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Nikita Noemi Rothenbächer 2016
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„Ich kämpfe
gegen die Voreingenommenheit des Spießbürgers, der in mir ein Phänomen, eine
Abnormität sucht. Wie ich jetzt bin, so bin ich eine ganz gewöhnliche Frau“
Lili Elbe (*
18. Dezember 1882 in Vejle, Dänemark; † 12. September 1931 in Dresden), geboren
als Einar Wegener [Andreas Sparre], dänische Malerin, eine der ersten Menschen,
die sich geschlechtsangleichenden Operationen, im Institut von Magnus
Hirschfeld und der Dresdener Frauenklinik, unterzog.
Lili Elbe zählte damals in ganz Europa zu den
aufsehenerregendsten Fällen von Kurt Warnekros [Werner Kreutz], Gynäkologe und
Leiter der Frauenklinik in Dresden, sowie von Magnus Hirschfeld [Professor
Hardenfeld] an seinem Institut für Sexualwissenschaft [Institut für
Seelenkunde] in Berlin.
Nach mehreren Operationen, die zu einer
Geschlechtsangleichung führten, wurde auch ein Versuch der Transplantation
einer vollständigen Gebärmutter unternommen. Sie verstarb am 12 September 1931
in der Frauenklinik und wurde ebenda am 15. September 1931 beerdigt. Bekannt
ist, dass sie an einer Herzlähmung starb und diese als Folge der letzten
Operation gesehen werden kann. Genaueres ist jedoch unklar, da die Aufzeichnungen
der Frauenklinik im Krieg verloren gegangen sind.
Es war der Sommer im Jahr 1929 als Lili Elbe in Paris auf
das Anraten einer Freundin hin Kurt Warnekros in einem Pariser Hotel traf. Zu
diesem Zeitpunkt klagte sie regelmäßig über starke Schmerzen im Unterleib und
hatte bereits mehrere renommierte Ärzte erfolglos besucht. Es fand eine kurze
Anamnese statt, gefolgt von einer palpierenden Untersuchung. Danach stand für
Kurt Warnekros eine Diagnose fest, die er aber für sich behielt und Lili Elbe empfahl
alsbald nach Berlin aufzubrechen, um dort Magnus Hirschfeld zu treffen und im
Anschluss nach Dresden zu reisen.
Im Februar 1930 kam Lili Elbe der Anweisung von Kurt
Warnekros nach und begab sich nach Berlin. Am ersten Tag im Institut für
Sexualforschung war es vermutlich Felix Abraham [Professor Arns], welcher für
Kurt Warnekros eine erste Begutachtung durchführte, sowie ein Blutbild
erstellte, da er im Institut als Forensiker tätig gewesen war. Am zweiten Tag
im Institut traf Lili Elbe dann auf Magnus Hirschfeld, der ihr zu Beginn einen
Fragebogen überreichte. Im Gespräch teilte er dann mit, dass eine Überweisung
in die Frauenklinik Dresden nur stattfinden kann, wenn in Berlin bereits eine
erste Operation erfolgt wäre. Dabei betont er „Frau“ in Frauenklinik und
verweist auf die derzeitige äußerliche Erscheinung. Als sicher anzunehmen ist,
dass damit eine Kastration (Orchiektomie) gemeint gewesen war. Offen ist jedoch
die Durchführung einer Penisamputation (Penektomie), weil Details der Operation
nicht genau thematisiert werden. Am dritten Tag im Institut erfolgten ein
weiteres Gespräch und eine erneute Blutabnahme, da die Ergebnisse des ersten
Blutbildes eindeutig weiblich ausgefallen waren. Bei wem die Behandlung am
dritten Tag stattfand ist jedoch unklar.
Die erste Operation, von der Magnus Hirschfeld sprach, fand
in einer Praxis in Berlin statt und er selbst war auch zugegen. Am 4. März 1930
fand sich Lili Elbe dort ein. Wahrscheinlich handelte es sich dabei um Ludwig
Levy-Lenz [Professor Gebhard], der seine Praxis am Rosenthaler Platz hatte und
einen Schwerpunkt in Gynäkologie, sowie kosmetischer Medizin hatte. Ebenso
veröffentlichte Levy-Lenz einige Berichte über ähnliche Operationen [1]. Am 5.
März fand die Operation dann in Anwesenheit eines Assistenten von Kurt
Warnekros statt, damit dieser ihm direkt berichten konnte.
Die anfänglichen Veränderungen nach der Operation
verwunderten auch die Ärzte. So war die Stimme von Lili Elbe viel höher als
zuvor und einem Sopran gleich. Die Gesichtszüge wurden weiblicher und von dem
Personal wurde sie als Frau wahrgenommen.
Am 14. März 1930 bereitete Lili Elbe ihre Abreise nach
Dresden vor und musste noch eine letzte Blutabnahme über sich ergehen lassen.
Der Assistenzarzt, der diese in der Praxis von Levy-Lenz durchführte, erkannte
sie nicht wieder.
In der Frauenklinik Dresden musste noch einige Zeit des
Wartens vergehen, weil die Folgen der ersten Operation noch nicht abgeheilt
waren. Am 26. Mai 1930 führte Kurt Warnekros dann die geschlechtsangleichende
Operation durch. Sicher ist, dass er weibliche Gonaden (Ovarien)
transplantierte. Weitere Details der Operation werden nicht genannt und sind
auch nicht mehr zu rekonstruieren.
Im Juli 1930 wurde Lili Elbe gesund aus der Frauenklinik
Dresden entlassen und reiste mit ihrer Frau Gerda [Grete] nach Kopenhagen. Dort
verbrachte sie ihre Zeit im Kreis von Freunden und Bekannten aus ihrer Zeit in
der Kunstszene Kopenhagens, um dann am 14. Juni 1931 für eine letzte Operation
in die Frauenklinik zurückzukehren.
Anfangs war Kurt Warnekros wohl nicht überzeugt von der Idee
sie noch einmal zu operieren und ließ sich dann nach einer weiteren
Untersuchung doch darauf ein. Lili Elbe hatte den Wunsch einmal eine richtige
Mutter werden zu können, so dass die Vermutung der Transplantation einer
Gebärmutter sehr naheliegend ist [2]. Am 17. Juni 1931 wurde Lili Elbe
operiert. Nach der Operation nehmen die Berichte von starken Schmerzen und dem
Gefühl von Schwäche, sogar dem Willen zu sterben, nicht ab und vier Monate
später, am 12. September, verstarb Lili Elbe im Kreis der Familie.
Anfang September schrieb sie noch einen letzten Brief:
„…Jetzt weiß ich, dass der Tod kommt…ich habe heute Nacht
von Mutter geträumt…sie nahm mich in ihre Arme…sie sagte Lili zu mir….und Vater
war auch dabei…“
Über die familiären Umstände von Lili Elbe ist nur wenig
bekannt. Sie wurde als jüngstes von vier Kindern, drei Söhnen und einer
Tochter, eines Kaufmannes in Vejle, Dänemark geboren. Väterlicherseits stammt
die Familie von Mallorca und erst die Großeltern zogen nach Jütland. In jungen
Jahren wurde Lili oft aufgrund ihrer langen blonden Locken und sehr hellen Haut
für ein Mädchen gehalten. Im Alter von 5 Jahren verlieh ihr der Kindergarten
für gute Leistungen im Sticken und Stricken eine Auszeichnung im Handarbeiten.
Von ihren Brüdern ist sie oftmals wegen ihrer Mädchenstimme gehänselt worden.
Die Schulzeit verbrachte Lili sehr unauffällig. Sie besuchte oft die Bibliothek
und war als „richtiger Junge“ an Prügeleien beteiligt. Im Schwimmunterricht
empfand Sie jedoch immer ein Unbehagen aufgrund ihrer Knabenfigur. Die Jungen
waren im Vergleich meist körperlich weiter entwickelt als sie, wie sie
berichtete.
Im Anschluss an das Gymnasium folgte im Alter von 19 Jahren
ein Studium an der Königlich Dänischen Kunstakademie in Kopenhagen. Im Laufe
des ersten Jahres lernte sie dort Gerda kennen und beide verliebten sich auf
den ersten Blick ineinander. Ein Jahr später heirateten beide und einige Jahre
später waren sie in der europäischen Künstlerszene sehr begehrt. Sie reisten
viel und verbrachten ihre Zeit in Deutschland, Frankreich, Italien, den
Niederlanden und hatten Zeit Lebens eine enge Bindung an Kopenhagen. Auf frühen
Bildern von Gerda finden sich bereits Motive und Darstellungen von Lili Elbe
und sie nahm diesen Vornamen bereits ein paar Jahre vor ihrer ersten Operation
an. Der Nachnahme Elbe kam erst später in der Frauenklinik Dresden hinzu und
sollte sie an jenen Ort erinnern, der ihr ein neues Leben schenkte. Dort
beschloss sie dann auch ein Buch über ihr Leben zu schreiben, welches ein Jahr
später von Niels Hoyer herausgegeben wurde und auf Deutsch erschien. Am 5 Juni
1931 beschloss Lili Elbe, sollte sie die letzte Operation nicht überleben, ihr
Buch mit den Worten von Hans Jäger ausklingen zu lassen.
Diesem Wunsch komme ich an dieser
Stelle zum Abschluss gerne nach:
„Ich
wollte, dass, wenn ich selber nicht mehr bin, mein tristes Liebesbuch meine
Hinterlassenschaft sein würde, als ein Zeugnis, dass ich einmal gelebt! Ich
bilde mir ein, dass dieses Buch gelesen werden würde – gelesen, wie wenige
Bücher -, von allen, die unglücklich lieben, denen es in die Hände fallen würde
durch Jahre und aber Jahre -, und mir ist, als könnte ich allen von ihnen die
Hand drücken. Und danach habe ich ein so unsagbares Verlangen, ja, das ist
eigentlich das einzige Verlangen, das ich habe, wenn ich jetzt allem Lebewohl
sagen muß – oh, Sie ahnen nicht, was für eine letzte Genugtuung dies für mich
sein würde.“
— Hans
Jäger in Lili Elbe
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