Freitag, 29. Juni 2018

Das Parlament fordert bei nur einer Enthaltung, dass Russland endlich die Verschleppungen, Folterungen und Morde aufklären und Verantwortliche bestrafen müsse.


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Verfolgungswelle gegen LGBTI
Das Parlament fordert bei nur einer Enthaltung, dass Russland endlich die Verschleppungen, Folterungen und Morde aufklären und Verantwortliche bestrafen müsse.
Während die Welt am frühen Mittwochabend gebannt Spiele der Fußball-WM in Russland verfolgte, befasste sich der Europarat mit dem fehlenden Willen des Landes, die Verfolgung von LGBTI in Tschetschenien aufzuklären sowie Verantwortliche zu ermitteln und vor Gericht zu bringen.

Die Parlamentarische Versammlung diskutierte dazu eine Resolution und eine Liste von Empfehlungen (PDF), die vom flämischen Parlamentsabgeordneten Piet De Bruyn zusammen mit einem umfassenden Bericht erstellt worden waren. Beide wurden ohne Gegenstimmen verabschiedet, mit 33 (Resolution) oder 32 Ja-Stimmen (Empfehlungen) sowie je einer Enthaltung des moldawischen Politikers und Baptistenpredigers Valeriu Ghiletchi.
Der Bericht, den queer.de vor wenigen Wochen zu seiner Vorstellung im Equality-Ausschuss in einer ausführlichen Zusammenfassung vorgestellt hat, beklagt, dass in Tschetschenien weiterhin "insgesamt ein Klima der Straffreiheit und des Fehlens von Rechtsstaatlichkeit" herrsche. Bruyn, der sich mit russischen LGBTI-Aktivisten und mit Betroffenen der überwiegend gegen Schwule gerichteten Maßnahmen getroffen hatte, fasst in dem Bericht diese "gezielte Verfolgung" zusammen und beklagt "den Einsatz von Folter, Misshandlungen und willkürliche Inhaftierungen von LGBTI-Personen". Im Rahmen der "Säuberungsaktion" seien mindestens drei Tote nachweisbar, "aber weitere werden befürchtet, da etliche Menschen als verschwunden gemeldet wurden."

De Bruyn geht in dem Bericht auch auf die Lage von Frauen sowie Transsexuellen ein, von denen ebenfalls einzelne festgenommen wurden und andere auf Ausgrenzung und Gewalt durch die eigene Familie stießen. Mit der Resolution verurteilt das Parlament die Verfolgungswelle gegenüber LGBTI ebenso wie diskriminierende und die Verfolgung leugnende Aussagen von tschetschenischen und russischen Politikern.

Erst Schwule verschleppt, dann die Ermittlungen

De Bruyn schildert in dem Bericht ausführlich, wie die für entsprechende Taten zuständigen russischen Strafverfolgungsbehörden Ermittlungen verhinderten, verschleppten und einstellten. "Abstreiten" sei "keine akzeptable Antwort", kritisiert der Bericht die russische Politik und Justiz. Das Land müsse "eine unparteiische und effektive Untersuchung der Ereignisse des letzten Jahres durchführen und sicherstellen, dass die Täter nicht ungestraft bleiben". Ansonsten müsse das Land zumindest eine unabhängige internationale Untersuchung einer Menschenrechtsorganisation ermöglichen.
Ein Zusatzantrag, diese unabhängige Untersuchung ergänzend zur staatlichen Aufklärung direkt zu fordern, fand mit sechs zu 25 Stimmen bei einer Enthaltung keine Mehrheit – ebenso wie ein Antrag zu einem Resolutionsabschnitt, der eine Verdammung homophober Hetze durch Politiker in allen Mitgliedsstaaten fordert. Der Zusatzantrag sprach sich für eine Aufhebung der Immunität möglicher Verantwortlicher aus.
Mit dem eigentlichen Bericht wurden allerdings etliche Forderungen an alle Mitgliedsstaaten angenommen: Darunter befand sich etwa die Aufforderung, Opfer der Verfolgung samt ihrer Familien aufzuenhmen, LGBTI-Organisationen zu unterstützen oder es zu unterlassen, Einschränkungen von Grundrechten wie Versammlungs-, Vereinigung- und Meinungsfreiheit mit dem Kampf für "sogenannte traditionelle Werte" zu begründen. So wird auch Russland erneut aufgefordert, Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzusetzen, also Gesetze gegen Homo-"Propaganda" aufzuheben und LGBTI-Demonstrationen zu ermöglichen.

Eine Opfergruppe, die nicht existieren darf

Tschetscheniens vom Kreml geduldeter und gedeckter Machthaber Ramsan Kadyrow, der die WM in Russland geschickt zur PR-Inszenierung mit der in Grosny trainierenden ägyptischen Nationalmannschaft nutzte, kritisierte am Donnerstag, der "fabrizierte Bericht" des Europarats habe zum Ziel, Tschetschenien und Russland zu schaden.
Der Bericht von De Bruyn enthalte "fiktionale Geschichten über Menschenrechtsverletzungen" und zur "Folter von … (wir nutzen dieses Wort nicht, weil wir solche Leute nicht haben)", schrieb Kadyrow in seinem Kanal im Messenger Telegram. Vertreter Tschetscheniens hatte immer wieder "argumentiert", dass in der Region Homosexuelle nicht einmal existierten. Oft wurden solche Aussagen um Drohungen ergänzt. So meinte Kadyrow im letzten Sommer im US-Fernsehen, man müsse das russische Blut von Schwulen reinigen (queer.de berichtete).

Das russische LGBT Network hatte zu mehreren entsprechenden Aussagen aus Grosny (die auch im Europarats-Bericht thematisiert werden) Strafanzeigen gestellt – die Volksverhetzungen und Drohungen interessierten die russischen Behörden und Politik allerdings auch nicht. Kadyrow nahm kürzlich an der Amtseinführung vom russischen Präsidenten Wladimir Putin teil – zusammen mit dem tschetschenischen Parlamentsvorsitzenden Magomed Daudow, der von mehreren Opfern der Schwulenverfolgung beschuldigt wurde, bei Folterungen anwesend gewesen zu sein. Kadyrow saß auch beim WM-Eröffnungsspiel auf der Ehrentribüne und nahm an einem Treffen von Putin mit saudi-arabischen Politikern am Rande der WM teil.





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