Dienstag, 19. Juni 2012

Die Strukturen der Herkunftsfamilien weiblicher Transsexueller Studie oder Zusammenfassung Teil 2

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Teil 2 Studie oder Zusammenfassung!
Die Ätiologie der weiblichen Transsexualität
Man kann die geschlechtliche Entwicklung bzw. deren Störungen künstlich in eine biologisch-somatische und eine psychisch-soziale Ebene einteilen. In Anlehnung an Winkelmann (1993) umfaßt die biosomatische Analyseebene in etwa die folgenden Stufen:
das genetische Geschlecht, das hormonelle oder gonadale Geschlecht, das hypothalamische Geschlecht sowie das äußere morphologische Geschlecht.
Für die psychosoziale Ebene kann man die folgende Einteilung vornehmen:
das standesamtliche Zuweisungsgeschlecht, die Geschlechtsrolle sowie die Geschlechtidentität.
Im folgenden werden auf diesen verschiebenen Ebenen jeweils die Aspekte der normalen sexuellen Entwicklung sowie deren Störungen aufgezeigt. Auch die gängigen Modelle zur transsexuellen Entwicklung lassen sich dann jeweils in dieses Schema einordnen.
Das biosomatische Geschlecht
Das genetische Geschlecht
Das genetische Geschlecht des Kindes ist abhängig vom Vorhandensein eines Y-Chromosomen im Spermium (Androspermium). Befruchtung durch ein Y-Gonosom: Entwicklung eines männlichen Chromosomensatzes, Befruchtung durch ein Gynospermium (X-Gonosom): Entwicklung eines weiblichen Chromosomensatzes.
Alle Körperzellen enthalten einen doppelten Chromosomensatz von 2 x 23 Chromosomen, davon 2 x 22 nicht-geschlechtliche Chromosomen (Autosomen) und 2 x 1 Sexchromosom (Gonosom). Der Geschlechtschromosomensatz der Frau besteht aus zwei X-Chromosomen, der des Mannes aus einem X- und einem Y-Chromosomen. Der normale menschliche Karyogramm beträgt bei der Frau 46/XX, beim Mann 46/XY.
Chromosomenaberrationen
Beim Ullrich-Turner-Syndrom (45,X0; Monosomie X) entwickeln sich fetale Ovarien, die jedoch später wieder atrophieren. Der Wolff'sche Gang verkümmert regelmäßig, aus dem Müller'sche Gang entwickeln sich die normalen weiblichen Geschlechtswege (Uterus und Eileiter). Äußerlich fallen keine genitalen Anomalien auf, so daß diese Mädchen normal aufwachsen. Erst wenn später die Pubertät ausbleibt, werden Maßnahmen getroffen. Die Pubertät kann durch eine Hormontherapie eingeleitet werden. Die Mädchen bleiben wegen der verkümmerten Ovarien zeitlebens infertil. Die Inzidenz beträgt 0,5 % der geborenen Mädchen.
Beim Klinefelter-Syndrom (Polysomie X mit Y) kommen ein oder mehrere überzählige X-Chromosomen vor. Es resultieren sterile männliche Individuen mit femininem Körperbau, Gynäkomastie, weiblichem Schambehaarungstyp, Hypogonadismus, verminderter Libido und niedrigem Androgenspiegel. Die Inzidenz beträgt 1 % der neugeborenen männlichen Bevölkerung. Klinefelter ist in der Regel nicht mit Transsexualität verbunden, jedoch gibt es immer wieder Veröffentlichungen, die konkordante Fälle vorstellen, z. B. Seifert & Windgassen (1995) oder Cryan & O'Donoghue (1992).
Bei der Polysomie Y mit X (XYY-Konstitution) kommt es zu männlichem Großwuchs bei normaler Fertilität. Auch hier wurden bisher vereinzelt transsexuelle Entwicklungen beobachtet und veröffentlicht, zuletzt von Taneja, Ammini, Mohapatra, Saxena und Kucheria (1992) und von Snaith, Penhale und Horsfield (1991).
Genetische Störungshypothesen
Genetische Konkordanzstudien auf diesem sind wegen der geringen Prävalenz des Störungsbildes schwierig. In der Literatur ergibt sich daher kein einheitliches Bild. In Einzelfallberichten wird sowohl von Zwillingen berichtet, bei denen sich konkordant eine Transsexualität entwickelt, z. B. über ein monozygotisches männliches Zwillingspaar durch Hyde & Kenna (1977), als auch von Zwillingspaaren, die sich diskordant entwickelt haben, z. B. ebenfalls über ein monozygotisches Zwillingspaar durch Garden & Rothery (1992). Die Konkordanzrate müßte relativ hoch sein, da nicht nur die Gene, sondern auch das hormonelle Milieu während der hypothalamischen Differenzierungsphase geteilt wird.
Auf dem Y-Chromosom liegt neben dem TDF auch das H-Y-Gen. Dieses Gen exprimiert in allen männlichen Körperzellen das sogenannte Histokompatibilitätsantigen (H-Y-Antigen). Es ist ein Glykoproteinbestandteil der Zellmembran. Männer sind also H-Y-Antigen positiv, Frauen negativ. In einer bekannten Studie mit 61 transsexuellen Frauen und Männern stellte man fest, daß 55 nicht diesem Regelfall entsprachen (Eicher, Spoljar, Murken, Richter, Cleve, und Stengel Rutkowski, 1981). Eicher et al. glaubten, nun eine Methode entdeckt zu haben, die zwischen echten und "falschen" Transsexuellen diskriminieren könnte. Diese Studie hat viel Aufsehen hervorgerufen, doch konnten die Ergebnisse nicht wieder in diesem Maße repliziert werden. Anscheinend waren methodische Unzulänglichkeiten an dem Artefakt beteiligt (Wachtel, 1986).
Das gonadale Geschlecht
Das Vorhandensein eines Y-Chromosomen bewirkt die Bildung von Hoden, das Fehlen die Bildung von Ovarien. In Abhängigkeit des Y-Chromosomen werden Induktionsstoffe gebildet, die die noch undifferenzierten embryonalen bipotenten Keimanlagen männlich (Testis) entstehen lassen. Die Bildung der Ovarien ist also die Standarddifferenzierung. Der testisdeterminierende Faktor (TDF) wurde auf dem kurzen Arm des Y-Chromosomen lokalisiert, die sex-determinating region of Y (SRY). Dieses Gen kodiert ein Protein, das die Vorläuferzellen der undifferenzierten Gonaden umstellt von der Follikelzellbildung auf die Bildung von Sertoli-Zellen. Weiblichen Mäusen, die das homologe SRY-Gen erhalten haben, entwickelten sich phänotypisch männlich (Kandel, Schwarz und Jessell, 1995).
Für die Ausbildung eines weiblichen Phänotyps ist kein Gonadengewebe notwendig. Weibliche und männliche Kaninchen-Foeten, denen das Gewebe entfernt wurde, entwickelten sich unabhängig vom Genotyp zu phänotypischen Weibchen (Kandel et al., 1995).
In einzelnen Tierversuchen konnten auf dieser Stufe intersexuelle Formen hergestellt werden (Ovotestis), z.B. Spermien-produzierende Ovarien, Ovozyten-produzierende Testis. Dies geschah durch Gewebeverpflanzungen, Unterdrückung der Induktionsstoffe oder Darreichung von Hormonen oder Hormonvorstufen (Kandel et al., 1995).
Das morphologische Geschlecht
Die Zellen der fetalen Testis sezernieren zwei wichtige Hormone: Testosteron, ein Steroid, durch die Leydig-Zellen und die Müllerian duct-inhibiting substance (MIS), ein Glykoprotein, durch die Sertoli-Zellen. In der dritten Phase (siebte bis zwanzigste Schwangerschaftswoche) erfolgt die Differenzierung der bisexuellen Gonadukte (Wolff’scher bzw. Müller’scher Gang) des Embryo zu inneren männlichen oder weiblichen Genitalorganen unter hormoneller Kontrolle. Aus dem Wolff’schen Gang entwickelt sich das ableitende männliche Genital, wenn der Induktionsstoff Testosteron abgesondert wird. Die Müller’schen Gänge entwickeln sich unter MIS zurück. Fehlt diese Induktionsstoffe, wie bei weiblichen Embryonen oder beim männlichen Pseudohermaphrodismus, so entwickelt sich aus den Müller’schen Gängen der weibliche Genitaltrakt (Uterus und Eileiter). Neben dem männlichen Geschlechtshormon sind außerdem die entsprechenden Hormonrezeptoren notwendig. Fehlen diese, so kommt es bei genetisch männlichen Embryonen zu einer testikulären Feminisierung. Die Differenzierungschritte zum männlichen Genital gehen der Entwicklung zum weiblichen Genital notwendigerweise zeitlich voraus, da die Differenzierung allein aufgrund der Anwesenheit männlicher Hormone geschieht.
Nach demselben Prinzip entwickeln sich im dritten Fetalmonat die äußeren Genitalien. Die zunächst bisexuelle Anlage von Geschlechtshöcker, Geschlechtsfalten und
Geschlechtswülsten wächst sich zum männlichen oder weiblichen äußeren Genital aus.
Intersexualität
Von Pseudohermaphroditismus masculinus spricht man, wenn es bei genotypisch männlichen Individuen zu einem weiblichen Phänotyp kommt. Dieses kann verschiedene Ursachen haben.
Das feminisierende androgenitale Syndrom (AGS) ist autosomal rezessiv erblich und basiert auf einer Störung der Androgensynthese. Bei der testikulären Feminisierung besteht eine Endorganresistenz gegenüber Testosteron. Diese kann entweder komplett oder partiell bestehen. In der Regel werden die Jungen mit AGS dann als Mädchen aufgezogen und entwickeln sich normal, d. h. ohne Geschlechtsidentitätsstörung. Gooren & Cohen Kettenis (1991) fanden einen Fall von AGS, bei dem es aber trotzdem zu einem Transsexualismus kam. Der Fall ist deshalb interessant, weil hier trotz niedriger Androgenwirkung sich scheinbar ein maskulinisiertes Gehirn entwickelt hat.
Beim Pseudohermaphroditismus femininus kommt es bei chromosomal weiblichen Personen zu einer phänotypisch männlichen Ausprägung der primären Geschlechtsorgane mit Ausnahme der Ovarien. Die Ursache ist eine fetale Androgeneinwirkung entweder aufgrund einer angeborenen Enzymstörung (virilisierendes androgenitales Syndrom). Die weibliche Form des AGS ist autosomal rezessiv erblich. Es besteht in einer Überproduktion von Androgenen durch ein Überangebot von adrenocorticotropem Hormon (ACTH).
Ein Pseudohermaphroditismus femininus könnte aber auch aufgrund einer hohen diaplazentaren Androgeneinwirkung bei der Mutter zustande kommen, z.B. exogen durch androgenhaltige Medikamente, Barbiturate, einige Pestizide oder endogen durch einen Androgen produzierenden Prozeß.
Endokrinologische Störungshypothesen
Dörner, Poppe, Stahl, Kolzsch und Übelhack (1991) nehmen an, daß ein AndrogenÜberschuß, der ihrer Meinung nach bei genotypischen Frauen während kritischer Phasen der Gehirnentwicklung zu heterotypischer sexueller Orientierung (Homosexualität) und Rollenverhalten führt, durch einen 21-Hydroxylase-Mangel verursacht ist, besonders wenn er noch mit einem pränatalen Stress verbunden war. Die Autoren verglichen homo- und heterosexuelle Frauen miteinander und fanden das Cortisol Precursor-Molekül 21-Deoxycortisol nach Stimulation mit adrenocorticotropem (ACTH) Hormon bei den homosexuellen Frauen signifikant erhöht. Bei transsexuellen Frauen fanden sie 21-Deoxycortisol nicht nur nach ACTH-Gabe hochsignifikant erhöht, sondern auch ohne ACTH. Sie schließen daher darauf, daß 21-Hydroxylase-Mangel einen genetische Prädisposition für die Entwicklung von Homo- und Transsexualität bei Frauen darstellt. Bi-, Homo- und Transsexualität sind somit nur graduell unterschiedliche Endpunkte desselben Prozesses.
Bets & Bukhanovskii (1992) postulieren eine angeborene Pathologie der hormonellen Homöostase bei Transsexuellen beiderlei Geschlechts. Sie belegen in ihren endokrinologischen Studien, daß das Verhältnis von Östrogenen und Androgenen bei transsexuellen Frauen wie Männern zugunsten des heterotypischen Verhältnisses verschoben sei, so daß es der Geschlechtsidentität des Transsexuellen entspräche. Dagegen stehen Befunde, daß bei Transsexuellen fast immer ein normales Androgenstatus gefunden wird, so daß bereits vorgeschlagen wurde, bei der normalen Diagnostik ganz auf invasive endokrinologische Untersuchungen zu verzichten.
Das hypothalamische Geschlecht
Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind nicht nur auf körperliche Merkmale beschränkt, wie Verteilung von Fett- und Muskelgewebe, Behaarungstyp, Körpergröße u.ä., sondern manifestieren sich auch im Verhalten. Verhaltensunterschiede wurden lange Zeit auf die geschlechtsdimorphe Verteilung von Hormonen zurückgeführt, die direkt auf das Verhalten wirken sollten. Durch entsprechende Tierversuche mußten diese Annahmen allerdings modifiziert werden. Zwar hat auch die Gabe von Hormonen Verhaltensänderungen
zur Folge, vor allem im Bereich des Fortpflanzungsverhaltens, doch ist diese Änderung nur kurzlebig. So steigert die Gabe von Östrogenen in ovarektomierten gegenüber intakten Rattenweibchen die sexuelle Bereitschaft nur sehr kurzfristig. Daraus läßt sich ableiten, daß die induktive Wirkung von Hormonen bei adulten Rattenweibchen nicht allein durch das Vorhandensein dieser Hormone erklärt werden kann (Kandel et al., 1995).
Es läßt sich aber im Tiermodell zeigen, daß die langfristige Wirkung von Hormonen auf den Verhaltensbereich abhängig ist von der Entwicklungsphase, in denen die Hormone zur Verfügung stehen. Es gibt also sensible Phasen in denen die Hormone einen prägenden und dauerhaften Einfluß auf verhaltenssteuernde Strukturen des Gehirns auszuüben scheinen. Ein zunächst undifferenziertes Gehirn wird durch die Steroidhormone maskulinisiert oder feminisiert.
Testis und Ovarien synthetisieren sowohl Testosteron als auch Östrogen. Je nach Geschlecht überwiegt aber mengenmäßig entweder das eine oder das andere. Es ist also nicht ganz richtig, von männlichen und weiblichen Hormonen zu sprechen. Geschlechtsspezifisch sind nur die Relationen der Hormone zueinander. Daher spricht man von homo- und heterotypischen Hormonen. Homotypische Hormone sind für die Frau z. B. Östrogen, für den Mann Testosteron, heterotypisch wäre die umgekehrte Konstellation.
Die Begriffe homotypisch und heterotypisch kann man auch auf den Verhaltensbereich anwenden. Gerade im Humanbereich sind geschlechtsspezifische offene Verhaltensmuster nur selten zu entdecken. Verhalten differiert zumeist nur in der Auftretenswahrscheinlichkeit zwischen den Geschlechtern, sind also nur geschlechtstypisch.
Bei Ratten werden in diesem Zusammenhang vor allem zwei geschlechtstypische Verhaltensweisen experimentell manipuliert: 1. die Lordosis (Anheben des Beckens) als typisches weibliches Paarungsverhalten und 2. das Besteigen als typisch männliches Pendant. Bei männlichen Rattenfoeten sondern die Testis vom 13. Tag der Fetalentwicklung bis zum 10. Tag nach der Geburt Testosteron ab (18 Tage). Entfernt man neugeborenen Rattenmännchen die Testis kurz nach der Geburt, so daß sich die Einwirkungszeit des Testosterons ungefähr halbiert, so hat das tiefgreifende Veränderungen des späteren sexuellen Verhaltens zur Folge. So führen die später adulten Tiere unter Östrogen- und Progesterongabe die Lordosis durch, wenn sie von normalen Männchen bestiegen werden. Spätere Kastration verringert diesen Effekt bzw. hebt ihn auf (Kandel et al., 1995).
Ein weiterer perinataler Effekt von Testosteron auf die Gehirnentwicklung soll darin bestehen, daß die Adenohypophyse männlich oder weiblich geprägt wird. Die Sezernierung von Gonadotropinen, luteinisierendes Hormon (LH) und follikelstimulierendes Hormon (FSH) durch die Adenohypophyse geschieht in männlichen Tieren in der Regel kontinuierlich, bei weiblichen Tieren periodisch. Testosteron während der kritischen Phase der Gehirnentwicklung verhindert die Periodizität dauerhaft. Eine Erklärung für diesen Effekt findet sich in den Neuronen des präoptischen Areals. Die Axone dieses Areals ziehen zu den Zellen, die das Peptid LH-Releasing Hormon (LHRH) produzieren. LHRH reguliert die Freisetzung von LH und FSH aus dem Hypophysenvorderlappen. Die Neurone des präoptischen Areals sind nur bei den Weibchen östrogensensitiv, bei den Männchen läßt sich selbst durch elektrische Reizung keine Erhöhung des LHRH feststellen.
In der kritischen Phase der geschlechtlichen Differenzierung des Gehirns ist das Gehirn nicht nur sensitiv auf Testosteron, sondern auch auf viele andere Steroide, sowohl körpereigene als auch exogene Stoffe: Androstendion, Östradiol, Barbiturate und Pestizide. Diese wirken alle maskulinisierend auf das Gehirn. Am stärksten maskulinisierend wirkt
Östradiol, in das auch Testosteron in den Zielzellen umgebaut wird. Testosteron hat zwei Stoffwechselwege: Reduktion zu 5-Alpha-Dihydrotestosteron in den Neuronen der Hypophyse und des Hirnstammes und Umbau zu 17-Beta-Östradiol in den Neuronen des Thalamus und des limbischen Systems. Verhaltensrelevante Schaltkreise sollen vor allem durch Östradiol dauerhaft maskulinisiert werden. Inhibitoren dieser chemischen Umwandlung können daher die Maskulinisierung des Gehirns verhindern.
Ist bei männlichen Feten die Maskulinisierung des Gehirns durch Östrogene erwünscht, so muß bei weiblichen Feten diese durch einen Mechanismus verhindert werden, zumal das Mutterblut reich an Östrogenen ist. Rattenfeten beiderlei Geschlechts sind durch ein Östrogenbindendes Protein in Blut und Cerebrospinalflüssigkeit, das Alpha-Fetoprotein, welches in der Leber des Feten synthetisiert wird, geschützt. Auf diese Weise bleiben die Steroid-sensitiven Neurone geschützt. Bei männlichen Feten kann dann Testosteron in die Neurone eindringen und in Östradiol umgewandelt werden (Kandel et al., 1995).
Die Rezeptoren für die Steroidhormone liegen in der Regel nicht an der Plasmamembran, sondern im Zellkern. Sie konnten bisher vor allem im präoptischen Areal des Hypothalamus, in der Amygdala, im Mittelhirn und im Rückenmark nachgewiesen werden. Außerdem finden sie sich in den frontalen, präfrontalen und cingulären Arealen der Großhirnrinde.
Es können einige tierexperimentelle Befunde angeführt werden, die zeigen, daß Verhalten nicht so sehr von der aktuellen Konzentration von Steroidhormonen abhängig ist als vielmehr von der Wechselwirkung zwischen akuter Hormonkonzentration und den Folgen von Hormoneinwirkungen während kritischer Zeiträume der Gehirnentwicklung.
So reagiert ein maskulinisiertes Rattenhirn nicht wie ein weibliches Gehirn bei Östradiolinjektionen mit einer Zunahme von Progesteronrezeptoren im Nucleus hypothalamicus ventromedialis, der die Lordosisreaktion hormonell steuert. Auch das äußere Verhalten der normaler männlicher Ratten reagiert nur wenig auf Östrogengaben. Während adulte weibliche oder männliche direkt nach der Geburt kastrierte Tiere auf Östrogengabe öfter mit Lordosis reagieren (Kandel et al., 1995).
Den prägenden Einfluß von Testosteron während der kritischen Periode zeigt auch das Verhalten von Jungtieren vor der Geschlechtsreife. In dieser Zeit ist die Testosteronausschüttung der Testis bzw. die Östrogenproduktion der Ovarien herabgesetzt und kommt daher für Verhaltensunterschiede zwischen Weibchen und Männchen kaum in Betracht.
EEG-Befunde
Auffällige herdförmig im Schläfenbereich lokalisierte Theta-Aktivität wurde in der Literatur bei Transsexuellen häufig gefunden und als eine biologische Kraft in der Genese der Transsexualität interpretiert. In einer Studie von Krömer, Pfäfflin, und Spehr (1985) wurden die Elektroenzephalogramme von 43 Transsexuellen mit denen von 43 Stotterern und 43 Sexualstraftätern verglichen. Es entstand der Verdacht unspezifischer Störungen der Gesamtorganisation des Hirnstrombildes mit amplitudenlabiler Grundaktivität und leicht erhöhtem Synchronisationsgrad bei diesen Patienten. Bei biologisch weiblichen Transsexuellen fand sich die Alpha-Aktivität schlechter ausgeprägt als bei Männern; der Synchronisationsgrad war entsprechend niedriger. Transsexuelle, deren Symptomatik bereits vor dem zehnten Lebensjahr manifest wurde, wiesen statistisch bedeutsam häufiger niedrig organisierte und als abnorm eingestufte Befunde auf als diejenigen Probanden, deren klinische Symptome erst in oder nach der Pubertät auftraten. Ungewöhnliche Hirnstrombilder und Borderline-Störungen wurden in einer Studie von Hoenig & Kenna (1979) vor allem bei der Gruppe der transsexuellen Frauen festgestellt.
Gehirnanatomische Korrelate
Swaab untersuchte die Gehirne von sechs verstorbenen Transsexuellen und entdeckte, daß der im Hypothalamus gelegene BSTc (central subvision of the bed nucleus of the stria terminalis) bei diesen der für Frauen durchschnittlichen Größe entsprach. Bei normalen Männern ist dieser Kern etwas mehr als doppelt so groß wie bei Frauen. Die Größe dieses Kerngebietes unterscheidet sich nicht bei homo- und heterosexuellen Männern (Swaab, Gooren und Hoffman, 1992).
Auch der sex dimorphic nucleus (SDN) des präoptischen Areals wurde bei erwachsenen Transsexuellen als verkleinert vorgefunden, so daß er mit der für Frauen typischen Größe korrespondierte. Dieses Kerngebiet ist bei Kindern beiderlei Geschlechts bis zum Alter von ungefähr zwei Jahren gleich groß. In den folgenden beiden Jahren stirbt bei den Mädchen allerdings ungefähr die Hälfte der Neurone in diesem Kern ab.
Orlebeke, Boomsma, Gooren und Verschoor (1992) ermittelten in einer Studie über die Linkshändigkeit bei 44 weiblichen und 93 männlichen Transsexuellen, daß diese in beiden Gruppen fast doppelt so hoch war als in der Allgemeinbevölkerung. Dieser Befund ließ sich bisher noch nicht schlüssig erklären.
Das psychosoziale Geschlecht
Die standesamtliche Geschlechtszuschreibung
Das psychosoziale Geschlecht kann man mindestens auf drei Ebenen bestimmen. Die erste Zuschreibung eines Geschlechts erfolgt durch die Hebamme oder den Arzt, der die Entbindung einleitet. Während in früheren Zeiten allein die äußere morphologische Erscheinung ausschlaggebend für die Zuordnung war, sind heute exaktere Verfahren bereits pränatal vorhanden. Diese Entwicklung hat sich vor allem auf die Einordnung von intersexuellen Varianten positiv ausgewirkt. Die geburtliche oder standesamtliche Geschlechtszuschreibung ist außerordentlich wichtig, da diese das Verhalten der familiären Umwelt dem Neugeborenen gegenüber bestimmt. Durch geschlechtstypische Verstärkerkontingenzen werden sowohl konkrete offene Verhaltensweisen als auch wahrscheinlich verdeckte innerpsychische Prozesse der Identifikation selektiert und modifiziert. Manche Autoren halten gerade diese Lernprozesse für die entscheidenden Determinanten späterer geschlechtstypischer Verhaltensmerkmale.
Die Geschlechtsrolle
Die zweite Ebene ist die gelebte Geschlechtsrolle. Nach Money (1994) ist diese ein kultureller Stereotyp, der bestimmt, was männlich und was weiblich ist. Diese Konzeptualisierung geht davon aus, daß es gesellschaftlich bestimmte Sets von Verhaltensnormen gibt, die unter genau definierten Bedingungen gelten. Dem Einzelnen sind enge Grenzen bei der Ausgestaltung einer solchen Rolle gesetzt. Gerade bei der Geschlechtsrolle werden Rollenerwartungen besonders offensichtlich. Die meisten Gesellschaften scheinen danach zu streben, natürliche statistische Geschlechtsunterschiede sozial zu vergrößern. Während von einem echten Dimorphismus allenfalls auf der genetischen Ebene gesprochen werden kann und auf der psychischen und Verhaltensebene eher von einer Kontinuität der Geschlechtsmerkmale auszugehen ist, werden geschlechtsspezifische Normen aufrechterhalten, die dem Ideal der Trennschärfe folgen.
Die Geschlechtsidentität
Die Geschlechtsidentität bezieht sich auf die überdauernde Überzeugung, einem der beiden Geschlechter zuzugehören und damit, zumeist unbewußt, entsprechende geschlechtstypische Ideale und Normen zu verinnerlichen. Geschlechtsidentität bedeutet also mehr als nur die reine Selbstzuordnung zu einem Geschlecht. Vielmehr umfaßt sie auch den Umgang des Individuums mit den gesellschaftlichen Rollenerwartungen, die Selektion von Modellen für die Differenzierung seines Verhaltens sowie die Übernahme einer bestimmten Symbolik, durch die Geschlechtsidentität plakativ nach außen sichtbar gemacht wird.
In der Regel ist die Geschlechtsidentität konsistent, d. h. das Individuum hat keinen Zweifel daran, einem der beiden Geschlechter eindeutig zuzugehören. Die Hinterfragung von sexuellen Stereotypen, das Bewußtsein darüber, nicht in vollem Umfang gesellschaftlichen Rollenerwartungen zu entsprechen (z. B. bei Homosexualität) oder der spielerische Umgang mit heterologen Geschlechtsrollen (z. B. Transvestitismus) bedeutet noch keine Unsicherheit der Geschlechtsidentität. Trotzdem kann die innere Konsistenz soweit verloren gegangen sein, daß von den Betroffenen ein Versuch der Neudefinition unternommen wird. Transsexuelle sind Menschen, die sich in einem solchen Versuch befinden. Ihre Geschlechtsidentität ist somit also weder männlich noch weiblich, sondern eher in einem Prozess der Transition begriffen, eben trans-sexuell.
McCauley & Ehrhardt (1977) fanden in einer Studie über 15 transsexuelle Frauen, daß sie im Bem Sex-Role-Inventory gegenüber einer gleich großen lesbischen Vergleichsgruppe starrere Geschlechtsrollen-Stereotype zeigten und androgyner waren.
Soziobiologische Störungshypothesen
Soziobiologische Modelle gehen analog zum Tiermodell (vgl. Lorenz, 1935) von einer sensiblen Phase während der Kindheit aus, in denen das Kind auf bestimmte Reize der Umwelt dauerhaft und irreversibel geprägt wird. Die Geschlechtsidentifikation wird mit einem solchen Prägungsprozess in Verbindung gebracht. Ist die geschlechtliche Identifikation einmal erfolgt oder mißlungen, so kann diese zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr
rückgängig gemacht bzw. nachgeholt werden. Hauptvertreter dieser Richtung ist Money (1994) der die Differenzierung der Geschlechtsidentifikation als einen Prozess auf zwei Ebenen begreift, die Ebene der Identifikation und die der Komplementierung. Das Kind braucht zur Entwicklung einer eindeutigen Geschlechtsidentifikation sowohl ein gleichgeschlechtliches als auch ein gegengeschlechtliches Modell. Da davon ausgegangen wird, daß die sensible Phase für die Prägung in der frühen Kindheit liegt, stellen in der Regel die Eltern die Prägungsreize dar. Als Determinanten der für die bei Transsexuellen vorliegende Ambivalenz und Brüchigkeit der Geschlechtsidentifikation wird somit das Fehlen eines identifikatorischen oder komplementären Modells angenommen. Ein Fehlen läge nicht nur bei physischer Abwesenheit eines Elternteils vor, sondern auch dann, wenn eines der Elternteile seine Geschlechtrolle spürbar ablehnen würde. Es wäre allerdings vorstellbar, daß auch Geschwister, besonders ältere Geschwister, eines der Modelle ersetzen könnten und damit den Prägungsprozess doch noch regelmäßig zum Abschluß brächten.
Soziokulturelle Störungshypothesen
Von soziologischer Seite wird die Kulturabhängigkeit transsexueller Phänomene betont. Transsexualität sei daher weniger eine Störung als eine Möglichkeit unter vielen anderen, seinen individuellen Lebensstil zu entwickeln. Die Auftretenswahrscheinlichkeit hänge vor allem von kulturellen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen ab. So wird beispielsweise das Überwiegen der weiblichen Transsexuellen in einigen Ländern wie der Türkei (8:1, vgl. Focus, 1995) oder einigen ehemaligen Ostblockländern mit den großen Belastungen und Benachteiligungen in Zusammenhang gebracht, denen Frauen in diesen Ländern ausgesetzt sind. Umgekehrt könnte die niedrige Zahl männlicher Transsexueller in der Türkei damit zu tun haben, daß Transsexualität von der Allgemeinheit oft in Zusammenhang mit Homosexualität gebracht wird. Yuzgun (1993) beschreibt die vielfältigen Benachteiligungen und Repressalien durch die Polizei, denen Homosexuelle in der Türkei ausgesetzt sind.
Aber auch für die westlichen Gesellschaften sind epidemiologische Daten über Prävalenz kaum vergleichbar. So führen Ross, Walinder, Lundstrom und Thuwe (1981) Unterschiede zwischen Australien und Schweden auf gesellschaftliche Einflüsse zurück. Dabei ist es vielleicht weniger die theoretische Häufigkeit genderdysphorischer Störungen als vielmehr die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Transsexuelle dazu bewegen, Zentren zur Beratung und Behandlung aufzusuchen und sich damit für die Forschung zugänglich zu machen.
Als Vermittler zwischen professionellen Beratungs- und Behandlungsteams treten immer öfter auch Selbsthilfegruppen auf, die transsexuelle Wünsche kanalisieren und vielleicht auch modifizieren. Auch sind Wechselwirkungen zwischen Transsexualität und der Rezeption wissenschaftlicher Befunde und Theorien bisher kaum erforscht.
Kesteren, Gooren und Megens (1996) fanden in ihren epidemiologischen Studien für die Niederlanden, daß städtische Gebiete gegenüber ländlicheren Regionen bei der Prävalenz der Störung überrepräsentiert sind. Auch hier zeigt die Abhängigkeit der Störung von den ökologischen Rahmenbedingungen.
Lerntheoretische Störungshypothesen
Lerntheoretische Überlegungen zielen vor allem darauf ab, instrumentelle Verstärkungsprozesse während der Kindheit und Jugend für die Entwicklung von Transsexualismus ausfindig zu machen. Hier wird vor allem die Rolle der Eltern betrachtet, die vielleicht unbewußt heterotypische Verhaltensweisen bei ihren Kindern gefördert haben oder zumindest diesen Verhaltensweisen des Kindes nicht genug Widerstand entgegengesetzt haben könnten. Bei entsprechender Konstitution des Kindes, z.B. weibliches Aussehen bei Jungen oder einer perinatalen Vorschädigung des Gehirns könnten solche Mechanismen die Identifikation mit dem eigenen Geschlecht beeinträchtigen.
Buhrich & Mc.Conaghy (1978) halten den Wunsch der Mutter für eine wichtige Determinante. Sie führten eine Studie mit 92 Männern durch, die sich zu ungefähr einem Drittel aus Homosexuellen, Transvestiten und Transsexuellen zusammensetzte. Mithilfe des Childhood Family Relationship Tests und einem eigenen semantischen Differential stellten sie fest, daß sich signifikant mehr Mütter von Transvestiten und Transsexuellen vor der Geburt des Jungen ein Mädchen gewünscht hatten. Außerdem hatten alle drei Gruppen berichtet, daß ihre Väter keinen Anteil an ihnen genommen hatten oder abwesend waren. Auch andere intrafamiliären Faktoren konnten nicht mehr zwischen den Gruppen trennen. Trotzdem kann der geschlechtsspezifische Kinderwunsch der Mutter als ein Indiz dafür gewertet werden, daß unbewußte Verhaltensweisen der Mutter, wie Ablehnung oder Verstärkung bestimmter geschlechtsuntypischer Äußerungen des Kindes einen Einfluß auf die Entstehung von Transvestitismus und Transsexualität haben könnten.
Psychoanalytische / Psychiatrische Störungshypothesen
Autoren psychoanalytischer Provenienz bringen die Genese der Transsexualität vor allem mit Konzepten von pathologischen Objekt-Beziehungen, Regression, Kastrationsangst, Wiedergeburtsphantasien oder Geschlechtsneid in Verbindung (Lothstein, 1979).
Siomopoulos (1974) weist auf Ähnlichkeiten zwischen Transsexualismus und isolierten Wahnstörungen hin, bei denen eine fixe irrationale Idee bei sonst uneingeschränkter sozialer und beruflicher Funktionsfähigkeit besteht, deren Inhalt in der Regel nicht mehr korrigierbar ist.
Socarides (1978) sieht im Transsexualismus einen unbewußten Versuch, die eigene Identität wahnhaft umzudeuten, um homosexuelles Empfinden auch weiterhin leugnen zu können. Auch Scherrer (1980) sieht als Hauptmotiv für die Entstehung von Transsexualität die Bewältigung von uneingestandenen Schuldgefühlen durch eine gleichgeschlechtliche sexuelle Orientierung, für die auch eine Transformationsoperation kein Ausweg bieten kann.
Benedetti-Gaetano (1981) stellte fest, daß das einzige häufig wiederkehrende Merkmal, daß bisher bei Transsexuellen gefunden wurde, das sogenannte splitting sei. Mit splitting bezeichnet er das übergangslose Aufteilen von Objekten und sozialen Realitäten in „gute“ und „böse“. Dabei können diese Zuschreibungen oft abrupt wechseln, wie es bei Transsexuellen durch das Schwanken zwischen verschiedenen weiblichen und männlichen Rollenkomponenten deutlich wird.
Murray (1985) untersuchte drei Gruppen von jeweils 18 - 25 Männern: Studenten, Borderline-Patienten und Transsexuelle. Er stellte mittels Rorschach-Verfahren Gemeinsamkeiten zwischen Borderlinern und Transsexuellen fest, die charakterisiert sind durch ein höheres Gewaltpotential, ein niedrigeres Ausmaß an Objektbeziehung, schlechterer Realitätsbezug und mangelndes Abgrenzungsvermögen gegenüber der studentischen Vergleichsgruppe. Er schlägt vor, zumindest männliche Genderdysphoriker als Subgruppe der Borderline-Störung zu aufzufassen.






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