Schutz der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität vor Hass und Diskriminierung
Diskriminierung wegen Sexualität – Was gilt in Deutschland?
Schutz der sexuellen Identität
Das Grundgesetz schützt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht jedes Menschen. Hierzu zählt auch die sexuelle Identität. Die Grundrechte werden auch von allen anderen Gesetzen beachtet. Die Grundrechte müssen auch beachtet werden, wenn Verträge geschlossen werden. So können Verträge, die sich gegen die sexuelle Orientierung eines Vertragspartners richten, sittenwidrig und damit ungültig sein.
Beispiel aus der Rechtsprechung: Das Bundesarbeitsgericht entschied in seinem Urteil vom 23. Juni 1994 (Az. 2 AZR 617/93), dass eine Kündigung in der Probezeit allein der sexuellen Orientierung wegen sittenwidrig und damit unwirksam ist. Die Begründung: Eine solche Kündigung berühre die wirtschaftliche Basis des selbstbestimmten Lebens mit einem gleichgeschlechtlichen Partner, dass als Teil der freien Entfaltung der Persönlichkeit geschützt sei.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt ebenfalls die sexuelle Orientierung der Menschen.
In § 1 AGG heißt es: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“ Das Gesetz schützt die Menschen an ihrer Arbeitstselle oder in ihren Ausbildungen.
Schutz der sexuellen Orientierung
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
Unsere Verfassung regelt, dass alle Menschen gleich zu behandeln sind. Dieses Grundrecht heisst „Gleichheitsgrundrecht“. Dort finden wir aber keinen ausdrücklichen Schutz der sexuellen Identität. Zwar ist von Gleichberechtigung von Mann und Frau und des Geschlechts die Rede. Der Schutz der sexuellen Identität oder die Geschlechtsidentität wird nicht genannt. Unser höchstes Gericht beachtet jedoch den Schutz der sexuellen Orientierung. Die Politik überlegt, ein Gesetz zu schaffen, das die sexuelle Orientierung klar regelt und schützt.
Sind Hass und Hetze gegen Homosexuelle strafbar?
Diskriminierung wegen sexueller Orientierung ist trotz der oben dargestellten Rechtslage noch Alltag in Deutschland. „Du Schwuchtel!“ hört man nicht selten auf deutschen Amateurfußballplätzen. Gegen derartige Diskriminierungen hilft in Deutschland das Strafrecht auf verschiedenen Wegen.
Beleidigung von Homosexuellen
Mit einer Beleidigung haben wir es zu tun, wenn ein Mensch in seiner Ehre verletzt wird. In der Praxis kommt es immer wieder zum Streit, ob eine Beleidigung vorliegt oder eben nicht. Das ist oft Ansichtssache.
Juristisch ist die Beleidigung ein Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch Kundgabe ihrer Missachtung, die geeignet ist, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Ob die Missachtung in einer Äußerung oder Handlung beleidigende Wirkung zukommt, hängt von den Begleitumständen ab. Je nach Kontext, kann ein Wort oder eine Geste strafrechtlich anders zu beurteilen sein.
Es kann eine Beleidigung sein, wenn eine Person „direkt ins Gesicht“ beleidigt wird oder die Beleidigung gegenüber anderen Menschen erfolgt.
Werturteile (= Aussagen, die von Elementen des Meinens und Dafürhaltens geprägt sind) als auch unwahre Tatsachenbehauptungen (= dem Beweis zugängliche Aussagen) können strafbar sein, wenn der angesprochene Mensch in seiner Ehre verletzt wird. Beleidigende Werturteile sind meist böse Beschimpfungen. Dazu zählen auch alle Aussagen, die sich gegen die sexuelle Identität richten.
homophobe Beleidigungen
Beispiele: „Schwuchtel“, „schwule Sau“ – die Liste der homophoben Beleidigungen ist lang. Homophobe Äußerungen sind meist strafbar.
Die Juristen sagen, dass eine homophobe Äußerung strafbar ist, wenn dadurch der angesprochenen Person „der sittliche, personale oder soziale Geltungswert abgesprochen wird“
Beispiel: Die Nachbarin unterstellt ihrem homosexuellen Hausmitbewohner, dass er an AIDS erkrankt sei. Eine Beleidigung dürfte hier gegeben sein, weil der Krankheit AIDS noch immer ein großes soziales Stigma anlastet.
Werden unwahre Tatsachen behauptet, kann das auch als Verleumdung oder Üble Nachrede strafbar sein.
Beleidigung von Gruppen wie Homosexuelle, Schwule oder Lesben
Wichtiger Hinweis: Ganz allgemein gehaltene Äußerungen über „Homosexuelle“, „Schwule“ oder „Lesben“ sind keine strafbare Beleidigung. Denn das Recht setzt voraus, dass Personengruppen zumindest so abgrenzbar sein müssen, dass von vorneherein klar ist, welche Einzelpersonen gemeint sein sollen. Das gleiche gilt für die sexuelle Identität. Aus der Äußerung muss hervorgehen, welcher „Schwule“ konkret gemeint ist.
Das heißt: Wenn der Personenkreis zahlenmäßig klar abgrenzbar und überschaubar ist und ein Bezug auf bestimmte Personen möglich ist, ist auch eine „getarnte“ Äußerung strafbar.
Beispiele:
a) Nicht strafbar = „Alle Lesben sind verlogen“
b) Strafbar = „Die Lesbe in der Hans-Müller-Straße 3 ist verlogen“
Üble Nachrede und Verleumdung
§ 186 und § 187 StGB
Wegen übler Nachrede macht sich strafbar, wer Tatsachen über einen Dritten behauptet, die er oder sie nicht beweisen kann. Nach obigem Beispiel: Die Nachbarin erzählt in einem Restaurant, dass ihr Hausmitbewohner AIDS habe. Eine Verleumdung läge vor, wenn sie dies von sich wegen würde, obwohl sie weiß, dass es unwahr ist – „wider besseres Wissen“.
Eine Übersicht über die Strafbarkeiten in Sachen Hatespeech findet ihr zudem auf unserer Homepage.
Nötigung und Bedrohung
§ 240 StGB bzw. § 241 StGB
Geht der Hass über eine Beleidigung hinaus und es wird mit Gewalt gedroht, kann dies als Nötigung oder Bedrohung strafbar sein.
Volksverhetzung - § 130 StGB
Richtet sich Hass nicht direkt an den Einzelnen, sondern an die Breite der Öffentlichkeit, kann es sich um strafbare sogenannte „Volksverhetzung“ handeln. Die Volksverhetzung ist in § 130 StGB geregelt und kompliziert:
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
[…]
Die folgenden Absätze der Strafnorm beschäftigen sich mit Fällen, in denen Medien zur Tat verwendet werden oder ein Bezug zum Nationalsozialismus besteht. Wie bereits in Art. 3 GG fällt auf: Die sexuelle Orientierung ist nicht ausdrücklich benannt. Es ist unklar, ob Homosexuelle als ein „Teil der Bevölkerung“ vor derartiger Hetze geschützt sind.
Schutz der „sexuellen Orientierung“ durch unsere Gerichte
Unsere Gerichte schützen die sexuelle Orientierung. So wurde im vergangenen Jahr der damalige Berliner AfD-Abgeordnete Kay Nerstheimer vom Berliner Landgericht wegen Volksverhetzung zur Zahlung von 5000 Euro verurteilt. Er hatte im Dezember 2014 auf Facebook Homosexuelle als „degenerierte Spezies“ bzw. „sozial minderwertig“ bezeichnet. Homosexuelle könnten sich glücklicherweise nicht vermehren, da habe die Natur einen Fehler ausgebügelt, stellte der 54-Jährige damals auf Facebook fest.
Ganz allgemein fallen unter den Schutz der Norm alle von der übrigen Bevölkerung auf Grund „gemeinsamer äußerer oder innerer Merkmale politischer, nationaler, ethnischer, rassischer, religiöser, weltanschaulicher, sozialer, wirtschaftlicher, beruflicher oder sonstiger Art unterscheidbare Gruppen, die zahlenmäßig von einiger Erheblichkeit und somit individuell nicht mehr überschaubar sind“ (MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl. 2017, StGB § 130 Rn. 30).
In anderen Worten: Umfasst sind alle Mehrheiten von Personen, die sich durch irgendein festes äußeres oder inneres Unterscheidungsmerkmal als erkennbare Einheit herausheben (MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl. 2017, StGB § 130 Rn. 37).
Der Gesetzgeber zählt Homosexuelle dazu und möchte diese auch bei Angriffen auf einzelne Personen schützen (Drucksache 495/10 des Bundesrates vom 13.08.10).
Öffentliche Aufforderung zu Straftaten
Es kommt vor, dass zu Gewalt gegen Homosexuelle aufgerufen wird. Das ist strafbar, vgl. § 111 StGB. Den Täter erwartet eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis 5 Jahre.
Ist Hetze im Internet gegen Homosexuelle strafbar?
Wer Homosexuelle Menschen beleidigt macht sich strafbar. Dabei ist egal, ob im Internet oder auf der Straße beleidigt wird.
Je nach Art der Anfeindung aufgrund der sexuellen Orientierung können gleich mehrere Straftaten auf einmal begangen werden.
Auch verstorbene Homosexuelle sind geschützt (§ 189 StGB die „Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener“). Wer tote Homosexuelle verunglimpft, kann sich strafbar machen (bis zwei Jahre Gefängnis).
Ein neues Gesetz soll die Ausbreitung des Hasses im Netz verhindern
Einen zusätzlichen Schutz vor der uferlosen Verbreitung von Hetze soll seit einiger Zeit das so genannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bieten. Es zielt nicht direkt auf den Ursprung der Hetze, sondern versucht dem Problem der Anonymität im Netz Herr zu werden. Es verpflichtet die Betreiber sozialer Netzwerke dazu, „offensichtlich strafbare Inhalte" innerhalb von 24 Stunden nach Eingang einer Beschwerde zu löschen. Den Unternehmen drohen Bußgelder von bis zu 50 Millionen Euro, wenn sie diese Vorgaben nicht beachten. Weitere Details zu dem NetzDG findet Ihr auf unserer Webseite.
Fazit
Die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität sind in Deutschland geschützt – durch die Rechtsprechung und durch die Auslegung unserer Verfassung. Es gibt allerdings kein Gesetz, dass den Schutz ausdrücklich hervorhebt. Zur Klarstellung wäre dies wünschenswert, so dass es im Streitfall keiner Auslegung mehr bedarf. Eines muss klar sein: Eine Diskriminierung – auch durch Worte – aufgrund der sexuellen Orientierung – ist in Deutschland nicht erwünscht.
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