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Transsexuelle in der Ehe!!
Das soll der Staat nicht trennen
13. August 2008 Das Transsexuellengesetz (TSG) ist kein besonders umfangreiches Gesetz: Achtzehn Paragraphen, die Berlinklausel und Bestimmung des Inkrafttretens eingeschlossen, muss lesen, wer sich einen Überblick zu diesem rechtlichen Spezialgebiet verschaffen will. Mehrere dieser Vorschriften hat das Bundesverfassungsgericht seit dem Inkrafttreten des Gesetzes 1980 für nichtig erklärt. Andere, beispielsweise das Offenbarungsverbot, das Transsexuelle davor schützen soll, dass ihr früherer Name und damit auch ihre Geschichte publik werden, sind unklar formuliert und führen in der Praxis zu Problemen.
Seit längerem bemühen sich Interessengruppen und von den politischen Parteien insbesondere Bündnis 90/Die Grünen daher, eine umfassende Reform des richterlich zurechtgestutzten Gesetzes in die Wege zu leiten - bislang vergeblich. Das liegt allerdings, wie die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Bundesverfassungsgericht: „Neues Geschlecht ohne Scheidung anzuerkennen“) vor Augen führt, nicht nur daran, dass Transsexuelle eine eher schwache Lobby haben. Die im TSG so knapp geregelten Probleme rühren auch an grundlegende gesellschaftliche Wertvorstellungen.
Als Frau wird man nicht nur geboren
Das Transsexuellengesetz legt als Konsequenz gesellschaftlicher Entwicklungen und medizinischer Möglichkeiten offen, dass das Geschlecht, anders als es intuitiv wahrgenommen wird, einen beträchtlichen normativen Anteil hat und sogar nach medizinischer Behandlung durch richterliche Entscheidung als verändert festgesetzt werden kann. Paragraph 8 TSG sieht nämlich vor, dass eine „transsexuell geprägte Person“ für den Fall, dass bestimmte Bedingungen erfüllt sind, Anspruch darauf hat, dass sie als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist. Das liest sich als medizinrechtliche Variante des sozialpolitischen Beauvoirschen Diktums über die Zuschreibung von Rollenstereotypen: Als Frau wird man nicht nur geboren, man kann auch zu einer gemacht werden. Nichts anderes gilt aus rechtlicher Sicht auch für Männer.
Solange aber das Geschlecht, allen Diskriminierungsverboten und Gleichstellungsgeboten zum Trotz, noch Anknüpfungspunkt für rechtliche Besonderheiten ist, weist damit auch das Transsexuellengesetz systematisch weit über den vergleichsweise kleinen Kreis der direkt Betroffenen hinaus. Denn die Vorstellung, dass das Geschlecht etwas Veränderbares ist, Männer nicht immer Männer bleiben, Frauen nicht immer Frauen, gerät notwendigerweise in Konflikt mit Regelungen, die das Geschlecht als eine statische Kategorie voraussetzen, die nur das „heute wie immer“ kennt und ein unnachgiebiges Entweder-Oder.
Eine unerträgliche Zwangslage
„Auch die mit der Berichtigung des Geschlechtseintrags verbundene Folge, dass der Beschwerdeführer einen Angehörigen seines früheren Geschlechts heiraten kann, verstößt nicht gegen das Sittengesetz“, entschied das Bundesverfassungsgericht 1978 in dem ersten Verfahren, das den Anspruch eines als Frau lebenden geborenen Mannes auf Korrektur seines Geschlechtseintrages im Geburtsbuch bejahte. Die Sorge um die Folgen, die die Anerkennung des empfundenen Geschlechts als rechtlich verbindlich für die Ehe haben könnte, haben das Gesetz von Anfang an begleitet. Während mittlerweile die Eheschließung eines transsexuellen Menschen mit einem Partner des anderen Geschlechts aber ohne weitere Bedenken hingenommen wird, ruft es noch Widerstand hervor, wenn eine traditionell erscheinende Ehe durch die Personenstandsänderung eines Partners plötzlich ihr nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konstituierendes Merkmal - die Verschiedengeschlechtlichkeit - verliert und nach außen nur mehr wie eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft wirkt, um die es sich aber gerade nicht handelt.
Damit der individuelle Lebensentwurf des verheirateten Paares die gesellschaftliche Konvention nicht irritiert, erlaubte Paragraph 8 TSG den Gerichten die Feststellung des neuen Geschlechts nur, wenn der oder die Antragstellende aktuell nicht verheiratet ist. Jetzt hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass die durch diese Bestimmung für verheiratete Transsexuelle geschaffene Zwangslage - sich entweder für ihr neues Geschlecht oder für die vor Zeiten geschlossene Ehe zu entscheiden - eine schwere, nicht gerechtfertigte Grundrechtsverletzung darstellt. In diesem Zusammenhang verweisen die Verfassungsrichter darauf, dass auch die individuelle Ehe, die jemand rechtmäßig geschlossen hat, der später aufgrund seiner transsexuellen Prägung sein Geschlecht verändern ließ, und nicht nur die Ehe als Rechtsinstitut, zu dessen Gehalt gehört, dass sie Mann und Frau zu einer Lebensgemeinschaft vereint, unter dem Schutz des Artikels 6 des Grundgesetzes steht. Die erfolgreich angegriffene Vorschrift ist nun bis zu ihrer Neufassung, für die dem Gesetzgeber ein Jahr Zeit gegeben wurde, nicht mehr anwendbar.
Drei Lösungsvorschläge
Drei Lösungsvorschläge unterbreiten die Karlsruher Richter dem Gesetzgeber: erstens Überführung der bisherigen Ehe des Transsexuellen in eine Eingetragene Lebenspartnerschaft, zweitens Schaffung einer neuen Form der rechtlich abgesicherten Lebensgemeinschaft nur für diesen Personenkreis - in beiden Fällen müssten die durch die Ehe erworbenen Rechte und auferlegten Pflichten einem solchen Paar aber ungeschmälert erhalten bleiben, was gegenüber der Eingetragenen Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare ein spürbarer Vorteil ist. Drittens halten die Richter auch die Streichung der angegriffenen Vorschrift aus dem Transsexuellengesetz für denkbar - was zur Folge hätte, dass die bereits geschlossene Ehe ohne weiteres fortgeführt werden könnte.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Transsexuellengesetz würde zu einer weiteren Ausdifferenzierung von rechtlich normierten Lebensgemeinschaften führen, sollte der dritte Weg nicht beschritten werden und neben die standesamtlich begründete Ehe, die Eingetragene Lebenspartnerschaft und die im Sozialrecht bedeutsame eheähnliche Einstandsgemeinschaft, die vor allem Pflichten begründet, ohne Rechte zu gewähren, die mit ehegleichen Rechten und Pflichten ausgestattete Eingetragene Lebenspartnerschaft eines transsexuellen Menschen mit seinem ehemaligen Ehepartner treten. Zudem gibt es neuerdings noch die kirchlich geschlossene Ehe, die entgegen landläufiger Hinsicht durchaus rechtliche Folgen nach sich ziehen wird, zumindest werden kirchlich getraute Paare in sozialrechtlicher Hinsicht sicher als eheähnliche Einstandsgemeinschaft behandelt werden.
Die Rechte und der Name der Ehe
Konnte die Mehrheit des Ersten Senats in seiner sechs Jahre zurückliegenden Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes noch getrost behaupten, dass die Ehe als Institut in ihren verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien und ihrer Ausgestaltung durch den Gesetzgeber selbst nicht betroffen sei, da ihr rechtliches Fundament keine Änderung erfahren habe, handele es sich bei der Lebenspartnerschaft doch um ein „aliud“ („etwas anderes“), so lässt sich das mit Blick auf die neu zu regelnde Gemeinschaft nicht mehr sagen: Ob sie als Eingetragene Partnerschaft firmiert oder ein Rechtsinstitut sui generis sein soll - da die erworbenen Rechte und auferlegten Pflichten der bisherigen Ehe entsprechen müssen, handelt es sich auch de facto um eine Fortführung dieser Ehe. Sie könnte also auch als Ehe bezeichnet werden.
Auch wenn es sich nur um einen kleinen Personenkreis handelt, für den diese Regelung in Betracht kommt, ist doch die Veränderung gegenüber der bisherigen rechtlichen Lage erheblich: Künftig wird es Lebenspartnerschaften zwischen Menschen gleichen Geschlechts geben, die rechtlich wie die Ehe ausgestaltet sein müssen. Zwar ist Voraussetzung für diese neue Form der ehegleichen Partnerschaft, dass einmal eine traditionelle Ehe geschlossen wurde, mit Blick in die Zukunft ist diese neue Gemeinschaftsform aber von der von vornherein gleichgeschlechtlichen Eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht zu unterscheiden. Nicht immer wird es auch so sein, wie im aktuell in Karlsruhe verhandelten Fall, dass der geschlechtsangleichenden Operation fünfzig Ehejahre vorangegangen sind.
Weiteres Ungemach
Angesichts dieser Entwicklungen erscheint zweifelhaft, dass sich die 1959 erstmals formulierte Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sinnvoll halten lässt, dass die Ehe von alters her überkommenen und in ihrem Kern unverändert gebliebenen Strukturprinzipien der außerrechtlichen Lebensordnung unterliege, nach der sie die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zur grundsätzlich unauflöslichen Lebensgemeinschaft sei. In dem Maß, wie das Geschlecht zur disponiblen, rechtlich und gesellschaftlich zudem auch immer weniger bedeutsamen Kategorie geworden ist, ist zusehends schwerer zu begründen, warum gerade der Verschiedengeschlechtlichkeit konstituierender Charakter für die Ehe zukommen soll. Der Förderung von Gemeinschaften, deren materielle und ideelle Substanz auch das Bundesverfassungsgericht auf den Begriff der Verantwortungsgemeinschaft bringt, wäre eine Gleichbehandlung hinsichtlich der Rechte und Pflichten wohl förderlicher.
Überdies droht der Ehe traditioneller Art, wenn ihre Verfechter vor allem auf das Merkmal abheben, dass eine Ehe durch die Vereinigung von Mann und Frau konstituiert wird, schon in naher Zukunft weiteres Ungemach. Angesichts des zunehmend selbstbewussteren Auftretens von Zwittern stellt sich die Frage, wie auf deren Forderung nach Möglichkeiten, eine rechtlich abgesicherte Partnerschaft einzugehen, reagiert werden soll. Man könnte ein weiteres Lebenspartnerschaftsinstitut sui generis schaffen - aber mit welchen Rechten und Pflichten?
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