Samstag, 23. Juni 2012

Alternative Konzeptionen der Geschlechter – Das dritte Geschlecht

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Alternative Konzeptionen der Geschlechter – Das dritte Geschlecht
Überarbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012
Vorstellungen eines dritten Geschlechts, das eine Art Zwischenstufe zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht darstellt, finden sich weltweit. Burton (1909) identifiziert eine bestimmte Region, in der sich gehäuft Brauchtum findet, das Burton als ›transsexuelles Brauchtum‹ bezeichnet, und nennt diese Region ›sotadische Zone‹ (nach Sotadeus von Maroneia, 306 bis 246 v. Chr.). Innerhalb dieser sotadischen Zone findet nach Burton eine Vermischung von männlichen und weiblichen Merkmalen statt, die sonst auf der Welt nur sporadisch vorkommt. »…there is a blending of the masculine and feminine temperaments, a crasis which elsewhere occurs only sporadically« (Burton 1909, S. 202). Die sotadische Zone ist durch die Randgebiete des Mittelmeeres begrenzt, verengt sich nach Osten hin und umfasst dort Kleinasien, Mesopotamien, Afghanistan, Sind, Pandschab und Kaschmir, verbreitert sich dann in Indochina und umfasst China, Turkestan, Japan, sämtliche Südseeinseln und die neue Welt. […]
Die Gründe bzw. die Antriebe, aus denen heraus ein sog. Geschlechtswechsel bzw. die Übernahme der Rolle eines Mitglieds des ›dritten Geschlechts‹ erfolgen, sind regional (und individuell) verschieden. Man kann diese Reihe unterschiedlicher Geschlechtskonzeptionen als Anomalien in bezug auf das uns aus unserer abendländischen Kultur heraus selbstverständlich erscheinende Paradigma der zwei sich ausschließenden Geschlechter verstehen.
Wie Andritzky (1993) ausführt, kann ein solcher Wechsel der Geschlechtsrolle als normatives Erfordernis unabhängig vom Willen des Betroffenen erfolgen.
»Kapitan Fernando Alarcon berichtet im Jahr 1540 aus Anicanda, dass es dort bei dem Stamm der Yuma immer vier Weibmänner gäbe. Wenn einer von diesen gestorben ist, werden alle schwangeren Frauen des Landes gezählt. Die erste, welche einen Sohn zur Welt bringt, muss ihn hergeben, damit er die Stelle eines Weibes ausfülle. Die Frauen kleiden ihn dann nach ihrer Tracht ein und bedeuten ihm, dass er auch ihre Arbeit zu leisten verpflichtet sei. Später darf der Transvestit nur mit Männern verkehren, er erhält keinen Lohn, hat aber das Recht, sich alles von anderen Männern zu nehmen, was er zum Leben braucht.« (zit. nach Baumann 1955, S. 23)
»Die Zuni-Indianer suchen in jedem Dorf einen oder mehrere Stammesgenossen aus, um sie geschlechtlich impotent zu machen und bei den religiösen Orgien der Frühlingsfeste päderastischen Zwecken zuzuführen« (Andritzky 1993, S. 28)
Ein anderes Beispiel berichtet Pater Domingo de Santo Thomas, der die sog. ›heiligen Kulturtransvestiten‹ der Yuuca erwähnt. Sie seien in den Tempeln beschäftigte, wie Weiber gekleidete junge Männer, die von Kindheit an auf diesen Beruf hingewiesen und auf ihn vorbereitet würden. (vgl. Karsch-Haack, 1911)
Bleibtreu-Ehrenberg (1984) berichtet, dass es bei den Sononuco Indianern um 1680 n. Chr. Brauch war, dass das sechste männliche Kind, das eine Frau ohne dazwischenliegene Geburt eines Mädchens gebar, als Mädchen aufgezogen wurde.
Der Wechsel der Geschlechtsrolle kann und konnte aber auch auf Wunsch des Betroffenen erfolgen. So zitiert Baumann (1955) einen Beobachter, der über die Situation eines bote (d.h. eines Nicht-Mann-Nicht-Weib) folgendes berichtet: »Trotz aller etwaiger Abhaltungen von seiten der Erwachsenen kann man ein Kind, das Weiberkleider annehmen will, nicht von seinem Vorsatz abbringen« (Baumann 1955, S. 23). Ebenso zitiert Baumann (1955) einen gewissen Pater Marquette (um 1674), dass es bei den Illinois Knaben gäbe, bei denen der Wunsch, ein Mädchen zu werden, schon sehr früh beginnt, wobei die Väter versuchen, sie davon abzuhalten. Männer, bei denen die Transformation in höherem Alter stattfände, erklärten, »dass sie einen Traum oder eine höhere Eingebung hätten und beharren auf ihrem Entschluss, der sie einerseits einer gewissen Verachtung preisgibt, sie gleichzeitig aber als heilig gelten lässt. Sie spielen eine große Rolle im Rat, nehmen an den Kalumet-Festen teil und gelten als manitus oder auserlesene Menschen« (zit. nach Baumann 1955, S. 221 f.).
Andere Beispiele finden sich bei den Mohave (s. Bleibtreu-Ehrenberg, 1984; Devereuy, 1937) und den Dayak auf Borneo (s. Ling-Roth, 1896). Auch bei den Sioux gabe es Fälle von freiwilligem Geschlechtsrollenwechsel, den sog. Otos (vgl. Irving, 1835).
Auch eine dritte Form des Geschlechtswechsels, und zwar als Folge systematischer Förderung durch die Eltern oder die Stammesgruppe, ist bekannt.
Nach Lasnet gibt es bei den Sakalauen Westmadagaskars Männer, »… welche sich vollkommen als Frauen fühlen; schon in früher Jugend als Frauen angesehen, legen sie auch deren Kleidung, Charakter und Gewohnheiten an. Große Sorgfalt legen sie auf die Tracht. Ihr Haar tragen sie lang, Handgelenke und Fußwurzeln werden mit Bändern geschmückt. Um dem Weibe noch ähnlicher zu sehen, bilden sie Brüste durch Lappen nach und entfernen alle Behaarung sorgfältig vom Körper; auch der wiegende weibliche Gang ist ihnen eigen« (Lasnet zit. nach Karsch-Haak 1911, S. 178 f.). Holmberg (1856) berichtet über die sogenannten achnutschik der Konjagen, einem Eskimovolk in Alaska. Es handelt sich um Männer mit tatauiertem Kinn, die nur weibliche Arbeiten verrichten, stets mit den Frauen zusammenwohnen und selbst Männer haben. Sie sind hoch angesehen und meist Zauberer. Die Eltern bestimmten einen Sohn zum achnutschik, wenn er ihnen mädchenhaft erscheint; auch kommt es vor, dass Eltern, die sich wünschten, eine Tochter zu bekommen und sich in ihren Hoffnungen getäuscht sehen, den Sohn zum achnutschik machen (zit. nach Karsch-Haak, 1911).
Formen des kultischen Geschlechtswechsels von Frau zu Mann bilden die Ausnahme, kommen bzw. kamen aber dennoch vor. So schildert Schneeweis (1935) das sog. ›serbokroatischer Transvestitenwesen‹: »Fehlten in einer Familie männliche Nachkommen, die allein zur Durchführung des Ahnenkultes berechtigt waren, dann wurde eine der Töchter als momak devoijka (Bursche-Mädchen) bestimmt. Sie bekam Männerkleider und Waffen, rauchte und nahm an Jagd- und Kriegszügen teil.« (Schneeweis 1935, S. 236 f.)
Die wesentlichen Veränderungen bei den verschiedenen Formen des Geschlechtswechsels umfassen eine Übernahme der konträrsexuellen gesellschaftlichen Rolle, d.h. die Übernahme von traditionell gegengeschlechtlichen Arbeiten und Aufgaben, das Tragen entsprechender Kleidung, Veränderung der Stimmhöhe und der Intonation, außerdem einer Veränderung der Gangart. Dabei waren verschiedene Stufen des Geschlechtsrollenwechsels bekannt. So beschreibt Bogoraz die folgenden Stufen der Transsexualisierung des Mannes bei den Tschuktschen:
  • Männer, die nur ihr Haar in weiblicher Art flechten. Dies ist ein weit verbreiteter Brauch, der nicht nur von Schamanen auf den Befehl bestimmtest Geister hin angenommen wird, sonder auch von Kranken auf Anordnung eines Schamanen, um ihn für die Krankheitsgeister unkenntlich zu machen.
  • Die Annahme weiblicher Tracht als Heilmittel bei schamanischer Behandlung.
  • Eine vollständige Wandlung der sexuellen Identität findet etwa bei 5 von 2000 Tschuktschen statt. Diese vollständige Umwandlung geschieht mit Worten BOGORAZ, »… wenn ein Jugendlicher plötzlich auf den Traumbefehl eines Geistes hin Büchse und Lanze, den Lasso des Rentreibers und die Harpune des Seehundjägers fortwirft und zur Nadel und zum Fellschabeisen greift. Seine Sprechweise und körperlicher Ausdruck verändert sich (…), er geht der männlichen Stärke und Ausdauer im Kampfe verlustig und erwirbt die Hilflosigkeit eines Weibes. Er verliert seine Streitlust, wird scheu gegen Fremde, interessiert sich für die Pflege kleiner Kinder und sucht sich einen Ehemann, den er in seiner Jurte aufnimmt« (Bogoraz 1907, S. 448 f.).
Neben diesen verschiedenen Stufen der Übernahme weiblichen Verhaltens finden sich auch unterschiedliche Veränderungen im somatischen Erscheinungsbild. Dabei handelt es sich jedoch hauptsächlich um einen Wechsel der sexuellen Identität im Sinne der Psychosexualität. Das genitale Erscheinungsbild spielt dabei nur einer untergeordnete Rolle. Von daher finden häufig keine körperlichen Veränderungen statt. Vereinzelt finden sich jedoch bei den Männern mit veränderter Geschlechtsidentität eine geschlechtsspezifische weibliche Fettverteilung bis hin zur Ausbildung von Brustdrüsen, über deren Ursache Andritzky spekuliert, »dass auf rein psychischem Wege, etwa autosuggestiv und über konditionierte Lernprozesse, spezifische Nervenbahnen zwischen Cortex und Hypophyse aktiviert werden und die rituellen Transsexuellen so das gleiche Ziel erreichen wie in unserer Gesellschaft mittels Hormonzuführung von außen« (Andritzky 1993, S. 35).
Aber auch über bewusste Veränderungen des männlich-genitalen Erscheinungsbildes wird berichtet. So beschreibt Hammond den Ritus der Zuni-Indianer, ihre kultischen Geschlechtswechsler impotent zu machen und eine Atrophisierung des Hodengewebes zu erreichen:
»Zum mujerado wird einer der kräftigsten Männer jedes Dorfes ausgesucht und an ihm täglich vielmals Masturbation vorgenommen. Zugleich wird er gezwungen, fast ununterbrochen zu reiten, wodurch seine Geschlechtsorgane in einen Zustand reizbarer Schwäche geraten, dass schon die Bewegung auf dem Pferderücken hinreicht, eine Pollution hervorzurufen. Diese Schwäche schreitet fort, bis keine Samenentleerungen mehr eintreten. Penis und Hoden beginnen zu schrumpfen und die Erektionsfähigkeit erlischt. Der mujerado verliert die Lust an seinen früheren Betätigungen, er gesellt sich den Frauen zu und braucht nicht mehr zu arbeiten« (Hammond 1881, S. 38).
Neben dieser forcierten Atrophisierung des Hodengewebes finden sich beispielsweise bei den Hijras in Indien (einer Art Eunuchen-Transvestiten) der Brauch der Entfernung der männlichen Genitalien, um dem Ideal der Geschlechtslosigkeit (»neither male nor female«) gerecht zu werden:
»emasculation is the dharm (case duty) of the hijras, and the chief source of their uniqueness. The hijras carry it out in a ritual context, in which the client sits in front of a picture of the doddness Bahuchara and repeats her name while the operation is being performed. A person who survives the operation becomes one of Bahuchara Mata’s favorites, serving as a vehicle of her power through their sybolic rebirth« (Nanda 1985, S. 39 f.).
Eine dritte Form der genitalverändernden Maßnahmen stellt die sog. mika-Operation bei den australischen Ureinwohnern dar, bei der eine Art Pseudo-Vagina angelegt wird:
»Es handelt sich hierbei um eine Subincision des Penis, der anlässlich der Jünglingsweihe vom Hoden bis zur Eichel an der Unterseite aufgeschlitzt wird. Diese Jünglinge heißen dann »Vulvabesitzer«. Sie gehen mit Knaben, die ihren Penis in den incisierten Penis des Vulvabesitzers einführen, ein Liebesverhältnis auf Zeit ein. Dies geschah bei den Kimberley Melanesiens z.B. immer dann, wenn für einen Jüngling keine Frau zur Verfügung stand, was wegen der Polygynie der Kimberley oft vorkam« (Karsch-Haack 1911, S. 74 f.). Bei etwa zwei Dritteln der männlichen australischen Ureinwohnern soll die mika-Operation durchgeführt worden sein.
Die geschilderten Beispiele machen deutlich, dass die für uns Nordeuropäer (und US-Amerikaner) so vertraute Geschlechterdichotomie keineswegs selbstverständlich ist. Besonders vor dem Hintergrund alternativer Geschlechtskonzeptionen, wie sie über die ganze Welt verbreitet nachgewiesen werden konnten, wird die Aussage Hirschauers, über das Wesen der Geschlechterdichotomisierung als »kulturelle Leistung« deutlich. […] Die Unterscheidung entweder in zwei oder aber in mehrere Geschlechter ist weder falsch noch wahr, sie ist ein Konstrukt bzw. eine Setzung einer (wissenschaftlichen) Gemeinschaft, die die jeweilige Annahme als Grundlage weiterer Untersuchungen betrachtet. […]
von Ingo Hohn, 1995
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