Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012
Ehe wird auch transsexuell
Karlsruhe hat das Transsexuellengesetz für verfassungswidrig
erklärt. Der Zwang zur Ehescheidung bei Geschlechtsänderung eines der Partner
ist unverhältnismäßig.
Verheiratete Transsexuelle müssen sich nicht erst scheiden
lassen, bevor sie rechtlich ihr Geschlecht ändern können. Dies hat jetzt das
Bundesverfassungsgericht entschieden. Das Transsexuellengesetz muss nun bis
August 2009 geändert werden.
Konkret ging es um einen knapp 80-jährigen "Mann"
aus Berlin. Er (bzw. sie) sagt, er sei schon seit Geburt eine Frau im
männlichen Körper gewesen. Seit 2001 trägt er einen weiblichen Vornamen, 2002
unterzog er sich einer geschlechtsumwandelnden Operation. Der Transsexuelle will
nun aber auch rechtlich als Frau eingestuft werden.
Dies ist bisher nach dem Transsexuellengesetz jedoch nicht
möglich. Weil eine Ehe nur zwischen Mann und Frau zulässig ist, dürfen
Verheiratete nicht während der Ehe ihren Personenstand ändern. Wer auf einer
rechtliche Anerkennung des neuen Geschlechts besteht, muss sich deshalb
scheiden lassen.
Der Berliner ist schon seit rund 56 Jahren verheiratet und
hat drei Kinder. Seine Ehefrau steht trotz der sexuellen Besonderheiten ihres
"Mannes" zur Partnerschaft. Seit der Kläger äußerlich als Frau
erscheint, leben die beiden faktisch in einer gleichgeschlechtlichen
Lebensgemeinschaft. Eine Scheidung lehnt das Paar rigoros ab. "Es ist eine
Beleidigung unserer Gefühle, wenn unsere kostbare Lebensgemeinschaft juristisch
wie eine zerrüttete Ehe behandelt werden soll", argumentierten sie. Das
Amtsgericht Berlin-Schöneberg hatte Verständnis und legte den Fall in Karlsruhe
zur Prüfung vor.
Das Verfassungsgericht hat nun das Transsexuellengesetz in
diesem Punkt für verfassungswidrig erklärt. Es bringe die Betroffenen unnötig
in eine "kaum lösbare Konfliktlage". Wenn der Staat Ehegatten gegen
ihren Willen zur Scheidung dränge, laufe dies dem Gedanken der Ehe als
"dauerhafter Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft" zuwider. Zwar
habe auch die Entscheidung des Gesetzgebers, die Ehe nur Mann und Frau zu
ermöglichen, "hohes Gewicht". Bei verheirateten Transsexuellen sei
das "Prinzip der Verschiedengeschlechtlichkeit" aber nur am Rande
berührt, weil es sich bloß um wenige Fälle handele. Nur selten wolle ein Paar
nach der Geschlechtsumwandlung eines Partners seine Ehe fortführen.
Der Gesetzgeber hat nun drei Möglichkeiten: Entweder er
öffnet in solchen Fällen die Ehe ausnahmsweise für gleichgeschlechtliche Paare,
oder er überführt solche Ehen in eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder
eine Rechtsform ganz neuer Art. Jeweils dürfen die gewohnten Rechtsvorteile der
Ehe, zum Beispiel das Ehegattensplitting, nicht verloren gehen. Dieser Status
wird also deutlich vorteilhafter sein als die seit 2001 bestehende eingetragene
Homo-Partnerschaft, die mehr Pflichten als Rechte mit sich bringt.
Mit der gestrigen Entscheidung hat das Verfassungsgericht
aber nicht generell die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Partner
gefordert. Vielmehr überlässt Karlsruhe ausdrücklich dem Gesetzgeber die
Ausgestaltung des Eherechts: Die Gleichstellung von Homo-Ehen sei möglich, aber
nicht zwingend, heißt es in mehreren jüngeren Beschlüssen.
Immerhin steigt nun der Druck zur grundlegenden Überarbeitung
des Transsexuellengesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hat in den letzten
Jahren schon mehrere Klauseln des Gesetzes aus dem Jahr 1981 für unanwendbar
erklärt. 2007 haben deshalb die Grünen einen Entwurf vorgelegt, der etwa
berücksichtigt, dass viele Transsexuelle gleichgeschlechtlich leben wollen,
woran man 1981 noch nicht dachte. In Deutschland leben einige Tausend
Transsexuelle. (Az.: 1 BvL 10/05)
Zum Nachlesen denn für einige ist es sehr Wichtig!
Leitsatz
zum Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2008
- 1 BvL 10/05 -
§ 8 Abs. 1 Nr. 2 des Transsexuellengesetzes ist mit Art. 2
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar,
weil er einem verheirateten Transsexuellen, der sich geschlechtsändernden
Operationen unterzogen hat, die Möglichkeit, die personenstandsrechtliche
Anerkennung seiner neuen Geschlechtszugehörigkeit zu erhalten, nur einräumt,
wenn seine Ehe zuvor geschieden wird.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvL 10/05 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
zur verfassungsrechtlichen Prüfung,
ob § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Änderung der
Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen
(Transsexuellengesetz - TSG) vom 10. September 1980 (BGBl I S. 1654 ff.) mit
Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar ist
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Amtsgerichts
Schöneberg vom 8. August 2005 (70 III 271/03) -
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter
Mitwirkung der Richterin und Richter
Präsident Papier,
Hohmann-Dennhardt,
Bryde,
Gaier,
Eichberger,
Schluckebier,
Kirchhof,
Masing
am 27. Mai 2008 beschlossen:
§ 8 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über die Änderung der
Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen
(Transsexuellengesetz - TSG) vom 10. September 1980 (Bundesgesetzblatt I Seite
1654) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Passgesetzes und weiterer
Vorschriften vom 20. Juli 2007 (Bundesgesetzblatt I Seite 1566) ist mit Artikel
2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 6 Absatz 1 des
Grundgesetzes nach Maßgabe der Gründe unvereinbar.
§ 8 Absatz 1 Nummer 2 des Transsexuellengesetzes ist bis zum
Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung nicht anwendbar.
Gründe:
A.
1
Das Vorlageverfahren betrifft die Frage, ob es mit dem
Grundgesetz vereinbar ist, die gerichtliche Feststellung und
personenstandsrechtliche Anerkennung des durch operativen Eingriff geänderten
Geschlechts eines Transsexuellen, an die Voraussetzung zu binden, dass der
Betroffene nicht verheiratet ist.
I.
2
1. Das Gesetz über die Änderung der Vornamen und die
Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen
(Transsexuellengesetz - TSG) vom 10. September 1980 (BGBl I S. 1654) in der
Fassung des Gesetzes zur Änderung des Passgesetzes und weiterer Vorschriften
vom 20. Juli 2007 (BGBl I S.1566) eröffnet einem Transsexuellen durch § 1 TSG
die Möglichkeit, seinen Vornamen dem Geschlecht anzupassen, dem er sich
zugehörig empfindet (sogenannte kleine Lösung). Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 TSG
ist dafür Voraussetzung, dass er seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang
steht, nicht mehr in dem in seinem Geburtseintrag angegebenen, sondern
entsprechend dem anderen Geschlecht, dem er sich zugehörig empfindet, zu leben
(Nr. 1), dass mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sich sein
Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird (Nr. 2),
und schließlich, dass er Deutscher im Sinne des Grundgesetzes ist oder einen
sonstigen in Nr. 3 aufgeführten Status besitzt. § 8 TSG sieht darüber hinaus
ein Verfahren vor, in dem ein Transsexueller nach geschlechtsanpassender
Operation die Änderung seiner Geschlechtszugehörigkeit gerichtlich feststellen
lassen kann, sodass er rechtlich dem neuen Geschlecht zugeordnet wird
(sogenannte große Lösung). Die rechtliche Anerkennung des neuen Geschlechts
setzt allerdings im Gegensatz zur Vornamensänderung nach § 1 TSG zusätzlich
voraus, dass der Transsexuelle nicht verheiratet und dauernd
fortpflanzungsunfähig ist.
3
§ 8 Abs. 1 TSG hat folgenden Wortlaut:
4
Voraussetzungen
5
(1) Auf Antrag einer Person, die sich auf Grund ihrer
transsexuellen Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen,
sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig empfindet und die seit mindestens
drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren Vorstellungen entsprechend zu leben,
ist vom Gericht festzustellen, dass sie als dem anderen Geschlecht zugehörig
anzusehen ist, wenn sie
6
1. die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 erfüllt,
7
2. nicht verheiratet ist,
8
3. dauernd fortpflanzungsunfähig ist und
9
4. sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden
operativen Eingriff unterzogen hat, durch den eine deutliche Annäherung an das
Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist.
10
Will eine verheiratete Person, die sich aufgrund
transsexueller Neigung einer Geschlechtsumwandlung unterzieht, die Feststellung
der geänderten Geschlechtszugehörigkeit nach § 8 TSG erreichen, muss sie sich
demnach vorher von ihrem Ehepartner scheiden lassen. Ansonsten besteht die Ehe
fort. Die operative Anpassung an das empfundene Geschlecht ist kein in § 1314
BGB aufgeführter Grund für eine Aufhebung der Ehe.
11
2. Im Gesetzgebungsverfahren wurde einhellig die Auffassung
vertreten, dass die Ehe eines verheirateten Transsexuellen dann keinen Bestand
mehr haben solle, wenn es zur begehrten Feststellung der geänderten
Geschlechtszugehörigkeit nach § 8 TSG komme. Umstritten war jedoch, wie die
Beendigung der Ehe erfolgen solle. So sah der Gesetzentwurf der Bundesregierung
zunächst vor, dass mit Rechtskraft der Entscheidung nach § 8 TSG die bestehende
Ehe des Transsexuellen als aufgelöst gelte und sich die Folgen der Auflösung
nach den Vorschriften der Scheidung zu richten hätten (BTDrucks 8/2947, S. 6).
Zur Begründung wurde ausgeführt, werde die Änderung der
Geschlechtszugehörigkeit von der vorherigen Auflösung der Ehe abhängig gemacht,
müsse darüber zu einem Zeitpunkt befunden werden, an dem über die Frage der
Zurechenbarkeit des Betroffenen zum anderen Geschlecht noch nicht entschieden
sei. Dies verursache unnötige Kosten und beinhalte das Risiko, dass nach
Scheidung dem Antrag des Transsexuellen nach § 8 TSG aus anderen Gründen doch
nicht entsprochen werde. Zudem müsse die Ehe des Transsexuellen zerrüttet sein,
um geschieden zu werden. Diese Voraussetzung sei keineswegs immer gegeben. In
einem solchen Fall wäre der Transsexuelle mit dem Risiko einer Abweisung seiner
Scheidungsklage belastet und könnte so im Ergebnis davon ausgeschlossen sein,
von der „großen Lösung“ Gebrauch zu machen. Dies erscheine im Lichte der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 1978 (BVerfGE 49,
286 ff.) problematisch. Insofern werde eine Regelung, nach der die Ehe
aufgelöst werden müsse, wenn feststehe, dass sie zwischen zwei Menschen
gleicher rechtlicher Geschlechtszugehörigkeit bestehe, dem Wesen der Ehe am
sinnvollsten gerecht (BTDrucks 8/2947, S. 25).
12
Demgegenüber war der Bundesrat der Ansicht, die vorgesehene
automatische Auflösung der Ehe sei mit der Bedeutung der Ehe nicht vereinbar.
Im Interesse des anderen Ehegatten müsse es einem verheirateten Transsexuellen
zugemutet werden, vor Durchführung des Verfahrens zur Feststellung seiner
anderen Geschlechtszugehörigkeit eine Scheidung seiner Ehe durchzuführen, weil
nur so die Scheidungsfolgen im Verfahrensverbund mit der Auflösung der Ehe
geregelt werden könnten. Zudem werde auf diese Weise vermieden, dass der
Ehegatte an dem Verfahren auf Änderung der Geschlechtszugehörigkeit beteiligt
werden müsse, bei dem es um eine höchstpersönliche Angelegenheit des
Antragstellers gehe, an dem sein mit ihm lebender Ehegatte nicht beteiligt
werden sollte (BTDrucks 8/2947, S. 21).
13
Im Innenausschuss des Bundestages sprach sich die Mehrheit
für die von der Bundesregierung vorgesehene Regelung aus, weil ein
verheirateter Transsexueller durch die Notwendigkeit eines Scheidungsverfahrens
mit ungewissem Ausgang neben der Last, die gerichtliche Feststellung der
Änderung seiner Geschlechtszugehörigkeit zu erreichen, unverhältnismäßig stark
belastet würde (BTDrucks 8/4120, S. 16). Im Vermittlungsverfahren setzte sich
schließlich die Position des Bundesrates durch (Deutscher Bundestag, 8. Wp.,
Plenarprotokoll v. 4. Juli 1980, 230. Sitzung, S. 18683, 18687 f.), sodass die
Feststellung der geänderten Geschlechtszugehörigkeit Ehelosigkeit voraussetzt
und damit die vorherige Scheidung der Ehe des Transsexuellen erfordert, der die
Feststellung anstrebt.
II.
14
Der Antragsteller des Ausgangsverfahrens gehört
personenstandsrechtlich dem männlichen Geschlecht an. Er begehrt die
gerichtliche Feststellung gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 TSG,
dass er als dem weiblichen Geschlecht zugehörig anzusehen ist.
15
1. Der 1929 geborene Antragsteller ist seit 1952
verheiratet. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen. Schon seit langem
fühlt sich der Antragsteller dem weiblichen Geschlecht zugehörig. Aufgrund
gerichtlicher Entscheidung nach § 1 TSG führt er seit dem Jahre 2001 einen
weiblichen Vornamen. Im Jahre 2002 unterzog er sich einer
geschlechtsumwandelnden Operation und beantragte danach zunächst, gemäß § 8
Abs. 1 und § 9 TSG vorab festzustellen, dass seinem Antrag auf Zugehörigkeit
zum weiblichen Geschlecht nur deshalb nicht entsprochen werden könne, weil er
verheiratet sei. Dies stellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 30. Juni 2003
fest.
16
Daraufhin hat der Antragsteller beantragt, gemäß § 8 Abs. 1
TSG festzustellen, dass er als dem weiblichen Geschlecht zugehörig anzusehen
sei. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Durchführung eines
Scheidungsverfahrens, um die rechtliche Anerkennung seiner neuen
Geschlechtszugehörigkeit zu erreichen, sei ihm nicht zumutbar. Seine
Ehepartnerin lehne die Scheidung kategorisch ab. Er selbst sei von Geburt an
eine Frau im männlichen Körper gewesen. Seine Ehe sei durch seine in der
Hitlerzeit erlebten Traumatisierungen extrem belastet gewesen. Seine Ehefrau
habe als einziger Mensch seine innere Einsamkeit durchbrechen können und seine
Nöte mit ihm geteilt. Sie habe durch alle Irritationen hindurch, an der viele
Ehen scheiterten, zu ihm gehalten, dies zu ihrer Lebensaufgabe gemacht und auf
eine aussichtsreiche Karriere verzichtet. Seit 2001, seitdem der Antragsteller
als Frau lebe und hervortrete, habe sich seine Ehe in eine
gleichgeschlechtliche Wohngemeinschaft gewandelt. Die seelische und soziale
Beziehung zwischen ihm und seiner Ehefrau sei nicht zerrüttet. Sie beide würden
sich nicht trennen. Sie hätten über ein halbes Jahrhundert intensiv
zusammengelebt, seien miteinander alt und reif und füreinander als
Lebenspartnerinnen unersetzlich geworden. Eine Scheidung sei eine unzumutbare,
sie überfordernde Beleidigung ihrer Gefühle. Es empöre sie, dass ihre kostbare
Lebensgemeinschaft juristisch wie eine zerrüttete Ehe behandelt und durch
Scheidung beendet werden solle. Sie weigerten sich, sich einem für herkömmliche
Scheidungen vorgesehenen Trennungsritual zu unterziehen, zumal sie nicht über
das Geld für zwei Haushalte verfügten. Wegen seiner Angst- und Panikattacken
sei der Antragsteller ohne Präsenz seiner Partnerin auch nicht lebensfähig.
Schließlich hätte eine Scheidung weitreichende finanzielle Nachteile, die sie
beide zu tragen nicht bereit und in der Lage wären.
17
2. Das Amtsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 8. August
2005 das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100
Abs. 1 GG die Frage zur Prüfung vorgelegt, ob § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG mit dem
Grundgesetz vereinbar ist. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts verstößt
die Vorschrift gegen Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 6
Abs. 1 GG sowie Art. 3 Abs. 1 GG.
18
Die vorbehaltlose Zugehörigkeit des Antragstellers zum
weiblichen Geschlecht könne nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG nur unter der
Voraussetzung festgestellt werden, dass sich der Antragsteller zuvor von seiner
Ehefrau scheiden lasse und damit die Voraussetzung erfülle, nicht verheiratet
zu sein. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm sei entscheidungserheblich,
weil das Gericht im Falle ihrer Unvereinbarkeit mit Grundrechten des
Antragstellers dem Antrag stattgeben würde.
19
Die Durchführung einer Scheidung könne dem Antragsteller
nicht abverlangt werden. Der Antragsteller dürfe nicht vor die Wahl gestellt
werden, entweder selbst die Voraussetzungen für die Änderung seines
Personenstandes herbeizuführen, indem er einen Scheidungsantrag stellt und
sodann die Feststellung der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht betreibt,
oder einen Scheidungsantrag nicht zu stellen und damit auf die
Personenstandsänderung zu verzichten. Eine solche Wahlmöglichkeit habe der
Antragsteller aus psychischen Gründen gerade nicht. Erwiesenermaßen stehe er
unter dem Zwang, als Frau zu leben. Dies mache es ihm unmöglich, sich bei
anhaltender Gewissheit, dem anderen Geschlecht zuzugehören, mit seinem
Geburtsgeschlecht zu versöhnen. Dieser Zwang sei es gerade, der die
Personenstandsänderung überhaupt rechtfertige. Wegen einer nicht therapierbaren
Störung der Geschlechtsidentität werde es einer Person ermöglicht, mit allen
rechtlichen Konsequenzen in ihrem Wunschgeschlecht zu leben. Es sei mit Art. 1
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG nicht vereinbar, einen transsexuellen
Menschen zu zwingen, sich scheiden zu lassen, um die Anerkennung seines
empfundenen Geschlechts zu erlangen. Im Vordergrund stehe das Streben nach
Übereinstimmung von Psyche und Physis des Betroffenen, nicht die Sexualität.
Könne eine Ehescheidung nicht herbeigeführt werden, weil die Voraussetzungen
dafür nicht vorlägen, dürfe dem Betroffenen die Personenstandsänderung nicht
verweigert werden. Wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt habe, folge aus
der Achtung der Menschenwürde und dem Grundrecht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit das Gebot, den Personenstand des Menschen dem Geschlecht
zuzuordnen, dem er nach seiner psychischen und physischen Konstitution
zugehöre.
20
Sowohl der Antragsteller als auch seine Ehefrau stünden
zudem unter dem Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG. Es verstoße gegen diese
Grundrechtsnorm, wenn die Personenstandsänderung des Antragstellers davon
abhängig gemacht werde, dass seine Ehe zuvor geschieden werde. Angesichts
dessen, dass die Ehegatten ihre Ehe nicht als gescheitert im Sinne von §§ 1564
f. BGB ansähen und ihre Lebensgemeinschaft fortsetzen wollten, um einander auch
weiterhin beizustehen, lägen die Voraussetzungen für eine Ehescheidung nicht vor.
Die Eheleute beabsichtigten auch nicht, getrennt zu leben. Unter diesen
Umständen könne eine Scheidung nicht erfolgen. Ein Eheaufhebungstatbestand oder
eine Nichtehe lägen ebenfalls nicht vor. Nach Ansicht des Gerichts reklamierten
die Ehegatten zu Recht den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Denn bis zum Augenblick
der Personenstandsänderung bestehe eine Ehe verschiedengeschlechtlicher
Partner. Lediglich die Absicht eines der Partner, aufgrund seiner
Transsexualität demselben Geschlecht wie sein Ehepartner angehören zu wollen,
sei kein Grund, dieser Ehe bereits im Vorfeld der Personenstandsänderung den
Schutz zu versagen.
21
Eine Ehescheidung zur Voraussetzung für die
personenstandsrechtliche Anerkennung der geänderten Geschlechtszugehörigkeit zu
machen, verstoße schließlich auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Verheirateten
Transsexuellen würde gegenüber unverheirateten der Weg des § 8 TSG
verschlossen. Bei der Beschränkung der Feststellung nach § 8 TSG auf nicht
verheiratete Transsexuelle handele es sich um eine Differenzierung, die an
personenbezogene Merkmale anknüpfe und sich erheblich auf das
Persönlichkeitsrecht der Betroffenen auswirke. Für den Ausschluss verheirateter
Transsexueller seien keine Gründe ersichtlich, die nach Art und Gewicht eine
Ungleichbehandlung mit Unverheirateten rechtfertigen könnten. Sinn und Zweck
dieser Ungleichbehandlung sei es zu verhindern, dass aufgrund der Feststellung
der Personenstandsänderung eines Verheirateten eine Ehe zwischen zwei Personen
gleichen Geschlechts entstehe, die dem Wesen der Ehe widerspreche. Das
Entstehen einer solchen Konstellation könne aber auch vermieden werden, ohne
die Ehegatten auf ein Scheidungsverfahren zu verweisen und ohne verheiratete
Transsexuelle von der sogenannten großen Lösung auszuschließen. So habe der
ursprüngliche Gesetzentwurf vorgesehen, im Verfahren nach § 8 TSG eine
bestehende Ehe zeitgleich mit Rechtskraft der Entscheidung aufzulösen.
III.
22
Zu dem Vorlageverfahren haben das Bundesministerium des
Innern namens der Bundesregierung, die Deutsche Gesellschaft für
Sexualforschung, der Lesben- und Schwulenverband, die Ökumenische Arbeitsgruppe
Homosexuelle und Kirche, die Gesellschaft für Transidentität und
Intersexualität, die Transsexuelle Selbsthilfe München sowie der Deutsche
Juristinnenbund Stellung genommen.
23
1. Das Bundesministerium des Innern vertritt die Auffassung,
§ 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Gesetzgeber habe
mit dem Transsexuellengesetz Transsexuellen die Möglichkeit gegeben, ihren
Vorstellungen entsprechend zu leben. Zwar berühre die Beschränkung der
Feststellung nach § 8 TSG auf nichtverheiratete Transsexuelle den Schutzbereich
des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 GG. Dieser Eingriff sei jedoch gerechtfertigt. Es liege ein
öffentliches Interesse vor, gleichgeschlechtliche Ehen zu verhindern, die ohne
das gesetzliche Verbot des Bestehens einer Ehe mit der Feststellung der
Personenstandsänderung bei verheirateten Transsexuellen unweigerlich entstehen
würden. Der Eingriff werde zudem dadurch gemildert, dass die Ehe eines
Transsexuellen zeitlich unmittelbar vor der gerichtlichen Entscheidung über den
Geschlechtswechsel geschieden werden könne. Zudem sei in § 9 Abs. 1 TSG für den
Fall bestehender Ehen eine Vorab-entscheidung vorgesehen, um für die
Betroffenen möglicherweise bestehende Unsicherheiten zwischen der Ehescheidung
und der Feststellung der geänderten Geschlechtszugehörigkeit gering zu halten.
24
Der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG werde durch die
Regelung dagegen nicht tangiert. Ob die Forderung der Ehelosigkeit den
Kernbereich der Ehe verletze, müsse unter Berücksichtigung des eingeräumten
Rechts, sein Geschlecht wechseln zu können, beurteilt werden. Der verheiratete
Transsexuelle nehme ein rechtliches Institut in Anspruch, das als dauerhafte
Gemeinschaft von Frau und Mann Partner unterschiedlichen Geschlechts
voraussetze. Der transsexuelle Partner unterwerfe sich mit der Ehe einer von
der Rechtsordnung und Gesellschaft vorgegebenen Geschlechtszuordnung. Wolle er
die Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht erreichen, gebe er damit zu erkennen,
dass es ihm nicht um die Beibehaltung der Ehe gehe. Mit seiner Auffassung, im
Falle des Antragstellers lägen die Voraussetzungen für eine Scheidung nicht
vor, verkenne das vorlegende Gericht, dass die Prüfung, ob die Ehe gescheitert
sei, allein das zuständige Familiengericht auf Antrag eines oder beider
Ehegatten zu treffen hätte. Die Entscheidung, sich nicht scheiden lassen zu
wollen, sei dem Antragsteller unbenommen. Ein Transsexueller könne aber nicht
davon ausgehen, dass ihm aufgrund des möglichen Fortbestands der Ehe zusätzlich
auch die Möglichkeit der Feststellung des Geschlechtswechsels eingeräumt werde.
Würde der Wechsel der Geschlechtszugehörigkeit bei bestehender Ehe nicht
verhindert, würde der Gesetzgeber damit das Institut der gleichgeschlechtlichen
Ehe schaffen. Deshalb sei die das Verfahren hemmende Bedingung der Ehelosigkeit
in § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG eingeführt worden. Die Gründe für diese Regelung hätten
noch immer Bestand und seien höher zu bewerten als die Vorteile, die eine
Eheauflösungsregelung im Rahmen des Feststellungsverfahrens für die Betroffenen
mit sich brächte. Ehescheidung und Feststellungsverfahren könnten durch die
Einholung einer Vorabentscheidung nach § 9 TSG nacheinander betrieben werden,
ohne befürchten zu müssen, dass der Antrag nach § 8 TSG nach erfolgter
Ehescheidung abgelehnt würde. Auch bei Eheauflösung im Zuge des
Feststellungsverfahrens träten zunächst die Scheidungsfolgen ein, sodass die
geschiedenen Ehegatten bis zur möglichen Begründung einer Eingetragenen
Lebenspartnerschaft einen gewissen Zeitraum ohne gegenseitige
familienrechtliche Absicherung auskommen müssten. Die Forderung nach
Ehelosigkeit sei damit eine zur Vermeidung gleichgeschlechtlicher Ehen
notwendige und auch verhältnismäßige Verfahrensvoraussetzung. Soweit darin eine
Ungleichbehandlung von verheirateten und ledigen Antragstellern liege, sei
diese gerechtfertigt.
25
2. Nach Erkenntnissen der Deutschen Gesellschaft für
Sexualforschung orientiert sich die absolute Mehrheit der
Frau-zu-Mann-Transsexuellen sexuell auf Frauen, während sich bei der sehr viel
heterogeneren Gruppe der Mann-zu-Frau-Transsexuellen ein breites Spektrum
sexueller Orientierungen findet.
26
Viele der Mann-zu-Frau-Transsexuellen seien verheiratet und
hätten oft auch Kinder. Sie hätten oft jahrelang mit psychischem Leidensdruck
versucht, ihren transsexuellen Wunsch zu unterdrücken, um ihre Ehe oder Familie
nicht zu gefährden. Wenn ihnen dies schließlich nicht mehr gelinge, würden
viele dieser Ehen auseinanderbrechen. Bei den anderen Ehen komme es nach einer
konflikthaften Auseinandersetzung zu dem Beschluss der Ehepartner, trotz des
Geschlechtswechsels des Ehemannes zusammen zu bleiben. Den betroffenen
Ehefrauen seien die Beziehung zu dem Ehepartner und dessen psychische
Gesundheit wichtiger als dessen Beibehaltung des Geschlechts. Das Sexualleben
der Eheleute sei in der Regel erloschen, während gegenseitige Liebe und
Fürsorge nach wie vor stark empfunden würden. Das Durchlebte schweiße die Paare
oft noch mehr zusammen und vertiefe ihre Bindung. Sie wollten verheiratet
bleiben und sähen ihre Ehe nicht als zerrüttet an. Die mit dem
Transsexuellengesetz eröffnete Möglichkeit, ihre Ehe aufrechtzuerhalten und
zumindest mit dem nach § 1 TSG geänderten Vornamen das transsexuelle Empfinden
rechtlich anerkannt zu bekommen, habe sich für diese Gruppe
Mann-zu-Frau-Transsexueller als Linderung ihres Leidensdrucks erwiesen.
Allerdings seien sie damit rechtlich und symbolisch nicht ganz in ihrem
Identitätsgeschlecht angekommen und würden immer wieder auf ihr „abgelegtes“
Geschlecht zurückverwiesen. Viele nähmen den damit verbundenen psychischen
Leidensdruck hin, weil die einzige Alternative, die Scheidung der Ehe, für sie
mit noch erheblich größerem Leidensdruck verbunden wäre. Die seit einiger Zeit
bestehende Möglichkeit, sich scheiden zu lassen und eine eingetragene
Lebenspartnerschaft einzugehen, werde von den Ehepaaren nicht als Lösung des
Problems empfunden, weil sie ihre Ehe nicht für zerrüttet hielten, sie die im
Rahmen des Scheidungsverfahrens vorgeschriebene Trennungsphase als psychisch
destabilisierende Bedrohung betrachteten und die Lebenspartnerschaft mit dem
„Label“ der Homosexualität verbunden sei, sie aber ihre Beziehung nicht als
gleichgeschlechtlich empfinden würden. Zudem wollten die Transsexuellen ihren
Ehepartnern, denen sie dankbar seien, nicht materielle Verschlechterungen
zumuten, die mit dem Wechsel von der Ehe zur Lebenspartnerschaft einhergingen.
27
Aus diesen Ergebnissen ihrer Studien zur Befindlichkeit
verheirateter Transsexueller und ihrer Ehepartner zieht die Deutsche
Gesellschaft für Sexualforschung den Schluss, die Tatsache, dass ein
verheirateter, die Voraussetzungen des § 1 TSG erfüllender Transsexueller seine
nicht als zerrüttet erlebte Ehe nicht auflösen wolle, begründe nach dem
wissenschaftlich-klinischen Erkenntnisstand keinen Zweifel an seiner
Transsexualität und rechtfertige damit nicht die Verweigerung der Personenstandsänderung.
28
3. Der Lesben- und Schwulenverband hält § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG
für verfassungswidrig, weil er das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des
Antragstellers in unzumutbarer Weise verletze, indem er für die Feststellung
der Änderung der Geschlechtszugehörigkeit verlange, dass der Antragsteller
nicht verheiratet ist. Die Voraussetzungen für eine Ehescheidung lägen beim
Antragsteller und seiner Ehefrau nicht vor. Beide hielten nach über
fünfzigjähriger Ehe an dieser fest. Die Vermutung des Scheiterns der Ehe nach
Trennung gemäß § 1566 BGB trage nicht, weil die Trennung neben der Aufhebung
der häuslichen Gemeinschaft voraussetze, dass zumindest ein Ehegatte die
häusliche Gemeinschaft erkennbar nicht wieder herstellen wolle. Dies sei
vorliegend nicht der Fall, denn beide Ehegatten wollten an der Ehe festhalten.
Die Scheidung könne deshalb nur durch das unwahre Vorbringen des Antragstellers
herbeigeführt werden, er lehne die häusliche Gemeinschaft ab.
29
Die Forderung, sich vor der Änderung der
Geschlechtszugehörigkeit zunächst scheiden zu lassen, sei unverhältnismäßig.
Dadurch solle der Eindruck gleichgeschlechtlicher Ehen vermieden werden. Dies
widerspreche aber bei Transsexuellen, die wie der Antragsteller an der Ehe
festhalten wollten, dem Verfassungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG, dass der Staat
funktionierende Ehen schützen müsse. Diesem Gebot komme hier besonderes Gewicht
zu, weil von der Forderung einer vorherigen Scheidung auch die Ehefrau des
Antragstellers betroffen sei. Diese habe über Jahrzehnte hinweg immer zu dem in
der Hitlerzeit schwer traumatisierten Antragsteller gehalten, habe ihn
unterstützend begleitet und wolle das auch weiterhin tun. Sie dürfe deshalb
nicht gezwungen werden, sich scheiden zu lassen, damit das Geschlecht des
Antragstellers im Geburtenbuch berichtigt werden könne. Deshalb verstoße auch
die im Gesetzgebungsverfahren erörterte Aufhebungslösung gegen Art. 6 Abs. 1
GG. Der Staat müsse Ehen schützen, er dürfe sie nicht gegen den Willen der
Ehegatten aufheben oder diese zwingen, die Scheidung zu beantragen. Außerdem
könnten die Ehegatten nach Scheidung und Änderung der Geschlechtszugehörigkeit
des Antragstellers nur eine Lebenspartnerschaft eingehen, die der Ehefrau des
Antragstellers gegenüber der Ehe Versorgungsnachteile bringen würde.
Demgegenüber sei das Ziel des Gesetzgebers, den Anschein gleichgeschlechtlicher
Ehen zu verhindern, nicht von solchem Gewicht, dass es den schwerwiegenden
Eingriff in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers
rechtfertigen könnte. Zur Beseitigung des Verfassungsverstoßes könne der
Gesetzgeber § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG ersatzlos streichen oder Transsexuellen, die
mit ihren Ehegatten weiter zusammenleben wollten, die Möglichkeit einräumen, dass
die Ehe auf übereinstimmenden Antrag beider mit Rechtskraft der Entscheidung
über die Personenstandsänderung in eine Lebenspartnerschaft umgewandelt würde,
auf die die für Ehen geltenden Vorschriften anzuwenden seien.
30
4. Die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche
stimmt der Argumentation des vorlegenden Amtsgerichts zu. Die Voraussetzungen
für eine Scheidung lägen beim Antragsteller nicht vor. Diese sei auch nicht
zumutbar, da der Antragsteller wahrheitswidrig eine Trennungsabsicht vortragen
müsse, was von der Rechtsordnung zu missbilligen sei.
31
5. Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und
Intersexualität ist der Meinung, die vorgelegte Norm sei mit dem Grundgesetz
nicht vereinbar. Wenn das Gesetz zulasse, dass Menschen unter dem Schutz des
Art. 6 Abs. 1 GG verheiratet bleiben dürften, auch wenn ein Partner Transgender
sei und die rechtliche Möglichkeit sozialer Anerkennung seines Geschlechts
durch Änderung seines Vornamens in Anspruch genommen habe, dann sei es
lediglich ein „scheinheiliger juristischer Trick“, um Geschlechternormen
aufrecht zu erhalten, wenn auf der anderen Seite gefordert werde, dass ein
Mensch, der seine Geschlechtszugehörigkeit ändern wolle, unverheiratet sein
müsse. Verschärft werde die Ungleichbehandlung auch dadurch, dass Transgender
in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft selbstverständlich ohne Nachweis der
Auflösung dieser Partnerschaft das Recht hätten, ihre Geschlechtszugehörigkeit
ändern zu lassen.
32
Im Übrigen schließe man sich der Auffassung des vorlegenden
Amtsgerichts an. Dabei sei die rechtliche Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit der
Scheidung eines verheirateten Transsexuellen nicht auf Fälle hohen Lebensalters
und langer Ehezeit beschränkt. Jedes betroffene Ehepaar, vor allem mit
gemeinsamen Kindern, sei unter den Schutz von Art. 1, Art. 2, Art. 3 und Art. 6
GG zu stellen und dürfe nicht durch ein Gesetz diskriminiert werden, das ihm
diesen Schutz praktisch entziehe. Eine Umschreibung der Ehe in eine
Eingetragene Lebenspartnerschaft komme nur in Betracht, wenn den Betroffenen
damit die gleichen Rechte wie in der Ehe zugebilligt würden.
33
Aus eigener Beratungserfahrung wisse man sowohl von Fällen,
in denen entgegen der rechtlichen Bestimmungen Ehescheidungen durchgeführt
wurden, obwohl der Transsexuelle und sein Ehegatte nach wie vor zusammenlebten,
als auch von solchen, in denen das Gericht die Scheidung verweigert habe, weil
dem Richter klar gewesen sei, dass kein Trennungswille bei den Ehegatten
vorgelegen habe.
34
6. Die Transsexuellen Selbsthilfe München meint, § 8 Abs. 1
Nr. 2 TSG verstoße gegen Art. 1, Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 GG. Zu fragen sei,
warum sich ein heute 78-Jähriger nach über 50 Jahren funktionierender Ehe
zuerst scheiden lassen müsse, um dann nach dem Scheidungsprocedere und der
Feststellung der geänderten Geschlechtszugehörigkeit wieder mit derselben Frau
eine gleichgeschlechtliche Partnerschaft führen zu können, wenn sich beide
Partner nicht scheiden lassen wollten und in gewohnter Eintracht den
Lebensabend gemeinsam anstrebten. Nur ein geringer Prozentsatz der Ehen bliebe
nach einer operativen Geschlechtsumwandlung eines Ehegatten bestehen. Der
Gesetzgeber sollte diese Trennungen nicht auch noch forcieren. Er sollte
vielmehr die Möglichkeit in Betracht ziehen, in solchen Fällen wie dem des
Antragstellers die geschlossene Ehe vertraglich in eine Lebensgemeinschaft
umschreiben zu lassen.
35
7. Der Deutsche Juristinnenbund ist der Ansicht, § 8 TSG sei
verfassungswidrig, soweit er einem Transsexuellen die Feststellung der
geänderten Geschlechtszugehörigkeit verwehrt, wenn er verheiratet ist. Die
Scheidungsvoraussetzungen lägen beim Antragsteller nicht vor, weil die Eheleute
die Ehe fortsetzen wollten. Der Transsexuelle müsste deshalb im
Scheidungsverfahren mit der Zerrüttung der Ehe Tatsachen vortragen, die nicht
mit der Realität übereinstimmten, und insoweit einen Prozessbetrug begehen.
Neben dem Recht auf sexuelle Identität aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.
1 Abs. 1 GG verletze § 8 TSG auch Art. 6 Abs. 1 GG. Die Ehe eines Transsexuellen
verliere durch dessen Geschlechtsumwandlung nicht ihren verfassungsrechtlichen
Schutz. Einem verheirateten Transsexuellen, der in dem Dilemma lebe, dass
Körper und Geschlechtszugehörigkeit nicht zueinander passten, könne nicht auch
noch zugemutet werden, seine Ehe zu beenden und damit die Fürsorge des
Ehepartners zu verlieren, um im anderen Geschlecht rechtlich anerkannt zu
werden. Es sei davon auszugehen, dass es nur einige wenige Fälle geben werde,
in denen bei Ermöglichung der Personenstandsänderung auch für verheiratete
Transsexuelle dann zwei gleichgeschlechtliche Partner verheiratet wären. Dies
wäre sowohl der Gesellschaft als auch der allgemeinen Rechtsordnung zuzumuten,
jedenfalls in Fällen wie dem des Antragstellers. Im Übrigen könne man sich
nicht der Ansicht anschließen, dass die Ehe nur mit einem Partner des jeweils
anderen Geschlechts geschlossen werden könne, weil ihr als Wesensmerkmal die
Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner innewohne. So stehe zum Beispiel in
den Niederlanden die Ehe inzwischen auch gleichgeschlechtlichen Paaren offen.
B.
36
Das Transsexuellengesetz ist mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar, soweit es in § 8
Abs. 1 Nr. 2 TSG für die gerichtliche Feststellung der anderen als der im
Geburtseintrag angegebenen Geschlechtszugehörigkeit verlangt, dass ein
antragstellender Transsexueller, der die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1
bis 3 TSG erfüllt, sich einem seine äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden
operativen Eingriff unterzogen hat und dauernd fortpflanzungsunfähig ist,
darüber hinaus unverheiratet sein muss, und das Gesetz einem verheirateten
Transsexuellen keine Möglichkeit eröffnet, die rechtliche Anerkennung seiner
Geschlechtsänderung ohne Beendigung seiner rechtlich gesicherten Partnerschaft
zu erlangen.
I.
37
1. Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bietet
der engeren persönlichen Lebenssphäre Schutz, zu der auch der Sexualbereich
gehört, der die sexuelle Selbstbestimmung des Menschen und damit das Finden und
Erkennen der eigenen geschlechtlichen Identität sowie der eigenen sexuellen
Orientierung umfasst. In diese Sphäre, die zum intimsten Bereich der
Persönlichkeit gehört, darf nur bei Vorliegen besonderer öffentlicher Belange
eingegriffen werden (vgl. BVerfGE 49, 286 <298>; 115, 1 <14>).
38
Das Geschlecht eines Menschen kann sich ändern. Die
Zugehörigkeit zu einem Geschlecht richtet sich zwar rechtlich zunächst nach den
äußeren Geschlechtsmerkmalen im Zeitpunkt der Geburt. Allein danach kann sie
jedoch nicht bestimmt werden. Sie hängt wesentlich auch von der psychischen
Konstitution eines Menschen und seiner nachhaltig selbst empfundenen
Geschlechtlichkeit ab (vgl. BVerfGE 115, 1 <15>). Widerspricht wie bei
Transsexuellen das eigene Geschlechtsempfinden den äußeren Geschlechtsmerkmalen
und hat sich ein Transsexueller zur Annäherung an das Erscheinungsbild des
empfundenen Geschlechts operativen Eingriffen unterzogen, um seine Physis mit
seiner Psyche in Übereinstimmung zu bringen, gebieten es die Menschenwürde und
das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit, dem Selbstbestimmungsrecht des
Betroffenen Rechnung zu tragen, seine neue geschlechtliche Identität
anzuerkennen und seinen Personenstand dem Geschlecht zuzuordnen, dem er nunmehr
nach seiner psychischen und physischen Konstitution zugehört (vgl. BVerfGE 49,
286 <298>; 116, 243 <264>).
39
2. Dem trägt § 8 TSG grundsätzlich Rechnung. Er ermöglicht
einer Person, die sich aufgrund ihrer transsexuellen Prägung nicht mehr dem in
ihrem Geburtseintrag angegebenen, sondern dem anderen Geschlecht als zugehörig
empfindet und sich deshalb einer geschlechtsumwandelnden Operation unterzogen
hat, unter den im Gesetz bestimmten Voraussetzungen auf Antrag gerichtlich
festgestellt zu erhalten, dass sie als dem anderen Geschlecht zugehörig
anzusehen, also personenstandsrechtlich diesem Geschlecht zuzuordnen ist. Ab
der Rechtskraft der gerichtlichen Feststellung richten sich gemäß § 10 Abs. 1
TSG ihre vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten nach dem neuen
Geschlecht.
40
3. Das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG
folgende Recht auf Anerkennung der selbstbestimmten geschlechtlichen Identität
wird für verheiratete Transsexuelle durch Art. 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG allerdings
substantiell beschränkt. Dies ist nur zulässig, wenn die Beschränkung durch ein
legitimes Ziel gerechtfertigt und verhältnismäßig ist.
41
Das von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG
geschützte Recht auf personenstandsrechtliche Zuordnung zum psychisch
empfundenen und mittels Operationen auch physisch gewandelten Geschlecht wird
dadurch eingeschränkt, dass § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG als Voraussetzung für die
Feststellung und rechtliche Anerkennung der anderen Geschlechtszugehörigkeit
verlangt, dass der antragstellende Transsexuelle nicht verheiratet ist. Ein
verheirateter Transsexueller, der erst im Laufe der Ehe seine Transsexualität
entdeckt hat oder sich, wie der Antragsteller, dazu entschlossen hat, sein
bisher unterdrücktes Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht zu
offenbaren und sich diesem Geschlecht durch operativen Eingriff auch körperlich
angleichen zu lassen, wird mit dieser Voraussetzung der Ehelosigkeit in der
Wahrnehmung und Ausübung seines Rechts auf personenstandsrechtliche Zuordnung
zum anderen Geschlecht beeinträchtigt. Mit ihr wird er vor die Alternative
gestellt, entweder an seiner Ehe festzuhalten, dann aber trotz bereits
stattgefundener körperlicher Geschlechtsumwandlung keine rechtliche Anerkennung
seiner neuen Geschlechtsidentität zu erhalten, vielmehr lediglich gemäß § 1 TSG
einen geänderten, seinem neuen Geschlecht entsprechenden Vornamen führen zu
können, da die Vornamensänderung die Ehelosigkeit nicht voraussetzt. Oder er
muss sich scheiden lassen, um alle Voraussetzungen des § 8 TSG zu erfüllen und
die gerichtliche Feststellung seiner Zugehörigkeit zum neuen Geschlecht
erlangen zu können, auch wenn er und sein Ehegatte weiterhin ehelich verbunden
bleiben wollen und er damit nicht nur gegen den eigenen Wunsch und den seines
Ehegatten handelt, sondern auch fraglich ist, ob seine Ehe mangels Scheiterns
überhaupt geschieden wird. Will er mit Rücksicht darauf seine Ehe nicht
scheiden lassen, versagt ihm die Norm die Möglichkeit, die Zugehörigkeit zum
empfundenen und gewandelten Geschlecht feststellen zu lassen.
42
4. Diese Einschränkung des Anspruchs auf
personenstandsrechtliche Anerkennung der selbstbestimmten geschlechtlichen
Identität ist eine Regelung, mit der der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen
hat, dass einem verheirateten Transsexuellen die rechtliche Anerkennung seiner
Zugehörigkeit zum empfundenen und gewandelten Geschlecht dauerhaft versagt
bleibt, wenn dieser nicht bereit ist, seine Ehe scheiden zu lassen. Auf diese
Weise wollte der Gesetzgeber das Bestehen von Ehen ausschließen, bei denen die
Ehegatten auch rechtlich dem gleichen Geschlecht zugeordnet sind. Als
Beschränkung des in den intimsten Bereich der Persönlichkeit hineinreichenden
Rechts auf Anerkennung der selbstbestimmten geschlechtlichen Identität, das
sich aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG herleitet und damit
in der Menschenwürde wurzelt, ist sie nur zulässig, wenn sie durch ein
legitimes Ziel getragen und in der Ausgestaltung verhältnismäßig ist.
43
5. Die Vorenthaltung der rechtlichen Zuordnung zum
empfundenen und gewandelten Geschlecht, die verheirateten Transsexuellen durch
§ 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG widerfährt, ist nicht gerechtfertigt. Die Norm ist
verfassungswidrig, weil sie einem Transsexuellen nicht die Möglichkeit
einräumt, die rechtliche Anerkennung seiner neuen Geschlechtszugehörigkeit zu
erhalten, ohne dass seine rechtlich gesicherte Partnerschaft ein Ende findet.
44
a) Allerdings verfolgt der Gesetzgeber mit der in § 8 Abs. 1
Nr. 2 TSG für die rechtliche Anerkennung des geänderten Geschlechts eines
Transsexuellen aufgestellten Voraussetzung der Ehelosigkeit ein legitimes
Gemeinwohlziel.
45
Bei der Ausformung der Ehe muss er die wesentlichen
Strukturprinzipien beachten, die sich aus der Anknüpfung des Art. 6 Abs. 1 GG,
der die Ehe unter besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, an die vorgefundene
Lebensform in Verbindung mit dem Freiheitscharakter des verbürgten Grundrechts
und anderen Verfassungsnormen ergeben (vgl. BVerfGE 31, 58 <69>; 105, 313
<345>). Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen
Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung
bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie
die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten
Lebensgemeinschaft ist, begründet auf freiem Entschluss unter Mitwirkung des
Staates (vgl. BVerfGE 10, 59 <66>; 29, 166 <176>; 62, 323
<330>; 105, 313 <345>). Vor diesem Hintergrund ist es ein legitimes
Anliegen, wenn der Gesetzgeber mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG verhindern will, dass
durch die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsänderung eines verheirateten
Transsexuellen Ehen entstehen, in denen die Ehegatten auch rechtlich dem
gleichen Geschlecht zugehören.
46
b) Die Regelung ist auch geeignet und erforderlich, um zu
verhindern, dass es Ehen gibt, in denen die Ehegatten personenstandsrechtlich
dem gleichen Geschlecht zugeordnet sind und hierdurch der falsche Eindruck
erweckt wird, auch gleichgeschlechtliche Paare könnten die Ehe eingehen.
47
Zwar kann allein schon das äußere Erscheinungsbild eines
verheirateten Transsexuellen den Anschein vermitteln, er führe eine
gleichgeschlechtliche Ehe. Bestärkt wird dieser Eindruck zudem durch die in § 1
TSG auch einem verheirateten Transsexuellen eingeräumte Möglichkeit, seinen
Vornamen zu ändern und dem empfundenen und gewandelten Geschlecht anzupassen.
Wenn sich an diesem äußerlichen Eindruck auch nur wenig durch eine rechtliche
Zuordnung des Transsexuellen zum anderen als dem Geburtsgeschlecht ändert, entfällt
doch nicht die Eignung von § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG, gleichgeschlechtliche Ehen
rechtlich auszuschließen.
48
Auch ist die im Gesetzgebungsverfahren erörterte
Möglichkeit, die Ehe eines verheirateten Transsexuellen mit Rechtskraft der
rechtlichen Anerkennung seines geänderten Geschlechts kraft Gesetzes
aufzulösen, kein milderes Mittel gegenüber der Regelung in § 8 Abs. 1 Nr. 2
TSG. Die Ehegatten müssen zwar bei dieser Lösung keine Trennungszeit auf sich
nehmen, die erforderlich ist, um sich scheiden lassen zu können und so dem
transsexuellen Partner die rechtliche Anerkennung seines neuen Geschlechts zu
ermöglichen. Ihre Ehe findet aber auch in diesem Fall als rechtlich
abgesicherte Partnerschaft durch Auflösung ein Ende, was gleichermaßen
einhergeht mit dem Verlust von Rechten, die mit der Ehe verbunden sind. Zudem
wollte der Gesetzgeber mit der in § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG gewählten Lösung zum
Schutz der Intimsphäre des Transsexuellen erreichen, dass dessen Ehegatte nicht
an dem Verfahren zur gerichtlichen Feststellung seiner Zugehörigkeit zum
anderen Geschlecht zu beteiligen ist. Dies setzt voraus, dass die Ehe vor dem
Feststellungsverfahren nach § 8 TSG geschieden ist.
49
c) Die Beeinträchtigung, die ein verheirateter
Transsexueller dadurch erfährt, dass § 8 TSG die Feststellung seiner
Zugehörigkeit zum empfundenen und gewandelten Geschlecht an die Voraussetzung
knüpft, nicht verheiratet zu sein, ist aber unverhältnismäßig im engeren Sinne.
Es ist einem verheirateten Transsexuellen, der sich zur Annäherung an sein
empfundenes Geschlecht operativen Eingriffen unterzogen hat und die sonstigen
Voraussetzungen des § 8 TSG erfüllt, nicht zumutbar, dass seine rechtliche
Anerkennung im neuen Geschlecht voraussetzt, dass er sich von seinem Ehegatten,
mit dem er rechtlich verbunden ist und zusammenbleiben will, scheiden lässt,
ohne dass ihm ermöglicht wird, seine ehelich begründete Lebensgemeinschaft in
anderer, aber gleich gesicherter Form fortzusetzen.
50
aa) Das gesetzgeberische Anliegen, das Rechtsinstitut der Ehe,
die unter dem besonderen Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG steht, als Form des
rechtlich abgesicherten Zusammenlebens ausschließlich Mann und Frau, also
Partnern verschiedenen Geschlechts, vorzubehalten, ist von hohem Gewicht. In
Konsequenz dieser Zielsetzung hat der Gesetzgeber das Institut der
Eingetragenen Lebenspartnerschaft geschaffen, um auch gleichgeschlechtlichen
Paaren eine rechtlich abgesicherte Partnerschaft zu ermöglichen. Dass er dabei
jeweils auf das personenstandsrechtlich festgestellte Geschlecht abgestellt
hat, ist grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE
115, 1 <23>).
51
Die rechtliche Anerkennung der geänderten
Geschlechtszugehörigkeit eines verheirateten Transsexuellen würde dazu führen,
dass seine Ehe infolge dessen von Partnern des gleichen Geschlechts fortgeführt
würde. Zwar würde die Ehe damit gleichgeschlechtlichen Paaren nicht eröffnet.
Doch Ehen bisher verschiedengeschlechtlicher Partner könnten sich in solche
gleichgeschlechtlicher Partner wandeln. Auch wenn der Gesetzgeber es hinnimmt,
dass aufgrund bestimmter Paarkonstellationen schon nach derzeitiger Rechtslage
nicht nur der Eindruck entstehen kann, gleichgeschlechtliche Ehen könnten
geführt werden, sondern dies auch im Tatsächlichen aufgrund des empfundenen
oder durch operative Eingriffe gewandelten Geschlechts eines Ehepartners der
Fall ist, bleibt es doch ein berechtigtes Bestreben des Gesetzgebers, am
Strukturmerkmal der Ehe als einer Vereinigung von Mann und Frau festzuhalten.
52
So können verheiratete Transsexuelle nach § 1 TSG ihren
Vornamen entsprechend ihrem empfundenen Geschlecht ändern und ihre Ehe
weiterführen. Auch steht homosexuell orientierten Transsexuellen ohne
Geschlechtsumwandlung nach einer Vornamensänderung die Möglichkeit offen, ohne
Verlust dieses Vornamens eine Ehe einzugehen. Von den durch das
Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Alternativen, homosexuell orientierten
Transsexuellen ohne Geschlechtsumwandlung durch personenstandsrechtliche
Anerkennung ihres empfundenen Geschlechts oder durch entsprechende Ergänzung
des Lebenspartnerschaftsgesetzes das Eingehen einer Eingetragenen
Lebenspartnerschaft zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 115, 1 <25>), hat der
Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr ist er hier bisher untätig geblieben.
Damit gilt die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 6.
Dezember 2005 getroffene Übergangsregelung, nach der § 7 Abs. 1 Nr. 3 TSG keine
Anwendung findet und somit ein Transsexueller mit Vornamensänderung nach § 1
TSG eine Ehe eingehen kann, ohne den geänderten Vornamen zu verlieren. Auch
hierdurch kann der Eindruck entstehen, die Ehe sei gleichgeschlechtlichen
Paaren zugänglich. Und schließlich ändert auch die operative
Geschlechtsumwandlung eines verheirateten Transsexuellen nichts am Bestand
seiner Ehe. Auch wenn der Gesetzgeber in all diesen Fällen den Anschein
gleichgeschlechtlicher Ehen hinnimmt, verliert damit sein Anliegen nicht an
Gewicht, jedenfalls keine Ehe zuzulassen, in der auch personenstandsrechtlich
feststeht, dass in ihr zwei gleichgeschlechtliche Partner miteinander verbunden
sind.
53
bb) Demgegenüber wiegt aber auch die Beeinträchtigung
schwer, die ein verheirateter Transsexueller durch § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG
erfährt. Er gerät in tiefen inneren Konflikt, weil er vor eine Alternative
gestellt wird, die, gleich, wie er sich entscheidet, ihm aufzwingt, auf etwas
zu verzichten, was für sein Leben existentiell ist. Es ist unzumutbar, wenn von
ihm zur Wahrnehmung und Durchsetzung seines auf Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 GG gründenden Rechts auf personenstandsrechtliche Anerkennung
seines empfundenen und durch operative Eingriffe gewandelten Geschlechts
verlangt wird, dass er sich vorher von seinem Ehegatten scheiden lässt.
54
(1) Mit der Ehelosigkeit wird die rechtliche Anerkennung der
geänderten Geschlechtszugehörigkeit an eine Voraussetzung geknüpft, die ein
verheirateter Transsexueller, dessen Partnerschaft Bestand hat, nur unter
Inkaufnahme unzumutbarer Belastungen erfüllen kann. Denn die Scheidung, die dafür
erforderlich ist, setzt ihrerseits das Scheitern der Ehe voraus. Nach § 1565
Abs. 1 BGB ist eine Ehe aber nur dann gescheitert, wenn die eheliche
Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die
Ehegatten sie wiederherstellen. Die Ehegatten müssen also den Willen haben,
sich dauerhaft zu trennen. Dies ist aber bei einem Transsexuellen, der an
seiner als Ehe rechtlich abgesicherten Partnerschaft festhalten will, nicht der
Fall. Insofern kann die Ehe mangels Scheiterns nicht geschieden werden. So
bleibt ihm der Weg versperrt, über die Scheidung zur Anerkennung seiner
geänderten Geschlechtszugehörigkeit zu gelangen, es sei denn, er täuscht im
Scheidungsverfahren eine dauerhaft beabsichtigte Trennung vom Ehegatten vor.
Beides ist ihm nicht zumutbar, denn entweder ist ihm damit die Möglichkeit
verschlossen, zur rechtlichen Anerkennung seines empfundenen und gewandelten
Geschlechts zu gelangen, oder er müsste vor Gericht wahrheitswidrige Angaben
machen.
55
Dabei kann dahinstehen, ob eine Scheidung doch möglich wäre,
wenn die Ehegatten, obwohl sie auf Dauer zusammenbleiben wollen, eine
dreijährige Trennungszeit auf sich nehmen, bei der nach § 1566 Abs. 2 BGB die
unwiderlegliche Vermutung gilt, dass die Ehe gescheitert ist. Denn es ist unverhältnismäßig,
von einem Paar, das eigentlich zusammenbleiben möchte, eine so lange
Trennungszeit zu verlangen, damit es den Nachweis für das angebliche Scheitern
der Ehe führen kann und geschieden wird, sodass der transsexuelle Ehepartner
die Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG erfüllt. Denn der eigentliche Grund
für das Erfordernis der Ehelosigkeit in § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG steht nicht mit
dem Scheitern der Ehe in Zusammenhang, sondern liegt in der gesetzgeberischen
Absicht, keine Ehen gleichgeschlechtlicher Partner zuzulassen.
56
(2) Vor allem aber wird durch § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG die
bestehende Ehe des verheirateten Transsexuellen, der die rechtliche Anerkennung
seines empfundenen und gewandelten Geschlechts anstrebt, in erheblichem Maße
beeinträchtigt, die unter dem besonderen Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG steht.
Dabei ist von zusätzlichem Gewicht, dass nicht nur er selbst von dieser
Beeinträchtigung betroffen ist, sondern auch sein Ehegatte.
57
(a) Zum Gehalt der Ehe gehört, dass sie eine auf Dauer
angelegte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau ist, in der die
gleichberechtigten Partner zueinanderstehen (vgl. BVerfGE 105, 313
<345>). Insofern schützt Art. 6 Abs. 1 GG die Ehe in ihrem Bestand als Verantwortungsgemeinschaft
und garantiert eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher
Einwirkung entzogen ist (vgl. BVerfGE 107, 27 <53>). Die Eheleute können
selbst bestimmen, wie sie ihre Ehe führen. Drängt der Staat Ehegatten zur Scheidung
ihrer Ehe, dann läuft dies nicht nur dem Strukturmerkmal der Ehe als
dauerhafter Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft zuwider. Es wird damit auch
der bestehenden Ehe der ihr von Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Schutz
entzogen. Darüber hinaus werden die Ehepartner in ihrer Entscheidungsfreiheit,
dauerhaft ehelich zusammenzuleben, und in ihrem Vertrauen auf den ihrer Ehe
zukommenden Bestandsschutz schwer beeinträchtigt.
58
Auch die Ehe von Ehegatten, in denen einer von ihnen während
der Ehezeit seine Transsexualität entdeckt oder offenbart und entsprechend
seinem empfundenen oder während der Ehe durch operative Eingriffe gewandelten
Geschlecht lebt, fällt unter den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG. Sie ist als Ehe
zwischen einem Mann und einer Frau rechtmäßig zustandegekommen und hat bei
ihrem Eingehen allen Merkmalen entsprochen, die den Gehalt der Ehe ausmachen.
Solange der Gesetzgeber für das Eingehen der Ehe die Geschlechtlichkeit eines
Menschen danach bestimmt, wie er personenstandsrechtlich zugeordnet ist, und
das empfundene Geschlecht eines Transsexuellen personenstandsrechtlich nicht
anerkennt, können Transsexuelle zur rechtlichen Absicherung einer Partnerschaft
mit einem Partner, der personenstandsrechtlich dem anderen Geschlecht angehört,
nur die ihnen eröffnete Ehe eingehen. Beschreiten sie diesen ihnen rechtlich
zugewiesenen Weg und schließen eine Ehe, dann genießt diese uneingeschränkt den
Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG.
59
Dieser Schutz entfällt auch nicht dadurch, dass der
transsexuelle Ehegatte während der Ehe durch operative Eingriffe seine äußeren
Geschlechtsmerkmale dem empfundenen Geschlecht anpasst. Damit wird die Ehe zwar
im Tatsächlichen und nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nunmehr von
gleichgeschlechtlichen Partnern geführt. Sie ist aber weiterhin eine dauerhafte
Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft von zwei Ehegatten, die als solche vom
grundrechtlichen Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG nicht ausgenommen ist. Strebt ein
verheirateter Transsexueller nach geschlechtsumwandelnder Operation die rechtliche
Anerkennung seines empfundenen Geschlechts an, bringt er damit weder zum
Ausdruck, dass es ihm nicht um die Beibehaltung seiner Ehe geht, wie das
Bundesministerium des Innern für die Bundesregierung meint, noch liegt darin
ein Verzicht auf den Schutz der Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG. Wie der Fall des
Antragstellers belegt, ist mit dem Wunsch eines verheirateten Transsexuellen
nach Anerkennung seiner neuen Geschlechtszugehörigkeit keineswegs immer eine
Abwendung von seinem Ehepartner verbunden oder kommt es dadurch seitens des
anderen Ehegatten zu einer Trennung. Wenn aber der Wille beider Ehepartner
vorhanden ist, die bestehende eheliche Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft
fortzusetzen, dann liegt kein Verzicht auf den Schutz dieser Ehe vor. Es ist
verfassungsrechtlich nicht zulässig, einen solchen Verzicht allein daraus zu
schließen, dass der verheiratete Transsexuelle das Bestreben hat, sein Recht zu
erlangen, dem Geschlecht auch rechtlich zugeordnet zu werden, dem er aufgrund
seiner physischen und psychischen Konstitution angehört, das Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ihm gewährleisten.
60
(b) Mit der Voraussetzung der Ehelosigkeit für die
rechtliche Anerkennung einer Geschlechtsänderung wird einem verheirateten
Transsexuellen nahegelegt, seine Ehe zu beenden. Das kommt für ihn einem Entzug
des Schutzes seiner bestehenden Ehe gleich. Er gerät damit unter psychischen
Druck, seine Ehe beenden zu müssen, um in seinem neuen Geschlecht rechtliche
Anerkennung finden zu können, obwohl er sich von seinem Partner nicht trennen
möchte. Von ihm wird damit verlangt, seine Beziehung zum Partner der
gewünschten Geschlechtsidentität zu opfern, auch wenn diese Beziehung ihn in
seiner Identitätsfindung gerade stabilisiert und er es seinem Ehegatten eigentlich
nicht zumuten will, sich von ihm scheiden zu lassen und damit auch
Rechtsverluste hinnehmen zu müssen. Diese Konfliktlage beeinträchtigt die
eheliche Beziehung des Transsexuellen in hohem Maße.
61
(c) Auch der Ehegatte des Transsexuellen, der nach rechtlicher
Anerkennung seiner geänderten Geschlechtszugehörigkeit strebt, erfährt eine
starke Beeinträchtigung des ihm durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutzes
seiner Ehe. Er durfte darauf vertrauen, dass seine rechtmäßig zustandegekommene
Ehe Bestand hat, solange er und sein Partner zusammenleben und füreinander
Verantwortung tragen wollen. Obwohl dieser Wille auch nach der operativen
Geschlechtsumwandlung seines Ehegatten übereinstimmend fortbesteht, wird auch
er durch § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG dem Entscheidungskonflikt ausgesetzt, entweder an
der Ehe in persönlicher Verbundenheit festzuhalten, dann aber damit zu
verhindern, dass sein Ehegatte die rechtliche Anerkennung seiner
Geschlechtsidentität findet, wissend, dass dies für den Partner von existentieller
Bedeutung ist, oder gegen den eigenen Willen sich von seinem Partner scheiden
zu lassen und damit nicht nur die Trennung von ihm auf sich zu nehmen, sondern
auch die rechtliche Absicherung zu verlieren, die mit der Ehe verbunden ist und
durch die Scheidung zum Wegfall kommt. Hierdurch wird sein von Art. 6 Abs. 1 GG
geschütztes Interesse am Fortbestand der Ehe beeinträchtigt.
62
cc) Wägt man einerseits das gesetzgeberische Interesse, die
Ehe verschiedengeschlechtlichen Paaren vorzubehalten, und andererseits die
Interessen eines verheirateten Transsexuellen, der die rechtliche Anerkennung
seines geänderten Geschlechts anstrebt, sowie seines Ehegatten am Fortbestand
ihrer Ehe miteinander ab, dann haben die Anliegen beiderseits erhebliches
Gewicht. Unter Berücksichtigung der Bedeutung, die dem Recht auf Anerkennung
der eigenen geschlechtlichen Identität aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.
1 Abs. 1 GG zukommt, ist es jedoch unzumutbar, die Anerkennung eines
verheirateten Transsexuellen in seinem empfundenen und gewandelten Geschlecht
an die Voraussetzung der vorherigen Beendigung seiner als Ehe rechtlich
gesicherten Partnerschaft zu knüpfen.
63
(1) Diese Interessen, die hinsichtlich des ehelichen
Schutzes widerstreiten, unterfallen dem Schutz desselben Grundrechts. Art. 6
Abs. 1 GG schützt sowohl die Ehe als Rechtsinstitut, zu deren Gehalt gehört,
dass sie Mann und Frau zu einer Lebensgemeinschaft vereint, als auch
geschlossene Ehen sowie die Ehegatten in der Freiheit der Gestaltung ihres
Ehelebens und in dem Interesse auf den Bestand ihrer Ehe. Die Ehe als Institut
in ihrer tradierten Gestalt erhalten zu wollen und sie deshalb nur
verschiedengeschlechtlichen Paaren vorzubehalten, ist nicht mehr oder minder
von Gewicht wie der Schutz des Vertrauens eines Paares, mit der Ehe eine
Verantwortungsgemeinschaft eingegangen zu sein, die auf Dauer trägt und nicht
vom Staat gegen den Willen der Ehegatten aufgelöst werden soll. Das
gesetzgeberische Interesse am Erhalt des Instituts der Ehe als Vereinigung von
Mann und Frau muss deshalb grundsätzlich nicht hinter das Interesse eines
gleichgeschlechtlichen Ehepaares am Erhalt ihrer Ehe zurücktreten, ebenso wie
sich der Gesetzgeber nicht ohne weiteres über das Interesse eines Ehepaares an
der Beibehaltung ihrer bestehenden Ehe hinwegsetzen kann.
64
Allerdings fällt hier ins Gewicht, dass konkret gelebte,
unverwechselbare Beziehungen durch die Regelung in eine existentiell erfahrene
Krise geführt werden. Wenn sich vorliegend die Betroffenen auf die
Dauerhaftigkeit ihrer Ehe berufen, so berufen sie sich auf ihr persönliches,
die eigene Identität berührendes Eheversprechen, das für sie unverändert gilt
und als unwiderruflich bindend empfunden wird. Es geht insoweit um das weitere
Schicksal eines bereits gemeinsam gegangenen Lebensweges und damit um Folgen
von subjektiv existentieller Dimension. Demgegenüber wird die Prägekraft des
Prinzips der Verschiedengeschlechtlichkeit angesichts der konkreten Umstände
nur am Rande berührt. Es handelt sich bei den hier in Rede stehenden Fällen nur
um eine geringe Zahl von Transsexuellen, die zunächst als Mann und Frau
geheiratet haben, erst während der Ehe ihre Transsexualität entdeckt oder
offenbart haben und deren Ehe an dieser tiefgreifenden Veränderung der
Paarbeziehung nicht zerbrochen ist, sondern nach dem Willen beider Ehegatten
fortgesetzt werden soll. Überdies ist die Prägewirkung des Prinzips in der
Öffentlichkeit für diese Konstellationen dadurch gemindert, dass die
betreffenden Paare nach außen hin ohnedies bereits im gleichen Geschlecht leben
und auch rechtlich Namen des gleichen Geschlechts führen.
65
(2) Entscheidend ist für die Gewichtung dabei insbesondere
auch das Zusammenspiel von Art. 6 Abs. 1 GG mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 GG und die Bedeutung des hierdurch geschützten Rechts auf
Anerkennung der selbstbestimmten geschlechtlichen Identität. Die besondere
Belastung, die § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG mit sich bringt, liegt darin, dass sie zur
Durchsetzung des gesetzgeberischen Willens die Realisierung des einen
Grundrechts von der Aufgabe des anderen abhängig macht. § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG
verlangt von verheirateten Transsexuellen, sich entweder für die rechtliche
Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität oder die Aufrechterhaltung ihrer Ehe zu
entscheiden. Dies zieht zudem die von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte
Grundrechtsposition des anderen Ehegatten in Mitleidenschaft und führt die
Betroffenen nicht nur in eine kaum zu lösende innere Konfliktlage, sondern auch
zu einer unzumutbaren Grundrechtsbeeinträchtigung. § 8 TSG verletzt Art. 2 Abs.
1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG, weil er einem
verheirateten Transsexuellen nicht die Möglichkeit einräumt, die rechtliche
Anerkennung seiner neuen Geschlechtszugehörigkeit zu erlangen, ohne seine Ehe
beenden zu müssen, und ist deshalb verfassungswidrig.
66
Danach kann dahingestellt bleiben, ob § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG
auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
67
6. Es liegt in der Entscheidung des Gesetzgebers, auf welche
Weise er es verheirateten Transsexuellen, die die sonstigen Voraussetzungen des
§ 8 TSG erfüllen und festgestellt bekommen wollen, dass sie dem anderen als dem
im Geburtseintrag angegebenen Geschlecht zugehören, ermöglicht, diese
Feststellung ohne Beendigung ihrer als Ehe abgesicherten Partnerschaft zu
erlangen.
68
a) Will der Gesetzgeber zum Schutz des Instituts der Ehe als
verschiedengeschlechtlicher Partnerschaft daran festhalten, nicht zuzulassen,
dass Paare in der Ehe verbleiben, bei denen es durch Feststellung der
geänderten Geschlechtszugehörigkeit des transsexuellen Ehegatten zu einer
personenstandsrechtlichen Gleichgeschlechtlichkeit kommt, ist ihm dies
unbenommen, da sein Anliegen Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung trägt.
69
Er muss dabei aber Sorge tragen, dass die bisherige Ehe des
Transsexuellen jedenfalls als rechtlich gesicherte Verantwortungsgemeinschaft
fortbestehen kann.
70
Wandelt sich durch geschlechtsändernde operative Eingriffe
und personenstandsrechtliche Anerkennung des geänderten Geschlechts eines
Transsexuellen dessen Ehe in eine gleichgeschlechtliche, kann sie nicht mehr
beanspruchen, als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau zu gelten. Der Schutz,
den sie aus Art. 6 Abs. 1 GG auch weiterhin erfährt, bezieht sich dann auf die
mit der Ehe eingegangene Verantwortungsgemeinschaft mit all ihren Rechten und
Pflichten, die mit ihr verbunden sind. Das Vertrauen der Partner auf den
Bestand dieser Gemeinschaft bleibt weiterhin geschützt. Insofern kann ihr zwar
versagt werden, als Ehe weiterzubestehen, nicht jedoch als
Verantwortungsgemeinschaft. Deren Beendigung mitsamt dem Verlust der aus der
Ehe erwachsenen Rechte ist den Partnern, wie unter B. I. 5. c. cc). ausgeführt,
unzumutbar. Dies hat der Gesetzgeber bei einer Neuregelung zu berücksichtigen.
71
Wie er sicherstellt, dass die Verantwortungsgemeinschaft
eines verheirateten Transsexuellen mit seinem Ehegatten ohne Beendigung
Fortsetzung findet, ist dem Gesetzgeber überlassen. So kann er sie mit
Rechtskraft der Anerkennung der geänderten personenstandsrechtlichen
Geschlechtszugehörigkeit des transsexuellen Ehegatten in eine Eingetragene
Lebenspartnerschaft überführen, muss dabei aber Sorge dafür tragen, dass die
erworbenen Rechte und auferlegten Pflichten aus der Ehe einem solchen Paar in
der Eingetragenen Lebenspartnerschaft ungeschmälert erhalten bleiben. Er kann
zu diesem Zweck aber auch eine rechtlich abgesicherte Lebensgemeinschaft sui
generis schaffen, die dem Paar die erworbenen Rechte und Pflichten aus der Ehe
sichert, und die Ehe mit Anerkennung der geänderten Geschlechtszugehörigkeit
des transsexuellen Ehegatten in dieser Form fortbestehen lassen.
72
b) Angesichts der geringen Zahl der betroffenen
verheirateten Transsexuellen, die erst während der Ehe ihre Transsexualität
entdecken oder offenbaren und deren Ehe an dieser tiefgreifenden Veränderung
der Paarbeziehung nicht zerbrochen ist, sondern nach dem Willen beider
Ehegatten fortgesetzt werden soll, kann der Gesetzgeber sich aber auch dafür
entscheiden, verheirateten Transsexuellen die Möglichkeit der rechtlichen
Anerkennung ihres geänderten Geschlechts bei Fortführung ihrer Ehe zu eröffnen
und dafür § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG zu streichen. Wegen des Schutzes, der den
bestehenden Ehen aus Art. 6 Abs. 1 GG zukommt, wäre dies auch angesichts
dessen, dass die Ehe als Lebensgemeinschaft von Mann und Frau durch Art. 6 Abs.
1 GG geschützt ist, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
II.
73
Die Verfassungswidrigkeit von § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG führt
nicht zur Nichtigkeit, sondern zur Unvereinbarkeit dieser Norm mit Art. 2 Abs.
1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG. Denn der Gesetzgeber
hat, wie aufgezeigt, mehrere Möglichkeiten, um den verfassungswidrigen Zustand
zu beseitigen. Hierfür wird dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 1. August 2009
gesetzt.
74
Angesichts der Schwere der Beeinträchtigung, die ein
verheirateter Transsexueller durch die Versagung der rechtlichen Anerkennung
seiner empfundenen und gewandelten Geschlechtszugehörigkeit erfährt, wird § 8
Abs. 1 Nr. 2 TSG bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung für nicht anwendbar
erklärt.
75
Wählt der Gesetzgeber den Weg, die Ehe eines Transsexuellen
mit dessen personenstandsrechtlicher Anerkennung in der geänderten Geschlechtszugehörigkeit
in eine andere rechtlich abgesicherte Lebensgemeinschaft zu überführen, kann er
auch regeln, dass Ehen, in denen der transsexuelle Ehepartner wegen der
zwischenzeitlichen Nichtanwendbarkeit von § 8 Abs. 1 Nr. 2 TSG bereits die
personenstandsrechtliche Anerkennung der geänderten Geschlechtszugehörigkeit
erlangt hat, ebenfalls kraft Gesetzes in die dafür vorgesehene rechtlich
abgesicherte Lebensgemeinschaft ex nunc überführt werden.
76
Die Entscheidung ist zu B. II. 2. Absatz mit 7:1 Stimmen, im
Übrigen einstimmig ergangen.
Papier Hohmann-Dennhardt Bryde
Gaier Eichberger Schluckebier
Kirchhof Masing
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