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Nikita Noemi Rothenbächer 2015
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Europa-Gericht stärkt
Grundrecht auf Geschlechtsanpassung
In einem Grundsatzurteil haben die Straßburger Richter
entschieden, dass Sterilität keine Voraussetzung für eine Geschlechtsanpassung
sein darf.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einem
am Dienstag verkündeten Urteil festgestellt, dass Transsexuelle ein Grundrecht
auf Geschlechtsanpassung haben. Der Staat dürfe ihnen dabei keine Steine in den
Weg legen – konkret ging es um die Voraussetzung, dass ein Transsexueller vor
einer operativen Geschlechtsanpassung zeugungsunfähig sein muss. Das Urteil der
sieben Richter fiel einstimmig.
Geklagt hatte ein transsexueller Mann aus der Türkei, der
vom Gericht nur als Y.Y. Identifiziert wurde. Das Verfahren zeigt, mit welchen
entwürdigenden Hürden Transsexuelle in Europa zu kämpfen haben: Im vorliegenden
Fall hatte Y.Y. bereits im September 2005 im südtürkischen Mersin eine
Geschlechtsanpassung beantragt. Allerdings genehmigten die Richter die
Operation mehrere Jahre nicht. Begründung: Der Patient habe weibliche
Geschlechtsorgane und sei nicht wie im Gesetz vorgeschrieben zeugungsunfähig –
eine Geschlechtsanpassung sei aber nach türkischen Gesetz nur zulässig, wenn
Y.Y. keine Kinder kriegen könne.
Zwar erlaubte ein türkisches Gericht schließlich 2013 – also
acht Jahre nach dem ersten Antrag – erstmals die Geschlechtsanpassung. Die
Europarichter beschäftigten sich aber mit der ursprünglichen Ablehnung und
führten damit ein Grundsatzurteil herbei.
Die Straßburger Richter kritisierten, dass Sterilität eine
Bedingung für die Anerkennung von Transsexuellen sei. Dies sei ein Verstoß
gegen Artikel 8 der Menschenrechtskonvention zur Achtung des Privat- und
Familienlebens. Dieser Artikel beinhalte auch ein Selbstbestimmungsrecht für
Transsexuelle.
Dem Kläger sprachen die Richter Schadensersatz in Höhe von
7.500 Euro zu.
Fortsetzung nach Anzeige
Viele europäische Länder müssen Gesetze ändern
Nach Angaben von Transgender Europe verlangen heute noch 20
der 47 Staaten, die als Mitglied im Europarat formal an die Urteile des
Menschenrechtsgerichtshofs gebunden sind, dass Transsexuelle sterilisiert
werden müssen. Trans-Aktivisten begrüßten daher das Urteil als wegweisend. Sie
verwiesen aber auch darauf, dass in vielen Ländern Transsexuellen noch zu hohe bürokratische
Hürden in den Weg gestellt werden würden, etwa mit einem Zwang, sich die
Transsexualität von mehreren Gutachtern bestätigen zu lassen.
Viele Länder in Europa überarbeiten derzeit ihre
Transsexuellengesetze. So verabschiedete Dänemark im letzten Jahr ein
fortschrittliches Gesetz, das Transsexuellen eine unbürokratische Anerkennung
des erwünschten Geschlechts erlaubt (queer.de berichtete). Der Gutachter-Zwang,
der auch in Deutschland von Trans-Aktivisten kritisiert wird, wurde
abgeschafft.
In Deutschland gilt das Transsexuellengesetz aus dem Jahr
1981. Es wurde bereits in mehreren Bereichen vom Bundesverfassungsgericht für
verfassungswidrig erklärt. So müssen Transsexuelle seit 2011 nicht mehr
zeugungsunfähig sein, um in ihrem neuen Geschlecht anerkannt zu werden Die
Karlsruher Richter schafften auch die teure und teilweise mit Gefahren
verbundene operative Geschlechtsanpassung als Voraussetzung für die Anerkennung
des neuen Geschlechts ab. Diese Vorschrift sei unvereinbar mit der im Grundgesetz
garantierten Menschenwürde und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit
Ruhestandsrente
für eine Transsexuelle
Die Rente ist der Betreffenden im gleichen Alter wie
einer Frau zu gewähren
Der Fall:
Frau Sarah Margaret Richards wurde am 28. Februar 1942 im
Vereinigten Königreich geboren, und in ihrer Geburtsurkunde war ihr Geschlecht
als männlich registriert. Nachdem bei ihr eine Geschlechtsdysphorie
diagnostiziert worden war, unterzog sie sich im Jahr 2001 einer operativen
Geschlechtsumwandlung.
Am 14. Februar 2002 beantragte sie die Gewährung einer
Ruhestandsrente mit Wirkung vom 28. Februar 2002, dem Tag, an dem sie 60 Jahre
alt wurde und damit das Alter erreicht hatte, in dem nach britischem Recht eine
vor dem 6. April 1950 geborene Frau eine Ruhestandsrente erhalten kann.
Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass er
mehr als vier Monate vor Vollendung des 65. Lebensjahres des Antragstellers
gestellt wurde, dem im Vereinigten Königreich für Männer geltenden Rentenalter.
Der Europäische Gerichtshof sah darin eine unzulässige
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.
Das Urteil:
1. Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom
19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit ist
dahin auszulegen, dass er Rechtsvorschriften entgegensteht, die einer Person,
die sich gemäß den Voraussetzungen des nationalen Rechts einer
Geschlechtsumwandlung vom Mann zur Frau unterzogen hat, die Gewährung einer
Ruhestandsrente versagen, weil sie noch nicht das 65. Lebensjahr erreicht hat,
während diese Person mit 60 Jahren Anspruch auf eine solche Rente gehabt hätte,
wenn sie nach dem nationalen Recht als Frau anzusehen gewesen wäre.
2. Es besteht kein Anlass, die zeitlichen Wirkungen des
vorliegenden Urteils zu begrenzen.
Die Pressemitteilung:
Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache
C-423/04: Sarah Margaret Richards / Secretary of State for Work and Pensions
Pressemitteilung des Europäischen Gerichtshofes Nr. 35/05
vom 27. April 2006
Die Weigerung, einer Transsexuellen, die sich einer
Geschlechtsumwandlung vom Mann zur Frau unterzogen hat, im gleichen Alter wie
einer Frau eine Rente zu gewähren, verstößt gegen das Gemeinschaftsrecht.
Eine solche Weigerung stellt eine Diskriminierung dar, die
gegen eine Gemeinschaftsrichtlinie über die Gleichbehandlung im Bereich der
sozialen Sicherheit verstößt.
Nach den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs, die
vor April 2005 in Kraft waren, ist das Geschlecht einer Person hinsichtlich der
Sozialversicherungsregelungen das in ihrer Geburtsurkunde angegebene. Eine
Geburtsurkunde kann nur zur Berichtigung von Schreibfehlern oder faktischen
Irrtümern geändert werden. Transsexuelle, die sich einer operativen
Geschlechtsumwandlung unterzogen haben, können daher das in ihrer
Geburtsurkunde vermerkte Geschlecht nicht ändern lassen.
Nach dem 4. April 2005 in Kraft getretene Gesetz von 2004
über die Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit (Gender Recognition Act 2004)
kann Transsexuellen unter bestimmten Voraussetzungen eine Bescheinigung über
die Anerkennung der Geschlechtszugehörigkeit (Gender Recognition Certificat)
erteilt werden. Die Erteilung einer solchen Bescheinigung ändert die
geschlechtliche Identität der betreffenden Person für fast alle amtlichen
Belange, hat aber keine Rückwirkung.
Im Vereinigten Königreich können Männer mit dem 65.
Lebensjahr und Frauen mit dem 60. Lebensjahr eine Ruhestandsrente erhalten.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens wurde bei ihrer Geburt
im Jahr 1942 als männlich registriert. Nachdem bei ihr eine
Geschlechtsdysphorie diagnostiziert worden war, unterzog sie sich im Mai 2001
einer operativen Geschlechtsumwandlung. Im Februar 2002 beantragte sie die
Gewährung einer Ruhestandsrente ab ihrem 60. Geburtstag.
Dieser Antrag wurde vom Secretary of State and Pensions mit
der Begründung abgelehnt, dass er mehr als vier Monate vor Vollendung des 65.
Lebensjahres der Betroffenen gestellt worden sei. Die Klägerin focht diese
Entscheidung an, und der Social Security Commissioner, der mit der Sache
aufgrund eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung des Social Security Appeal
Tribunal befasst wurde, hat dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob eine solche
Weigerung gegen die Gemeinschaftsrichtlinie über die Gleichbehandlung im
Bereich der sozialen Sicherheit1 verstößt.
Der Gerichtshof erinnert zunächst daran, dass das Recht,
nicht aufgrund des Geschlechts diskriminiert zu werden, nach seiner ständigen
Rechtsprechung eines der Grundrechte des Menschen darstellt, deren Einhaltung
er zu sichern hat. Der Anwendungsbereich der Richtlinie kann daher nicht auf Diskriminierungen
beschränkt werden, die sich aus der Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen
Geschlecht ergeben. Denn die Richtlinie hat auch für Diskriminierungen zu
gelten, die ihre Ursache in einer Geschlechtsumwandlung des Betroffenen haben.
Die Ungleichbehandlung in der vorliegenden Rechtssache
beruht darauf, dass es der Klägerin nicht möglich ist, die Anerkennung der
durch eine Operation erworbenen neuen Geschlechtszugehörigkeit zu erlangen.
Anders als die Frauen, deren Geschlechtszugehörigkeit nicht das Ergebnis einer
solchen Operation ist und die mit 60 Jahren eine Ruhestandsrente erhalten
können, kann die Klägerin eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf diese
Rente, nämlich die in Bezug auf das Rentenalter, nicht erfüllen. Da diese
Ungleichbehandlung ihren Ursprung in der Geschlechtsumwandlung hat, ist sie als
eine durch die Richtlinie verbotene Diskriminierung anzusehen.
Der Gerichtshof weist das Argument des Vereinigten
Königreichs zurück, dass diese Situation unter eine in der Richtlinie vorgesehenen
Ausnahme falle, nach der es einem Mitgliedstaat erlaubt sei, unterschiedliche
Rentenalter für Männer und Frauen festzulegen. Er stellt fest, dass diese
Ausnahme, die eng auszulegen ist, nicht die in der vorliegenden Rechtssache
streitige Frage betrifft.
Der Gerichtshof gelangt zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie
Rechtsvorschriften entgegensteht, die einer Person, die sich einer
Geschlechtsumwandlung vom Mann zur Frau unterzogen hat, die Gewährung einer
Ruhestandsrente versagen, weil sie noch nicht das 65. Lebensjahr erreicht hat,
während diese Person mit 60 Jahren Anspruch auf eine solche Rente gehabt hätte,
wenn sie nach dem nationalen Recht als Frau anzusehen gewesen wäre.
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1 Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur
schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern
und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (Abl. 1979, L 6, S. 24).
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