Freitag, 10. April 2015

Neues Gesetz: Kalifornien stärkt Rechte von Transgender-Schülern // Das Schweigen der Transsexuellen


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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2015
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„Wenn man den Geist nicht so verändern kann, dass er zum Körper passt, dann sollten wir uns vielleicht dazu entschließen, den Körper so zu verändern, dass er dem Geist entspricht.“


Neues Gesetz: Kalifornien stärkt Rechte von Transgender-Schülern
Als erster Bundesstaat in den Vereinigten Staaten hat Kalifornien ein Gesetz zu den Rechten von Transgender-Schülern verabschiedet. In Zukunft dürfen diese selbst entscheiden, welche Sportart sie betreiben oder welche Toilette sie aufsuchen wollen.
Los Angeles - Eine neue Verordnung verpflichtet öffentliche Bildungseinrichtungen im US-Bundesstaat Kalifornien, dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche vom Kindergartenalter bis in die zwölfte Klasse nach Belieben die Toilette für Jungs oder Mädchen aufsuchen dürfen. Auch bei der Wahl der Sportarten sind diese Schüler ab jetzt frei, hieß es.

Eltern hatten in der Vergangenheit beklagt, dass betroffene Schüler von wichtigen Schulaktivitäten ausgeschlossen worden seien und sich teilweise aufgrund der Diskriminierung gar nicht mehr in ihre Klasse getraut hätten.
Auch die US-Bundesstaaten Massachusetts und Connecticut schützen bereits die Rechte von Transgender-Personen, Kalifornien hat sie aber erstmals in einem Gesetz festgeschrieben. Der Entwurf 1266 für Erfolg und Chancengleichheit in der Schule war mit 21 zu 9 Stimmen im kalifornischen Senat verabschiedet worden. Gouverneur Jerry Brown unterzeichnete das Gesetz, das am 1. Januar in Kraft tritt.

Ashton Lee, ein 16-jähriger Transgender-Junge aus Manteca, der ins Highschool-Football-Team aufgenommen werden wollte, hatte sich im vergangenen Monat vor dem Bildungskomitee des Senats geäußert: "Ich will einfach nur wie alle anderen Jungen behandelt werden", zitiert ihn der Nachrichtensender CNN. "Aber meine Schule zwingt mich, am Mädchen-Sportunterricht teilzunehmen und als jemand zu leben, der ich nicht bin." Er könne nicht erfolgreich lernen, wenn er sich jeden Tag in der Klasse isoliert und alleingelassen fühle, so Lee.

Während Unterstützergruppen wie das Transgender Law Center die Entscheidung begrüßten, bemängelten Kritiker des Gesetzes, die Privatsphäre und die Rechte der anderen Kinder seien bedroht. "Es gibt jugendliche Triebtäter", warnte der republikanische Senator Jim Nielsen. "Ich garantiere, dass es welche gibt, die die Gelegenheit ausnutzen werden."

"Werden Transgender-Schüler anderen Kindern Unbehagen bereiten?", fragte der Autor des Entwurfs, der Demokrat Tom Ammiano, rhetorisch. "Vielleicht", so seine Antwort. "Ich will das nicht kleinreden, aber neue Erfahrungen sind oft unbequem. Das kann aber keine Entschuldigung sein für Vorurteile."



Das Schweigen der Transsexuellen


Skadi Frankenstein 09.10.2011

Das Europäische Parlament hat die andauernde Pathologisierung transsexueller Menschen auch in der EU scharf verurteilt, aber darüber spricht man nicht
Geneigte Leserin, geneigter Leser, stellen Sie sich bitte vor, wildfremde Menschen sprechen Sie auf Beschaffenheit und Zustand Ihrer Genitalien an. Stellen Sie sich bitte vor, Sie wären der Gegenstand einer zotigen Geschwätzigkeit, die Sie auf ein sexuelles Begehren reduziert, das Sie nicht einmal empfinden. Stellen Sie sich bitte vor, dass dieses Geschwätz an Ihnen haftet wie das Miasma an den von den Göttern Verfluchten in der griechischen Mythologie. Die Blicke. Das Grinsen. Der Hohn. Wohin Sie auch gehen, was Sie auch tun und sagen.
Stellen Sie sich bitte vor, dass eine Gruppe von Menschen, der Sie angehören, ständig von anderen – zum Beispiel den Medien - definiert und charakterisiert wird, Sie nicht einmal zu Wort kommen, und das ewige Thema des verbalen Bombardements wäre Sex. Ihr Sex. Der Sex in Ihrem Kopf, der Sex, den Sie begehren, der Sex, den sie praktizieren.
Dagegen würden Sie sich verwahren. Darüber spricht man nicht. Es wäre eine unerträgliche Zumutung, unter diesen Umständen zu leben, zu arbeiten, einkaufen zu gehen, einen Spaziergang zu machen.
Es gibt eine Gruppe von Menschen, die das täglich ertragen muss. Man bezeichnet sie als Transsexuelle. Über das, worüber man nicht spricht, spricht man unaufhörlich, wenn es um sie geht. Wessen Stimmen nicht gehört werden, sind ihre eigenen.
Auf den ersten Blick wirkt es vielleicht erstaunlich, wenn das unaufhörliche Geschwätz über Transsexuelle sorgsam einen bestimmten Sachverhalt zu umgehen scheint. Dies ist selbst dann der Fall, wenn das Geschwätz über Transsexuelle nicht als Geschwätz bezeichnet werden kann, weil die entsprechende Äußerung beispielsweise eine Urteilsbegründung ist. Die Gemeinsamkeit, die solche Äußerungen mit dem Geschwätz haben, besteht darin, dass andere über Transsexuelle sprechen und diese zu schweigen haben. Was sparen die Aussagen aus? Was ist es, worüber man nicht spricht?
Es ist die Grundlage und das zentrale Element eines unaufhörlichen öffentlichen Diskurses über "Geschlechtsumwandlungen", "Männer, die Frauen sein wollen", eben die "Transsexuellen", wie die deutsche Öffentlichkeit sie wieder und wieder gleichförmig konstruiert. Es ist die "wissenschaftliche" Basis des Transsexuellengesetzes und jeglicher Rechtsprechung hinsichtlich dieser konstruierten "Transsexuellen". Es ist ihre Pathologisierung.
Die Richter ohne Roben
Die unrühmliche Geschichte der Psychiatrie von einem Organ der öffentlichen Hygiene bis zum "medizinischen Richteramt über jegliches menschliche Verhalten" hat Michel Foucault in seinen Vorlesungen am Collège de France 1974 – 1975 nachgezeichnet.[1]
1851 entdeckte der Psychiater Cartwright in den Südstaaten eine Geisteskrankheit, die nur unter Menschen mit schwarzer Hautfarbe auftrat, die Drapetomanie. Diese Geisteskrankheit – entsprechend zur Epoche eine Manie – bestand aus dem irrationalen Wunsch, frei zu sein, und der Tendenz, davonlaufen zu wollen. Cartwright, sich auf das göttlich verkündete natürliche Verhältnis zwischen Menschen weißer und schwarzer Hautfarbe berufend, empfahl wirksame Abhilfe. Sie bestand darin, keinesfalls Sklaven wie gleichwertige Menschen zu behandeln, und sie von Zeit zu Zeit gründlich auszupeitschen.
Seit Cartwrights Zeiten haben die Psychiatrie und ihre jüngere Schwester, die Psychologie, zweifelsfrei Fortschritte gemacht:
Dass dann innerhalb des Nationalsozialismus die deutsche Psychiatrie so gut funktioniert hat ist nichts Erstaunliches. Der neue Rassismus (...) als Mittel innerer Verteidigung einer Gesellschaft gegen ihre Anormalen, ist aus der Psychiatrie hervorgegangen, und der Nationalsozialismus hat nichts weiter getan, als diesen neuen Rassismus in den im 19. Jahrhundert endemischen ethnischen Rassismus einzuklinken. (...) Aber selbst dort, wo sie (...) die rassistische Einvernahme abgeschüttelt oder gar nicht wirklich vorangetrieben hat, selbst dort noch hat die Psychiatrie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts im wesentlichen immer als Mechanismus und Instanz zur Verteidigung der Gesellschaft funktioniert (...) oder, um die Ausdrucksweise des 19. Jahrhunderts aufzugreifen, als "Jagd nach Entarteten".

Michel Foucault[2]
Spuren sowohl personeller als auch inhaltlicher Natur, die von der Psychiatrie im Dritten Reich zur Pathologisierung von Transsexuellen im heutigen Deutschland führen, sind auffindbar.[3] Dies dürfte einer der Gründe für das Schweigen inmitten des Geschwätzes sein.
Ein weiterer Grund besteht aus dem Widerspruch zwischen den Menschenrechten und dem deutschen Transsexuellengesetz (TSG). Bereits 2007 legten die Yogyakarta-Prinzipien (Prinzip 18) zweifelsfrei fest, dass kein Mensch wegen seiner Gender-Identität gezwungen werden darf, sich medizinischer oder psychologischer Behandlung, Untersuchung oder sonstiger Prozeduren zu unterziehen. Allen gegenteiligen Kategorien zum Trotz, so heißt es dort, stellt Gender-Identität keine "medical condition" (Erkrankung, Störung) dar. Staaten werden (Prinzip 18, F) dazu aufgefordert, sicherzustellen, dass keine medizinische oder psychologische Beratung oder Behandlung von Gender-Identität als psychischer Störung ausgeht.
Das deutsche Transsexuellengesetz beruht auf der Einordnung von Transsexualität als psychische Störung. Das Gesetz erzwingt eine mehrstufige psychologisch-psychiatrische Gutachtensprozedur, während welcher die Betroffenen den Gutachtern völlig ausgeliefert sind. Von Betroffenen erstellte Menschenrechtsberichte[4] legen dar, wie man sich den Verlauf dieser Prozedur vorzustellen hat.
2009 erklärte Prof. Silvia Pimentel, Angehörige des CEDAW-Komitees der UNO (Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women) anlässlich der Anhörung Deutschlands, es sei ein Paradoxon, dass transsexuelle Frauen zu geistesgestörten Männern erklärt werden, um als Frauen akzeptiert zu werden. Sie forderte die Beendigung des Gutachterverfahrens nach dem deutschen TSG. In einem gemeinsam verfassten Bericht[5] legten zehn deutsche NGOs gegenüber dem CEDAW-Kommitteee 2011 dar, dass die angemahnten deutschen Aktivitäten hinsichtlich des TSG sich bislang auf eine Broschüre erstrecken, die als Feigenblatt gegenüber der UNO angesehen werden kann. Ebenfalls im Jahre 2009 hatte sich der Kommissar für Menschenrechte des Europarats veranlasst gesehen, ein Themenpapier zu Menschenrechten und Gender-Identität herauszugeben.[6]
Das Bundesverfassungsgericht erklärte nun im Januar 2011, die "Fachwelt (sei) inzwischen zu der Erkenntnis gelangt, dass geschlechtsumwandelnde Operationen auch bei einer weitgehend sicheren Diagnose der Transsexualität nicht stets indiziert sind". "Weitgehend sichere Diagnose", aber durch wen? Nicht etwa seitens der Betroffenen selbst, denen man keinesfalls zugestehen kann, sie wüssten selbst am besten über sich Bescheid. Weiter:
Die Dauerhaftigkeit und Irreversibilität des empfundenen Geschlechts eines Transsexuellen lässt sich nicht am Grad der Anpassung seiner äußeren Geschlechtsmerkmale an das empfundene Geschlecht mittels operativer Eingriffe messen, sondern ist daran festzustellen, wie konsequent der Transsexuelle in seinem empfundenen Geschlecht lebt und sich in ihm angekommen fühlt.

Bundesverfassungsgericht
Wiederum: Wer stellt das fest? Ganz sicher nicht die Betroffenen selbst. Die "Fachwelt", auf die sich das Bundesverfassungsgericht bezieht, besteht aus denjenigen Psychiatern und Psychologen, welche die "Wissenschaft" für die Pathologisierung transsexueller Menschen produziert (s. The World Professional Association for Transgender Health (WPATH)). Diese "Fachwelt" nimmt aktiv Einfluss auf die deutsche Gesetzgebung.
Gleichwohl wird in der Urteilsbegründung zweierlei – schamhaft? – verschwiegen. Erstens, dass das Urteil implizit an der Einstufung von Transsexualität als Störung festhält; dass die "Fachwelt" zur Fundierung des Urteils herangezogen wird und deren "wissenschaftliche Erkenntnisse" seine inhaltliche Grundlage darstellen; dass die Menschenrechte von Menschen, deren geschlechtliche Identität von dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht abweicht, schlicht ignoriert werden. Zweitens, dass "Nicht-Transsexuelle" (einschließlich der Richter und der "Fachwelt") "natürlich" kein "empfundenes" Geschlecht haben – sondern ein "echtes"? Oder vielleicht ein "normales" im Gegensatz zum "anormalen"?
Jedenfalls spricht das Bundesverfassungsgericht von " geschlechtsumwandelnde(n) Operationen" – statt von "geschlechtsangleichender Behandlung". Wenn jemand "in Wirklichkeit" ein Mann ist, der "eine Frau sein will" und nach hinreichender jahrelanger Unterwerfung unter Psychologen und Psychiater "seinen" Willen bekommt, so erfährt "er" eine Umwandlung. Wenn es aber um eine Fraugeht, deren Geschlechtszugehörigkeit in ihrem Bewusstsein und ihrem Gehirn verortet ist, der aber gleich nach ihrer Geburt von einem Mediziner nach Betrachtung ihrer Genitalien das Geschlecht "männlich" zugewiesen wurde – dann geht es hier um eine Angleichung.
Es stellt sich die Frage, wer hier in Wirklichkeit Recht spricht – die Richter mit den Roben, oder die Richter ohne Roben?
In Verteidigung der Gesellschaft
Warum werden unter Zuhilfenahme von Psychiatrie und Psychologie Menschenrechte ignoriert?
Es wäre vielleicht angebracht, die Perspektive zu erweitern. Psychiatrie und Psychologie verteidigen etwas durch die Pathologisierung von Menschen mit einer Geschlechtsidentität, die von ihrem zugewiesenen Geschlecht abweicht.
Julia Serano spricht von einer Devaluierung von Transfrauen, die darauf gründet, dass diese sich an der Schnittstelle dreier Phänomene befinden: Transphobie, Cisgenderismus und Misogynie. Transphobie ist Feindseligkeit gegen Trans-Menschen. Cisgenderismus ist das Machtverhältnis von Menschen, deren Geschlechtsidentität dem zugewiesenen Geschlecht entspricht, gegenüber Trans-Menschen. Cisgenderismus ist ein Privileg in Aktion: das beurteilende, verurteilende, sexualisierende Geschwätz derer, für die dabei nichts auf dem Spiel steht, über diejenigen, für die dabei alles auf dem Spiel steht. Hin und wieder generiert das Geschwätz Schläge, Vergewaltigungen, Messerstiche, Schüsse. Immer zementiert es eine fundamentale Ungleichheit.
Diejenigen Menschen, die in den maßgeblichen Vorgängerkulturen der westlichen Gesellschaften (Griechenland, Rom, christliches Mittelalter) in einer vergleichbaren Situation waren wie Transfrauen im heutigen Deutschland, waren – Frauen.
Nach dem Fall des mittelalterlichen Ordo wurde "die Frau" in die "Natur" eingeschrieben und unter dem Gesichtspunkt der Bevölkerungspolitik einem Prozess der Wissensakkumulation unterworfen. Aufgrund ihrer zentralen Rolle für die Reproduktion, aber auch aufgrund ihrer Funktion als gesellschaftspolitisch ohnmächtige Arbeitskräfte wurden Frauen einem normativen Sub-System unterworfen, das sie an ihrer Attraktivität als sexuelle Objekte, ihres Unterwerfungsgrads unter Männer, ihres Gebärvermögens und ihrer Arbeitsleistung maß.
Medizin, Psychiatrie, Psychologie sowie ein spezielles schichtenspezifisches Sub-Bildungssystem gewährleisteten eine lückenlose Überwachung und die jederzeit gegebene Möglichkeit der Verhaltenskorrektur. Gleichzeitig bewegten sich Frauen von der Kontrolle durch Männer (Väter, männliche Blutsverwandte) unter die Kontrolle anderer Männer (Ehemänner) oder mussten Statusverluste hinnehmen. Männer (Ärzte, Psychiater) oder speziell dazu ausgebildete Frauen (Lehrerinnen, Aufseherinnen) flankierten dies außerhalb der blutsverwandtschaftlichen oder ehelichen Verhältnisse und stellten gleichzeitig die Verfügungsgewalt jeweils eines Mannes (Vater, Vormund, Ehemann) über die jeweilige Frau sicher. Das schichtenspezifisch differenzierte Sub-Verhaltensregime, dem Frauen unterworfen waren, unterdrückte die Frauen nicht, es brachte die Frau als Kategorie hervor.
Der Status des Anderen – des Menschen, über den man spricht und der nichts zu sagen hat - ermöglicht eine bestimmte Form der Abwertung von Menschen, die Sexualisierung. Sexualisiert können nur Menschen werden, die den Status des Anderen innehaben. Der Grad dieses Status entspricht dem Grad der Sexualisierbarbeit. Sexualisierung bedeutet, dass Wert und Status eines Menschen an seiner sexuellen Attraktivität gemessen wird. Sexualisierung bedeutet, dass der sexualisierte Mensch zu einem Objekt zum sexuellen Gebrauch reduziert wird.
Das in die "Natur" eingeschriebene bipolare Geschlechterschema verdankt seine Existenz der in die "Natur" eingeschriebenen Kategorie Frau. Die Zuweisung des Status "Mann" oder "Frau" ist darum an bipolare Kategorisierung der Genitalien durch Mediziner bei der Geburt eines Menschen festgemacht. Um "natürliche" Statusunterschiede zwischen Menschen unveränderbar festzuschreiben, muss das bipolare Geschlechtsschema in dieser Form existieren.
Transfrauen sind Frauen. Die "Fachwelt" (also die pathologisierende Psychiatrie und Psychologie) erklärt sie zu geistesgestörten Männern und zwingt sie im Gutachterverfahren zu Hyper-Femininisierung und Hyper-Sexualisierbarkeit – sie müssen ihre "Weiblichkeit", ihr "Frau-Sein" ununterbrochen unter Beweis stellen.
Hier geht es um mehr als um die "Jagd nach Entarteten" in Verteidigung der Gesellschaft. Es geht darum, dass die "Fachwelt" definiert, was "richtige Frauen" sind und welche Eigenschaften sie aufzuweisen haben. Das TSG-Regime ist eine der letzten Bastionen eines dehumanisierenden und sexualisierenden Anti-Feminismus, einer institutionalisierten und "wissenschaftlich" abgesicherten Misogynie. Es generiert unter Zwang hypersexualisierte Super-Frauen und dem Spott preisgegebene Vogelscheuchen, die in Film und Fernsehen immer wieder für einen Lacher gut sind. Zu wessen Disziplinierung, zu wessen Normalisierung?
Transsexualität als "Störung" ist die Drapetomanie des 21. Jahrhunderts. Ebenso wie bei der Drapetomanie geht es darum, eine Menschengruppe durch Pathologisierung dauerhaft zu unterwerfen, ihr den Status des Anderen dauerhaft zuzuweisen und sie in Verteidigung der Gesellschaft stumm, ohnmächtig und nützlich zu machen.
Nützlich wozu? Zur Verteidigung eines bipolaren Geschlechtsschemas, dessen Grad an wissenschaftlicher Verifizierbarkeit Cartwrights "göttlich gewollter Ordnung" entspricht. Zur Zementierung gesellschaftlicher Rollenzuweisungen, die durch ein genitalfixiertes Geschlechtsschema in die "Natur" eingeschrieben sind und die für die Biomacht von Bedeutung sind. Zur Verteidigung einer durch Drill und Panoptismus unablässig neu geschnürten Gender-Zwangsjacke für Frauen, ganz gleich ob cis oder trans, das an einer Norm festgemacht ist, welche die "richtige Frau" definiert und hervorbringt. Zur Verschleierung der Künstlichkeit angeblich "natürlicher", durch Machtverhältnisse hervorgebrachter Kategorien, die zur Aufrechterhaltung dieser Machtverhältnisse dienen.
Die Resolution des Europäischen Parlaments vom 28. September 2011 verurteilt scharf die andauernde Pathologisierung transsexueller Menschen auch in Mitgliedsstaaten der EU und fordert die Mitgliedsstaaten insbesondere zur Depsychiatrisierung dieser Menschen auf.
Aber darüber spricht man nicht.


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