Copyright © 2011-2021 Nikita Noemi Rothenbächer- Alle Rechte vorbehalten!Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer
Es wird immer schwerer, Hass und Unwahrheiten wie Diskriminierung zu entgehen In Zeiten von Fake News, Social Bots und Hate-Speech glauben wir mehr denn je daran, dass Seiten wie https://trans-weib.blogspot.com/eine wichtige Rolle spielen.
It is becoming increasingly difficult to escape hatred and falsehoods such as discrimination In times of fake news, social bots and hate speech, we believe more than ever that sites like https://trans-weib.blogspot.com/ play an important role.
Transgender-Menschen fliehen aus Russland: „Angst, den letzten Flug aus diesem Land zu verpassen“
Transgender-Menschen werden in Russland brutal unterdrückt. Viele wollen ihre Heimat deswegen verlassen. Eine erzählt in der FR ihre Geschichte.
Irma ist Transfrau und lebt in Russland.
Die postsowjetische Schwulenfeindlichkeit geriet unter Wladimir Putin zum offiziösen Mainstream.
Heute wollen viele Transgender-Menschen ihrer Heimat Russland den Rücken kehren.
Russland - Irma war sechs Jahre alt, galt noch als Junge, als sie auf der Straße ein kleines Mädchen mit einem schönen Kleid sah. „Ich wollte dieses Kleid anziehen, bot ihr an, sie dürfe dafür mit meinem Fahrrad fahren.“ Eine Nachbarin sah, wie das Mädchen ihr Kleid auszog und schlug Alarm. Am Ende wurde Irma von ihrem Vater, einem Luftwaffenoffizier, durchgeprügelt. Er glaubte, das Söhnchen wollte Sex mit dem Mädchen. Das war Anfang der Achtziger Jahre etwas Unerhörtes, ein Transgender aber war unvorstellbar.
Irma Weller, inzwischen 44, ist eine kräftige Person in einem schwarzen Kapuzenpulli, graublaue Augen, tiefe Stimme, ungeschminkt. Aber auf gepflegten Fingernägeln leuchtet silberner Lack. Irma ist Transfrau. Sie sagt, sie leide unter ihrem wenig femininen Aussehen. Sie sei es gewohnt zu leiden, zu kämpfen. Aber jetzt wolle sie nur noch weg, weit weg. Sie hat ein Flugticket nach Mexiko-City.
Transgender in Russland: Genaue Zahlen gibt es nicht
Die Zahl der Transgender in Russland ist unbekannt. Irma Letter, eine Namensvetterin und Koordinatorin einer Initiativgruppe gegen die Verletzung der Transgenderrechte, glaubt, etwa 1,4 Millionen Russen besäßen entsprechende Veranlagungen. Die Selbsthilfegruppe T-Action zählt jährlich 1200 Transleute, die online oder persönlich um Rat nachsuchen. Ihnen allen droht der Exodus wegen eines Gesetzes, das Transgender-Ehen unterbinden und alle Geschlechtsumwandlungen für juristisch nichtig erklären will.
Als Teenager wurde der vermeintliche Junge mehrfach aus der Schule nach Hause geschickt, weil er sich geschminkt hatte. Irma begriff, dass etwas nicht stimmte, dass in ihrem männlichen Körper eine Seele wohnte, die Frau sein wollte. Ein einsamer Kampf begann, mitten in Russland, ohne Internet, ohne psychologische Beratungsstellen. Und ein Kampf gegen sich selbst. „Ich merkte, dass ich Mädchen liebte, wie konnte ich da selbst eins sein. Ich hatte Angst, ich sei schizophren.“
Irmas Jugend in Russland war verzweifelt, mehrfach stieg sie mit einer Flasche Wodka in die Badewanne, säbelte mit einem Messer an ihren Genitalien herum. Als sie sich schließlich als Frau outete, brachen ihre Eltern den Kontakt ab. Irma begann Hormone zu schlucken, ohne genau zu wissen welche, veränderte sich, bekam Brüste, aber ihr Pass blieb männlich. Sie verlor den Job, ernährte sich aus Mülltonnen, ging auf den Strich. Transgendering als einsamer Blindflug.
Verfassungsreform von Wladimir Putin in Russlan: „Die Ehe ist ein Bund von Mann und Frau“
Damals bedurfte es einer Diagnose durch ein Ärztekonzil, um in Russland als Transgender anerkannt zu werden. Der erste Facharzt, an den sie sich wandte, schickte sie weg, sie müsse zuerst ihre Depressionen überwinden. Zwei Monate lag sie in einer psychiatrischen Klinik, der dortige Zahnarzt lehnte es ab, „so eine Schwuchtel“ zu behandeln. Ein vereiterter Zahn entzündete beide Kiefer, sie verlor alle Zähne und trägt heute ein Gebiss.
Die postsowjetische Schwulenfeindlichkeit geriet unter Wladimir Putin zum offiziösen Mainstream, 2013 verbot die Staatsduma „Propaganda nicht traditioneller sexueller Beziehungen bei Minderjährigen“. Das Staatsfernsehen erklärte „Gayropa“ zum Feindbild. Irma nimmt es inzwischen mit Humor, stellte kürzlich einen Spruch des kremlnahen Politologen Alexander Malkewitsch auf Facebook: „Wenn wir uns nicht mit der sexuellen Aufklärung unserer Kinder befassen, tun das LGBT-Instrukteure der Nato!“
Transgender in Russland: Ein Kampf gegen die Behörden
Irma kämpfte weiter, 2009 wurde sie ärztlich als Transgender anerkannt. Aber das Standesamt in Russland verlangte ein Attest, dass sie sich ihren Penis habe wegoperieren lassen, um ihre Geburtsurkunde von männlich auf weiblich umzuschreiben.
„Ich wollte die Operation damals nicht, habe sechs Jahre gegen das Standesamt prozessiert, vergeblich.“ 2015 war Irma der endlosen Gerichtsverhandlungen müde, lieh sich das Geld für den Eingriff, danach endlich schrieb man ihr die Geburtsurkunde und dann alle übrigen Dokumente um. „Das Leben wurde leichter. Zumindest konnte ich allen, die wissen wollten, was ich in der Hose habe, mit einem staatlichen Dokument antworten.“
Aber im Juni 2020 ließ Wladimir Putin in Russland eine Verfassungsreform verabschieden, in der sehr traditionelle Banalitäten standen: „Die Ehe ist ein Bund von Mann und Frau.“ Eine Banalität mit scharfen Kanten: Die Staatsduma berät einen Gesetzentwurf, der Homosexuellen und Transgendern Ehen wie Adoptionen ausdrücklich verbietet. Und nebenher verlangt, bis Anfang 2022 in ihre Geburtsurkunden wieder ihr altes Geschlecht einzutragen.
„Sie verbieten niemandem Hormontherapien, um sein Geschlecht zu wechseln“, sagt die Transgender-Aktivistin Letter über die Repression in Russland. „Aber sie verweigern den Transgendern juristisch die Anerkennung ihres Geschlechts. In der Praxis verweigern sie ihnen ihre Bürgerrechte.“ Verheirateten Transgendern drohen Zwangsscheidungen, Kindern, die sie adoptiert haben, das Waisenhaus. Und allen Transgendern ein alltäglicher Spießrutenlauf mit Dokumenten, die ihrem Geschlecht widersprechen. „Faschismus“ mitten in Russland, sagt Irma Weller.
LGBT-Community in Russland: An die Diskriminierung hat man sich gewöhnt
Eigentlich hat sie sich wie andere LGBT-Russen längst an die Diskriminierung gewöhnt. „Wir sind hier ja nicht im Iran oder Pakistan, hier wird man ja nicht aufgehängt“, sie lächelt müde. Aber inzwischen sage ihr bei der Arbeitssuche jeder zweite Personalchef ins Gesicht, er stelle keine „Schwuchteln“ ein.
Irmas Freundin hat drei Kinder. Irma fürchtet sich, sie aus dem Kindergarten abzuholen, fürchtet, die Erzieherinnen könnten sie als homosexuell anzeigen. „Ich habe Angst, sie nehmen meiner Freundin die Kinder ab.“
Von 20 Transgendern aus ihrem Freundeskreis sind 18 ausgereist. Außer ihr ist nur eine Frau in Russland geblieben, die ihre alte Mutter nicht allein lassen will. Und Irma wartet auf ihren Flug nach Mexiko, hofft, dass ihre Lebensgefährtin mit den Kindern nachkommen kann. „Inzwischen habe ich Angst, den letzten Flug aus diesem Land zu verpassen.“
https://www.fr.de/politik/transgender-russland-wladimir-putin-verfassung-reform-diskriminierung-lgbtqia-90077635.html
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen