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„Transgender und die Gesellschaft“ hab’ ich bei mir gedacht: hast Du’s nicht ein bisschen kleiner?
Die „anerkannten“ sogenannten Transsexuellenfälle machen gerade eben 0,0075% der Bevölkerung dieser Republik aus – also nicht vergleichbar mit den Größenordnungen der Prozentanteile von Schwulen und Lesben. Gut: nehmen wir an, dass auf einen von der Justiz und ihrem Medizinern verhackstückten Tran-Gender-Fall 10 Mitbetroffene kommen, die aus welchen Gründen auch immer nicht in den Prozess einsteigen können und ihr Leben auf Ebene Null abwickeln – oder eben irgend wann damit aufhören – dann haben wir immer noch nicht einmal ein Zehntel Prozent. Und so eine Null-Prozent-Gruppe soll die Gesellschaft jucken?
Umgekehrt: dass wir die Gesellschaft dazu bringen, sich ziemlich heftig im Pelz zu kratzen, ist aber ziemlich offenkundig. Es gibt sicher keine Kleingruppe (um nicht geradezu Minderheit zu sagen), über die im Laufe der letzten zwanzig Jahre soviel publiziert worden wäre wie die Transgender-Gruppe. Ich rede jetzt von der Gesamtsumme der Publikationen: vom letzten Scheiß bei „Bild“ bis zu umfänglichen seriösen wissenschaftlichen Monographien, und vom Buch über den Fernsehbeitrag, die Talk-Show bis zum Chat-Room. Und selbst die Bundes-Gesetzgebeung außerhalb des Strafrechts hat sich vor 23 Jahren genötigt gesehen, unseretwegen ein Gesetz zu erlassen, das uns den widerwillig und umständlich erteilten Segen des Staates zu unserem Lebensentwurf eingeräumt hat. Eine Regelung in diesem Zusammenhang zu treffen gehört zu den Standarts für EU-Beitrittsländer. Weshalb also soviel Gesums um eine so vergleichbar kleine Gruppe?
Zum Teil liegst es daran, dass gerade die erste Generation derer, die sich mit dem Bewusstsein ihrer Trans-Gender-Situation gesellschaftlich durchgesetzt hat, nicht gerade leise verfahren ist. Das hätte auch nichts gebracht. Freundinnen wie Maria Sabine Augstein, die ungefähr das Durchsetzungsvermögen eines Leopard-Panzers hat, waren nötig, damit sich was bewegt hat.Oder Simone Yvonne von Budzyn. Ich gebe ja zu, dass sie mir unheimlich auf den Wecker gegangen ist – aber sie hat das Thema am köcheln gehalten. Auf stillere und effektivere Weise haben Freundinnen wie Cornelia Klein getan, oder die Gruppen in Münster und Hamburg, von Berlin ganz zu schweigen. Ich selber habe meines dazu beigetragen, aber das wisst ihr. Wir waren also öffentlich präsent seit Mitte/Ende der 80er Jahre, wirklich präsent.
Mit dem Abbau des Minderheitenrassismus, den ich vor 15 oder 16 Jahren zwischen Transgender-Organisationen oder Einzelpersonen und Verbänden von Schwulen und Lesben erlebt habe, haben sich auch Chancen wie eben der Christopher-Street-Day aufgetan. Filme wie Fassbinders „In einem Jahr mit dreizehn Monaten“ haben dafür gesorgt, das „die Leute“ uns nicht nur als schrill erlebt, sondern ganz allmählich kapiert haben, dass hinter unseren Biographoen Erfahrungen stehen, die weder schrill noch komisch sind. Natürlich hat’s auch üble Gegenbeispiele gegeben, z.B. die Dämonisierung unserer Gruppe in Filmen wie „Dressed to Kill“ oder „Das Schweigen der Lämmer“. Da gibt es aber auch einen erkennbaren Umschwung: in der Verfilmung von Donna Leons „Venezianische Charade“ kommt ein Transsexuellenthema vor – und es zeigt sich, dass ein „stinknormaler“ Täter eine solche Szene aufgebaut hat, die in die Richtung weist, um von sich abzulenken. Und gerade ein Transgender-Mann ist es, der Commissario Brunetti auf die richtige Spur bringt.
Gut, das sind alles nur Details. Aber sie zeigen einen Trend.
Weshalb „die Leute“ sich wie auch immer auf uns einlassen, neugierig, ausgrenzend, mit nackter Feindschaft oder auch solidarisch, das hat die Debatte da,als im Deutschen Bundestag über das so genannte Transsexuellengesetz gezeigt. Unsere Lebensentwürfe und Lebenspraxis wirft die Frage auf, was Geschlecht und Geschlechtsidentität eigentlich seien, wie sie entstehen, wie sich festigen, und ob sie ein entscheidendes Kriterium zur Füllung der Kategorie „Mensch“ sein können. Das aber geht tatsächlich alle an. Und deshalb sind wir allein durch unser Dasein eine gestellte und nicht beantwortete Frage für Alle.
Und das zweite, was uns als Gruppe wirklich in Relation zu „Gesellschaft“ bringt, ist die Ätiologie – also die Entstehung – unseres Transgender-Bewusstseins, das ja immerhin so stark ist, dass sehr viele von uns sich so ziemlich gegen die ganze fassbare Gesellschaft haben durchsetzen müssen. (Und manche haben’s natürlich auch nicht geschafft. Totenlisten hat wohl so ziemlich jede unserer Gruppen.) Ich will mich hier nicht auf einen Streit einlassen, was Trans-Gender-Personalities zu solchen mache, lasse mich schon deshalb nicht darauf ein, weil es dazu wahrscheinlich verschiedene Antworten gibt, die sich gegenseitig ausschliessen und deren jede trotzdem richtig ist.
Aber Fakt ist: Es gibt uns. Und Fakt ist auch: wir haben gar nicht anders wollen können. Und Fakt ist ferner, dass die allermeisten von uns so früh kapiert haben, dass sie „anders“ sind, dass die Prägung entweder überhaupt vorgeburtlich ist oder extrem früh entsteht, in einer Lebensphase, in die die später vom Trans-Gender-Syndrom Betroffenen noch gar nicht solche Entwürfe von sich aus haben entwickeln können. Und das wieder heißt, das Trans-Gender-Prägungen entweder Natur sind – dann sind sie aber ganz einfach statistisch vergleichsweise seltene Varianten menschlicher Konditionierung – oder sie sind gesellschaftlich sehr früh und überaus nachhaltig dem Kind oder Heranwchsenden zugefügt worden. (Was übrigens nicht heißt, das so etwas willentlich, bewusst oder gar schuldhaft geschieht.)
Die neueste Nummer des Deutschen Ärzteblatts weist darauf hin, dass in den Jahgängen der deutschen Bevölkerung, deren Kindheit geschichtsbedingt von defekten und inkompletten Familienverhältnissen, Angst, Vertreibung, Ausbombung oder plötzlichem Alleinsein geprägt waren, sich überdurchschnittlich viele Trans-Gender-Personalities finden. Dieser Befund deckt sich mit der Statistik, die ich über mir bekannt gewordene Fälle geführt habe, und ich selbst gehöre ja auch einem solchen Jahrgang an.
Damit sind wir aber ein Produkt von Geschichte, Gesellschaft und Sozialisation. Wir haben es uns nicht ausgesucht. Aber nun sind wir „so“, nun sind wir „wir“. Auch wir sind das Volk. Und haben deshalb jedes Recht, den Prozess hin zu uns selbst durchzukämpfen.
Missversteht mich nicht, wenn ich ausnahmsweise George W. zitiere: „Let’s roll!“ Nur dass wir anderen GI’s, die diesen Slogan auf dem Sircraft-Carrier George Truman mit ihren Leibern formiert haben nun nicht losziehen, um anderen unsere Kultur überzustülpen, sondern bloß willens sind, bereit und fähig sind, unser ganz eigenes Leben zu leben. Und das machen wir, heute, morgen und in Zukunft, mit Beharrlichkeit, die unsere Ziele verfolgt ohne andere auszugrenzen und bis wir in Ruhe unser Ziel finden.
Dazu wünsche ich Euch Kraft, Erfolg und endlich Freude, wenn Ihr angekommen seid.
Umgekehrt: dass wir die Gesellschaft dazu bringen, sich ziemlich heftig im Pelz zu kratzen, ist aber ziemlich offenkundig. Es gibt sicher keine Kleingruppe (um nicht geradezu Minderheit zu sagen), über die im Laufe der letzten zwanzig Jahre soviel publiziert worden wäre wie die Transgender-Gruppe. Ich rede jetzt von der Gesamtsumme der Publikationen: vom letzten Scheiß bei „Bild“ bis zu umfänglichen seriösen wissenschaftlichen Monographien, und vom Buch über den Fernsehbeitrag, die Talk-Show bis zum Chat-Room. Und selbst die Bundes-Gesetzgebeung außerhalb des Strafrechts hat sich vor 23 Jahren genötigt gesehen, unseretwegen ein Gesetz zu erlassen, das uns den widerwillig und umständlich erteilten Segen des Staates zu unserem Lebensentwurf eingeräumt hat. Eine Regelung in diesem Zusammenhang zu treffen gehört zu den Standarts für EU-Beitrittsländer. Weshalb also soviel Gesums um eine so vergleichbar kleine Gruppe?
Zum Teil liegst es daran, dass gerade die erste Generation derer, die sich mit dem Bewusstsein ihrer Trans-Gender-Situation gesellschaftlich durchgesetzt hat, nicht gerade leise verfahren ist. Das hätte auch nichts gebracht. Freundinnen wie Maria Sabine Augstein, die ungefähr das Durchsetzungsvermögen eines Leopard-Panzers hat, waren nötig, damit sich was bewegt hat.Oder Simone Yvonne von Budzyn. Ich gebe ja zu, dass sie mir unheimlich auf den Wecker gegangen ist – aber sie hat das Thema am köcheln gehalten. Auf stillere und effektivere Weise haben Freundinnen wie Cornelia Klein getan, oder die Gruppen in Münster und Hamburg, von Berlin ganz zu schweigen. Ich selber habe meines dazu beigetragen, aber das wisst ihr. Wir waren also öffentlich präsent seit Mitte/Ende der 80er Jahre, wirklich präsent.
Mit dem Abbau des Minderheitenrassismus, den ich vor 15 oder 16 Jahren zwischen Transgender-Organisationen oder Einzelpersonen und Verbänden von Schwulen und Lesben erlebt habe, haben sich auch Chancen wie eben der Christopher-Street-Day aufgetan. Filme wie Fassbinders „In einem Jahr mit dreizehn Monaten“ haben dafür gesorgt, das „die Leute“ uns nicht nur als schrill erlebt, sondern ganz allmählich kapiert haben, dass hinter unseren Biographoen Erfahrungen stehen, die weder schrill noch komisch sind. Natürlich hat’s auch üble Gegenbeispiele gegeben, z.B. die Dämonisierung unserer Gruppe in Filmen wie „Dressed to Kill“ oder „Das Schweigen der Lämmer“. Da gibt es aber auch einen erkennbaren Umschwung: in der Verfilmung von Donna Leons „Venezianische Charade“ kommt ein Transsexuellenthema vor – und es zeigt sich, dass ein „stinknormaler“ Täter eine solche Szene aufgebaut hat, die in die Richtung weist, um von sich abzulenken. Und gerade ein Transgender-Mann ist es, der Commissario Brunetti auf die richtige Spur bringt.
Gut, das sind alles nur Details. Aber sie zeigen einen Trend.
Weshalb „die Leute“ sich wie auch immer auf uns einlassen, neugierig, ausgrenzend, mit nackter Feindschaft oder auch solidarisch, das hat die Debatte da,als im Deutschen Bundestag über das so genannte Transsexuellengesetz gezeigt. Unsere Lebensentwürfe und Lebenspraxis wirft die Frage auf, was Geschlecht und Geschlechtsidentität eigentlich seien, wie sie entstehen, wie sich festigen, und ob sie ein entscheidendes Kriterium zur Füllung der Kategorie „Mensch“ sein können. Das aber geht tatsächlich alle an. Und deshalb sind wir allein durch unser Dasein eine gestellte und nicht beantwortete Frage für Alle.
Und das zweite, was uns als Gruppe wirklich in Relation zu „Gesellschaft“ bringt, ist die Ätiologie – also die Entstehung – unseres Transgender-Bewusstseins, das ja immerhin so stark ist, dass sehr viele von uns sich so ziemlich gegen die ganze fassbare Gesellschaft haben durchsetzen müssen. (Und manche haben’s natürlich auch nicht geschafft. Totenlisten hat wohl so ziemlich jede unserer Gruppen.) Ich will mich hier nicht auf einen Streit einlassen, was Trans-Gender-Personalities zu solchen mache, lasse mich schon deshalb nicht darauf ein, weil es dazu wahrscheinlich verschiedene Antworten gibt, die sich gegenseitig ausschliessen und deren jede trotzdem richtig ist.
Aber Fakt ist: Es gibt uns. Und Fakt ist auch: wir haben gar nicht anders wollen können. Und Fakt ist ferner, dass die allermeisten von uns so früh kapiert haben, dass sie „anders“ sind, dass die Prägung entweder überhaupt vorgeburtlich ist oder extrem früh entsteht, in einer Lebensphase, in die die später vom Trans-Gender-Syndrom Betroffenen noch gar nicht solche Entwürfe von sich aus haben entwickeln können. Und das wieder heißt, das Trans-Gender-Prägungen entweder Natur sind – dann sind sie aber ganz einfach statistisch vergleichsweise seltene Varianten menschlicher Konditionierung – oder sie sind gesellschaftlich sehr früh und überaus nachhaltig dem Kind oder Heranwchsenden zugefügt worden. (Was übrigens nicht heißt, das so etwas willentlich, bewusst oder gar schuldhaft geschieht.)
Die neueste Nummer des Deutschen Ärzteblatts weist darauf hin, dass in den Jahgängen der deutschen Bevölkerung, deren Kindheit geschichtsbedingt von defekten und inkompletten Familienverhältnissen, Angst, Vertreibung, Ausbombung oder plötzlichem Alleinsein geprägt waren, sich überdurchschnittlich viele Trans-Gender-Personalities finden. Dieser Befund deckt sich mit der Statistik, die ich über mir bekannt gewordene Fälle geführt habe, und ich selbst gehöre ja auch einem solchen Jahrgang an.
Damit sind wir aber ein Produkt von Geschichte, Gesellschaft und Sozialisation. Wir haben es uns nicht ausgesucht. Aber nun sind wir „so“, nun sind wir „wir“. Auch wir sind das Volk. Und haben deshalb jedes Recht, den Prozess hin zu uns selbst durchzukämpfen.
Missversteht mich nicht, wenn ich ausnahmsweise George W. zitiere: „Let’s roll!“ Nur dass wir anderen GI’s, die diesen Slogan auf dem Sircraft-Carrier George Truman mit ihren Leibern formiert haben nun nicht losziehen, um anderen unsere Kultur überzustülpen, sondern bloß willens sind, bereit und fähig sind, unser ganz eigenes Leben zu leben. Und das machen wir, heute, morgen und in Zukunft, mit Beharrlichkeit, die unsere Ziele verfolgt ohne andere auszugrenzen und bis wir in Ruhe unser Ziel finden.
Dazu wünsche ich Euch Kraft, Erfolg und endlich Freude, wenn Ihr angekommen seid.
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