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Nikita Noemi Rothenbächer 2014
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Geschlechtsumwandlung
oder Strafe
In
keinem Land gibt es so viele Geschlechtsumwandlungen wie im Iran. Für viele
Homosexuelle ist die Operation der einzige Weg, um Stigmatisierung und Strafen
zu entgehen.
Ohne islamisches Kopftuch dürfen sie nicht antreten, Männer
als Zuschauer im Stadion sind verboten, trotzdem gewinnt der Frauenfußball im
Iran immer mehr Fans. 50.000 Sportlerinnen kicken Woche für Woche in den
verschiedenen Ligen, die jetzt für Schlagzeilen sorgen. Einige der besten
Athletinnen, darunter vier aus der Nationalmannschaft und drei aus der Ersten
Liga, sind nämlich Männer – Spieler, bei denen die chirurgische
Geschlechtsumwandlung zur Frau noch nicht abgeschlossen ist. Alle sieben wurden
vorläufig suspendiert. "Wenn die Operation erfolgreich und das Problem
gelöst ist, können sie wieder ins Team zurückkehren", beschwichtigte der
Chefmediziner des Iranischen Fußballverbandes, Ahmad Haschemian.
Geschlechtsumwandlungen lassen sich nur in mehreren Etappen
durchführen, die in der Regel zwei Jahre dauern. Seit Irans Staatsgründer
Ayatollah Ruhollah Chomeini vor drei Jahrzehnten in einer Fatwa den
chirurgischen Eingriff für vereinbar mit dem Islam erklärte, verzeichnet die
Islamische Republik nach Thailand weltweit die meisten Geschlechtsumwandlungen.
Wer sich in einem falschen Körper gefangen fühle, dürfe den Körper verändern
lassen, um sein Leiden zu lindern, urteilte Chomeini. Fortan galt
Transsexualität in der schiitischen Morallehre als heilbare Krankheit, ganz im
Gegensatz zur Homosexualität. Sie wird nach wie vor verurteilt als Verbrechen
und Gotteslästerung, die mit Auspeitschung oder dem Tod bestraft werden kann.
Geschlechtsumwandlung werde im Koran nicht erwähnt, darum
sei sie keine Sünde, begründete ein Geistlicher in dem bekannten iranischen
Dokumentarfilm Sein wie die anderen diese gespaltete Moral. "Man kann
Getreide nehmen, es in Mehl und Brot verwandeln. Auch das ist eine Umwandlung.
Oder man kann einen Baum fällen und daraus einen Tisch oder Stuhl machen",
argumentierte der Theologe.
Trotzdem bleiben Geschlechtsoperationen in dem strengen
schiitischen Gottesstaat ein heikles Thema, auch weil sie für schwule Paare
praktisch der einzige Ausweg sind, sozialer Stigmatisierung und schweren Strafen
zu entgehen sowie legal zu heiraten. Viele Schwule werden durch den
gesellschaftlichen Druck zu Geschlechtsumwandlungen getrieben, obwohl sie keine
Transsexuellen sind, beklagen Aktivisten. Für manche endet dieser seelische
Gewaltakt später in Depression und Selbstmord.
Die Hälfte zahlt die staatliche Krankenkasse
Zwischen 5.000 und 8.000 Euro kostet eine Operation in der
Islamischen Republik, die bei Gericht beantragt werden muss und deren Kosten
zur Hälfte die staatliche Krankenkasse übernimmt. Wer allerdings einmal bei den
Behörden als Transsexueller registriert ist, muss sich auch operieren lassen.
Sonst drohen ihm Anklage und Bestrafung wegen schwuler oder lesbischer
Sexualpraktiken.
Offiziell leben inzwischen etwa 20.000 Transsexuelle im
Iran, die alle neue Pässe und neue Geburtsurkunden ausgestellt bekommen haben.
Nach inoffiziellen Schätzungen jedoch liegt ihre Zahl wesentlich höher und
beläuft sich eher auf 150.000. Entweder eine Geschlechtsumwandlung machen oder
den Iran verlassen, habe ihm sein Therapeut geraten, berichtete ein junger
schwuler Iraner, der sich daraufhin in die Türkei abgesetzt hat. Und so
schätzen Fachleute, dass zwischen 40 und 50 Prozent aller Transsexuellen im
Land in Wirklichkeit Homosexuelle sind.
Irans Fußballverband kündigte unterdessen an, die
Frauenkader in Zukunft stärker zu kontrollieren. Sportärzte sollen ohne
Vorankündigung bei Training oder Punktspielen auftauchen und stichprobenartig
die Spielerinnen untersuchen. Zugleich wurden alle Vereine verpflichtet, vor
einem Vertragsabschluss das Geschlecht ihrer neuen Spielerinnen zu überprüfen.
Die Doppelmoral auch im Islam
Gerade der strenge Revoltionsführer Chomeini hat den
Transsexuellen, Shemales, ein Erlaubnis erteilt, so zu sein, wie sie sein
wollen. Während vor 20 Jahren sie genauso wie Schwule hingerichtet und
gefoltert wurden. Passt natürlich überhaupt nicht in die strenge islamische
Moral, Frauen verschleiern, Ehebrecher steinigen, Dieben die Hand abhacken,
Schwule umlegen, aber Umgebaute bunt und auffällig gewähren lassen - nur weil
der Koran keine Gegenargumente kennt? Da leistet sich der erzkonservative und
brutale Iran einen moralischen Luxus. Vielleicht gewisse Vorlieben bei den
Entscheidern? Verdrängtes...?
Geschlechtsumwandlungen sind in Iran erlaubt, während auf
Homosexualität die Todesstrafe steht. Das Leben eines Transsexuellen ist in der
islamischen Republik trotzdem nicht leicht!
"Was spricht aus Sicht des Koran gegen
Transsexuelle?" Ajatollah Chomeini blätterte in der heiligen Schrift. Er
durchforstete 114 Suren nach einer Antwort. Er fand keine. Im Gegenteil: Die
Veränderung göttlicher Ordnung gehört zum Alltag der Menschen, lautete seine
Erkenntnis.