Rassismus drückt sich nicht nur in physischer Gewalt aus, sondern zuerst in Gedanken, Worten und Handlungen. In etlichen Gegenden in Deutschland sind nicht-weiße Menschen in Gefahr, angepöbelt oder gewalttätig angegriffen zu werden
Nach Recherchen der Amadeu Antonio Stiftung sind seit dem Wendejahr 1990 mindestens 213 Menschen durch die Folgen menschenfeindlicher Gewalt ums Leben gekommen. Hinzu kommen 13 weitere Verdachtsfälle.
Das zeigt, welches Ausmaß rassistische Gewalt und Überlegenheitsdenken annehmen können. Die schrecklichen Taten der rechtsterroristischen Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) haben deutlich gemacht, dass Rassismus nicht nur ein Problem von einigen Neonazis und Ewiggestrigen ist, sondern auch für Sicherheitsbehörden, Justiz, Medien und Zivilgesellschaft ein Thema ist. Es handelt sich um ein strukturelles Problem, von dem die gesamte Gesellschaft betroffen ist.
Rassismus findet sich in der deutschen Gesellschaft offen oder versteckt: in Talkshows, Nachrichten oder in der Zeitung, wenn über Menschengruppen herablassend gesprochen und geschrieben wird; bei der Wohnungs- und Ausbildungsplatzsuche, wenn Menschen mit deutsch klingendem Namen viel wahrscheinlicher einen Platz bekommen als andere; bei racial profiling, in Kinderbüchern, auf dem Schulhof oder in rassistischen Memes auf Facebook und Instagram. Rassismus passt eigentlich nicht ins Weltbild einer toleranten, modernen Gesellschaft. Und trotzdem ist er allgegenwärtig. Für viele Menschen in Deutschland, die als nicht „deutsch genug“ angesehen werden, ist er immer noch trauriger Alltag. Sie werden als “nicht normal“ oder als „anders“ ausgegrenzt.
Die Situation hat sich vor allem für Menschen mit Fluchtgeschichte, für Muslim*innen und Romnja wieder drastisch verschärft. Ein Erstarken autoritärer, extrem rechter Ideologien und menschenfeindlicher Positionen – oft verharmlosend als “Rechtsruck” beschrieben - geht auch mit einem Erstarken von Flüchtlingsfeindlichkeit, antimuslimischem und anti-schwarzem Rassismus sowie Feindschaft gegen Sinti und Roma einher.
Mittlerweile werden auf der Straße, in den Medien, in Bestsellern und vor allem auch wieder in Parlamenten offen rassistische Positionen vertreten. Selbst wenn „besorgte Bürger“, Rechtspopulist*innen oder Vertreter*innen der “Neuen” Rechten manchmal nicht offen rassistisch auftreten und dann z.B. von „Ethnopluralismus“ sprechen, verbergen sich dahinter rassistische Vorstellungen. Da ist zwar nicht mehr von „Rassen” die Rede, sondern von „Völkern”, „Ethnien” oder „Kulturen”- diese werden aber mit einem Lebensraum verbunden und sollten sich keinesfalls „mischen“. Das klingt auf den ersten Blick harmloser als das eindeutig rassistische „Deutschland den Deutschen“, meint aber dasselbe. Hier wird nur der Begriff „Rasse” durch „Kultur” oder „Volk” ausgetauscht. Ein vielfältiges Miteinander, gegenseitige Inspiration und Migration werden vehement abgelehnt.
Rassismus und andere Formen von Diskriminierungen
Rassist*innen meinen, am Aussehen anderer erkennen zu können, wie diese sind und ob sie sich zugehörig oder fremd in einer Gesellschaft fühlen sollten. Daraus leiten sie ihr abwertendes, distanziertes oder feindseliges Handeln ab. Oft wird diese Abwertung mit Sexismus oder Diskriminierung aufgrund der sozialen Herkunft verknüpft. Ungleichheiten lassen sich nicht als „entweder-oder“ verstehen. Eine lesbische Frau of Color wird nicht entweder als Frau oder rassistisch oder als Homosexuelle diskriminiert.
Verschiedene soziale Kategorien sind miteinander verwoben und wirken sich, je nach Kontext, auf soziale Benachteiligung oder gesellschaftliche Zugänge aus. Menschen können also gleichzeitig mehreren benachteiligten oder diskriminierten Gruppen angehören und damit mehreren Formen von Ausgrenzung ausgesetzt sein. In solchen Situationen wird von „Mehrfachdiskriminierung“ gesprochen.
Die Tatsache, dass jemand von Rassismus betroffen oder Opfer von Vorurteilen ist, weil er einer bestimmten Gruppe angehört, schützt nicht vor diskriminierendem oder abwertendem Verhalten. Ein Mensch kann selbst Opfer von Abwertung werden und zugleich selbst andere abwerten. Eine von Rassismus betroffene Person kann also homofeindliche, sexistische oder antisemitische Vorurteile haben.
In Deutschland schafft Rassismus vielfältige Privilegien für weiße Deutsche, weshalb es auch keinen Rassismus gegen weiße Deutsche geben kann. Natürlich kann Sprache trotzdem beleidigen und ausgrenzen, aber wie ein bestimmter Begriff gemeint ist und ob er rassistisch ist, hängt von Sprecher*in und Kontext ab. Es geht um Macht und Benachteiligung innerhalb einer Gesellschaft: Weiße Deutsche müssen sich und ihre Herkunft nicht erklären oder rechtfertigen und dürfen sich als “normal” verstehen - ohne dass das hinterfragt wird. Rassistische Begriffe stehen in einem geschichtlichen Kontext der Erniedrigung und Ausbeutung und einer gesellschaftlichen Realität, die systematisch von Ausschlüssen, Vorurteilen und Benachteiligungen gegenüber nicht-weißen geprägt ist.
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