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Geschrieben
und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2018
Es wird immer
schwerer, Hass und Unwahrheiten wie Diskriminierung zu entgehen. In Zeiten von Fake News, Social
Bots und Hate-Speech glauben wir mehr denn je daran, dass Seiten wie
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diesen euren Verwandten, Freunde, Bekannten und Familie denn Information beugt
vor, einer Minderheit anzugehören!
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Ihn Dir den Organspende Ausweis!
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Bundesregierung verschleppt Reform des
Transsexuellengesetzes! Das ist sehr Beschämend denn man fühlt sich als Mensch
zweiter Klasse!
Transsexualität als psychische Krankheit? Darauf
basiert in Deutschland die Rechtslage, noch. Doch nach SPIEGEL-Informationen
lässt sich die Große Koalition sehr viel Zeit bei der Änderung - Deutschland
hinkt international hinterher.
Die Weltgesundheitsorganisation
WHO hat Transsexualität aus dem Katalog der psychischen
Krankheiten gestrichen. Es wird nun in einem neu geschaffenen Kapitel zu
sexueller Gesundheit zu finden sein und unter dem Stichwort
"Geschlechts-Inkongruenz" aufgeführt.
Laut dem
Transsexuellengesetz in Deutschland müssen betroffene Personen bislang zwei
Gutachten einholen, um ihren Vornamen ändern zu lassen. Diese Regelung basiere
auf der veralteten Annahme, das Transsexualität eine psychische Krankheit sei,
monieren Kritiker. Ändern will die Bundesregierung das Gesetz aber vorerst
nicht.
Das geht aus
einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünenhervor,
die dem SPIEGEL vorliegt. Da die Änderungen der Internationalen Klassifikation
der Krankheiten (ICD) erst ab 2022 zur Kodierung verwendet werden sollen,
strebt die Bundesregierung eine entsprechende Anpassung auch erst zu diesem
Zeitpunkt an. Die komplette Anpassung würde mindestens fünf Jahre in Anspruch
nehmen, heißt es in dem Papier.
Einzelne
Kabinettsmitglieder sprechen sich für eine Reform aus, unter anderem
Justizministerin Katarina Barley und Familienministerin Franziska
Giffey (beideSPD).
Regierung
will Gesetzentwurf für "Dritte Option" für Transpersonen angleichen
Aus dem
Papier geht zudem hervor, dass das bisher diskutierte Gesetz zur "Dritten Option" möglicherweise
auch für transsexuelle Personen in einer ähnlichen Form gelten wird. Eine
Möglichkeit zur "Dritten Option" muss laut dem
Bundesverfassungsgericht bis Ende des Jahres geregelt werden. Bislang gilt der
Entwurf nur für intersexuelle Menschen - also jene, die ohne ein eindeutig
bestimmbares biologisches Geschlecht auf die Welt kommen.
In dem
Papier heißt es nun: "Die Bundesregierung beabsichtigt, zeitnah einen
Gesetzesentwurf (...) vorzulegen, der Regelungen zum Vornamens- und
Personenstandswechsel sowohl für inter- als auch für transsexuelle Personen
vorsehen und damit einen weitgehenden Gleichklang der Verfahren für beide
Gruppen erreichen soll." Bei dem jetzigen Entwurf zur "Dritten
Option" braucht es weiterhin eine ärztliche
Bescheinigung, um vorzuweisen, dass eine "Variante der
Geschlechtsentwicklung" vorliege.
Das
kritisieren die Grünen. Der LGBT-politische Sprecher Sven Lehman sagte dem
SPIEGEL, die Bundesregierung könne die Frage nicht beantworten, warum weiter
ärztliche Gutachten verlangt würden. "LGBT" steht für lesbisch,
schwul, bi- und transsexuell.
"Der
aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung einer "Dritten
Option" beim Geschlechtseintrag schreibt die Bevormundung und
Pathologisierung von intergeschlechtlichen Menschen leider weiter fort",
sagte Lehmann. Und weiter: "Wenn die Bundesregierung nun ankündigt, diese
Verfahren auf transgeschlechtliche Menschen zu übertragen, ist das
inakzeptabel."
Kampf um Identität
Wer
rechtlich sein Geschlecht ändern will, trifft auf veraltete Gesetze. Diese der
Zeit anzupassen, fällt der Politik schwer - noch.
m Frühjahr
2010 hatte das Versteckspiel für Dirk Becker ein Ende. Fast 40 Jahre hielt er
es durch, hatte es bis zur Perfektion getrieben, sich eine Parallelwelt
errichtet. Doch im Frühjahr 2010 kam der „Crash“, wie Becker es heute nennt:
Eine akute Gallenkolik machte eine Notoperation nötig, Leberschädigungen traten
auf. „Was passiert, wenn ich sterbe“, fragte er sich damals, „und meine Frau
alles herausfindet?“ Er hätte sich dann nicht mehr rechtfertigen können.
Heute heißt
Dirk Becker Lea Becker. Aufrecht sitzt sie am Tisch, Schal, Ohrringe, Oberteil,
Uhr, alles passend in Bordeaux gehalten, und zeigt ihren neuen Personalausweis:
Becker trägt eine Brille, hat lange dunkle Haare, ihr Kinn ist leicht
untersetzt.
Versteckspiel
vor den Klassenkameraden
„Schon als
kleiner Stopsel bin ich an die Kleiderschränke meiner Mutter und meiner
Schwestern, ohne zu wissen, warum ich das mache“, beginnt sie ihre Geschichte.
Sie habe es nicht bewerten können, sie wusste nur, dass es „nicht in Ordnung“
ist. Jedes einzelne Detail habe sie sich gemerkt: Wie liegen die Kleider? Wie
hängt der Bügel? Wie ist der Schlüssel positioniert? „Ich wollte ja nicht
erwischt werden.“ Dass jedoch etwas anders war mit ihr, merkten auch ihre
Klassenkameraden: Becker war schüchtern, stotterte und wurde gehänselt. Ihr
Leben als detailverliebter Einzelgänger führte sie bis aufs äußerste weiter,
beschäftigte sich mit Computer- und Elektrotechnik, machte eine Ausbildung zum
Elektroinstallateur und arbeitet heute als Systemingenieurin.
Ihre Frau
lernte sie bei einer Tanzstunde kennen. Mit ihr bekam sie zwei Kinder, zog in
ein Einfamilienhaus und führte ein ganz normales Leben - bis zu dem
Krankenhausaufenthalt 2010. Nachdem sie entlassen worden war, erzählte sie
ihrer Frau von heimlich getragenen Kleidern, von Gedanken und Gefühlen, von
ihrem Versteck. Diese fragte, ob sie „schwul“ sei. „Nein“, antwortete Becker.
„Bist du transsexuell?“ - „Nein.“
Sie habe
damals noch nicht gewusst, „wohin die Reise gehen wird“, sagt sie heute. Es
brauchte viele „kleine Schritte“, bis ihr klar wurde, dass sie lieber als Frau
leben möchte.
Vorbehalte
und bürokratische Hürden
In
Deutschland gilt Lea Becker damit als „transsexuell“. Wie viele Betroffene auch
lehnt sie diesen Begriff aber ab. „Die Leute glauben dann, es hätte was mit Sex
zu tun, das hat es aber nicht.“ Becker befürwortet stattdessen den Begriff der
„Transidentität“, der den Fokus auf die abweichende Geschlechtsidentität der Personen
legt und das Phänomen so weniger pathologisiert.
Es ist
allerdings nicht allein die Diskussion um Begriffe, Sternchen und Unterstriche,
die das Leben vieler transidenter Menschen erschwert. Neben ihren ganz eigenen
persönlichen Problemen stoßen sie nach wie vor auf große gesellschaftliche
Vorbehalte und auf bürokratische Hürden.
Um dies zu
ändern, hat der Europarat im April 2015 eine Resolution verabschiedet, in der
er seine Mitglieder aufruft, Diskriminierung aufgrund von Geschlechtsidentität
zu verbieten und formelle Änderungen des Geschlechts auf Dokumenten wie
Personalausweis, Reisepass und Geburtsurkunde „schnell, transparent und leicht
zugänglich“ zu ermöglichen. Auch die Bundesregierung stimmte
der Resolution zu und setzte sich damit selbst unter Zugzwang. Denn die
Regelungen in Deutschland sind bisher alles andere als das.
Schwierige
Therapeutensuche
Das 1981 in
Kraft getretene „Transsexuellengesetz“ (TSG) regelt die Rechte transidenter
Menschen und liest sich, als wenn es aus einer längst vergessenen Zeit stammen
würde: „Die antragstellende Person“ müsse „sich auf Grund ihrer transsexuellen
Prägung nicht mehr dem in ihrem Geburtseintrag angegebenen Geschlecht, sondern
dem anderen Geschlecht als zugehörig“ empfinden und „mindestens drei Jahren
unter dem Zwang“ stehen, „ihren Vorstellungen entsprechend zu leben“. „Mit
hoher Wahrscheinlichkeit“ soll darüber hinaus anzunehmen sein, „dass sich ihr
Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird“. Nur
dann hat diese Person ein Recht, ihren Vornamen und Personenstand zu ändern.
Überprüft werden sollen diese drei Punkte durch „Gutachten von zwei
Sachverständigen“.
Im
ursprünglichen Gesetz war vorgesehen, dass für die Änderung des Personenstands
auch eine geschlechtsumwandelnde Operation erfolgen muss, damit die Person
„dauernd fortpflanzungsunfähig“ ist. 2011 kippte dasBundesverfassungsgericht diese
„große Lösung“; sie sei unvereinbar mit der Menschenwürde und dem Recht auf
körperliche Unversehrtheit. Seither sind in wechselnder Lautstärke immer wieder
Forderungen von Parteien und Lobbygruppen nach einer Reform oder gar
Abschaffung des TSG aufgekommen.
Lea Becker
beantragte im November 2014 ihre Vornamens- und Personenstandsänderung. Bis sie
dahin gelangte, hatte sie bereits viele ihrer „kleinen Schritte“ absolviert.
„Ich war niemand, der das überstürzt macht.“ So ging sie zunächst zu
verschiedenen Trans-Gruppen, kleidete sich erstmals als Frau, meldete sich in
Internetforen an und begab sich auf die Suche nach einem geeigneten Arzt.
„Am
Schlimmsten war es, einen geeigneten Therapeuten zu finden.“ So gelangte Becker
anfangs an eine Psychologin, die ihr ein Dreivierteljahr den „Teufelskreis“
aufzeigte und ihr empfahl, das alles „seinzulassen“. Erst bei ihrem zweiten
Therapeuten fühlte sie sich ernstgenommen. In Deutschland gibt es noch immer
nur wenige Psychotherapeuten, die mit der Materie vertraut sind; dafür musste
Lea Becker für jede Sitzung eine vierstündige Zugfahrt auf sich nehmen.
Alltagstest
in Frauenkleidern
In einem
„schleichenden Prozess“ ging es für sie weiter: Anfang 2012 erzählte sie ihren
beiden Töchtern davon, ließ ihre Haare wachsen, unterzog sich zweieinhalb Jahre
einer Laserbehandlung, um die Barthaare zu entfernen; ab August 2014 erfolgte
eine Hormontherapie. Bereits im Februar 2014 begann sie mit dem Alltagstest, in
dessen Verlauf sie ein Jahr lang unter psychotherapeutischer Beobachtung als
Frau auftreten musste. Ihre Ehefrau unterstützte sie bei alledem, und so führen
beide heute das, was es in Deutschland eigentlich gar nicht geben dürfte - eine
gleichgeschlechtliche Ehe.
Nachdem sie
ihren Antrag zur rechtlichen Änderung ihres Geschlechts eingereicht hatte,
bekam sie von ihrem zuständigen Amtsgericht zwei Gutachter zugewiesen und
musste bei diesen insgesamt sechs Stunden vorstellig werden. Ein weiteres Mal
galt es, ihre gesamte Lebensgeschichte auszubreiten, jedes noch so intime
Versteck preiszugeben oder ganz einfach, wie Becker es sagt, „die Hosen
runterzulassen“.
Begutachtung
als Tortur empfunden
Bernd
Meyenburg ist seit mehr als zwei Jahrzehnten für die Begutachtung transidenter
Menschen zuständig. Er leitete Jahrzehnte die psychiatrische Spezialambulanz
für Kinder und Jugendliche mit Identitätsstörungen an der Uniklinik Frankfurt.
Heute befindet sich Meyenburg im Ruhestand, verfasst dennoch regelmäßig
Gutachten. Zu Beginn seiner Zeit als Sachverständiger wurde „Transsexualität“
noch als „psychiatrische Störung“ angesehen und dementsprechend behandelt.
Komme eine
transidente Person zu ihm, arbeitet er die drei im TSG aufgeführten Punkte ab:
„Fühlt sich die Person dem anderen Geschlecht zugehörig? Besteht dieses
Zugehörigkeitsempfinden seit drei Jahren? Wird sich dieses Empfinden mit hoher
Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern?“ Für viele, so seine Erfahrung, sei die
Begutachtung eine „Tortur“, schon allein, weil sie jedes Mal weite Wege zu
ihren Sachverständigen aufnehmen müssten, wo sie erneut ihren ganzen Werdegang
auszubreiten hätten.
Hinzu kommen
die Verfahrenskosten, die sich je nach Amtsgericht auf bis zu 2000 Euro
belaufen können. Das fertige Gutachten schickt Meyenburg an das Gericht. Nach
einem kurzen, formalen Gespräch, in dem dieser sich von der Richtigkeit
überzeugen muss, entscheidet der Richter, ob er dem Antrag stattgibt.
Geschlechtsempfinden
statt Gutachterentscheidung
Zusammen mit
seinen Hamburger Kollegen Karin Renter-Schmidt und Gunter Schmidt hat Meyenburg
670 Gutachten nach dem TSG-Verfahren aus den letzten zehn Jahre ausgewertet. In
ihrer 2015 in der „Zeitschrift für Sexualforschung“ veröffentlichten Studie
kommen sie zu folgenden Ergebnissen: Zum einen hat der Anteil Jugendlicher und
junger Erwachsener im Vergleich zu früheren Studien „deutlich zugenommen“; zum
anderen haben die Gutachter in nur einem Prozent der Fälle dem Gericht die
Ablehnung des Antrages empfohlen. Eine Nachfrage bei Amtsgerichten in
Niedersachsen ergab, dass in allen Verfahren das Gericht den Empfehlungen der
Gutachter entsprach. Wie viele andere Psychologen und Psychotherapeuten auch
plädiert Meyenburg aus diesem Grund für eine Abschaffung des
Transsexuellengesetzes in seiner jetzigen Form: „Es kommt letztlich auf das
subjektive Geschlechtsempfinden der antragsstellenden Person an und nicht auf
die Entscheidung des Gutachters. Warum müssen wir das Leid der Personen dann
noch vergrößern?“, fragt er. Ein einfaches ärztliches Attest solle als Nachweis
ausreichen.
Auch Lea
Becker sieht es so: „Wie kann das ein Mensch entscheiden, der mich nur für ein
paar Stunden sieht? Warum kann das nicht mein Therapeut machen, der mich viel
besser kennt?“ Um Bedenken zu zerstreuen, dass dadurch ein mehrfacher Wechsel
der Vornamen und der Geschlechtszugehörigkeit möglich ist und somit ein
erheblicher Verwaltungsaufwand entsteht, empfiehlt Meyenburg zudem die
Einführung einer „Karenzregelung“. Diese mache es notwendig, „dass ein Antrag
nach einer Frist von sechs Monaten noch einmal bestätigt werden muss, bevor ihm
entsprochen wird“.
Streit über
Gesetzesreform
Über eine
Reform des TSG wird in Deutschland schon lange gestritten. Zu Zeiten der
rot-grünen Bundesregierung verweigerte sich noch Innenminister Otto Schily einer
Novellierung, in den letzten Jahren scheiterte eine Reform am Widerstand der
Unionsfraktion. Doch dieser scheint langsam zu bröckeln. Bereits in den
Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD hatte man eine „Reform des
Transsexuellenrechts“ aufgenommen; das momentane Gesetz entspreche „nicht mehr
in jeder Hinsicht aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen“. Es
gelte, den Betroffenen „ein freies und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen“.
Getan hat sich bislang allerdings wenig. Immerhin gibt es seit September 2014
eine Interministerielle Arbeitsgruppe (Imag) unter Federführung des
Bundesfamilienministeriums, in der an einer „Verbesserung für Inter- und
Transsexuelle“ gearbeitet wird, wie es aus dem Ministerium heißt.
Auch der
familienpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Marcus Weinberg,
ist der Meinung, dass das TSG „grundsätzlich“ überprüft werden müsse: „Es gibt
mittlerweile eine andere Wahrnehmung der Personen, die unter ihrem falschen
Körper leiden, als noch Anfang der achtziger Jahre.“ Er finde die
Mehrfachbegutachtung ebenfalls „problematisch“; dennoch seien „gewisse
Vorgaben“ unerlässlich. Seine Fraktion stehe der Diskussion aber „sehr offen“
gegenüber. Zunächst will Weinberg aber die Vorschläge der Imag abwarten.
Bis es zu
diesen kommt, wird noch Zeit verstreichen. Das Familienministerium erwartet,
dass diese frühestens im Spätherbst 2016 vorliegen und als „Grundlage für die
Diskussion“ dienen werden.
Ämter kennen
nur zwei Geschlechter
Dabei ist
die behördliche Änderung des Geschlechts für transidente Menschen nur eine von
vielen Hürden: Standesamt, Führerscheinstelle, Bürgeramt, Rentenversicherung,
Finanzamt, Bank. „Es ist eine Schlacht“, klagt Lea Becker. Oftmals wissen viele
Behörden gar nicht, wie sie mit transidenten Menschen umgehen sollen, dann
entstehe „Unfreundlichkeit infolge von Unwissen“.
Die
hartnäckigsten Auseinandersetzungen hat sie bislang mit ihrer Krankenkasse
geführt. Schon in den siebziger Jahren hatte das Bundessozialgericht
entschieden, dass die Kassen die geschlechtsangleichenden Maßnahmen von
transidenten Personen bezahlen müssen. Im Gegenzug können die Kassen jedoch
einen Nachweis für den „Leidensdruck“ der Antragssteller verlangen. Die Folge
ist eine unglückliche Verschränkung der rechtlichen mit der medizinischen
Ebene, die bis heute anhält.
Kampf um
Kostenübernahme
So fordern
die Krankenkassen für die Übernahme der geschlechtsangleichenden Operationen
die beiden Gutachten der Sachverständigen und lassen diese durch ihre
Medizinischen Dienste (MDK)
prüfen.
Becker
erreichte vor knapp einem Monat ein Schreiben des für sie zuständigen MDK, ihr
Antrag auf Kostenübernahme ihrer geschlechtsangleichenden Operationen müsse
abgelehnt werden. Grund: Im Zuge ihrer psychotherapeutischen Behandlung war
2011 eine Depression diagnostiziert worden. Die Krankenkasse griff diese
Diagnose heraus und verweigerte Becker die Kostenübernahme. Sie bringt das
Dilemma der Verzahnung auf den Punkt: „Anfangs müssen Sie genug leiden, damit
der Weg stattfindet, dann anschließend aber wieder nicht, sonst wird die OP
nicht gezahlt.“
Becker legte
Widerspruch bei der Krankenkasse ein. Einige Zeit nach unserem Gespräch
akzeptierte der MDK diesen, um im gleichen Schreiben aber vermeintlich fehlende
Dokumente einzufordern. Der MDK Rheinland-Pfalz, der für Lea Beckers Fall
zuständig ist, wollte sich gegenüber dieser Zeitung nicht äußern. „Der Kampf
geht weiter, aber langsam setzt er mir zu und geht an die Substanz“, sagt
Becker.
Krankenkassen
fürchten teure Operationen
In seiner
Resolution vom April fordert der Europarat auch die gesetzlichen Krankenversicherungen
explizit auf, die Verfahren für eine Geschlechtsangleichung von transidenten
Menschen zu erstatten. Dass die deutschen Krankenkassen der Aufforderung
folgen, ist eher unwahrscheinlich. Geschlechtsangleichende Operationen sind
teuer und werden bei den steigenden Zahlen der Antragsteller Personen die
Kassen noch stärker belasten.
Wurden 1995
noch 400 solcher Operationen nach dem Verfahren des TSG durchgeführt, waren es
2013 bereits 1417. Auch aus diesem Grund verbleiben die Krankenkassen bei ihrer
Ansicht, was die Einstufung von Transidentität als Krankheitsbild angeht: „Erst
durch den klinisch relevanten Leidensdruck wird Transsexualität im Einzelfall
zu einer krankheitswertigen Störung beziehungsweise zu einer
behandlungswürdigen Erkrankung im Sinne des Krankenversicherungsrechtes“, lässt
der Spitzenverband Bund der Krankenkassen wissen. Sollte zudem die Begutachtung
durch Sachverständige im Zuge einer Reform des TSG wegfallen, dürften die
Kosten für die Krankenkassen noch weiter steigen. „Dann werden eben die
Krankenkassen von den Therapeuten die Gutachten direkt einfordern“, vermutet
Meyenburg.
Europäische
Nachbarn machen es besser
Schnell
dürfte sich an der rechtlichen Situation transidenter Menschen in Deutschland
also nichts ändern. Andere Länder in Europa sind der Bundesrepublik dagegen
mehrere Schritte voraus: Schweden schaffte 2012 den Gutachterzwang ab, Dänemark
folgte zwei Jahre später mit einer noch weiter gehenden Regelung, indem es die
rechtliche Anerkennung allein an die Selbsteinschätzung der antragstellenden
Person knüpfte. Im Mai 2015 ging Malta, bis dahin bekannt für äußerst
diskriminierende Verhältnisse, sogar so weit und verankerte den Schutz der
persönlichen Geschlechtsidentität in seiner Verfassung. In vielen anderen
europäischen Ländern laufen momentan Gesetzesverfahren, die ähnliche Regelungen
vorsehen.
Bis es in
Deutschland allerdings so weit sein wird, hat Lea Becker wohl schon ihre
geschlechtsangleichenden Operationen hinter sich. Die wird sie machen lassen,
zur Not auch ohne Unterstützung der Krankenkasse. „Für mich ist die kleine
Lösung keine Lösung.“ Ihr Termin für die OP ist auf Ende 2017 festgelegt - erst
dann kann sie ganz aus ihrem Versteck herauskommen.
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