Mittwoch, 1. August 2012

Psychopathologisierung von Transsexuellen geht weiter und noch weiter!


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Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012

Psychopathologisierung von Transsexuellen geht weiter und noch weiter!

Transsexuelle Menschen werden in dieser Gesellschaft als psychisch gestört betrachtet, man darf sie ausgrenzen, verspotten, diskriminieren und ab und zu auch mal todschlagen. Grundlage dieses Denkens ist der medizinische Irrtum, dass Transsexualität eine Persönlichkeitsstörung sei. Jahrzehntelang hat man aufgrund dieser Fehleinschätzung Transsexuelle zwangstherapiert, versuchte sie mittels Verhaltenstherapie, Elektroschocks und sonstigen lustigen Errungenschaften der modernen Psychiatrie weichzukochen – ohne Erfolg. Bis zum heuten Tag ist es nicht einmal gelungen, die Geschlechtsidentität eines Menschen zu ändern. Schon zu Beginn der Transsexualitätsforschung gab es nahm hafte Stimmen, die den Standpunkt vertraten, dass Transsexualität biologische Ursachen haben könnte. Aber wer einmal im Mahlwerk der Psychiatrie landet, wird von dort nicht mehr freigelassen, niemals.

Die Forschung des letzten Jahrzehnts hat diesen Irrtum entlarvt. Man entdeckte, dass die anatomische Hirn-Struktur von transsexuellen Frauen mit der von “biologisch korrekten Frauen” übereinstimmt. Man fand verschiedene genetische Marker, die bei Transsexuellen gehäuft vorkommen. Kürzlich las ich eine Studie, welche die Forschungsresultate der letzten zehn Jahre zusammenfasste. Daraus resultiert klar, dass Transsexualität biologische Ursachen hat, vermutlich verursacht durch hormonelle Veränderungen im Mutterleib und genetischen Faktoren. Selbst in der psychosozialen Abteilung des Zürcher Universitätsspitals, an dem ich behandelt und “diagnostiziert” wurde, bestätigte man mir mehrmals, dass sie dort nicht mehr von einer psychischen Störung ausgehen sondern eindeutig biologische Ursachen hinter dem Phänomen Transsexualismus stehen.

All das bewog mich dazu, zu hoffen und zu glauben, dass die internationalen Diagnosebibeln DSM und ICD endlich geändert werden und Transsexualismus nicht mehr unter psychischen Störungen aufgelistet wird sondern irgendwo im Bereich von biologischen Erkrankungen/Veränderungen. Aber die Sektierer der Psychiatrie scheinen einen Narren an uns Transsexuellen gefressen haben, sie wollen uns einfach nicht aus ihren Fittichen entlassen, zumindest macht es diesen Anschein, wenn ich die neuste Entwicklung betrachte.

Während Transsexualität im ICD-10 unter Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen eingereiht ist, zusammen mit Schizophrenie und anderen Erkrankungen, genaugenommen in der Gruppe F64 zusammen mit Transvestitismus, wird Transsexualität nach DSM-IV unter 302.6 als “Gender Identity Disorder” klassifiziert, also eine “Störung der Geschlechtsidentität”.

Spätestens seit man von den biologischen Ursachen von Transsexualität Weiß, müsste Transsexualität aus dem DSM gestrichen werden, weil DSM nur psychische Störungen auflistet. Aber die APA (American Psychiatric Association) hat sich in so zwangsneurotischer Weise an uns festgebissen, dass dort offenbar kollektive Faktenresistenz ausgebrochen ist.

Dieser Tage wurde der erste Entwurf für DSM-V veröffentlicht und aller Fakten zum Trotz wird Transsexualität nachwievor dort eingereiht. Als ob das nicht genug wäre, wurde nun auch Intersexualität in diese Region einsortiert – das muss man sich wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen. Intersexuelle (Zwitter) kommen mit nicht eindeutigen Geschlechtsmerkmalen zur Welt und werden in der Regel zwecks Geschlechterkonformität mit dem Skalpell kastriert und umgeformt, was an sich schwerste Menschenrechtsverletzung ist. Was für eine psychische Störung soll das denn sein, die bewirkt, dass ein Embryo sich teilweise ins falsche Geschlecht entwickelt? Ich weiß nicht, wie verblödet man sein muss, um auf so eine Idee zu kommen, es ist einfach der Gipfel der Absurdität. Vielleicht haben diese amerikanischen Psychiater zu viele Transsex-Filme geschaut und möchten jetzt alles was geschlechtlich nicht eindeutig ist, in ihren Händen haben, ich weiß es nicht. Aber so eine groteske Form des Fehldenkens gehört offensichtlich dringendst psychiatrisch behandelt. Vielleicht helfen denen ja ein paar kräftige Elektroschocks oder etwas Verhaltenstherapie, auf jeden Fall ist so eine abnorme Denkweise schwer pathologisch.

Die Überarbeitung von DSM-V hat zwar auch Verbesserungen gebracht, vor allem für Kinder die nicht den gesellschaftlichen Geschlechternormen entsprechen. Es braucht nun etwas mehr um diese zu pathologisieren und so bleibt die Hoffnung, dass Kinder zukünftig nicht mehr ganz so schnell in Schablonen gepresst werden und zugunsten geschlechtlicher Eindeutigkeit von psychotischen Psychiatern zwangstherapiert werden. Es gibt nun mal Jungs die weibliche Seiten haben und umgekehrt. Diese “zweite Seite” eines Menschen zu unterdrücken ist einmal mehr eine schwere Menschenrechtsverletzung, die ein Individuum zugunsten der Konformität verkrüppelt.

Für mich als Transsexuelle bleibt der wichtigste Punkt ausgelassen. Ungeachtet der nachgewiesenen biologischen und genetischen Ursachen von Transsexualität gelten wir für die Sektierer der Psychiatrie weiterhin als geistesgestörte Männer, die “den starken Wunsch verspüren, dem ‘zugewiesenen’ Geschlecht anzugehören”. Würde es sich bei Transsexualität um einen Wunsch handeln, wäre es ein medizinisches Wunder, dass dieser Wunsch sowohl DNA als auch die anatomische Hirnstruktur verändern kann.

Die Chance wurde einmal mehr vertan, transsexuellen Menschen die Menschenwürde zukommen zu lassen, die uns gemäß internationalen Menschenrechten zustehen würde. Die Psychopathologisierung wird weiterhin ad-absurdum getrieben und die Gesellschaft weiterhin in diesem Irrtum belassen. Ausgrenzung bis hin zur Verachtung werden weiterhin unser täglicher Begleiter sein und auch dieses Jahr werden wieder eine Hundertschaft Transgender Opfer von Hate-Crimes – weil eine psychiatrische Elite sich über Fakten hinwegsetzt und nicht eingestehen will, dass sie jahrzehntelang Menschenrechtsverletzungen begangen haben.

Solange transsexuelle Menschen weiterhin zusammen mit Pädophilen, Exhibitionisten, Sadomasochisten usw. in einer Schachtel namens Sexual and Gender Identity Disorders einsortiert werden, wird die jahrzehntelange Stigmatisierung von Menschen mit einer biologischen Andersartigkeit weiterhin betoniert und wir zahlen weiterhin den Preis für diese akademische Ignoranz, im Alltag, bei der Jobsuche, im Freundeskreis – so bleiben wir weiterhin wider aller Fakten die Gestörten, die wir nie waren.

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