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Bearbeitet von Nikita Noemi
Rothenbächer 2012
Psychopathologisierung
von Transsexuellen geht weiter und noch weiter!
Transsexuelle Menschen werden in dieser Gesellschaft als
psychisch gestört betrachtet, man darf sie ausgrenzen, verspotten,
diskriminieren und ab und zu auch mal todschlagen. Grundlage dieses Denkens ist
der medizinische Irrtum, dass Transsexualität eine Persönlichkeitsstörung sei.
Jahrzehntelang hat man aufgrund dieser Fehleinschätzung Transsexuelle
zwangstherapiert, versuchte sie mittels Verhaltenstherapie, Elektroschocks und
sonstigen lustigen Errungenschaften der modernen Psychiatrie weichzukochen – ohne
Erfolg. Bis zum heuten Tag ist es nicht einmal gelungen, die
Geschlechtsidentität eines Menschen zu ändern. Schon zu Beginn der
Transsexualitätsforschung gab es nahm hafte Stimmen, die den Standpunkt
vertraten, dass Transsexualität biologische Ursachen haben könnte. Aber wer
einmal im Mahlwerk der Psychiatrie landet, wird von dort nicht mehr
freigelassen, niemals.
Die Forschung des letzten Jahrzehnts hat diesen Irrtum
entlarvt. Man entdeckte, dass die anatomische Hirn-Struktur von transsexuellen
Frauen mit der von “biologisch korrekten Frauen” übereinstimmt. Man fand
verschiedene genetische Marker, die bei Transsexuellen gehäuft vorkommen.
Kürzlich las ich eine Studie, welche die Forschungsresultate der letzten zehn
Jahre zusammenfasste. Daraus resultiert klar, dass Transsexualität biologische
Ursachen hat, vermutlich verursacht durch hormonelle Veränderungen im
Mutterleib und genetischen Faktoren. Selbst in der psychosozialen Abteilung des
Zürcher Universitätsspitals, an dem ich behandelt und “diagnostiziert” wurde,
bestätigte man mir mehrmals, dass sie dort nicht mehr von einer psychischen
Störung ausgehen sondern eindeutig biologische Ursachen hinter dem Phänomen
Transsexualismus stehen.
All das bewog mich dazu, zu hoffen und zu glauben, dass die
internationalen Diagnosebibeln DSM und ICD endlich geändert werden und
Transsexualismus nicht mehr unter psychischen Störungen aufgelistet wird
sondern irgendwo im Bereich von biologischen Erkrankungen/Veränderungen. Aber
die Sektierer der Psychiatrie scheinen einen Narren an uns Transsexuellen
gefressen haben, sie wollen uns einfach nicht aus ihren Fittichen entlassen,
zumindest macht es diesen Anschein, wenn ich die neuste Entwicklung betrachte.
Während Transsexualität im ICD-10 unter Persönlichkeits- und
Verhaltensstörungen eingereiht ist, zusammen mit Schizophrenie und anderen
Erkrankungen, genaugenommen in der Gruppe F64 zusammen mit Transvestitismus,
wird Transsexualität nach DSM-IV unter 302.6 als “Gender Identity Disorder”
klassifiziert, also eine “Störung der Geschlechtsidentität”.
Spätestens seit man von den biologischen Ursachen von
Transsexualität Weiß, müsste Transsexualität aus dem DSM gestrichen werden,
weil DSM nur psychische Störungen auflistet. Aber die APA (American Psychiatric
Association) hat sich in so zwangsneurotischer Weise an uns festgebissen, dass
dort offenbar kollektive Faktenresistenz ausgebrochen ist.
Dieser Tage wurde der erste Entwurf für DSM-V veröffentlicht
und aller Fakten zum Trotz wird Transsexualität nachwievor dort eingereiht. Als
ob das nicht genug wäre, wurde nun auch Intersexualität in diese Region
einsortiert – das muss man sich wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen.
Intersexuelle (Zwitter) kommen mit nicht eindeutigen Geschlechtsmerkmalen zur
Welt und werden in der Regel zwecks Geschlechterkonformität mit dem Skalpell
kastriert und umgeformt, was an sich schwerste Menschenrechtsverletzung ist.
Was für eine psychische Störung soll das denn sein, die bewirkt, dass ein
Embryo sich teilweise ins falsche Geschlecht entwickelt? Ich weiß nicht, wie
verblödet man sein muss, um auf so eine Idee zu kommen, es ist einfach der
Gipfel der Absurdität. Vielleicht haben diese amerikanischen Psychiater zu
viele Transsex-Filme geschaut und möchten jetzt alles was geschlechtlich nicht eindeutig
ist, in ihren Händen haben, ich weiß es nicht. Aber so eine groteske Form des
Fehldenkens gehört offensichtlich dringendst psychiatrisch behandelt.
Vielleicht helfen denen ja ein paar kräftige Elektroschocks oder etwas
Verhaltenstherapie, auf jeden Fall ist so eine abnorme Denkweise schwer
pathologisch.
Die Überarbeitung von DSM-V hat zwar auch Verbesserungen
gebracht, vor allem für Kinder die nicht den gesellschaftlichen
Geschlechternormen entsprechen. Es braucht nun etwas mehr um diese zu pathologisieren
und so bleibt die Hoffnung, dass Kinder zukünftig nicht mehr ganz so schnell in
Schablonen gepresst werden und zugunsten geschlechtlicher Eindeutigkeit von
psychotischen Psychiatern zwangstherapiert werden. Es gibt nun mal Jungs die
weibliche Seiten haben und umgekehrt. Diese “zweite Seite” eines Menschen zu
unterdrücken ist einmal mehr eine schwere Menschenrechtsverletzung, die ein
Individuum zugunsten der Konformität verkrüppelt.
Für mich als Transsexuelle bleibt der wichtigste Punkt
ausgelassen. Ungeachtet der nachgewiesenen biologischen und genetischen
Ursachen von Transsexualität gelten wir für die Sektierer der Psychiatrie
weiterhin als geistesgestörte Männer, die “den starken Wunsch verspüren, dem
‘zugewiesenen’ Geschlecht anzugehören”. Würde es sich bei Transsexualität um
einen Wunsch handeln, wäre es ein medizinisches Wunder, dass dieser Wunsch
sowohl DNA als auch die anatomische Hirnstruktur verändern kann.
Die Chance wurde einmal mehr vertan, transsexuellen Menschen
die Menschenwürde zukommen zu lassen, die uns gemäß internationalen
Menschenrechten zustehen würde. Die Psychopathologisierung wird weiterhin
ad-absurdum getrieben und die Gesellschaft weiterhin in diesem Irrtum belassen.
Ausgrenzung bis hin zur Verachtung werden weiterhin unser täglicher Begleiter
sein und auch dieses Jahr werden wieder eine Hundertschaft Transgender Opfer
von Hate-Crimes – weil eine psychiatrische Elite sich über Fakten hinwegsetzt
und nicht eingestehen will, dass sie jahrzehntelang Menschenrechtsverletzungen
begangen haben.
Solange transsexuelle Menschen weiterhin zusammen mit
Pädophilen, Exhibitionisten, Sadomasochisten usw. in einer Schachtel namens
Sexual and Gender Identity Disorders einsortiert werden, wird die
jahrzehntelange Stigmatisierung von Menschen mit einer biologischen
Andersartigkeit weiterhin betoniert und wir zahlen weiterhin den Preis für
diese akademische Ignoranz, im Alltag, bei der Jobsuche, im Freundeskreis – so
bleiben wir weiterhin wider aller Fakten die Gestörten, die wir nie waren.
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