Mittwoch, 29. August 2012

Ein ganz spezieller Fall? Die Chance zum Trans


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Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012

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Ein ganz spezieller Fall?

Die Chance zum Trans


Zum großen Erstaunen der Soldaten und Offiziere wurde im Juni 2003 neben der Flagge des Staates Israel die Regenbogenflagge gehisst. Ort des Geschehens: Eine Marinebasis in Elat. Anlass: Entlassungsparty von Tal Aizik.

Dies war nicht nur irgendeine weitere Entlassungsparty. Für Aizik symbolisierte sie einen weiteren Fortschritt und persönlichen Erfolg: Was als gewöhnlicher Wehrdienst für Frauen in der Dauer von einem Jahr und neun Monaten begann, endete in einer Qualifikation zum Nahkampftrainer nach drei Jahren, wie die Dauer des Wehrdienstes für Männer vorgeschrieben ist.

Bei der Rückgabe der Armeeausrüstung erblickte der gelangweilte Logistikoffizier die muskulöse Gestalt mit dem noch schwachen, wohlgeformten Bärtchen, ließ die Schuhe draußen – für den Reservedienst – und schickte Tal zum vorgesetzten Offizier, um ein Formular für den Reservedienst auszufüllen. Es ist unklar, wer erstaunter war, die sachbearbeitenden Soldaten oder Aizik selbst, als sich das Formular ausschließlich in der femininen Form an Tal wandte. "Ich habe schwarz gesehen. Ich habe drei Jahre lang als Mann wie jeder andere Mann gedient. Ich dachte, dass man das berücksichtigen würde, aber offensichtlich hat niemand Verständnis dafür. Die gesamte Entlassungsurkunde wurde an eine feminine Person adressiert. Ich habe mich an den Offizier dort gewendet und sagte zu ihm: 'Was ist das bloß für eine Schande. Dieses Dokument wurde in der femininen Form geschrieben. Sehe ich für Sie denn wie eine Frau aus?'
Unsere Auseinandersetzung dauerte fünf Stunden. Sie sagten, es sei nichts daran zu ändern und es hänge mit der Registrierung im Innenministerium zusammen. Am Ende entzogen sie mir auch meinen Reservedienstausweis. Am schlimmsten war es zu hören, wie sie hinter meinem Rücken über mich sprechen. Als sie die Angelegenheit am Telefon mit den Vorgesetzten klären wollten, musste ich draußen warten, doch hörte ich alles, was sie über mich sagten. Wenn ich kein ausgeglichener Mensch gewesen wäre, hätte ich jemandem dort einen Stuhl über den Kopf gehauen: 'Was denkt sie, wer sie eigentlich ist?', lachten sie über mich hinter meinem Rücken. Ich betrat das Büro und sagte dem Offizier: 'Entschuldigung, wie reden sie denn über mich?', darauf antwortete er: 'Es steht nun einmal hier geschrieben, dass Sie eine Frau sind.' Und ich entgegnete ihm, er solle den Willen des Menschen achten, der vor ihm steht und mich als Mann ansprechen. Ich trat in dem Gefühl aus der Armee aus, dass man mir ein Messer in den Rücken gestoßen hat."

Tal wurde als zweite Tochter einer siebenköpfigen Familie in Elat geboren. Der Vater, ein Hotelangestellter, die Mutter, eine zur Religiosität zurückgekehrte Arbeitslose. Tals Kindheit und Jugend zeichnete sich wie in so vielen Fällen durch das Gefühl der Verwirrung und der Vereinsamung aus, was letztlich dazu führte, dass Tal von einer Erziehungsanstalt zur nächsten pilgerte, vom Wohnsitz in Elat zu Internaten in Zentral-Israel und wieder zurück nach Elat, selbstverständlich begleitet von psychologischer Behandlung. Ausgerechnet in der Armee, die nach langen bürokratischen Auseinandersetzungen zustimmte, Tal als Soldaten einzuziehen, begann seine Blütezeit.

Nach dem Basistraining für Frauen, das Tal mit Auszeichnung absolvierte, wurde er in eine Nahkampftrainer-Ausbildung im Wingate-Institut (Institut für Physiotherapie, Sportmedizin etc.) eingeteilt. Nach der Beendigung des Kurses kehrte Tal als Trainer in seine Armeebasis zurück und vollzog sein Coming Out. Männlicher Körperbau und Bürstenhaarschnitt waren bereits vorhanden; alles, was fehlte, war die Trainingskompetenz vom vorgesetzten Offizier und die Bitte an die Soldatinnen, sich an Aizik in der männlichen Umgangsform zu wenden.

In der Dokumentarserie, "Die Grünen", die das Basistraining der Frauen begleitete, wurde Aisik als der allseits bekannte und geachtete Nahkampftrainer der Basis präsentiert. Der Sendung, die im November 2001 ausgestrahlt worden ist, ging ein Interview mit Tal Aizik im Wochenendmagazin von "Yedioth Achronot", Israels größtem Massenblatt, voraus. Nach Aiziks Angaben wurde das Interview telefonisch in einer Konferenzschaltung mit einem Armeesprecher abgehalten. "Selbstverständlich wies man mich im Vorfeld von offizieller Armeeseite an, nicht über Geschlechtliches usw. Auskunft zu geben. Noch nicht einmal traf ich die Journalistin persönlich. Aber nichtsdestotrotz sprach ich in diesem Interview über Dinge, über die ich ziemlich lange nicht gesprochen habe. Ich erinnere mich, wie ich am Tag des Sendetermins für "die Grünen" zum Redaktionsgebäude von "Yedioth Achronot" gegangen bin und um eine Ausgabe der Zeitung mit meinem Interview gebeten habe. Man gab mir die Ausgabe in einem braunen Umschlag. Ich öffnete ihn und bekam einen Schock: Ich befand mich auf der Titelseite. Ich war fassungslos. Im Vorfeld hatte man mir versichert, die Reportage würde sich auf alle Personen beziehen, die in der Sendung vorkommen, und plötzlich muss ich sehen, dass sich fast die gesamte Reportage um meine Person dreht. Ich war entsetzt. Und daraufhin begann das ganze Chaos. Zahllose Telefonanrufe von Referenten sämtlicher Boulevard- und Talkshows im Fernsehen; ich wusste nicht mehr wie ich sie abschütteln konnte. Am Freitag derselben Woche im November 2001 fuhr ich nach Hause nach Elat. Zu Hause war alles aus den Fugen geraten. Meine Eltern waren außer sich. Ich zog zu Freunden und hörte nicht auf zu weinen. Ich war so durcheinander.

Als ich dann zur Militärbasis zurückkehrte, warteten bereits alle am Eingangstor mit den Zeitungen in der Hand und riefen 'Hier kommt Tal, der Celebrity'. Vor lauter Schande rannte ich ins Zimmer. Ich war überhaupt nicht in der Lage mit dieser Situation umzugehen."

Jetzt lebt Tal mit seinem Bruder, seiner Schwägerin und der Bulldogge, Mika, in einer kleinen Wohnung in Elat. Schon zwei Tage nach seiner Entlassung aus der Armee fand er Arbeit als Tankwart. In seinem Zimmer, das er sich mit seiner zweijährigen Nichte teilt, befinden sich auf den Regalen Alben, die sämtliche Briefe und Notizen der letzten Jahre enthalten und auch ein Aktendeckel, in den er einige seiner Gedichte verfasst hat. Er träumt davon diese eines Tages in einem Buch zu veröffentlichen.

Tal erzählt: "Manchmal lacht man über mich und sagt, dass ich der vollkommene Mann bin. Jede Frau träume von einem Mann, der Ordnung liebe, Wäsche waschen, sie zusammenlegen und v.a. kochen könne. Das sind keine weiblichen Eigenschaften, die bei mir noch übrig geblieben sind. Die meisten Menschen berücksichtigen nur nicht, dass die weltbesten Köche Männer sind."

Aiziks äußerliche Veränderung seit Ausstrahlung von "die Grünen" ist enorm. Dank der Einnahme von Hormonen ziert heute ein kleines, wohlgestaltetes Bärtchen sein Gesicht, seine Stimme wurde beträchtlich tiefer und er nahm um einige Kilogramme ab.
Aktuelles Interview mit Tal Aisik:
"Ich bin schon immer ein Mann gewesen!"

Tal Aisik wurde als Mädchen geboren. Vor Kurzem beendete er - nach unzählbaren Konfrontationen -  seine volle militärische Laufbahn von drei Jahren, der maximalen Dauer der Wehrpflicht für Männer, als Nahkampftrainer. Mit Hilfe von Hormonen ließ er sich einen kleinen Bart wachsen und sammelt nun Fördergelder für eine Operation zur Geschlechtsumwandlung.

Wie war es möglich, dass dir die Armee die Einnahme von Hormonen gestattete?

"Ein bisschen Glück gehörte schon auch dazu. Der Arzt der Basis war dagegen, und jedes Mal, wenn ich um die Hormone bat, entgegnete der medizinische Offizier: 'Die Armee kümmert sich darum, Kriege zu gewinnen und nicht um kosmetische Operationen.' Ein halbes Jahr lang bekam ich immer diese Antwort Ich versuchte es ihm zu erklären, dass es sich hierbei nicht um eine kosmetische Operation handle und dass es mir sehr wichtig sei, aber es half nichts. Am Ende beschaffte ich mir einen Termin in der medizinischen Abteilung der Tel haSchomer Basis (der zentralen Basis bei Tel Aviv), um die Hormonspritzen zu erhalten. Am Vorabend des Termins versuchte ich noch ein letztes Mal mein Glück in der Praxis meiner Basis. Es war Nacht und der diensthabende Arzt war ein Reserveoffizier. Ich sagte zu ihm, dass mir die schriftliche Genehmigung für Hormonspritzen verloren gegangen sei und dass ich eine neue brauche. Er kannte meine Geschichte nicht und gab mir ohne zu zögern die Genehmigung. Auch bat ich ihn, nicht 'Spritzen' zu schreiben, sondern 'Fortsetzung der Behandlung', und das klappte."

Wie hast du dich nach der ersten Spritze gefühlt?

"Wie im Himmel. Die Spritzen werden am Hinterteil gespritzt, und da ich mich schämte, die Hose auszuziehen, bat ich die Krankenschwester, das Licht auszumachen. Nach der Spritze lag ich dort und begann gleichzeitig zu lachen und zu weinen. Erst nach einer halben Stunde beruhigte ich mich, stand auf und verließ das Zimmer. Das alles geschah zehn Tage nach meinem 20. Geburtstag, und das war das schönste Geschenk, was ich jemals erhalten habe.
Besonders witzig war es, als ich zur Krankenschwester kam, um die Hormone gespritzt zu bekommen, für die ich ein Rezept in Tel haSchomer bekommen habe. Sie schaute in das Rezept und meinte: 'Der Arzt hat sich geirrt.' Es stellte sich heraus, dass der Arzt dachte, ich sei ein Mann, der zu einer Frau werden wollte und verschrieb mir Hormone für Frauen. Ich ging wieder zu ihm zurück und sagte: 'Danke für das Kompliment, aber was ich von Ihnen brauche, ist Testosteron.' Nach fünf Monaten begann die Behandlung Früchte zu tragen, hier und da begann der Bart zu wachsen, ich rasierte mich oft, und der Bart wuchs und wuchs. Das war sehr aufregend für mich, das waren die Veränderungen, auf die ich mein ganzes Leben lang gewartet habe."

Wie reagierten deine Eltern auf diese Veränderungen?

 "Es fällt ihnen immer noch sehr schwer, dies zu akzeptieren. Mein Vater, wenn er mich so mit dem Bart sieht, ignoriert er mich und redet nicht mehr mit mir. Wenn meine Mutter mich sieht, bekommt sie Tränen in den Augen. Aber was soll's, ich konnte ja mein Leben nicht für sie aufgeben. Einmal, als ich bei ihnen war, nahm mich mein Vater zur Seite kurz bevor ich gehen wollte und versuchte mit mir im Treppenhaus ein Gespräch über Autos zu führen. Allein dadurch, dass er versuchte, ein Gespräch zwischen uns beiden zu initiieren, war ich perplex. Ich verstand überhaupt nicht, was mit ihm los war."

Interessieren sie sich für die Veränderungen, die in dir vorgehen?

"Nein. Als ob schon immer alles beim Alten geblieben ist. Meine Mutter, zum Beispiel, fühlt sich nicht in der Lage, mich in der männlichen Umgangsform anzusprechen. Sie spricht mich immer noch in den weiblichen Form an. Ich versuche ihr dann meistens so zu antworten, dass aus dem Gesagten nicht ersichtlich ist, um welches Geschlecht es sich dabei dreht. Das ist eine Methode, die ich im Laufe der Jahre entwickelt habe. Ich kann mich mit Menschen ohne jeglichen geschlechtsspezifischen Satzbau unterhalten, so dass der Gesprächspartner nicht herausfinden kann, ob er sich mit einem Mann oder einer Frau unterhält. Das Gespräch erhält dadurch hin und wieder einen etwas künstlich verzerrten Charakter, aber das war für mich ein Weg, mich mit meinem Leben, so wie es gewesen ist, auseinander zu setzen.

Was wird der nächste Schritt sein? Eine Operation zur Geschlechtsumwandlung?

"Um die ganzen Operationen zur Geschlechtsumwandlung durchzuführen, muss man einen Kredit bei der Bank aufnehmen. Ich habe bei vielen Ärzten wegen Entfernung der Brüste nachgefragt und bin auf einen Arzt mit gutem Ruf gestoßen. Ich konnte mich von seiner Arbeit überzeugen, war positiv beeindruckt von den Ergebnissen, auf den Fotos waren keine Narben zu erkennen und er war verhältnismäßig billig; er verlangt 23.000 NIS (ca. 4.700 €) für eine Operation. Es gibt andere, die verlangen wesentlich mehr. Ich hoffe, ich bekomme das Geld irgendwann einmal zusammen."

Zögerst du nicht angesichts dieser einmaligen Entscheidung, von der es keinen Weg zurück gibt?

"Schon immer habe ich dafür gekämpft, ein Mann werden zu können. Niemals wollte ich zum Anfang zurückkehren."

In diesen Tagen bereitet Aizik mit Hilfe von Nora Grinberg von der AGUDAH, dem landesweiten Verband für Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgenders und Rechtsanwälten, die dem Verband angehören, den Gang vors Gericht vor, um ein Urteil zu erzielen, in dem das Gericht das Innenministerium anweist, die Angabe des Geschlechts in Aiziks Personalausweis zu verändern. Auf die Frage des "warum" sagt Aizik: "Ich mache das, damit ich einfach in der Lage bin, weiter zu leben. Niemals bin ich eine Frau gewesen. Ich sehe mich selbst als Mann, die Gesellschaft von heute akzeptiert mich als Mann, und nur der Personalausweis, in dem 'weiblich' geschrieben steht, verdirbt mir das Leben. Ich habe Ausweise und Dokumente, v.a. von der Armee, in der Hand, in denen ich als Mann adressiert werde. Ich habe sogar medizinische Dokumente von dieser Art. Vor einiger Zeit bin ich krank gewesen. Man schickte mich in die Notaufnahme, dort wurden auf meine Akte Aufkleber geklebt, auf denen bei der Geschlechtsangabe 'weiblich' stand. Doch etwas außergewöhnliches passierte. Nach der Untersuchung schrieb der Arzt den gesamten Bericht über mich in der männlichen Umgangsform."

Der derzeit größte Erfolg in Aiziks Anerkennungskampf lässt sich darin verzeichnen, dass er es schaffte wie jeder andere Mann auch, drei Jahre in der Armee zu dienen. "Eigentlich hätte ich bereits nach einem Jahr und neun Monaten aus der Armee entlassen werden sollen. Daraufhin fuhr ich viele Male zur Zentralkommandantur, um mit Offizieren in hohen Dienstgraden zu sprechen und schaffte es, sie von meinem Anliegen zu überzeugen. Einen Monat vor meiner Entlassung bekam ich ihre Zusage und verpflichtete mich für ein zusätzliches Jahr des regulären Dienstes. Das hat mich sehr erfreut. Erst jetzt wird mir überhaupt bewusst, welchen Sieg ich errungen habe, welche Revolution ich ausgelöst habe."

Wie hast du sie von deinem Anliegen überzeugen können?

"Ich habe ihnen gesagt, dass ich ein Mann bin und daran gibt es nichts zu rütteln. Außerdem brachte ich ihnen Empfehlungsschreiben über meine Auszeichnung von den Offizieren meiner Stammbasis. Ich ließ ihnen keine Wahl. Wenn sie mir die drei Jahre nicht gewährt hätten, wäre ich nicht zur Rückgabe der Armeeausrüstung erschienen."

Wie verhielt man sich Dir gegenüber in der neuen Militärbasis?

"Ein Großteil hat das Interview gelesen, ein Teil hat die Reportage im Fernsehen gesehen, aber die meisten wussten immer noch nicht so recht, in welche Schublade sie mich einordnen konnten. Jeder dachte etwas anderes, dass ich eine Lesbe sei, dass ich ein Schwuler sei. Genau in dieser Zeit begann der Bart zu wachsen. Es gab welche, die sagten: 'Das kann keine Frau sein. Er hat einen Bart, das kann doch nicht sein.' Ich erinnere mich, dass ich mit einer Wache hielt, sie schaute mich an, auf meinen Bart und fragte 'Wie kann das sein?' Ich antwortete ihr 'Es gibt geheimnisvolle Dinge; wir werden sie nicht verstehen, wir werden sie nicht wissen.' und sie war einfach sprachlos. Ich genoss es den Mysteriösen zu spielen.

Es gab viele Neugierige, die fragten, wie man von einer Frau zu einem Mann wird, wie ich mir einen Bart habe wachsen lassen, und ich antwortete ihnen: 'Es gibt eben geheimnisvolle Phänomene.' Und das machte sie nur noch neugieriger. Viele fragten mich auch, ob ich eine Geschlechtsumwandlungsoperation gemacht habe. Den besseren Freunden unter ihnen, die es wissen wollten, erklärte ich alles detailgetreu, wo man aufschneidet, wo man zunäht und wo man die Rohre verlegt. Ganz andere wiederum fragten mich wegen Geschlechtsumwandlungsoperationen, um zu sticheln, um zu verspotten. Ich gab acht, mich nicht allzu sehr darüber aufzuregen.

Die außergewöhnlichste Episode hatte ich mit dem stellvertretenden General, dem obersten Offizier der Basis. Eines Tages kam ich bei ihm vor Gericht, weil ich ohne Genehmigung auf einer Entlassungsparty eines Soldaten gefilmt hatte. Ich trat in sein Büro ein, und er hieß mich einzutreten und bot mir an, zu sitzen. Ich war erst einmal sprachlos. Ich setzte mich, und wir begannen, uns miteinander zu unterhalten. Das war das erste Mal, das ich mit ihm geredet habe. Er interessierte sich für mein Befinden und erzählte, dass während eines Fluges ins Ausland 'die Grünen' ausgestrahlt worden ist; als ich auf dem Bildschirm erschienen bin, stand er auf und rief 'Das ist einer meiner Soldaten!' Ich musste lachen. Bis heute kann ich kaum fassen, dass ich mit diesem stellvertretenden General zusammengesessen bin; zwischen ihm und einfachen Soldaten herrscht schließlich ein äußerst großer Abstand."

Gab es auch unangenehme Reaktionen während deines Dienstes?

Da gab es ein paar vom Sicherheitsdienst, die es genossen, mich aufzuziehen, aber ich schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit.

Viele Male sehnte ich mich nichtsdestotrotz nach meiner alten Basis, wo ich meine Grundausbildung absolviert hatte. Dort schätzten mich die anderen Soldatinnen. In der für mich neuen Marinebasis in Elat war das allgemeine Klima weit schlechter, und meine Stimmung verbitterte sich. Ich fand dort keine Freunde. Ich sorgte dafür, nicht allzu sehr unter Menschen zu sein, und am Feierabend eilte ich nach Hause. Ich zählte jeden Tag und jede Stunde bis zur Entlassung. So sehr fühlte ich mich dort nicht wohl."

Die Bemühungen um die Anerkennung deiner männlichen Identität von Seiten der offiziellen Behörden beschäftigen Dich momentan mehr als die Suche nach Liebe?

"Ich habe niemanden, und ich suche auch nicht. Ich lasse die Zeit ihren Teil zukommen. Ich bin aus der Armee entlassen, ich fühle einen großen Druck in meinem Kopf. Ich glaube daran, dass das Leben mich dahin führen wird, wohin man gelangen muss. Momentan möchte ich nicht unbedingt jemanden oder eine Frau kennen lernen. Das ist momentan nicht das Wichtigste in meinem Leben. Ich denke, es muss alles zu seiner Zeit kommen."

Mit wem gehst du aus? Mit heterosexuellen Frauen? Mit Lesben? Mit Männern?

"Ich gehe nicht mit Männern aus, obwohl ich schon hin und wieder auf Gay-Parties gehe. Ich gehe nur mit heterosexuellen Frauen aus, als Mann."

Erzählst du diesen Frauen über die Veränderungen, die du durchgemacht hast?

"Nein, denn ich bin ja noch nie eine Frau gewesen. Es gibt nichts zu erzählen. Ich gehe als Mann mit einer jungen Frau aus, das ist alles. Einmal bin ich – als Mann – mit einer Frau ausgegangen, wir hatten ein Verhältnis zueinander wie Mann und Frau, und sie geht immer noch davon aus, dass ich ein Mann bin, es sei denn sie hat die Reportage im Fernsehen gesehen oder in der Zeitung gelesen. Vor kurzem erschien in derselben Zeitung ein Artikel über einen angeblichen Kriminalfall, in dem ein anderer Transgender, Chen Alkobi, verwickelt sein soll. Ich war empört darüber, dass sie darin schrieben, er habe sich als Mann ausgegeben. Ich schrieb ihnen daraufhin einen Leserbrief, den sie aber nicht veröffentlichten. Was soll das heißen 'sich als Mann ausgegeben'? Er ist ein Mann. Auch ich gehe als Mann mit Frauen aus. Verstelle ich mich dabei etwa? Ich bin ein Mann der sich zu Frauen hingezogen fühlt. Mein Verhältnis zu einer Frau ist ein Gewöhnliches, wie jedes Verhältnis zwischen Mann und Frau, d..h. zusammen ausgehen, sitzen und reden, alles genau gleich wie bei anderen auch."

Was ist mit Sex?

"Ich habe nicht so viel Sex."

Fürchtest Du, dass Geschlechtsverkehr dich ausliefern könnte?

"Für mich ist Sex nicht das Allerwichtigste. Arm in Arm am Strand zu sitzen, das ist für mich besser als Sex. Damit will ich nicht behaupten, dass man keinen Sex braucht, aber meine Verhältnisse basieren nicht ausschließlich darauf."

Denkst du nicht, dass du es den Frauen schuldig bist, mit denen du ausgehst, ihnen mitzuteilen, dass du als Frau geboren worden bist?

"Es gibt da nichts zu wissen. Ich lebe heute mein Leben als Mann in jeder Beziehung. Ich mag es nicht, in der Vergangenheit zu wühlen."

Mit wie vielen Frauen bist du ausgegangen?

"Wirklich ernst war es mit vier Frauen. Vor der Armee habe ich ein wenig bei McDonalds gearbeitet und begann mit einer der Angestellten auszugehen. Jeden Abend nach der Schicht sind wir irgendwo hin gegangen, haben miteinander gesprochen, uns geküsst. Es vergingen zwei Monate, und sie zweifelte an gar nichts. Sie wusste, dass sie mit einem Mann ausgeht. Sie ist mit Haut und Haaren heterosexuell. Nach zwei Monaten kam nach Elat der Film 'Boys don't Cry', und ich lud sie zu diesem Film ein. Ich versuchte ihr Andeutungen über den Film zu machen, aber sie verstand sie nicht. Im Laufe der folgenden Tage sprach ich weiterhin über diesen Film. Nach einigen Tagen streichelte sie mich auf ungewöhnliche Art und Weise. Ich fühlte, dass sie versuchte, etwas herauszufinden. Am selben Abend erzählte ich es ihr. Sie sagte, dass es ihr nichts ausmache und dass sie mich liebe und nachdem ich es ihr erzählt hatte, gingen wir miteinander ins Bett. Danach war ich derjenige, der sich entfernte. Ich war verschreckt. Sie verfiel in eine ernste Krise, ging in psychologische Behandlung. Sie hatte kein leichtes Jahr."

Warum habt ihr euch voneinander getrennt?

"Ich halte es nicht lange in einer Beziehung aus. Wenn es ernst wird, bin ich nicht in der Lage, es weiter zu führen. In einem anderen Fall war ich mit einer einen Monat zusammen. Am Anfang verliebte ich mich in sie, aber sie wollte nicht. Und danach drehte sich das Rad in die umgekehrte Richtung. Bis heute ist sie in mich verliebt. Ich kann sie anrufen, und schon kommt sie an. Als wir genau einen Monat zusammen waren, brachte sie Blumen und Schokolade, um zu feiern, aber ich erschrak und flüchtete."

Schrecken dich also romantische Bindungen ab?

"Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich eine wirklich seltsame Begegnung. Da gab es eine Frau, mit der ich zusammen gelernt habe und in die ich mich verliebt habe. In der Lernanstalt wusste man mich damals nicht so recht einzuordnen. Ein Teil dachte, ich sei eine Lesbe, ein anderer, ich sei schwul. Man hängte mir alles mögliche an. Sie wollte nichts mit mir zu tun haben, weil sie in einer primitiven Familie aufgewachsen ist. So sehr ich ihr auch versicherte, ich sei ein Mann, es half nichts. Nach der Ausbildung verloren wir den Kontakt, aber ich nahm ihn erneut telefonisch auf. In unseren Gesprächen machte ich aus mir einen Schwulen. Auch nachdem die Reportagen im Fernsehen und in der Zeitung erschienen, erhielt ich die Illusion aufrecht, indem ich ihr erzählte, dass man den Medien Geschichten erzählen müsse, um erfolgreich bei ihnen anzukommen, und schließlich sei das nur ein Alibi für meine wahre Geschichte. Jedes Mal, wenn sie darum bat, dass wir uns treffen sollten, verschob ich das Treffen. Irgendwann auf einer nächtlichen Fahrt nach Tel Aviv treffe ich sie plötzlich zufällig zum ersten Mal nach vier Jahren. Danach sprachen wir ununterbrochen auf der restlichen Fahrt nach Tel Aviv."

Erkannte sie Dich wieder?

"Ja, aber sie hatte Schwierigkeiten damit. Sie sagte, dass ich mich sehr stark verändert habe. Sie fühlt sich äußerst zu mir hingezogen und hat sich in mich verliebt aber denkt, ich sei schwul. Sie sagte, es sei schade, dass ich schwul sei. Sie zweifelt gar nicht daran, nicht im Geringsten denkt sie, ich sei kein Mann. Für sie bin ich ein Mann. Ein Mann, aber schwul. Irgendwann trafen wir uns noch einmal in Tel Aviv. Sie versuchte mich im wahrsten Sinne zu verführen. Ich sagte zu ihr: 'Schätzchen, ich habe dir doch gesagt, dass ich schwul bin.' Warum? – Ich ziehe es vor, kein Verhältnis einzugehen, ziehe es vor, es niemandem erzählen zu müssen. Wahrscheinlich gibt es für alles einen Grund."

Fühlst du dich einsam?

"Ja, ich habe mich dazu entschlossen, vieles alleine zu machen, weil ich mir selbst am besten trauen kann. Ich brauche meine Ruhe. Aber früher fühlte ich mich noch viel einsamer. Ich war mir sicher, dass wenn jemand neben mir im Bus versuchen würde, ein Gespräch mit mir zu führen, ich mich taub stellen würde, um nur nicht sprechen zu müssen. Das einzige, was ein bisschen Farbe in mein Leben brachte, war meine Basketball-Mannschaft in Elat. Ich bewunderte die jungen Frauen, die dort spielten. Im Alter von fünfzehn oder sechzehn Jahren sah ich sie auf dem Feld spielen und verliebte mich in sie alle. Langsam lernte ich jede einzelne von ihnen kennen. Was ihr Lieblingsessen ist, ihre Hobbies. Sogar die Personalausweis-Nummer von jeder einzelnen von ihnen kannte ich auswendig. Diese Gruppe füllte in mir das Loch der fehlenden Familie und der fehlenden Freunde. Zu meinem Leidwesen löste sich die Gruppe irgendwann auf, und ich war wieder einsam. Ich blieb nur noch mit Avivit, der Sponsorin der Gruppe, in Kontakt. Sie ist eine einmalige Frau. Sie ist die einzige, der ich auch intime Angelegenheiten erzählen kann."

Gehst Du manchmal aus auf Parties?

"Hin und wieder; nichts Aufregendes. Ich gehe in verschiedene Diskos, auch Schwulendiskos. Ich mag die Parties dort. In einer gewissen Art und Weise fühle ich mich mit ihnen verbunden. Mein Bruder macht manchmal mit mir Spaß, klopft mir auf den Hintern und sagt 'Zweifellos, das ist das Hinterteil eines Schwulen.' Daraufhin entgegne ich ihm dann '…wenn schon, dann das Hinterteil einer Schwulen.'"

Bist du zufrieden mit dem Weg, den du zurückgelegt hast? Hast du nichts zu bereuen?

"Im Alter von neun Jahren schickte man mich zum Psychologen. Sie dachten, sie könnten mich auf diesem Wege 'heilen'. Als ich das Alter von 18 Jahren erreicht hatte, unterschrieb ich ein Formular zur Aufhebung der Schweigepflicht, um meine Akte von diesem Psychologen an mich nehmen zu können. Können Sie sich vorstellen, was seine Diagnose war? Verwirrung der sexuellen Identität. Unsinn, Verwirrung. Ich bin schon immer ein Mann gewesen".

Gespräch mit Nora Grinberg von der Agudah:
Eine Frage der Identität
 

"Tals Absicht ist es, vom Gericht eine Anweisung an das Innenministerium zu erhalten, die Geschlechtsangabe in seinem Personalausweis zu verändern.", erklärt Nora Grinberg vom Israelischen Verband der Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgenders.

Auf ziviler Ebene ist das größte Problem für nicht operierte Transsexuelle – wie Tal Aizik – die Nicht-Anerkennung ihrer geschlechtlichen Identität durch die Behörden. "Die Änderung der Geschlechtsangabe im Personalausweis ist heute nur bei Personen möglich, die eine Operation zur Änderung des Geschlechts vollzogen haben; aber die meisten Transsexuellen, die in der sexuellen Identität leben, in die sie sich zugehörig fühlen, machen keine Operationen durch," so Nora Grinberg vom Israelischen Verband der Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgenders, die selbst eine Geschlechtsumwandlungsoperation hinter sich hat.
"Das Problem ist in der Regel drastischer bei Transsexuellen, die in ihrer Vergangenheit Frauen gewesen sind, von denen nur ein geringer Prozentsatz Operationen am Geschlechtsteil machen lassen. Um die Geschlechtsangabe im Personalausweis verändern zu können, fordert das Innenministerium eine Bescheinigung von einer nach dem Gesetz kompetenten Person, und in der Praxis sind das die Ärzte. In diesem Fall ist auch das Gericht Kompetenzträger, und weil sich Tal in seinen Bürgerrechten benachteiligt sieht, bittet er das Gericht um eine Anweisung an das Innenministerium, die Geschlechtsangabe in seinem Personalausweis zu verändern, obwohl er keine Operation am Geschlechtsteil vollzogen hat".

Von der Angabe des Geschlechts in Aiziks Personalausweis hängen viele Dienste, Vergütungen und Rechte ab. Außerdem wird jedes Mal, wenn er seinen Personalausweis vorzeigen muss, sein Geheimnis fremden, unbeteiligten Menschen preisgegeben.

Nora Grinberg "Die Geschichte von Tal zeigt die beeindruckende Kraft, die Transsexuelle in ihrem Streben nach einem Leben in ihrer gewünschten sexuellen Identität aufrecht erhält. Es ist diese Kraft, die es diesen Menschen ermöglicht, Zurückweisung und Boykott, Feindseeligkeit, Hohn und Diskriminierung jeglicher Art standzuhalten, sämtliche Behandlungen zu überstehen, jeden Schmerz auszuhalten, um irgendwann einmal so leben zu können wie es das Gefühl diktiert."

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