Mittwoch, 27. Mai 2020

Meine Tochter Noura ist jetzt mein Sohn Nour! /// Mi hija Noura es ahora mi hijo Nour! /// My daughter Noura is now my son Nour!

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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2020

Es wird immer schwerer, Hass und Unwahrheiten wie Diskriminierung  zu entgehen
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Meine Tochter Noura ist jetzt mein Sohn Nour!Hesham Selim hat ein Tabu in der arabischen Welt gebrochen: Der berühmte Schauspieler bekennt sich öffentlich zu seinem transsexuellen Sohn. Die Resonanz ist gewaltig.




Hesham Selim ist einer der bekanntesten ägyptischen Schauspieler. Millionen Ägypter feiern den 62-Jährigen für seine Kunst. Seit einigen Tagen bewundern ihn viele für seine persönliche Haltung als Vater: Selim machte unlängst öffentlich, dass eines seiner Kinder Transgender ist. "Meine Tochter Noura ist jetzt mein Sohn Nour", sagte Selim in einer der meistgesehenen Talkshows des Landes.
Transsexualität ist genauso wie Homosexualität nicht nur ein Tabuthema in der arabischen Welt. Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender werden in Ägypten und anderen Ländern der Region diskriminiert und benachteiligt - von staatlichen Stellen, von Religionsgemeinschaften, sehr oft auch von ihren Familien. Zwei Beispiele:

Im September 2017 hatten Besucher bei einem Konzert der libanesischen Rockband Mashrou Leila eine Regenbogenflagge geschwenkt. Daraufhin nahm die Polizei Dutzende Zuschauer fest. Mehrere Personen wurden zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt, weil sie "Unzucht" begangen, beziehungsweise zur "Unzucht" angestiftet hätten. Homosexualität und Transsexualität als solche sind nach ägyptischem Recht zwar nicht strafbar, allerdings werden Homosexuelle und Transsexuelle zunehmend mit Vorwürfen wegen "Unzucht" oder auch "Beleidigung der Religion" unter Druck gesetzt.

Im vergangenen Jahr verhafteten die Behörden die Transfrau Malak al-Kashif. 130 Tage lang wurde sie in einem Männergefängnis festgehalten. Nach ihrer Freilassung berichtete sie von Übergriffen durch andere Häftlinge und das Gefängnispersonal. Außerdem habe sie Analuntersuchungen über sich ergehen lassen müssen – eine Praxis, die Ägyptens Behörden bei mutmaßlichen Homosexuellen oft anwenden und die nach Ansicht von Medizinern und Menschenrechtlern Folter gleichkommt.

Kashif wartet seit Jahren darauf, die Genehmigung für eine geschlechtsangleichende Behandlung zu bekommen. Das letzte Wort hat ein Komitee von Islamgelehrten der Azhar-Universität in Kairo, die über jeden Fall entscheiden. Selbst wenn Mediziner eine Geschlechtsangleichung für geboten halten, können die Kleriker ihr Veto einlegen.
Nach Einschätzung von Menschenrechtsgruppen geht das System unter Staatschef Abdel Fattah el-Sisi gegen sexuelle Minderheiten sogar rigider vor als sein islamistischer Vorgänger Mohammed Mursi. Offenbar will sich der Diktator bei konservativen Ägyptern als sittsamer Staatschef inszenieren, der für die Wahrung traditioneller sozialer Normen steht.

"Als sein Vater muss ich ihm helfen, sein Leben so zu führen, wie er will."
Umso bemerkenswerter ist, dass der Schauspieler Hesham Selim vor einem Millionenpublikum nun nicht nur erklärte, dass er seinen Sohn von ganzem Herzen liebe: "Als sein Vater muss ich ihm helfen, sein Leben so zu führen, wie er will."

Selim appellierte auch an die ägyptische Gesellschaft, ihre Haltung zu ändern und Diversität zu akzeptieren. Die Engstirnigkeit bei Fragen sexueller Identität mache es derzeit allen schwer, die mit ihrer eigenen haderten. "Das Problem ist, dass wir in Ägypten entweder Männer oder Frauen haben, nichts dazwischen."
Eindrücklich schilderte Selim die Leiden seines Sohnes, der bis heute allein daran scheitere, sein Geschlecht in offiziellen Dokumenten zu ändern. Selim gab offen zu, dass die vergangenen Jahre für die gesamte Familie schwierig gewesen seien.

Nour sei wütend gewesen, weil sein Vater lange Zeit immer noch von "ihr" gesprochen habe statt von "ihm", wenn er über ihn sprach. Dabei hatte Nour bereits vor fünf Jahren in London mit der geschlechtsangleichenden Behandlung begonnen.

"Danke Papa. Wenn du nicht wärst, dann wäre ich jetzt nicht hier."
Am Dienstag gaben Hesham und Nour Selim in der Sendung "Jaafar Talk" im arabischen Dienst der Deutschen Welle erstmals ein gemeinsames Interview – zugeschaltet von ihrer Jacht im ägyptischen Badeort Hurghada. "Du bist mein Sohn, ich habe dich in diese Welt gesetzt und ich werde dir beistehen. Wenn irgendwas passiert, bin ich für dich da", sagt Hesham. Sein Sohn antwortet: "Danke, Papa. Wenn du nicht wärst, dann wäre ich jetzt nicht hier."
Nour Selim sagte, es sei ihm durchaus bewusst, dass er im Vergleich zu anderen Transsexuellen in Ägypten sehr privilegiert sei: "Natürlich hilft es mir, dass ich der Sohn von Hesham Selim bin", sagt er.

Nour sprach in dem Interview auch über dunkle Stunden: "Ehrlich gesagt, habe ich oft an Suizid gedacht", sagt er. "Ich dachte, ich sei kein normaler Mensch. Ich habe keine Zukunft für mich gesehen, keine Ehe, keine Arbeit, kein Leben, nichts", berichtet er. "Aber ich habe gelernt, mich selbst zu lieben."

Ausschnitte aus der Sendung sind in den ersten 24 Stunden mehr als 2,5 Millionen Mal angeklickt worden. In den ägyptischen Medien – in Zeitungen, auf Twitter und Facebook - ist Nours Geschlechtsanpassung seit Sonntag das bestimmende Thema. Negative Stimmen, Spott oder Hass gegen Vater und Sohn gibt es bislang kaum.

Fast alle Kommentatoren loben vielmehr den Mut der beiden und ihren Einsatz für die Rechte von Transmenschen in Ägypten. Sie hoffen darauf, dass der Auftritt der beiden einen Beitrag für mehr Toleranz leistet. 



Quelltext: https://www.spiegel.de/politik/ausland/aegypten-hesham-selim-bekennt-sich-zu-seinem-transsexuellen-sohn-a-f66b3a8b-2f49-4b3b-bc6d-7c61edda8ccc

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