Montag, 14. Mai 2018

Glauben Sie, dieses Wissen um Ihr eigenes Geschlecht wird von Ihren Genitalien bestimmt? Würden Sie Ihr eigenes Geschlecht in Frage stellen, wenn Sie Ihre Genitalien - zum Beispiel aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit - verlieren würden? /// Do you think this knowledge about your own gender is determined by your genitals? Would you question your own gender if you lost your genitals - for example due to an accident or illness?


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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2018
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Glauben Sie, dieses Wissen um Ihr eigenes Geschlecht wird von Ihren Genitalien bestimmt?

Würden Sie Ihr eigenes Geschlecht in Frage stellen, wenn Sie Ihre Genitalien - zum Beispiel aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit - verlieren würden?

Ich bin mir sicher, Sie würden auf diese Fragen mit 'Nein' antworten.


Warum ist uns unser Geschlecht so dermaßen bewusst und warum spielt es eine so entscheidende Rolle?
Ganz einfach: Unser Geschlecht sitzt nicht zwischen unseren Beinen. Unser Geschlecht sitzt zwischen unseren Ohren.

In den allermeisten Fällen stimmen Geschlecht und Genitalien überein. Manchmal jedoch nicht. Salopp formuliert könnte man sagen:
Es kommt vor, dass Frauen geboren werden, die einen Penis haben.  Oder es werden Männer geboren, die eine Vagina besitzen. 

Diese Menschen sind transsexuell.

Transsexualität und Transgender

Die Begriffe Transsexualität und Transgender werden oft synonym verwendet, was aber nicht ganz korrekt ist. Transsexualität versteht sich als eine Unstimmigkeit des Geschlechtskörpers mit dem Wissen über das eigene Geschlecht. Es geht bei Transsexualität also vornehmlich um den Körper (sexus). Menschen mit Transsexualität stellen die Zweigeschlechtlichkeit (Binarität) von Mann und Frau meist nicht grundsätzlich in Frage.
Im Gegensatz zu transsexuellen Menschen beziehen sich Transgender meist nicht alleine nur auf die körperliche Diskrepanz (oder Inkongruenz), sondern sie lehnen oft "nur" die ihnen zugewiesene gesellschaftliche Geschlechterrolle als Mann oder Frau ab. Dennoch können auch transgender Menschen div. Maßnahmen ergreifen wollen (z.B. Hormone einnehmen), um eine Anpassung ihrer Erscheinung ("Passing") an ihre eigenen Vorstellungen ihrer stimmigen Geschlechterrolle zu erreichen.

Die fehlende Akzeptanz transsexueller Menschen in der Gesellschaft ist mitunter auch durch die mediale Berichterstattung - welche Transsexualität, Transgender, Transidentität und Homosexualität "in einen Topf wirft" - begründet. Transsexuelle Menschen werden damit auch unfreiwillig in die gesellschaftliche Auseinandersetzungen und Diskussionen bezüglich der Geschlechterrollen ("gender mainstreaming") gestellt. Ihnen wird unterstellt, sie möchten das gesellschaftliche Geschlechtergefüge in Frag estellen. Das ist aber bei der Mehrheit der transsexuellen Menschen nicht der Fall. Sie wollen lediglich als das anerkannt werden, was sie sind: Mann bzw. Frau.

Wie entsteht das Phänomen Transsexualität?

Die Entstehung des Phänomens ist wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt. Jedoch verdichten sich die Hinweise darauf, dass Transsexualität während der fetalen Entwicklung durch Schwankungen der Sexualhormone im Mutterleib entsteht (Swaab & Bao). Zu Beginn der Schwangerschaft sind alle Föten zunächst "weiblich". Etwa in der 6. Woche der Schwangerschaft werden die Geschlechtschromosomen (XX und XY) des Fötus durch die Sexualhormone (im Blut der Mutter) an getriggert, entsprechende innere und äußere Geschlechtsmerkmale zu entwickeln. Erst zu einem späteren Zeitpunkt wird die Entwicklung des Gehirns "angestoßen". Vereinfacht erklärt: Verändert sich nun zwischen diesen beiden fötalen Entwicklungszeitpunkten die Konzentration der Sexualhormone im Blut der Mutter, kann es dazu führen, dass sich der Geschlechtskörper abweichend vom "Gehirngeschlecht" entwickelt. Um es einfach zu sagen: Es kann passieren, dass ein Mensch mit männlichen Körpermerkmalen aber weiblichem "Gehirngeschlecht" (Geschlechtswissen) oder ein Mensch mit weiblichen Körpermerkmalen, aber männlichem Geschlechtswissen entsteht. Es handelt sich also bei Transsexualität um eine "Spielart" der Natur, oder wie es der Psychologe Prof. Udo Rauchfleisch ausdrückte, um "eine Normvariante der Natur".

Tritt Transsexualität heute öfter auf?

Betrachtet man die Medienberichte, könnte der Eindruck entstehen, dass Transsexualität heute vermehrt auftritt. Das Phänomen Transsexualität ist keine Modeerscheinung und kein Trend.
Transsexualität gab es zu jeder Zeit und in allen Kulturen. In der Vergangenheit waren betroffene Menschen in Deutschland noch stärker von gesellschaftlichen Stigmatisierungen und Verfolgung betroffen, als heute. In vielen Ländern wird Transsexualität auch heute noch rechtlich verfolgt oder betroffenen Menschen droht die Todesstrafe. Dass heute vermeintlich mehr Menschen sich zu ihrer Transsexualität bekennen liegt in erster Linie in der Öffnung und dem Wertewandel unserer Gesellschaft. 

Diskriminierung - Einige Fakten

35 % der betroffenen Personen leiden unter starken Depressionen*
50,5 % gaben an, einen Suizid schon ernsthaft in Erwägung gezogen zu haben
33 % der betroffenen Personen haben bereits schon einen Selbstmordversuch unternommen
15,8 % leiden unter Essstörungen (extremes Übergewicht und Magersucht)
58,7 % der betroffen Personen wurden bereits mehrfach verbal öffentlich angegriffen
27,1 % wurden körperlich angegriffen (z. B. grundlos angerempelt, weggeschoben, umgestoßen)
12,4 % wurden niedergeschlagen, getreten oder mit Waffen angegriffen
55,2 % der betroffen Schüler/Studenten wurden/werden in sozialen Medien gemobbt
80 % der Schüler/Studenten gaben an, Angst in der Schule/Hochschule zu haben

Es besteht dringender Reformbedarf

Das Verfahren - sowohl das rechtliche, als auch das medizinische - wird von vielen betroffenen Personen als entwürdigend, diskriminierend und meist sehr belastend empfunden. Die Bundesregierung hat mehrere juristische Gutachten zur Änderung des Transsexuellengesetzes (TSG) in Auftrag gegeben, die eindeutig eine Neuregelung empfehlen. Seit Jahren tritt der Gesetzgeber jedoch auf der Stelle. Einige Vereinigungen und Verbände versuchen seit Jahrzehnten eine Verbesserung der Situation transsexueller Menschen auch in Bezug auf die medizinische Versorgung zu erreichen. Es passiert: NICHTS!!! In der sog. Stuttgarter Erklärung werden die Forderungen nach einer menschenrechtskonformen Behandlung von trans- und intersexuellen Menschen aufgeführt. Die Autorin unterstützt diese Forderungen und gehört selbst zu den Unterzeichnerinnen der Stuttgarter Erklärung.

Bedenkt man, dass weniger als 1 % der Verfahren nach dem TSG durch die Gerichte negativ entschieden wurden (also einer Vornamens- und Personenstandsänderung widersprochen wurde) und weniger als 1 % der Personen, welche ein Verfahren nach dem Transsexuellengesetz erfolgreich durchgeführt haben, ein Rückabwicklung des Verfahrens beantragt haben (Meyenburg et al., 2015), wird die "Sinnhaftigkeit" des Verfahrens - auch bei Kindern und Jugendlichen (Korte et al., 2016) - auch aus Kostengründen und die mit den Verfahren einhergehende Belastung der Gerichte an sich in Frage gestellt. 






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