Samstag, 2. April 2016

Intersexed have inborn sexual characteristics that are ambiguous from the perspective of the ruling majority // Intersexuelle haben angeborene Geschlechtsmerkmale, die aus Sicht der herrschenden Mehrheit uneindeutig sind


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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2016

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Was ist Intersexualität?
Intersexuelle haben angeborene Geschlechtsmerkmale, die aus Sicht der herrschenden Mehrheit uneindeutig sind

Intersexuelle Menschen haben angeborene Geschlechtsmerkmale, die von der herrschenden gesellschaftlichen und medizinischen Norm nicht als eindeutig akzeptiert werden, die also nicht in die Kategorien männlich oder weiblich passen, sei es genetisch, hormonell und oder anatomisch. Manche Intersexuelle bezeichnen sich auch als Hermaphroditen oder Zwitter. Über die Zahl der Intersexuellen gibt es unterschiedliche Schätzungen: Der Verein Intersexuelle Menschen e.V. berichtet von wissenschaftlichen Schätzungen für Deutschland von 80 000 bis 120 000 Intersexuellen. In diesem Kreis gebe es aber 4000 körperliche Varianten. Viele Menschen bemerken ihre Intersexualität erst in der Pubertät.
Manche Intersexuelle fühlen sich von Homo- oder Transaktivisten politisch vereinnahmt
Da Intersexuelle genau wie Homosexuelle oder Transidente von der Norm der heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft abweichen, bieten sich politische Bündnisse an. Nicht alle Intersexuellen fühlen sich aber von Homo-Aktivisten angemessen repräsentiert: So kritisiert der Verein Zwischengeschlecht.org, manche Homo- und Transaktivisten würden die Intersexuellen für ihre Zwecke vereinnahmen, etwa beim politischen Ziel der Dekonstruktion von Geschlecht.
Bei Intersexuellen geht es aber nicht um „Lebensformen“ und um „Orientierungen“. Angesichts von erzwungenen Operationen erleiden sie vielfach körperliche wie seelische Schmerzen.  Entsprechend haben sie auch eigene politische Forderungen.
Vor allem fordern intersexuelle Menschen ein Verbot von Operationen an Säuglingen und Kindern 
Intersexuelle in Deutschland fordern vor allem ein Verbot von Operationen oder Hormonbehandlungen an Säuglingen oder Kleinkindern mit uneindeutigen Genitalien. Frühestens wenn eine Person im Jugendalter angekommen ist und die Tragweite der Eingriffe ermessen kann, soll sie sich dazu entschließen können.
Denn wenn die Medizin Intersexualität auch weiter als „Störung“ pathologisiert, haben Intersexuelle meist keine gesundheitlichen Probleme, die operativ behoben werden müssten. Meistens operieren die Ärzte bloß, um die Genitalien an die Norm anzupassen. Dabei wird in Kauf genommen, dass die Zeugungsfähigkeit der Operierten zerstört oder das Lustempfinden beeinträchtigt werden kann. Viele Intersexuelle fühlen sich später verstümmelt und von ihrer eigentlichen Geschlechteridentität entfremdet. Sie leiden ein Leben lang unter den psychischen und physischen Folgen, die finanziellen Kosten für Therapien müssen oft sie selbst tragen.
Schritt in die richtige Richtung: In Deutschland wurde das Personenstandsgesetz geändert
Immerhin gibt es in Deutschland Fortschritte. Seit im Jahr 2013 das Personenstandsgesetz geändert wurde, muss das Geschlecht intersexuelle Säuglinge nicht mehr in das Geburtenregister eingetragen werden. Also besteht jedenfalls kein rechtlicher Grund für Zwangsoperationen an Säuglingen mehr. Aber das neue Gesetz klärt längst nicht alles. So fragt etwa der Verband Intersexuelle Menschen e.V., ob diese Kinder sich dann später für eins der bisher gültigen Geschlechter entscheiden müssen und wann. 
Erst unlängst kritisierte die European Union Agency for Fundamental Rights, dass in vielen europäischen Ländern die Grundrechte von Intersexuellen verletzt werden. Viele EU-Staaten verlangen weiter, dass das Geschlecht „männlich“ oder „weiblich“ bei der Geburt angegeben wird und erzwingen damit Operationen. Als fortschrittlich gilt allein Malta, das als einziges EU-Land Eingriffe an Intersexuellen ohne deren Zustimmung für illegal erklärt.
Eltern fühlen sich unter Druck gesetzt
Für die Eltern intersexueller Kinder bleibt es in jedem Fall eine große Herausforderung, sich dem gesellschaftlichen Druck zur Anpassung an die Norm nicht zu beugen. Schließlich wollen sie ihr Kind vor der Ausgrenzung schützen. Hier kann nur kompetente Beratung helfen.
Ein optimistisches Zeichen setzt der argentische Film „XXY“ (2007, Regie: Lucia Puenzo). Er zeigt, wie der mit uneindeutigen Genitalien geborene, aber nicht operierte Teenager Alex seine/ihre Identität findet, indem er/sie sich so akzeptiert wie er/sie ist.  


Intersexualität bei Neugeborenen

Erzwungenes Geschlecht

Dessen ungeachtet erlangten Mediziner ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tatsächlich die Expertenstellung, die sie seit Langem gefordert hatten. Dazu trug nicht zuletzt der steile Anstieg der Krankenhausgeburten bei (1930er Jahre 50 Prozent, 1970 fast 100 Prozent). Ärzte konnten dadurch häufiger Intergeschlechtlichkeit gleich bei der Geburt feststellen und die Geschlechtszuweisung vornehmen. Von den 1950/60er Jahren an wurden in den USA, in der BRD und in der DDR sowie in vielen anderen Ländern systematisch Genitaloperationen an Kindern durchgeführt, die das Erscheinungsbild an das männliche respektive weibliche Ideal anpassen sollen, mit dem erklärten Ziel, eine eindeutige Geschlechtsidentitätsentwicklung zu befördern.

In diesem Zusammenhang etablierte sich im deutschen Sprachraum der Ausdruck „Störung der Geschlechtsentwicklung/sexuellen Differenzierung“. Nach der internationalen Nomenklatur ist inzwischen der englische Begriff „Disorders of Sexual Development“ (DSD) gebräuchlich. Beide Begriffe beinhalten, dass intergeschlechtliche Menschen, gemessen an der Norm des männlichen und weiblichen Körpers, nicht in Ordnung seien und legen eine Behandlungsbedürftigkeit nahe.

Der Deutsche Ethikrat spricht weiter von der "Uneindeutigkeit" des Geschlechts

Ein weiteres Problem der internationalen Nomenklatur ist die Absonderung von intergeschlechtlichen Menschen mit „46, XX-DSD“, worunter vor allem Personen mit XX-Chromosomen und Eierstöcken fallen, bei denen ein erheblicher Cortisolmangel zu einer verstärkten Ausschüttung von Androgenen führt („Adrenogenitales Syndrom“, AGS). Bei diesen Personen sei trotz zum Teil ausgeprägter äußerlicher Vermännlichung das Geschlecht eindeutig weiblich. Die Betroffenen würden sich weit überwiegend als weiblich identifizieren und könnten schwanger werden, weshalb feminisierende Genitaloperationen im Kindesalter empfehlenswert seien.

Der Deutsche Ethikrat, der in seiner Stellungnahme von 2012 diese Sichtweise trotz ihm vorliegender kritischer Expertisen unterstützte, definierte solche Operationen bei – aus medizinischer Sicht – „eindeutiger geschlechtlicher Zuordnung“ als „geschlechtsvereindeutigend“. Diese unterschied der Ethikrat von „geschlechtszuordnenden“ Eingriffen, die bei gegebener „Uneindeutigkeit“ des Geschlechts das körperliche Erscheinungsbild als männlich oder weiblich festlegen. Die Selbstverständlichkeit, mit der der Deutsche Ethikrat von „Eindeutigkeit“ und „Uneindeutigkeit“ des Geschlechts spricht, offenbart, dass er von der Basisannahme ausgeht, dass biologisch zwei klar unterschiedene Geschlechter existieren würden; eine Annahme, für die, wie oben gezeigt, die Medizin keine belastbare Grundlage liefert.

Die jüngsten Entwicklungen zeigen erneut, wie stark die medizinischen Definitionen von Geschlecht von gesellschaftlichen Normen durchdrungen sind. Die Geschichte gibt wenig Grund darauf zu vertrauen, dass die Medizin einsichtig wird und ihre Behandlungsleitlinien radikal ändert. Stattdessen fordern Intersex-Organisationen, dass der Gesetzgeber aktiv wird und ihre Menschenrechte sicherstellt, indem er nicht selbst eingewilligte kosmetische Eingriffe untersagt und eine geschlechtliche Selbstbestimmung ermöglicht.




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