Montag, 5. Februar 2024

Im November warnte die Psychoanalytikerin Aglaja Stirn als "Expertin" der AfD mit Schreckensszenarien vor dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz. Jetzt hat sich die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung endlich von ihrer Hetze distanziert.

Im November warnte die Psychoanalytikerin Aglaja Stirn als "Expertin" der AfD mit Schreckensszenarien vor dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz. Jetzt hat sich die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung endlich von ihrer Hetze distanziert.
Die Reaktion kommt spät, aber immerhin hat sich die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS) jetzt doch noch von Aglaja Stirn und ihrer höchst fragwürdigen Sicht auf das Thema trans distanziert – sie spreche nicht für die Sexualwissenschaft, heißt es ausdrücklich in der Stellungnahme der DGfS. Und diese Distanzierung kann nur begrüßenswert sein. Die DGfS halte es für geboten, "nun auch öffentlich zu erklären, dass wir uns von ihren Ausführungen in vollem Umfang distanzieren". In der Erklärung heißt es etwa: "Kritisch an der Stellungnahme von Prof. Dr. Stirn ist nicht nur ihre inhaltliche Argumentation, die die moderne sexualwissenschaftliche Sicht auf das Thema über weite Strecken verkennt, sondern auch ihr Duktus, stellvertretend für die gesamte Sexualwissenschaft zu sprechen und durch rhetorische Mittel den Anschein zu erwecken, um die Sicherheit von Transpersonen besorgt zu sein." Stirn: SBGG führt zu "Zustand der permanenten Unsicherheit" Zur Erinnerung: Aglaja Stirn, ihres Zeichens Psychoanalytikerin, Psychotherapeutin und Sexualmedizinerin, war im November von der AfD als vermeintliche Expertin eingeladen worden zur Anhörung in Sachen Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) vor dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Stirn betonte damals zwar, sie sei parteiungebunden, aber wer sich von der AfD einladen lässt, kann ja wohl nur vorbringen, was die sich als Meinung erwartet. Und so kam es schließlich. Was Stirn in ihrer Stellungnahme von sich gab, ist wissenschaftlich betrachtet, grober biologistischer Unfug, der höchstens als schlechter Witz durchgeht und über den wir lieber nicht lachen, weil die AfD den tatsächlich in ihrem Programm hat. Unter der Rubrik "Risiken für die Gesellschaft" ist die Rede von einer Störung des gesellschaftlichen Miteinanders. Was Stirn unter "gesetzlich erzwungene kognitive Dissonanz" versteht, heißt zusammengefasst, eine trans Frau bleibe ein Mann und ein trans Mann eine Frau. Und nun zwinge das SBGG die Menschen, "die Wahrnehmung des biologischen Geschlechts eines Gegenübers" zu unterdrücken. "Es wäre so, wie wenn man einer 35 kg wiegenden Anorexia-nervosa-Patientin, die einem sagt, sie sei fett, das bestätigt und es auch so sehen soll." Mit anderen Worten: Für Frau Stirn sind Menschen wie ich psychisch krank und eine Zumutung für die Gesellschaft. Ihre Stellungnahme kann man nachlesen, aber es besteht die dringende Warnung. Was dort an Argumenten versammelt ist, stammt komplett vom intellektuellen Misthaufen, auf dem rechtes Gedankengut vor sich hin stinkt. Man tut diesen Leuten im Grunde zu viel der Ehre an, sie überhaupt wahrzunehmen. Das Schlimme ist nur, dass deren wissenschaftlich verbrämte Infamie eine Politik befeuert, die Menschenverachtung als Programm hat. Deren Worte müssen wir wirklich als Taten fürchten. Nur am Rande: Stirn ist stellvertretende Direktorin der Libermenta Klinik Schloss Tremsbüttel (im südlichen Schleswig-Holstein gelegen). Das ist ein als Privatklinik umfunktioniertes Schlosshotel für eine gut betuchte Klientel. Auffallend, wie sehr auf der Webseite dauernd von Wertschätzung die Rede ist. Die Wertschätzung könnte man durchaus und sehr wörtlich auf den Kontostand der Kundschaft beziehen, denn in Bezug auf Menschlichkeit und auf Empathie hat Frau Stirn genau diese Wertschätzung in der Ausschuss-Anhörung vom November letzten Jahres missen lassen und stattdessen trans Menschen zum gesellschaftlichen Risiko erklärt. Wertschätzung scheint also auch eine Frage des Geldes zu sein. Die DGfS muss auch ihre Vergangenheit aufarbeiten Noch ein Wort zur Stellungnahme der DGfS: Die Sexualwissenschaft tut gut daran, sich von ihrer Vergangenheit zu verabschieden. Sie hat mit ihrer strikten Pathologisierung von trans viel Unheil über uns gebracht. Eine ihrer Koryphäen, Volkmar Sigusch, fand darüber zu später Reue, indem er die sexualwissenschaftlichen Zumutungen gerade gegen trans Menschen klar benannte. Anstatt nach 1945 auf dem progressiven Erbe aufzubauen, das in den 1920er Jahren Magnus Hirschfeld geschaffen hatte, blieb man der Psychopathologie alten Stils treu. Gewiss, nicht alles von Hirschfeld hatte Bestand, aber seine Haltung als Wissenschaftler fehlte später. Das war eine Haltung, die auf Entpathologisierung und Normalisierung setzte. Wir wären heute in Fragen der Akzeptanz gesellschaftlich mit Sicherheit weiter. Umso erfreulicher ist das Bekenntnis der DGfS zu einer pluralistischen Gesellschaft. Deshalb mit Blick auf die aktuelle Positionierung: Lieber spät als nie! Quelle: https://www.queer.de/detail.php?article_id=48336 Mfg Nikita Noemi Rothenbächer

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