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Fragen der
Geschlechtsidentität
Rees gegen Vereinigtes Königreich
17.10.1986
Ein Frau-zu-Mann-Transsexueller rügte, dass seine
Geschlechtsumwandlung nicht
vollständig rechtlich anerkannt werde.
Keine Verletzung von Artikel 8 (Recht auf Achtung des
Privat- und Familienlebens): die
vom Beschwerdeführer verlangten rechtlichen Änderungen
hätten grundlegende
Änderungen in der Führung des Geburtenregisters notwendig
gemacht – mit
weitreichenden Folgen für die Verwaltung. Der Gerichtshof
maß außerdem dem Umstand
Bedeutung zu, dass das Vereinigte Königreich die Kosten für
die medizinische
Behandlung des Beschwerdeführers getragen hatte.
Gleichwohl war sich der Gerichtshof „des Ernstes der
Probleme und der Not von
Transsexuellen“ bewusst und empfahl, „die Notwendigkeit
angemessener Maßnahmen
weiter zu beobachten, insbesondere im Hinblick auf wissenschaftliche und
gesellschaftliche Entwicklungen“.
Keine Verletzung von Artikel 12 (Recht auf Eheschließung und
Familiengründung):
Das traditionelle Verständnis der Ehe beruht auf einer
Verbindung von Personen
verschiedenen Geschlechts. Die Staaten haben die Kompetenz, das Recht zur
Eheschließung zu regeln.
Cossey gegen Vereinigtes Königreich
27.09.1990
Der Gerichtshof kam zu ähnlichen Schlüssen wie in Rees gegen
Vereinigtes Königreich
und fand keine neuen besonderen Umstände, die zu einer
Abweichung von seinem
früheren Urteil geführt hätten.
Keine Verletzung von Artikel 8
Der Gerichtshof unterstrich, dass „eine
geschlechtsanpassende Operation nicht den
Erwerb aller biologischen Merkmale des anderen Geschlechts
nach sich zieht“ (Abs. 40).
Keine Verletzung von Artikel 12
Die Bindung an das traditionelle Verständnis von Ehe bietet
„ausreichende Gründe für die
weitere Zugrundelegung biologischer Kriterien zur
Geschlechtsbestimmung einer Person
im Hinblick auf die Eheschließung“. Es ist Sache der
Staaten, die Ausübung des Rechts
auf Eheschließung zu regeln.
X, Y et Z gegen Vereinigtes Königreich, 22.04.1997
Der Gerichtshof kam zwar zu dem Schluss, dass keine
Verletzung von Artikel 8 (Recht
auf Achtung des Privat- und Familienlebens) vorlag, erkannte
aber das Bestehen eines
Familienlebens zwischen einem Transsexuellen und dem Kind
seiner Partnerin an (Abs.
37: „X hat sich seit der Geburt in jeder Hinsicht wie der
„Vater“ von Z verhalten. Unter
solchen Umständen ist der Gerichtshof der Auffassung, dass [de facto] eine
Familienbindung zwischen den drei Beschwerdeführern
besteht.“)
In B. gegen Frankreich (25.03.1992) kam der Gerichtshof zum
ersten Mal in einem Fall
hinsichtlich der Anerkennung von Transsexuellen zu dem
Schluss, dass eine Verletzung
von Artikel 8 vorlag. Informationsblatt – Fragen der Geschlechtsidentität
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Eine Mann-zu-Frau Transsexuelle, Frau B., rügte die
Weigerung der französischen
Behörden, das Personenstandsregister ihren Wünschen
entsprechend zu ändern.
Verletzung von Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und
Familienlebens)
Der Gerichtshof berücksichtigte Umstände, die den Fall
von Rees gegen Vereinigtes
Königreich und Cossey
gegen Vereinigtes Königreich unterschieden, insbesondere die
Unterschiede zwischen dem britischen und französischen System der Eintragung des
Personenstandes. Während es
im Vereinigten Königreich erhebliche Hürden für die
Änderung von Geburtsurkunden gab, war es in Frankreich
vorgesehen, Geburtsurkunden
im Laufe des Lebens zu ändern. Der Gerichtshof stellte fest,
dass in Frankreich viele
offizielle Dokumente „eine Diskrepanz zwischen rechtlichem und offenkundigem
Geschlecht eines Transsexuellen“ (Abs. 59) offenbaren, was
auch die Angaben in
Sozialversicherungsdokumenten und Gehaltsabrechnungen
betrifft.
Der Gerichtshof entschied folglich, dass die Weigerung, den
Eintrag der
Beschwerdeführerin im Personenstandsregister in zu ändern,
sie „täglich in eine Situation
[brachte], die nicht mit der Achtung ihres Privatlebens
vereinbar ist“.
Sheffield und Horsham gegen Vereinigtes Königreich, 30.07.1998
Der Gerichtshof befand, dass es keinen Grund gab, von seinen
Urteilen in Rees gegen
Vereinigtes Königreich und
Cossey gegen Vereinigtes Königreich
abzuweichen:
„Transsexualität wirft weiterhin wissenschaftliche,
rechtliche, moralische und soziale
Probleme auf, denen die Vertragsstaaten nicht mit einer grundlegenden gemeinsamen
Herangehensweise begegnen“ (Abs. 58).
Keine Verletzung von Artikel 8 (Recht auf Achtung des
Privat- und Familienlebens), 12
(Recht auf Eheschließung und Familiengründung) und 14
(Diskriminierungsverbot).
Gleichwohl „unterstreicht der Gerichtshof erneut, dass
Entwicklungen in diesem Bereich
weiterhin von den Vertragsstaaten beobachtet werden müssen“
(Abs. 60), und dies im
Zusammenhang mit „der zunehmenden sozialen Akzeptanz des
Phänomens und der
zunehmenden Anerkennung der Probleme, denen postoperative
Transsexuelle
ausgesetzt sind“.
Der Fall Christine Goodwin
Christine Goodwin gegen Vereinigtes Königreich, Urteil der
Großen Kammer, 11.07.2002
Die Beschwerdeführerin rügte, dass ihre
Geschlechtsumwandlung rechtlich nicht
anerkannt werde, insbesondere hinsichtlich ihrer
Beschäftigungsbedingungen,
hinsichtlich ihrer Sozialversicherungs- und Rentenrechte und
da ihr das Recht auf
Eheschließung verwehrt werde.
Verletzung von Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und
Familienlebens), aufgrund
der deutlichen internationalen Tendenz zu einer zunehmenden
gesellschaftlichen
Akzeptanz von Transsexuellen und zur rechtlichen Anerkennung von
Geschlechtsumwandlungen.
“Da es keine
wichtigen Gründe des öffentlichen Interesses gibt, die dem Interesse der
Beschwerdeführerin auf rechtliche Anerkennung ihrer
Geschlechtsumwandlung
entgegenstehen, kommt der Gerichtshof zu dem Schluss, dass
die gerechte Abwägung,
die der Konvention immanent ist, nun eindeutig zu Gunsten
der Beschwerdeführerin
vorgenommen werden muss.“
Verletzung von Artikel 12 (Recht auf Eheschließung und
Familiengründung)
“Der Gerichtshof ist nicht davon überzeugt, dass auch heute
noch angenommen werden
kann, dass [Artikel 12] sich auf eine Geschlechtsbestimmung
nach rein biologischen
Kriterien beziehen muss.“ (Abs. 100) Informationsblatt –
Fragen der Geschlechtsidentität
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Der Gerichtshof befand, dass es dem Staat zusteht, die
Voraussetzungen und
Formalitäten von Eheschließungen Transsexueller zu regeln,
dass er aber „keine
Rechtfertigung dafür sieht, Transsexuellen in jedem Fall das
Recht auf Eheschließung zu
versagen“.
Nach dem Urteil der Großen Kammer im Fall Christine Goodwin
führte das Vereinigte
Königreich 2004 eine Regelung ein, nach der Transsexuelle
eine amtliche Bestätigung
über die Anerkennung des Geschlechts beantragen können. Die
beiden folgenden Fälle
betrafen Transsexuelle, die vor der Geschlechtsumwandlung
geheiratet hatten und nun
das Verfahren zur Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit
in Anspruch nehmen
wollten.
Wena und Anita Parry gegen Vereinigtes Königreich (November
2006)
R. und F. gegen Vereinigtes Königreich (November 2006)
Die Beschwerdeführer waren beide verheiratet und hatten
Kinder. Beide hatten eine
Geschlechtsumwandlung vornehmen lassen und blieben mit ihrem
Ehepartner
zusammen. Nach dem Gesetz von 2004 über die Anerkennung der
Geschlechtszugehörigkeit beantragten beide die Ausstellung
einer amtlichen
Bescheinigung über die Anerkennung der
Geschlechtszugehörigkeit, die sie aber nur im
durch Beendigung ihrer Ehe hätten bekommen können. Sie
machten eine Verletzung von
Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens)
und 12 (Recht auf
Eheschließung), geltend.
Beschwerden für unzulässig erklärt (abgewiesen als
offensichtlich unbegründet):
Von den Beschwerdeführern wurde verlangt, ihre Ehen zu
beenden, weil
gleichgeschlechtliche Ehen nach englischem Recht nicht
erlaubt waren. Das Vereinigte
Königreich hatte die rechtliche Anerkennung von
Geschlechtsumwandlungen zu möglich
gemacht und die Beschwerdeführer hatten die Möglichkeit,
ihre Beziehung fortzuführen
und als Lebenspartnerschaft eintragen zu lassen, die fast
die gleichen Rechte und
Pflichten umfasste wie die Ehe.
Der Gerichtshof stellte fest, dass der Gesetzgeber von der
kleinen Anzahl von
verheirateten Transsexuellen wusste, als er die neue
Regelung einführte, aber bewusst
keine Sonderregelung für diese Ehen vorsah. Der Gerichtshof
war der Auffassung, dass
nicht verlangt werden konnte, diese geringe Zahl von Fällen
gesondert zu
berücksichtigen.
Jüngere Fälle
Schlumpf gegen die Schweiz, 08.01.2009
Weigerung der Krankenversicherung der Beschwerdeführerin,
die Kosten für eine
Geschlechtsumwandlung zu übernehmen, weil sie vor der Operation nicht zwei Jahre
abgewartet hatte, wie von der Rechtsprechung
vorgesehen.
Verletzung von Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und
Familienlebens): Die
Wartezeit wurde automatisch
zugrunde gelegt, ohne das Alter der Beschwerdeführerin
(67 Jahre) zu berücksichtigen.
P.V. gegen Spanien, 30.11.2010
Eine Mann-zu-Frau Transsexuelle, bekam vor ihrer
Geschlechtsumwandlung 1998 einen
Sohn mit ihrer Ehefrau. Im Jahr 2002 trennte sich das Paar
und die Beschwerdeführerin
rügte nun die gerichtlichen Einschränkungen ihres
Umgangsrechts mit ihrem Sohn mit
der Begründung, dass ihre emotionale Unausgeglichenheit nach
der
Geschlechtsumwandlung auf das Kind verstörend wirken
könne.
Keine Verletzung von Artikel 8 in Verbindung mit Artikel 14:
Die Einschränkungen des
Umgangsrechts stellten keine Diskriminierung aufgrund der
Transsexualität der
Beschwerdeführerin dar. Der entscheidende Grund für die ihr
von den spanischen Informationsblatt – Fragen der Geschlechtsidentität
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Gerichten auferlegten Einschränkungen war angesichts der
vorübergehenden
emotionalen Unausgeglichenheit der Beschwerdeführerin das
Kindeswohlinteresse. Sie
legten daher eine Regelung fest, die es dem Kind ermöglichen
würde, sich schrittweise
an die Geschlechtsumwandlung seines Vaters zu gewöhnen.
P. gegen Portugal
Aus dem Register gestrichen am 06.09.2011
Bei ihrer Geburt wurde die Beschwerdeführerin als männlich
registriert. Mit Erreichen des
Erwachsenenalters unterzog sie sich einer
Geschlechtsumwandlung. Sie rügte die
fehlende rechtliche Anerkennung ihrer Situation, da es in
Portugal keine entsprechende
Gesetzgebung gebe. Es handelt sich um die erste Beschwerde dieser Art vor dem
Gerichtshof gegen Portugal. Die Forderung der Beschwerdeführerin nach rechtlicher
Anerkennung war vor den nationalen Gerichten erfolgreich,
deshalb entschied der
Gerichtshof, die Beschwerde aus seinem Register zu
streichen.
Anhängige Fälle
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