Donnerstag, 11. Mai 2023

Trans als Trigger: Wie die „Welt“ den Kampf gegen lästige, obskure Minderheiten befeuert // Trans as a trigger: How the "world" fuels the fight against annoying, obscure minorities

Wie die „Welt“ den Kampf gegen lästige, obskure Minderheiten befeuert Die „Welt“ suggeriert, ergebnisoffene wissenschaftliche Expert*innen hätten „Beiträge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks analysiert“ und seien zu diesen angeblich „alarmierenden“ Ergebnissen gekommen. Dem ist nicht so. Die fünf Autor*innen gehören seit Jahren fast alle zum Who’s Who der deutschen Gegnerschaft von Trans-Identitäten. Es ist eine Gruppe von Menschen, die angesichts der Abschaffung des Transsexuellengesetzes und Einführung eines neuen Selbstbestimmungsgesetzes, die die Bundesregierung plant, gerade aus allen Rohren gegen Trans-Rechte schießen. Uwe Steinhoff, der gerne von „Transideologie“ spricht, veröffentlichte noch im Februar im „Cicero“ einen Artikel, in dem er die AfD-Politikerin Beatrix von Storch in Schutz nahm, die in einer hetzerischen Rede im Bundestag der bayerischen Bundestagsabgeordneten Tessa Ganserer abgesprochen hatte, eine Frau zu sein. Die Überschrift seines Beitrages, der auch auf das Deadnaming Ganserers nicht verzichtete, lautete: „Der Abgeordnete ist ein Mann“. Unter den fünf ist auch der Jugendpsychiater Alexander Korte, für den trans ein „Zeitgeistphänomen“ ist und der als Kronzeuge aller Gegner*innen des Selbstbestimmungsgesetzes gilt. Antje Galuschka warnt vor dem Selbstbestimmungsgesetz unter anderem, weil es Kinder zu „Versuchsobjekten der Pharmalobby“ machen würde, und Rieke Hümpel positioniert sich schon seit Jahren durch Gender-kritische Artikel wie: „Gendern – das erinnert mich inzwischen an einen Fleischwolf“. Dass hier also Leute mit einer klaren, bedrohlichen Agenda dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine „bedrohliche Agenda“ vorwerfen, sollte nicht weiter beeindrucken. Tut es aber: „Umerziehung bei ARD und ZDF? Offener Brief von Wissenschaftlern löst Widerspruch aus“, schreibt etwa der „Kölner Stadtanzeiger“, der weder die Ambitionen noch die Wissenschaftlichkeit des „Welt“-Textes hinterfragt. Die Scheibenhaftigkeit der Welt ist evident Der Gastbeitrag beginnt so: Zunächst ging es um wissenschaftliche Korrektheit. Wir, eine Gruppe verschiedener Wissenschaftler, hatten uns zum Ziel gesetzt, der Fehlinformation der „Vielgeschlechtlichkeit“ auf die Spur zu kommen. Wir wollten herausfinden, ob es tatsächlich stimmt, dass in Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) die bestätigte wissenschaftliche Erkenntnis der Zweigeschlechtlichkeit infrage gestellt wird. Das war uns berichtet worden, und wir mochten es zunächst kaum glauben. Zur wissenschaftlichen Korrektheit: Vielgeschlechtlichkeit ist keine „Fehlinformation“, sondern eine Erkenntnis, die bereits der Berliner Sexualforscher Magnus Hirschfeld in seiner „Zwischenstufenlehre“ in den 1920er Jahren formuliert hatte. Was heute hierzu weitgehend Konsens ist, hat die UNO 2016 so formuliert: „Bis zu 1,7 Prozent der Babys werden mit Geschlechtsmerkmalen geboren, die nicht den typischen Definitionen von männlich und weiblich entsprechen. Das macht Intersexualität fast so häufig wie Rothaarigkeit! Beim Intersex-Sein geht es um die biologischen Geschlechtsmerkmale einer Person. Dazu gehören Genitalien, Keimdrüsen, Hormonspiegel und Chromosomenmuster. Es unterscheidet sich von der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität – eine intersexuelle Person kann heterosexuell, schwul, lesbisch, bisexuell oder asexuell sein, und sie kann eine Frau, ein Mann, beides oder keines von beiden sein.“ Weil es eben möglich ist, „keines von beiden“ zu sein, hatte der deutsche Ethikrat bereits 2012 aufgrund des wissenschaftlichen Forschungsstandes dafür plädiert, neben „männlich“ und „weiblich“ einen weiteren Geschlechtseintrag im deutschen Personenstandsrecht zuzulassen. 2017 folgte dem das Bundesverfassungsgericht, da seiner Auffassung nach die gängige Praxis Menschen in ihren Grundrechten verletzen, die sich dauerhaft weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen lassen. 2018 beschloss dann der Bundestag parteiübergreifend gegen die Stimmen der AfD die Einführung des Geschlechtseintrages „divers“. Dass die „Welt“ trotzdem 2022 einen Beitrag veröffentlicht, der auf der Behauptung basiert, Zweigeschlechtlichkeit sei „bestätigte wissenschaftliche Erkenntnis“, dass man dort also in einem Wissenschafts-Beitrag die Form der Erde als Scheibe als evident voraussetzen kann, passt zum Selbstverständnis des Springer-Mediums. Die Identität der Welt-Leserschaft Wie man unter den Online-Artikeln an den Kommentarspalten und der jeweiligen Umfrage am Ende („Teilen Sie die Meinung des Autors“ (sic!)) ablesen kann, besteht ein wichtiger Teil der Identität vieler „Welt“-Leser*innen darin, die Identität von Menschen, die anders sind als sie, also vor allem die von Minderheiten, als lästig und obskur zu empfinden. Die Meinung des transfeindlichen Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk teilen dort 96 Prozent der Abonnent*innen, die abgestimmt haben. Ähnliche Ergebnisse gibt es, wenn gegen andere Minderheiten oder die Gleichstellung von Frauen ausgeteilt wird. Deshalb wohl nährt die Lektüre der „Welt“ bisweilen den Verdacht, die Auszahlung des Weihnachtsgeldes an die Redakteur*innen sei daran gekoppelt, mindestens einmal im Jahr einen Artikel zu verfassen, in denen das Wort „Identitätspolitik“ vorkommt, samt einer Erklärung, warum sie die Gesellschaft gefährdet. „Identitätspolitik“ muss dort mittlerweile als Warnbegriff für alles herhalten, was die weiße, heteronormative und männlich dominierte gute alte Normalheit Deutschlands infrage stellt. Vergangene Woche wurde sogar ein Beitrag des stellvertretenden Chefredakteurs Robin Alexander über die Diskussionen in der CDU zu ihrem neuem Grundsatzprogramm und die Frage, ob man dort für die „Gleichberechtigung“ oder die „Gleichstellung“ von Mann und Frau eintreten wolle, mit der Headline betitelt: „Wie hält es die CDU mit der Identitätspolitik?“ (Die Meinung des Autors, dem „Gleichstellung“ natürlich viel zu weit geht, teilen laut der Online-Umfrage unter dem Artikel übrigens knapp 90 Prozent der Leser*innen.) Die Pflicht, „Identitätspolitik“ anzuprangern Schaut man sich das 50-seitige Dossier an, in dem die Gastautor*innen des „Welt“-Artikels ihre Rechercheergebnisse über das angeblich alarmierenden Fehlverhalten von ARD und ZDF mit vielen Programmbeispielen auflisten, wird deutlich, dass das Thema trans* hier nur als Trigger benutzt wird: In Wahrheit findet man dort alles problematisch, was emanzipatorisch und aufklärend rund um Sex, sexuelle Identität und Geschlechtlichkeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesendet oder gepostet wird. Die Autor*innen finden es genau so alarmierend, dass in einem „Funk“-Format von „Vulvalippen“ statt von „Schamlippen“ gesprochen wird, wie sie es alarmierend finden, wenn in einer Sendung eine kausale Verbindung der Suizidrate von trans Jugendlichen zur Transphobie in der Gesellschaft hergestellt wird. Dass ausgerechnet trans Menschen als Aufreger dafür herhalten müssen, dass viele Menschen mit den sich veränderten Rollenbildern in der Gesellschaft nicht mehr klarkommen, ist ein Desaster. Einerseits, weil es heteronormative Menschen davon abhält, sich damit zu beschäftigen, wie sehr ihre Ängste und Ressentiments in den Unsicherheiten ihrer eigenen Beziehungen, ihrer eigenen Sexualität und ihrer eigenen Privilegien begründet liegen. Und andererseits, weil viele trans Menschen in unserer Gesellschaft besonderen Zumutungen und Gefahren ausgesetzt sind und ihre Situation somit oft weiter verschlechtert wird. Doch obwohl trans Menschen besonders oft Opfer sind und dafür angegriffen werden, dass sie trans sind, versucht nicht nur die „Welt“ immer wieder in klassischer Täter-Opfer-Umkehr eine gegenteilige Erzählung zu verbreiten. Sarah Wagenknecht promotete ihr jüngsten Bestseller „Die Selbstgerechten“ erfolgreich mit der Warnung vor „skurrilen Minderheiten“ inklusive Andeutungen über trans, und auch der Kulturchef des „Spiegel“ problematisierte in einem Essay das Verhalten von trans Menschen, die sich gegen das Deadnaming verwahren, was er mit dem „Neusprech“ ins George Orwells 1984 verglich. Also mit dem Verhalten eines totalitären Staates. Trans als Trigger funktioniert Trans als Trigger funktioniert, und deshalb wird auch die in der „Welt“ verbreitete, über das trans Thema aufgeladene Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk funktionieren. Auch das ist Desaster. Denn anders als die Verfasser*innen behaupten, zeigen die im Dossier zusammengetragenen Programm-Beispiele nicht die Übermacht „woker“ Themen, sondern wie selten Vielfalt dort tatsächlich stattfindet. Wenn man sich die dort angeprangerten 40 mühsam zusammen getragenen Programminhalte (gegenüber den Zigtausenden, die jährlich produziert werden) wundert man sich, auf was sie alles zurückgreifen müssen, um Alarm zu erzeugen. Schon die grafische, schemenhafte Darstellung von weiblichen Geschlechtsorganen auf Erklärtafeln fällt unter den Indoktinationsvorwurf, weil diese so einem „lieblosen und entblößenden Blick“ ausgesetzt seien. Und man denkt: Was, sowas gut Gemachtes gibt es nicht viel öfter? Das Problem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist nicht zu viel Diversität, sondern zu wenig. Der „Welt“-Beitrag wird dazu beitragen, die zaghaften Versuche der Anstalten, dies zu ändern, mit Kampfbegriffen wie „Frühsexualisierung“ zu skandalisieren. Wer sich wirklich über so etwas wie „Frühsexualisierung“, also das frühkindliche Indoktrinieren absurder Geschlechterverhältnisse aufregen möchte, dem sei ein tatsächlich wissenschaftlicher Blick auf das Kinderfernsehen in Deutschland (das private wie das öffentlich-rechtliche) empfohlen. In ihrer Studie „Audiovisuelle Diversität?“ haben Elisabeth Prommer und Christine Linke 2017 die Rollendarstellungen in fiktionalen und nicht-fiktionalen Produktionen für Kinder analysiert. Die nicht so überraschenden Erkenntnisse auch hier wie im Gesamtprogramm: Männerrollen sind stark überrepräsentiert, Männer erklären die Welt. Besonders spannend aber: Selbst bei sprechenden Tieren werden Kinder indoktriniert; neun von zehn Tiertrickfilmfiguren sind Männer. Gender-Gaga im deutschen Fernsehen. Mit trans hat all das nichts zu tun.

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