Freitag, 18. Mai 2018

Berlin: Politiker nennt Homo- und Transsexuelle "Abarten des menschlichen Lebens"

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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2018
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Hey Du hast es und brauchst es, deswegen Spende Blut, denn es fehlt in der ganzen Welt!
Ich habe Ihn, Du auch? Organspenden können andere zum Leben verhelfen, sei stolz auf dich selbst mache Ihn Dir den Organspende Ausweis!

Hey you have it and need it, so donating blood, because it is missing in the world!
I had him, you also? Organ donation can help others to life, be proud of your self  doing Him Get donor card!
Der aus der AfD-Fraktion ausgeschlossene Abgeordnete Andreas Wild stört sich an einer Kita-Handreichung. Auch die CDU poltert weiter gegen LGBTI-Aufklärung.

Ausgerechnet am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interphobie ist es am Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus zu einem homo- und transfeindlichen Eklat gekommen.

In einer ohnehin bereits in Teilen grenzwertigen Debatte zu einer Pädagogenhandreichung zum Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt an Kitas, "Murat spielt Prinzessin, Alex hat zwei Mütter und Sophie heißt jetzt Ben", betonte der Abgeordnete Andreas Wild, es gebe "unumstößliche Paradigmen": "Der Himmel ist oben, die Erde ist unten, tags ist es hell, nachts ist es dunkel, oder: es gibt zwei Geschlechter, nämlich Mann und Frau. Und: Familien bestehen aus Vater, Mutter und einem Kind oder mehreren Kindern."

Davon gebe es Ausnahmen, in der Frühpädagogik müsse man aber für die Kinder "die Grundfeste unseres Lebens konsolidieren und nicht relativieren", betonte der aus der AfD-Fraktion ausgeschlossene Politiker. "Später" (in ihrem Leben) könne man aber "gerne Ausnahmen thematisieren oder Abarten besprechen".

Nach einem kurzen Einschub zu einer anderen Minderheit – "Welcher türkische Vater möchte, dass sein Sohn Prinzessin spielt?" – betonte der Politiker, es handle sich bei der Broschüre zwar nicht um ein "bizarres Kinderbuch", sondern um eine Handreichung für Erzieher. "Gleichwohl wird aber eine solche Handreichung die Pädagoginnen und Pädagogen dahingehend beeinflussen, allerlei Abarten des menschlichen Lebens unnötig mit unseren…" – es sollte wohl etwas folgen wie "Kindern zu besprechen", Wild wurde aber in diesem Moment von der Sitzungsleitung zur Mäßigung seiner Formulierungen aufgerufen ("Ich glaube nicht, dass diese mit Artikel eins des Grundgesetzes vereinbar sind").
Wild fuhr mit weiteren diskriminierenden Äußerungen fort: "Falls sich tatsächlich ein Kind in einer Kita-Gruppe befindet, dessen Mutter von Männern die Nase voll hat und ihr Leben mit einer anderen Frau teilt, wird damit jede Erzieherin und jeder Erzieher umgehen können. Dazu brauche ich keine schrägen Lebensformen mit allen Niederungen pädagogisch ausweiden."

Der den Kindern zu lehrende Gedanke, "das Geschlecht sei frei zu wählen", bedeute doch eine "in letzter Konsequenz brutalste verstümmelnde Operation" und sei eine "Ausnahmelösung für ganz wenige, die der liebe Gott im falschen Körper auf die Welt brachte", so Wild. Mit der Broschüre sollte man keine "Kinder belasten" und "pädagogisches Personal belästigen". Bereits bei einer Debatte am 22. Februar hatte der Abgeordnete gemeint, die Broschüre "sollte übrigens besser lauten: Murat spielt mit Mädchen. Niemand hat zwei Mütter. Und Sofie wird nicht verstümmelt."
AfD und CDU im Kampf für die "Mehrheit"

In der Debatte vom Donnerstag ging es um einen Antrag der CDU, die von der Bildungsinitiative Queerformat erstellte Handreichung für Pädagogen zurückzuziehen. Sie war im Februar in einer Auflage von 2.000 Exemplaren erschienen (queer.de berichtete) und binnen weniger Tage u.a. von der AfD als "Sex-Broschüre" für Kinder diffamiert worden (queer.de berichtete). Die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch sprach von "Kindesmissbrauch", ihre "Initiative Familienschutz" von einem "knallharten Menschenexperiment mit ungewissem Ausgang" und die einst im gleichen Haus gestartete homo- und transfeindliche Bewegung "Demo für alle" startete eine Online-"Petition gegen den staatlichen Missbrauch und die Manipulation der Kinder durch die LGBT-Lobby" – diese hat inzwischen über 52.000 Unterschriften.

Die CDU ließ sich zu einem Antrag (PDF) hinreißen, die "Verteilung/Verbreitung sowie Nutzung der Broschüre unverzüglich zu stoppen und die Broschüre zurückzuziehen": "Fragen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt gehören nicht in die Berliner Kindertagesstätten", hieß es darin. Ein Rüffel durch die Lesben und Schwulen in der Union, eine erste Lesung im Abgeordnetenhaus und eine intensive Debatte im zuständigen Bildungsausschuss brachte offenbar keine Einsicht: Die Broschüre beachte zu wenig die Elternrechte, beklagte auch am Donnerstag noch der CDU-Abgeordnete Roman Simon.

 Andreas Wild während der Debatte, die ab Freitagmittag beim rbb als Video abrufbar sein sollte

Ausgerechnet am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interphobie ist es am Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus zu einem homo- und transfeindlichen Eklat gekommen.

In einer ohnehin bereits in Teilen grenzwertigen Debatte zu einer Pädagogenhandreichung zum Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt an Kitas, "Murat spielt Prinzessin, Alex hat zwei Mütter und Sophie heißt jetzt Ben", betonte der Abgeordnete Andreas Wild, es gebe "unumstößliche Paradigmen": "Der Himmel ist oben, die Erde ist unten, tags ist es hell, nachts ist es dunkel, oder: es gibt zwei Geschlechter, nämlich Mann und Frau. Und: Familien bestehen aus Vater, Mutter und einem Kind oder mehreren Kindern."

Davon gebe es Ausnahmen, in der Frühpädagogik müsse man aber für die Kinder "die Grundfeste unseres Lebens konsolidieren und nicht relativieren", betonte der aus der AfD-Fraktion ausgeschlossene Politiker. "Später" (in ihrem Leben) könne man aber "gerne Ausnahmen thematisieren oder Abarten besprechen".

Nach einem kurzen Einschub zu einer anderen Minderheit – "Welcher türkische Vater möchte, dass sein Sohn Prinzessin spielt?" – betonte der Politiker, es handle sich bei der Broschüre zwar nicht um ein "bizarres Kinderbuch", sondern um eine Handreichung für Erzieher. "Gleichwohl wird aber eine solche Handreichung die Pädagoginnen und Pädagogen dahingehend beeinflussen, allerlei Abarten des menschlichen Lebens unnötig mit unseren…" – es sollte wohl etwas folgen wie "Kindern zu besprechen", Wild wurde aber in diesem Moment von der Sitzungsleitung zur Mäßigung seiner Formulierungen aufgerufen ("Ich glaube nicht, dass diese mit Artikel eins des Grundgesetzes vereinbar sind").


 Die vermeintlich umstrittene Broschüre (l.) ist vergriffen, aber kostenfrei online verfügbar. Die schnell von rechten Kreisen geschürte Empörung über eine sich vermeintlich an Kinder richtende "Sex-Broschüre" hatte zunächst vor allem die CDU losgetreten, auch "B.Z." und "Bild" skandalisierten die Handreichung für Erzieher, Birgit Kelle empörte sich minutenlang im Sat1-Frühstücksfernsehen (queer.de berichtete) – Aufklärung über die wahren Inhalte boten recht schnell Queerformat (PDF), GEW Berlin und gar Übermedien
Wild fuhr mit weiteren diskriminierenden Äußerungen fort: "Falls sich tatsächlich ein Kind in einer Kita-Gruppe befindet, dessen Mutter von Männern die Nase voll hat und ihr Leben mit einer anderen Frau teilt, wird damit jede Erzieherin und jeder Erzieher umgehen können. Dazu brauche ich keine schrägen Lebensformen mit allen Niederungen pädagogisch ausweiden."

Der den Kindern zu lehrende Gedanke, "das Geschlecht sei frei zu wählen", bedeute doch eine "in letzter Konsequenz brutalste verstümmelnde Operation" und sei eine "Ausnahmelösung für ganz wenige, die der liebe Gott im falschen Körper auf die Welt brachte", so Wild. Mit der Broschüre sollte man keine "Kinder belasten" und "pädagogisches Personal belästigen". Bereits bei einer Debatte am 22. Februar hatte der Abgeordnete gemeint, die Broschüre "sollte übrigens besser lauten: Murat spielt mit Mädchen. Niemand hat zwei Mütter. Und Sofie wird nicht verstümmelt."


Wie hier am Berliner Wittenbergplatz fanden am Donnerstag in ganz Deutschland Veranstaltungen zum Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie statt

AfD und CDU im Kampf für die "Mehrheit"


In der Debatte vom Donnerstag ging es um einen Antrag der CDU, die von der Bildungsinitiative Queerformat erstellte Handreichung für Pädagogen zurückzuziehen. Sie war im Februar in einer Auflage von 2.000 Exemplaren erschienen (queer.de berichtete) und binnen weniger Tage u.a. von der AfD als "Sex-Broschüre" für Kinder diffamiert worden (queer.de berichtete). Die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch sprach von "Kindesmissbrauch", ihre "Initiative Familienschutz" von einem "knallharten Menschenexperiment mit ungewissem Ausgang" und die einst im gleichen Haus gestartete homo- und transfeindliche Bewegung "Demo für alle" startete eine Online-"Petition gegen den staatlichen Missbrauch und die Manipulation der Kinder durch die LGBT-Lobby" – diese hat inzwischen über 52.000 Unterschriften.

Die CDU ließ sich zu einem Antrag (PDF) hinreißen, die "Verteilung/Verbreitung sowie Nutzung der Broschüre unverzüglich zu stoppen und die Broschüre zurückzuziehen": "Fragen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt gehören nicht in die Berliner Kindertagesstätten", hieß es darin. Ein Rüffel durch die Lesben und Schwulen in der Union, eine erste Lesung im Abgeordnetenhaus und eine intensive Debatte im zuständigen Bildungsausschuss brachte offenbar keine Einsicht: Die Broschüre beachte zu wenig die Elternrechte, beklagte auch am Donnerstag noch der CDU-Abgeordnete Roman Simon.


 Roman Simon (CDU)
Das Anliegen einer Erziehung zur Toleranz sei nicht falsch, aber die Umsetzung schlecht, so Simon, da in der Broschüre eine "staatlich verordnete und finanzierte Ideologie, die den Normalfall zum Problem erklärt, zuviel Raum einnimmt, die Broschüre dominiert. Mehrheitlich gelebte Familienmodelle werden geradezu zum Problemfall stigmatisiert. Diskriminierung der einen Art ist aber nicht dadurch, dass sie gegen eine andere Art der Diskriminierung gerichtet ist, zu legitimieren."

Insgesamt hätten die Themen Trans- und Intersexualität kaum Relevanz für Kinder, so der CDU-Politiker, der statt der Broschüre eine Erziehung zu einer "Kultur der Offenheit" durch die Eltern einforderte. Diese könnten "eine Wertschätzung vermitteln, die weder Minderheiten ausgrenzt noch die Mehrheit zum Problem erklärt".

Für die AfD spannte die Abgeordnete Jessica Bießmann einen schnellen wie unstatthaften und diffamierenden Bogen von den Autoren der Handreichung zu dem 2008 verstorbenen Sozialpädagogen Helmut Kentler ("das ist der Kriminelle, der Berliner Kinder an Päderasten vermittelt hatte"). Die Abgeordnete kritisierte, die Broschüre wolle "massiv in Elternrechte eingreifen" und stelle die "Durchsetzung von Lobbyinteressen einer Minderheit gegen die Mehrheitsinteressen der Eltern" dar.

Eine solche "Klientelpolitik linksgrüner Fantasten" sei als "Indoktrination" von Kindern verfassungswidrig, betonte die Abgeordnete unter Berufung auf das für Homo-Hasser erstellte und rechtlich absurde sogenannte Winterhoff-Rechtsgutachten. Bereits in ihrem Parlamentsantrag zum Thema (PDF) hatte die Partei das Gutachten zitiert: "Vorzuschreiben, dass der Bürger Homo-, Bi-, Trans- und sonst welche Sexualität gutzuheißen und wertzuschätzen hat, überschreitet die Rechtskompetenz des freiheitlich-demokratischen Staates." In dem Antrag hatte die AfD auch gemeint, dass Aufklärung über LGBTI nicht im "Bildungsinteresse von Kita-Kindern" liege und diese "unnötig verstören" könne. Liberalismus bedeute zudem "nicht, dass gleichgeschlechtliche Orientierte nicht von der Gesellschaft kritisiert werden dürften", stattdessen könne von diesen verlangt werden, "die eigene Lebensweise ethisch zu rechtfertigen".

Auch die FDP hatte den Senat in einem Antrag aufgefordert, die Broschüre darauf zu überprüfen, ob sie u.a. eine "einseitige Beeinflussung von Kleinkindern" vermeidet und auf "den Erziehungs-Vorrang der Eltern bei dem Thema sexuelle Vielfalt" genügend Rücksicht nehme (PDF). In der Debatte am Donnerstag betonte der liberale Abgeordnete Paul Fresdorf, die Broschüre sei "keine Sex-Broschüre", aber für den schnellen Einsatz durch Pädagogen ungeeignet und bräuchte eine Überarbeitung.

Letztlich enthielten sich die Liberalen zum CDU-Antrag zum Broschüren-Rückzug, für den neben den Konservativen auch die AfD sowie Andreas Wild stimmten. Dagegen votierten SPD, Linke und Grüne.

Broschüre Reaktion auf reale und gelebte Vielfalt


"Berlin ist vielfältig, Berlin ist bunt, Berlin ist Regenbogenhauptstadt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Pädagoginnen und Pädagogen in Berlin nicht mit dem Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Berührung kommen, ist nahezu ausgeschlossen", betonte die SPD-Abgeordnete Melanie Kühnemann die Wichtigkeit der Broschüre, die auf den von Kitas selbst angemeldeten Bedarf entstanden sei und Diskriminierung vorbeugen soll. Die Empörung über die Broschüre habe immerhin für Interesse aus anderen Bundesländern geführt: "Danke für die Werbung."

Der schwule Linken-Abgeordnete Carsten Schatz betonte, dass Kinder, die "in einer weltoffenen und bunten Stadt" aufwachsen, Transsexuelle auf der Straße sehen würden oder die Realität mitbekommen, "dass ein Kind bei zwei Vätern aufwächst, ein anderes nur mit einem Vater oder mit einer Mutter oder dass ein anderer Vater plötzlich eine Mutter ist" – auf aufkommende Fragen müssten Pädagogen antworten können. Zur AfD meinte er: "Wer die Gesellschaft spalten will und wer dazu Angst verbreiten will und muss, weil sonst das eigene Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert, wird 'Ideologie' rufen, 'Gender-Gaga' und 'Frühsexualisierung', der wird Geld von russischen Tycoonen annehmen und Faltblätter drucken, Lügen verbreiten und Hass, Homo- und Transfeindlichkeit in die Gesellschaft tragen."

 Andreas Wild während der Debatte, die ab Freitagmittag beim rbb als Video abrufbar sein sollte

Von Norbert Blech
Gestern, 22:35h, 8 Kommentare
Ausgerechnet am Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Trans- und Interphobie ist es am Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus zu einem homo- und transfeindlichen Eklat gekommen.

In einer ohnehin bereits in Teilen grenzwertigen Debatte zu einer Pädagogenhandreichung zum Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt an Kitas, "Murat spielt Prinzessin, Alex hat zwei Mütter und Sophie heißt jetzt Ben", betonte der Abgeordnete Andreas Wild, es gebe "unumstößliche Paradigmen": "Der Himmel ist oben, die Erde ist unten, tags ist es hell, nachts ist es dunkel, oder: es gibt zwei Geschlechter, nämlich Mann und Frau. Und: Familien bestehen aus Vater, Mutter und einem Kind oder mehreren Kindern."

Davon gebe es Ausnahmen, in der Frühpädagogik müsse man aber für die Kinder "die Grundfeste unseres Lebens konsolidieren und nicht relativieren", betonte der aus der AfD-Fraktion ausgeschlossene Politiker. "Später" (in ihrem Leben) könne man aber "gerne Ausnahmen thematisieren oder Abarten besprechen".

Nach einem kurzen Einschub zu einer anderen Minderheit – "Welcher türkische Vater möchte, dass sein Sohn Prinzessin spielt?" – betonte der Politiker, es handle sich bei der Broschüre zwar nicht um ein "bizarres Kinderbuch", sondern um eine Handreichung für Erzieher. "Gleichwohl wird aber eine solche Handreichung die Pädagoginnen und Pädagogen dahingehend beeinflussen, allerlei Abarten des menschlichen Lebens unnötig mit unseren…" – es sollte wohl etwas folgen wie "Kindern zu besprechen", Wild wurde aber in diesem Moment von der Sitzungsleitung zur Mäßigung seiner Formulierungen aufgerufen ("Ich glaube nicht, dass diese mit Artikel eins des Grundgesetzes vereinbar sind").


 Die vermeintlich umstrittene Broschüre (l.) ist vergriffen, aber kostenfrei online verfügbar. Die schnell von rechten Kreisen geschürte Empörung über eine sich vermeintlich an Kinder richtende "Sex-Broschüre" hatte zunächst vor allem die CDU losgetreten, auch "B.Z." und "Bild" skandalisierten die Handreichung für Erzieher, Birgit Kelle empörte sich minutenlang im Sat1-Frühstücksfernsehen (queer.de berichtete) – Aufklärung über die wahren Inhalte boten recht schnell Queerformat (PDF), GEW Berlin und gar Übermedien
Wild fuhr mit weiteren diskriminierenden Äußerungen fort: "Falls sich tatsächlich ein Kind in einer Kita-Gruppe befindet, dessen Mutter von Männern die Nase voll hat und ihr Leben mit einer anderen Frau teilt, wird damit jede Erzieherin und jeder Erzieher umgehen können. Dazu brauche ich keine schrägen Lebensformen mit allen Niederungen pädagogisch ausweiden."

Der den Kindern zu lehrende Gedanke, "das Geschlecht sei frei zu wählen", bedeute doch eine "in letzter Konsequenz brutalste verstümmelnde Operation" und sei eine "Ausnahmelösung für ganz wenige, die der liebe Gott im falschen Körper auf die Welt brachte", so Wild. Mit der Broschüre sollte man keine "Kinder belasten" und "pädagogisches Personal belästigen". Bereits bei einer Debatte am 22. Februar hatte der Abgeordnete gemeint, die Broschüre "sollte übrigens besser lauten: Murat spielt mit Mädchen. Niemand hat zwei Mütter. Und Sofie wird nicht verstümmelt."


Wie hier am Berliner Wittenbergplatz fanden am Donnerstag in ganz Deutschland Veranstaltungen zum Internationalen Tag gegen Homo- und Transphobie statt
AfD und CDU im Kampf für die "Mehrheit"

In der Debatte vom Donnerstag ging es um einen Antrag der CDU, die von der Bildungsinitiative Queerformat erstellte Handreichung für Pädagogen zurückzuziehen. Sie war im Februar in einer Auflage von 2.000 Exemplaren erschienen (queer.de berichtete) und binnen weniger Tage u.a. von der AfD als "Sex-Broschüre" für Kinder diffamiert worden (queer.de berichtete). Die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch sprach von "Kindesmissbrauch", ihre "Initiative Familienschutz" von einem "knallharten Menschenexperiment mit ungewissem Ausgang" und die einst im gleichen Haus gestartete homo- und transfeindliche Bewegung "Demo für alle" startete eine Online-"Petition gegen den staatlichen Missbrauch und die Manipulation der Kinder durch die LGBT-Lobby" – diese hat inzwischen über 52.000 Unterschriften.

Die CDU ließ sich zu einem Antrag (PDF) hinreißen, die "Verteilung/Verbreitung sowie Nutzung der Broschüre unverzüglich zu stoppen und die Broschüre zurückzuziehen": "Fragen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt gehören nicht in die Berliner Kindertagesstätten", hieß es darin. Ein Rüffel durch die Lesben und Schwulen in der Union, eine erste Lesung im Abgeordnetenhaus und eine intensive Debatte im zuständigen Bildungsausschuss brachte offenbar keine Einsicht: Die Broschüre beachte zu wenig die Elternrechte, beklagte auch am Donnerstag noch der CDU-Abgeordnete Roman Simon.


 Roman Simon (CDU)
Das Anliegen einer Erziehung zur Toleranz sei nicht falsch, aber die Umsetzung schlecht, so Simon, da in der Broschüre eine "staatlich verordnete und finanzierte Ideologie, die den Normalfall zum Problem erklärt, zuviel Raum einnimmt, die Broschüre dominiert. Mehrheitlich gelebte Familienmodelle werden geradezu zum Problemfall stigmatisiert. Diskriminierung der einen Art ist aber nicht dadurch, dass sie gegen eine andere Art der Diskriminierung gerichtet ist, zu legitimieren."

Insgesamt hätten die Themen Trans- und Intersexualität kaum Relevanz für Kinder, so der CDU-Politiker, der statt der Broschüre eine Erziehung zu einer "Kultur der Offenheit" durch die Eltern einforderte. Diese könnten "eine Wertschätzung vermitteln, die weder Minderheiten ausgrenzt noch die Mehrheit zum Problem erklärt".

Für die AfD spannte die Abgeordnete Jessica Bießmann einen schnellen wie unstatthaften und diffamierenden Bogen von den Autoren der Handreichung zu dem 2008 verstorbenen Sozialpädagogen Helmut Kentler ("das ist der Kriminelle, der Berliner Kinder an Päderasten vermittelt hatte"). Die Abgeordnete kritisierte, die Broschüre wolle "massiv in Elternrechte eingreifen" und stelle die "Durchsetzung von Lobbyinteressen einer Minderheit gegen die Mehrheitsinteressen der Eltern" dar.


 Jessica Bießmann (AfD)
Eine solche "Klientelpolitik linksgrüner Fantasten" sei als "Indoktrination" von Kindern verfassungswidrig, betonte die Abgeordnete unter Berufung auf das für Homo-Hasser erstellte und rechtlich absurde sogenannte Winterhoff-Rechtsgutachten. Bereits in ihrem Parlamentsantrag zum Thema (PDF) hatte die Partei das Gutachten zitiert: "Vorzuschreiben, dass der Bürger Homo-, Bi-, Trans- und sonst welche Sexualität gutzuheißen und wertzuschätzen hat, überschreitet die Rechtskompetenz des freiheitlich-demokratischen Staates." In dem Antrag hatte die AfD auch gemeint, dass Aufklärung über LGBTI nicht im "Bildungsinteresse von Kita-Kindern" liege und diese "unnötig verstören" könne. Liberalismus bedeute zudem "nicht, dass gleichgeschlechtliche Orientierte nicht von der Gesellschaft kritisiert werden dürften", stattdessen könne von diesen verlangt werden, "die eigene Lebensweise ethisch zu rechtfertigen".

Auch die FDP hatte den Senat in einem Antrag aufgefordert, die Broschüre darauf zu überprüfen, ob sie u.a. eine "einseitige Beeinflussung von Kleinkindern" vermeidet und auf "den Erziehungs-Vorrang der Eltern bei dem Thema sexuelle Vielfalt" genügend Rücksicht nehme (PDF). In der Debatte am Donnerstag betonte der liberale Abgeordnete Paul Fresdorf, die Broschüre sei "keine Sex-Broschüre", aber für den schnellen Einsatz durch Pädagogen ungeeignet und bräuchte eine Überarbeitung.

Letztlich enthielten sich die Liberalen zum CDU-Antrag zum Broschüren-Rückzug, für den neben den Konservativen auch die AfD sowie Andreas Wild stimmten. Dagegen votierten SPD, Linke und Grüne.

Broschüre Reaktion auf reale und gelebte Vielfalt

"Berlin ist vielfältig, Berlin ist bunt, Berlin ist Regenbogenhauptstadt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Pädagoginnen und Pädagogen in Berlin nicht mit dem Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Berührung kommen, ist nahezu ausgeschlossen", betonte die SPD-Abgeordnete Melanie Kühnemann die Wichtigkeit der Broschüre, die auf den von Kitas selbst angemeldeten Bedarf entstanden sei und Diskriminierung vorbeugen soll. Die Empörung über die Broschüre habe immerhin für Interesse aus anderen Bundesländern geführt: "Danke für die Werbung."

Der schwule Linken-Abgeordnete Carsten Schatz betonte, dass Kinder, die "in einer weltoffenen und bunten Stadt" aufwachsen, Transsexuelle auf der Straße sehen würden oder die Realität mitbekommen, "dass ein Kind bei zwei Vätern aufwächst, ein anderes nur mit einem Vater oder mit einer Mutter oder dass ein anderer Vater plötzlich eine Mutter ist" – auf aufkommende Fragen müssten Pädagogen antworten können. Zur AfD meinte er: "Wer die Gesellschaft spalten will und wer dazu Angst verbreiten will und muss, weil sonst das eigene Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert, wird 'Ideologie' rufen, 'Gender-Gaga' und 'Frühsexualisierung', der wird Geld von russischen Tycoonen annehmen und Faltblätter drucken, Lügen verbreiten und Hass, Homo- und Transfeindlichkeit in die Gesellschaft tragen."


 Carsten Schatz verwies zum Schluss auf eine Szene aus "Mrs. Doubtfire" (1993), bei der die Titelfigur betont, dass es viele Familienformen gebe und Liebe verbinde
Der queerpolitische Sprecher der Grünen, Sebastian Walter, beklagte die "Skandalstrategie" der Union, die "aufgegangen" sei: "Da werden Beatrix von Storch und ihre Freunde zuhause ein Sektchen aufgemacht haben und mit all den sogenannten Besorgten Eltern und ihrer Homo- und Transfeindlichkeit auf Sie angestoßen haben, liebe CDU. Wohl bekomm's vom rechten Rand."



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