Samstag, 16. Juni 2012

Transsexualität ist die moderne Erscheinungsform für ein Bewusstsein und Verhalten,

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Transsexualität ist die moderne Erscheinungsform für ein Bewusstsein und Verhalten, das in allen Epochen der Geschichte der Menschheit vorgekommen ist. In praktisch allen Kulturen finden sich Menschen, die ihre Geschlechtlichkeit, ihr sexuelles Verhalten und selbst ihren Körper umgewandelt haben.

Als die Göttin Kybele, die Grosse Mutter aller Götter, aus dem kleinasiatischen Phrygien nach Rom zog, brachte sie ihre "galloi" mit. Es waren Gefolgsleute, die als männliche Wesen geboren worden waren, sich aber selbst entmannt hatten. Das entsprechende Ritual wurde mit wildem Gesang und ekstatischem Tanz begangen, an dem auch Zuschauer teilnahmen und den "galloi" Blumen zuwarfen. In der Genesungszeit assen die "galloi" jene Ritualspeisen, die üblicherweise den Wöchnerinnen vorbehalten waren. Nach der Heilung traten sie in die Dienste Kybeles ein und trugen fortan Frauenkleider.

Kybele war selber ursprünglich ein doppelgeschlechtliches Wesen, bis die männlichen Organe entfernt wurden. Gemäss mehreren Quellen soll es Dionysos, der Gott des Weines und der Ekstase, gewesen sein, der diese "Operation" vornahm. Auch Dionysos selbst wurde transgeschlechtlich geboren und als Mädchen grossgezogen.

Seien es Astarte und Ischtar im Mittleren Osten oder Artemis und Aphrodite in Griechenland - die Göttinnen der alten Kulte zählten besondere Menschen zu ihrem Gefolge. Menschen, die wir heute Transsexuelle nennen würden. Frauen entledigten sich ihrer Brüste und fanden Mittel und Wege, die Menstruation zu stoppen; sie trugen fortan Männerkleider und einen Phallus. Männer kleideten sich als Frauen und praktizierten die Selbstentmannung.

In den Gesängen Homers wird Aphrodite als Göttin der Liebe dargestellt. Ihre Huldiger beschrieben sie aber auch als Hermaphrodit - ein Begriff, der aus der Verbindung von "Hermes", einem phallischen Gott, und "Aphrodite" entstand. Selbst der Mythos von der Geburt Aphrodites weist auf einen uralten transsexuellen Hintergrund hin: Hesiod (um 700 v. Chr.) erzählt, dass Uranus, der Gott des Himmels, zum Tyrannen wurde, Gaia (die Erde) ersticken und ihre gemeinsamen Kinder vernichten wollte. Gaia schuf eine Sichel und gab sie ihrem Sohn Kronos (Saturn), der damit seinen Vater entmannte und die abgeschnittenen Genitalien ins Meer warf. Dem Wasser entstieg Aphrodite, die vollkommene Weiblichkeit.

Der offenkundigste Unterschied zwischen heutigen Transsexuellen und den Huldigern von Kybele oder Aphrodite liegt in der Anwendung moderner medizinischer Technologie. Heute leiten die transsexuellen Männer und Frauen ihre physische Umwandlung mit einer Hormonbehandlung ein. Bei transsexuellen Frauen - Männer, die zu Frauen werden - verursachen Östrogen und andere Hormonbehandlungen das Wachstum der Brüste, die Rundung der Hüften sowie die Verlagerung der Fettzellen, zudem werden Gesichtszüge weicher. Transsexuelle Männer, Frauen, die zu Männern werden, nehmen das Hormon Testosteron ein, das eine tiefere Stimme und Bartwuchs, aber auch Kahlwuchs, Verhärtung und kantigere Konturen des Körpers bewirkt.

Transsexuelle Menschen gehen somit in dem Geschlecht, dem sie sich zugehörig fühlen, durch eine zweite Pubertät. An die erste denken viele nur mit schmerzlichen Gefühlen zurück, weil sich ihr Körper damals auf eine Art veränderte, die ihnen zuwider war. Diesmal gehen die Veränderungen mit der erwartungsfrohen Spannung, den gesellschaftlichen Ungeschicklichkeiten und der Experimentierlust einher, die wir gemeinhin mit Teenagern assoziieren.

Der operative Eingriff erfolgt nach 12 Monaten Hormonbehandlung und "cross-living": der Kleidung, dem Arbeiten und dem gesellschaftlichen Leben in der Rolle des Geschlechtes, das der transsexuelle Mensch anzunehmen wünscht und dem er sich insgeheim immer zugehörig fühlte.

Bei der Operation vom Mann zur Frau geht es nicht einfach darum, die Genitalien zu entfernen. Der chirurgische Eingriff soll sie vielmehr neu formen. Der Chirurg stülpt den Penis um und verwendet das Gewebe zum Aufbau der Innenwand für die neue Vagina. Der Hodensack wird zu Schamlippen umgewandelt, während die neue Klitoris die hochsensiblen Nervenenden der Penisspitze aufnimmt. Da die Wirkung des Östrogens auf den Körper begrenzt ist, behalten viele transsexuelle Frauen männliche Attribute wie etwa die tiefe Stimme.

Die Operation, mit der eine Frau zum Mann wird, ist komplizierter und das Resultat weniger zufriedenstellend. Erste einfache Eingriffe betreffen die Reduzierung der Brust und eine Hysterektomie: die Entfernung der Gebärmutter. Schwieriger ist die Herstellung eines Penis. Der Chirurg formt das Organ aus Hautstücken, die er verschiedenen Körperstellen entnimmt. Das Peniskonstrukt dient zur Vergrösserung der Klitoris, die durch die Testosterongaben häufig phallusähnlich gewachsen ist. Einen neuen Körperteil zu schaffen ist natürlich viel schwieriger - und auch teurer -, als etwas Vorhandenes abzuändern.

Aus diesem Grund wollen sich viele transsexuelle Männer diesem letzten Schritt nicht unterziehen. Ihre durch die starke Wirkung des Testosterons vergrösserte und damit penisähnliche Klitoris genügt ihren sexuellen Bedürfnissen meist, und die physische Erscheinung als Mann ist ihnen wichtiger als die intime sexuelle Funktionstüchtigkeit. Mit ihrem Bartwuchs und einem muskulösen Körper lässt sich die Mehrzahl der transsexuellen Männer von gewöhnlichen, nicht transsexuellen Männern kaum unterscheiden.

Viele sehen in der Geschlechtsumwandlung eine Vergewaltigung der Natur. Dabei gilt es aber auch folgendes zu bedenken: Jeder Fötus beginnt sein Leben als androgynes Wesen, dessen Geschlechtsentwicklung in beide Richtungen gehen kann. Die Geschlechtsdrüsen, in denen sich die Geschlechtszellen für die Vagina wie für den Penis bilden, sind bei männlichem und weiblichem Fötus dieselben. Schamlippen und Hodensack entstehen aus dem gleichen Gewebe. In gewissem Sinne macht der Chirurg lediglich die ursprüngliche Entwicklung rückgängig - oder "korrigiert" sie, wie es die Transsexuellen nennen.

In der westlichen Kultur hat sich die eindimensionale Sicht der geschlechtlichen Identität behauptet. Wer mit einem Penis auf die Welt gekommen ist, muss sich als Mann verstehen, männlich agieren und Sex mit Frauen wünschen. Jene mit einer Vagina haben genau umgekehrt zu empfinden. Nach demselben Denkmuster glauben viele, dass Transsexualität eine extreme Form der Homosexualität sei. Als ob ein schwuler Mann sich selbst nicht akzeptieren könnte und versuchen wollte, eine "normale" heterosexuelle Frau zu werden. Transsexualität hat indessen nicht das Geringste mit der Frage zu tun, ob jemand Frauen oder Männer begehrt. Statt als homosexuelle Männer zu leben, werden viele transsexuelle Frauen nach ihrer Mann-zu-Frau-Operation Lesbierinnen. Umgekehrt gehen etliche Frau-zu-Mann-Transsexuelle eine gleichgeschlechtliche Beziehung mit einem Mann ein.

Die Transsexualität lehrt uns, dass anatomisches Geschlecht, geschlechtliche Identität, sexuelle Vorlieben wie auch männliches und weibliches Rollenverhalten voneinander unabhängige Elemente sind, die sich in ihren möglichen Kombinationen in jedem Menschen unterschiedlich auswirken. Eine transsexuelle Frau weiss, dass sie eine Frau ist, ein transsexueller Mann weiss, dass er ein Mann ist, das ist alles. Transsexualität ist eine Erfahrung im geistig-seelischen Bereich, ein spirituelles Erwachen; mit rationalem Denken und Verstand haben diese Empfindungen rein gar nichts zu tun.

Ein Grossteil der transsexuellen Frauen und Männer entscheidet sich nur nach langen inneren Kämpfen dafür, die Geschlechtsumwandlung tatsächlich durchführen zu lassen. Niemand hat jemals irgendwen dazu gezwungen, ein "gallos" zu werden. Ebensowenig treibt auch niemand die Transsexuellen zu einer Operation. Ihre innere Überzeugung ist so stark, dass sie sich durch nichts verunsichern lassen. Diese Determiniertheit hilft ihnen, die bevorstehenden medizinischen Schwierigkeiten und sozialen Probleme durchzustehen.

In den ersten Dekaden der transsexuellen klinischen Behandlungen kam das "cross-living" einem Sterben gleich. Die transsexuellen Frauen und Männer liessen Arbeit, Freunde und Familie zurück, zogen an einen andern Ort und bauten sich eine neue Identität auf, wobei sie alles daran setzten, dass niemand ihre Geschichte erfahren würde. In den letzten Jahren haben sich nicht wenige Transsexuelle dafür entschieden, die Phase des "cross-living" nicht mehr zu verheimlichen. Statt ihr soziales Netzwerk aufzugeben, suchen sie die Unterstützung ihrer Freunde. Statt eine andere Stelle zu finden oder eine neue Karriere aufzubauen, geben sie ihren Entschluss bekannt, während der Geschlechtsumwandlung ihre Arbeit beizubehalten. Die neue Offenheit kommt von den Transsexuellen selber: Sie sehen keinen Grund, wieso sie ihre wahre Identität verbergen sollten.

Transsexualität lässt sich nicht mit logischen Überlegungen begreifen. Es geht nicht um Logik; es geht um eine Passion. Es ist kein Zufall, dass zu den Figuren der griechischen Mythologie, die mit Geschlechtswechsel assoziiert werden, die Göttin der Liebe und der Gott der Ekstase gehören.

Was sonst ausser purer Leidenschaft könnte einen Menschen soweit bringen, dass er seine soziale Stellung aufgibt, Spott und Hohn der Gesellschaft und vielleicht sogar Gewalttätigkeiten auf sich nimmt, seine Karriere, Freunde, Familie aufs Spiel setzt und zu guter Letzt seinen Körper mittels Medikamenten und chirurgischer Eingriffe umwandeln lässt? Das Verlangen ist so alt wie die Menschheit.

Die Transsexualität hat damit begonnen, diese Passion zu erforschen, indem sie Themenbereiche wie jene der Identität, des tiefverwurzelten Glaubens oder Annahmen von vermeintlichen physischen Wahrheiten anspricht.

Im Zeitalter des Coming-out sehen auch immer mehr Transsexuelle keinen Grund, wieso sie ihre wahre Identität im Alltagsleben verbergen sollten. Das "cross-living" kommt für viele nicht mehr länger einem Sterben gleich.

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