif genug erscheinen, um das Bougieren selbst durchzuführen. Vielen intersexuellen Kindern wurden früher in der Körperhöhle liegende Hoden entfernt, was eine lebenslange Hormonersatztherapie erforderlich macht. Auch damit warte man nun eher ab, sagt Krege, es sei denn, die Krebsgefahr sei dadurch sehr stark erhöht.
Die Intersexuellen-Verbände sagen: Es wird noch immer zu viel und zu früh operiert. Krege hingegen glaubt: "Die Ärzte, die sich intensiver mit der Problematik befasst haben, tun das heute nicht mehr." Neue Richtlinien sollen demnächst erarbeitet werden.

Für Lucie Veith geht es nicht nur darum wann, sondern auch ob die Operationen tatsächlich nötig sind. "Auch als Intersexueller kann man nämlich ein glücklicher Mensch sein."

INTERSEXUALITÄT

Der Deutsche Ethikrat definiert den Begriff in einfachen Worten: Intersexuelle sind demnach "Menschen, die sich aufgrund von körperlichen Besonderheiten des Geschlechts nicht eindeutig als männlich oder weiblich einordnen lassen".

Man darf sich dabei auch kein eindeutig beschreibbares "Zwischengeschlecht" vorstellen. Zwischen männlich und weiblich gibt es ein Feld der Varianz mit hochgradig unterschiedlichen Ausprägungen. Es gibt genetische Variationen zum üblichen XX- oder XY-Muster, von denen selbst die Betroffenen mitunter nichts erfahren.

Es gibt scheinbar eindeutige Sexualitäten, die hormonell induziert in Fluss geraten. Es gibt Kombinationen geschlechtlicher Merkmale, die sichtbar sind und solche, für die das nicht gilt. Selten gibt es sogar Fälle, in denen nicht alle Zellen eines menschlichen Körpers das gleiche Geschlecht haben. Man kann Intersexualität also als Sammelbegriff verstehen.

Immer aber gilt: Intersexualität ist körperlich definiert - im Gegensatz zur Transsexualität, bei der das eigene Empfinden nicht mit dem Geschlecht korrelliert. Intersexuelle können sich selbst als Mann oder Frau, als Gemischt-geschlechtlich in Abstufungen oder als eigenständiges Geschlecht empfinden.

Das Menschliche

Die Kirchen, schweigen nicht aus Scharmützel über Missbrauch, nein haben Angst um die Glaubwürdigkeit!

Von oben gesehen sind wir alle Zwerge und von unten alle Riesen.... Wir müssen die horizontale Vision, die solidarische Vision zurückgewi...