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Rothenbächer 2012
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Ein ganz spezieller
Fall?
Die Chance zum Trans
Zum großen Erstaunen der Soldaten und Offiziere wurde im
Juni 2003 neben der Flagge des Staates Israel die Regenbogenflagge gehisst. Ort
des Geschehens: Eine Marinebasis in Elat. Anlass: Entlassungsparty von Tal
Aizik.
Dies war nicht nur irgendeine weitere Entlassungsparty. Für
Aizik symbolisierte sie einen weiteren Fortschritt und persönlichen Erfolg: Was
als gewöhnlicher Wehrdienst für Frauen in der Dauer von einem Jahr und neun
Monaten begann, endete in einer Qualifikation zum Nahkampftrainer nach drei
Jahren, wie die Dauer des Wehrdienstes für Männer vorgeschrieben ist.
Bei der Rückgabe der Armeeausrüstung erblickte der
gelangweilte Logistikoffizier die muskulöse Gestalt mit dem noch schwachen,
wohlgeformten Bärtchen, ließ die Schuhe draußen – für den Reservedienst – und
schickte Tal zum vorgesetzten Offizier, um ein Formular für den Reservedienst
auszufüllen. Es ist unklar, wer erstaunter war, die sachbearbeitenden Soldaten
oder Aizik selbst, als sich das Formular ausschließlich in der femininen Form
an Tal wandte. "Ich habe schwarz gesehen. Ich habe drei Jahre lang als
Mann wie jeder andere Mann gedient. Ich dachte, dass man das berücksichtigen
würde, aber offensichtlich hat niemand Verständnis dafür. Die gesamte
Entlassungsurkunde wurde an eine feminine Person adressiert. Ich habe mich an
den Offizier dort gewendet und sagte zu ihm: 'Was ist das bloß für eine Schande.
Dieses Dokument wurde in der femininen Form geschrieben. Sehe ich für Sie denn
wie eine Frau aus?'
Unsere Auseinandersetzung dauerte fünf Stunden. Sie sagten,
es sei nichts daran zu ändern und es hänge mit der Registrierung im
Innenministerium zusammen. Am Ende entzogen sie mir auch meinen
Reservedienstausweis. Am schlimmsten war es zu hören, wie sie hinter meinem
Rücken über mich sprechen. Als sie die Angelegenheit am Telefon mit den
Vorgesetzten klären wollten, musste ich draußen warten, doch hörte ich alles,
was sie über mich sagten. Wenn ich kein ausgeglichener Mensch gewesen wäre,
hätte ich jemandem dort einen Stuhl über den Kopf gehauen: 'Was denkt sie, wer
sie eigentlich ist?', lachten sie über mich hinter meinem Rücken. Ich betrat
das Büro und sagte dem Offizier: 'Entschuldigung, wie reden sie denn über
mich?', darauf antwortete er: 'Es steht nun einmal hier geschrieben, dass Sie
eine Frau sind.' Und ich entgegnete ihm, er solle den Willen des Menschen
achten, der vor ihm steht und mich als Mann ansprechen. Ich trat in dem Gefühl
aus der Armee aus, dass man mir ein Messer in den Rücken gestoßen hat."
Tal wurde als zweite Tochter einer siebenköpfigen Familie in
Elat geboren. Der Vater, ein Hotelangestellter, die Mutter, eine zur
Religiosität zurückgekehrte Arbeitslose. Tals Kindheit und Jugend zeichnete
sich wie in so vielen Fällen durch das Gefühl der Verwirrung und der
Vereinsamung aus, was letztlich dazu führte, dass Tal von einer
Erziehungsanstalt zur nächsten pilgerte, vom Wohnsitz in Elat zu Internaten in
Zentral-Israel und wieder zurück nach Elat, selbstverständlich begleitet von
psychologischer Behandlung. Ausgerechnet in der Armee, die nach langen
bürokratischen Auseinandersetzungen zustimmte, Tal als Soldaten einzuziehen,
begann seine Blütezeit.
Nach dem Basistraining für Frauen, das Tal mit Auszeichnung
absolvierte, wurde er in eine Nahkampftrainer-Ausbildung im Wingate-Institut
(Institut für Physiotherapie, Sportmedizin etc.) eingeteilt. Nach der
Beendigung des Kurses kehrte Tal als Trainer in seine Armeebasis zurück und
vollzog sein Coming Out. Männlicher Körperbau und Bürstenhaarschnitt waren
bereits vorhanden; alles, was fehlte, war die Trainingskompetenz vom
vorgesetzten Offizier und die Bitte an die Soldatinnen, sich an Aizik in der
männlichen Umgangsform zu wenden.
In der Dokumentarserie, "Die Grünen", die das
Basistraining der Frauen begleitete, wurde Aisik als der allseits bekannte und
geachtete Nahkampftrainer der Basis präsentiert. Der Sendung, die im November
2001 ausgestrahlt worden ist, ging ein Interview mit Tal Aizik im
Wochenendmagazin von "Yedioth Achronot", Israels größtem Massenblatt,
voraus. Nach Aiziks Angaben wurde das Interview telefonisch in einer
Konferenzschaltung mit einem Armeesprecher abgehalten. "Selbstverständlich
wies man mich im Vorfeld von offizieller Armeeseite an, nicht über
Geschlechtliches usw. Auskunft zu geben. Noch nicht einmal traf ich die
Journalistin persönlich. Aber nichtsdestotrotz sprach ich in diesem Interview
über Dinge, über die ich ziemlich lange nicht gesprochen habe. Ich erinnere
mich, wie ich am Tag des Sendetermins für "die Grünen" zum
Redaktionsgebäude von "Yedioth Achronot" gegangen bin und um eine
Ausgabe der Zeitung mit meinem Interview gebeten habe. Man gab mir die Ausgabe
in einem braunen Umschlag. Ich öffnete ihn und bekam einen Schock: Ich befand
mich auf der Titelseite. Ich war fassungslos. Im Vorfeld hatte man mir
versichert, die Reportage würde sich auf alle Personen beziehen, die in der
Sendung vorkommen, und plötzlich muss ich sehen, dass sich fast die gesamte
Reportage um meine Person dreht. Ich war entsetzt. Und daraufhin begann das
ganze Chaos. Zahllose Telefonanrufe von Referenten sämtlicher Boulevard- und
Talkshows im Fernsehen; ich wusste nicht mehr wie ich sie abschütteln konnte.
Am Freitag derselben Woche im November 2001 fuhr ich nach Hause nach Elat. Zu
Hause war alles aus den Fugen geraten. Meine Eltern waren außer sich. Ich zog
zu Freunden und hörte nicht auf zu weinen. Ich war so durcheinander.
Als ich dann zur Militärbasis zurückkehrte, warteten bereits
alle am Eingangstor mit den Zeitungen in der Hand und riefen 'Hier kommt Tal,
der Celebrity'. Vor lauter Schande rannte ich ins Zimmer. Ich war überhaupt
nicht in der Lage mit dieser Situation umzugehen."
Jetzt lebt Tal mit seinem Bruder, seiner Schwägerin und der
Bulldogge, Mika, in einer kleinen Wohnung in Elat. Schon zwei Tage nach seiner
Entlassung aus der Armee fand er Arbeit als Tankwart. In seinem Zimmer, das er
sich mit seiner zweijährigen Nichte teilt, befinden sich auf den Regalen Alben,
die sämtliche Briefe und Notizen der letzten Jahre enthalten und auch ein
Aktendeckel, in den er einige seiner Gedichte verfasst hat. Er träumt davon
diese eines Tages in einem Buch zu veröffentlichen.
Tal erzählt: "Manchmal lacht man über mich und sagt,
dass ich der vollkommene Mann bin. Jede Frau träume von einem Mann, der Ordnung
liebe, Wäsche waschen, sie zusammenlegen und v.a. kochen könne. Das sind keine
weiblichen Eigenschaften, die bei mir noch übrig geblieben sind. Die meisten
Menschen berücksichtigen nur nicht, dass die weltbesten Köche Männer
sind."
Aiziks äußerliche Veränderung seit Ausstrahlung von
"die Grünen" ist enorm. Dank der Einnahme von Hormonen ziert heute
ein kleines, wohlgestaltetes Bärtchen sein Gesicht, seine Stimme wurde
beträchtlich tiefer und er nahm um einige Kilogramme ab.
Aktuelles Interview mit Tal Aisik:
"Ich bin schon immer ein Mann gewesen!"
Tal Aisik wurde als Mädchen geboren. Vor Kurzem beendete er
- nach unzählbaren Konfrontationen -
seine volle militärische Laufbahn von drei Jahren, der maximalen Dauer
der Wehrpflicht für Männer, als Nahkampftrainer. Mit Hilfe von Hormonen ließ er
sich einen kleinen Bart wachsen und sammelt nun Fördergelder für eine Operation
zur Geschlechtsumwandlung.
Wie war es möglich, dass dir die Armee die Einnahme von
Hormonen gestattete?
"Ein bisschen Glück gehörte schon auch dazu. Der Arzt
der Basis war dagegen, und jedes Mal, wenn ich um die Hormone bat, entgegnete
der medizinische Offizier: 'Die Armee kümmert sich darum, Kriege zu gewinnen
und nicht um kosmetische Operationen.' Ein halbes Jahr lang bekam ich immer
diese Antwort Ich versuchte es ihm zu erklären, dass es sich hierbei nicht um
eine kosmetische Operation handle und dass es mir sehr wichtig sei, aber es
half nichts. Am Ende beschaffte ich mir einen Termin in der medizinischen
Abteilung der Tel haSchomer Basis (der zentralen Basis bei Tel Aviv), um die
Hormonspritzen zu erhalten. Am Vorabend des Termins versuchte ich noch ein
letztes Mal mein Glück in der Praxis meiner Basis. Es war Nacht und der
diensthabende Arzt war ein Reserveoffizier. Ich sagte zu ihm, dass mir die
schriftliche Genehmigung für Hormonspritzen verloren gegangen sei und dass ich
eine neue brauche. Er kannte meine Geschichte nicht und gab mir ohne zu zögern
die Genehmigung. Auch bat ich ihn, nicht 'Spritzen' zu schreiben, sondern
'Fortsetzung der Behandlung', und das klappte."
Wie hast du dich nach der ersten Spritze gefühlt?
"Wie im Himmel. Die Spritzen werden am Hinterteil
gespritzt, und da ich mich schämte, die Hose auszuziehen, bat ich die
Krankenschwester, das Licht auszumachen. Nach der Spritze lag ich dort und
begann gleichzeitig zu lachen und zu weinen. Erst nach einer halben Stunde
beruhigte ich mich, stand auf und verließ das Zimmer. Das alles geschah zehn
Tage nach meinem 20. Geburtstag, und das war das schönste Geschenk, was ich
jemals erhalten habe.
Besonders witzig war es, als ich zur Krankenschwester kam,
um die Hormone gespritzt zu bekommen, für die ich ein Rezept in Tel haSchomer
bekommen habe. Sie schaute in das Rezept und meinte: 'Der Arzt hat sich
geirrt.' Es stellte sich heraus, dass der Arzt dachte, ich sei ein Mann, der zu
einer Frau werden wollte und verschrieb mir Hormone für Frauen. Ich ging wieder
zu ihm zurück und sagte: 'Danke für das Kompliment, aber was ich von Ihnen
brauche, ist Testosteron.' Nach fünf Monaten begann die Behandlung Früchte zu
tragen, hier und da begann der Bart zu wachsen, ich rasierte mich oft, und der
Bart wuchs und wuchs. Das war sehr aufregend für mich, das waren die
Veränderungen, auf die ich mein ganzes Leben lang gewartet habe."
Wie reagierten deine Eltern auf diese Veränderungen?
"Es fällt ihnen
immer noch sehr schwer, dies zu akzeptieren. Mein Vater, wenn er mich so mit
dem Bart sieht, ignoriert er mich und redet nicht mehr mit mir. Wenn meine
Mutter mich sieht, bekommt sie Tränen in den Augen. Aber was soll's, ich konnte
ja mein Leben nicht für sie aufgeben. Einmal, als ich bei ihnen war, nahm mich
mein Vater zur Seite kurz bevor ich gehen wollte und versuchte mit mir im
Treppenhaus ein Gespräch über Autos zu führen. Allein dadurch, dass er
versuchte, ein Gespräch zwischen uns beiden zu initiieren, war ich perplex. Ich
verstand überhaupt nicht, was mit ihm los war."
Interessieren sie sich für die Veränderungen, die in dir
vorgehen?
"Nein. Als ob schon immer alles beim Alten geblieben
ist. Meine Mutter, zum Beispiel, fühlt sich nicht in der Lage, mich in der
männlichen Umgangsform anzusprechen. Sie spricht mich immer noch in den
weiblichen Form an. Ich versuche ihr dann meistens so zu antworten, dass aus dem
Gesagten nicht ersichtlich ist, um welches Geschlecht es sich dabei dreht. Das
ist eine Methode, die ich im Laufe der Jahre entwickelt habe. Ich kann mich mit
Menschen ohne jeglichen geschlechtsspezifischen Satzbau unterhalten, so dass
der Gesprächspartner nicht herausfinden kann, ob er sich mit einem Mann oder
einer Frau unterhält. Das Gespräch erhält dadurch hin und wieder einen etwas
künstlich verzerrten Charakter, aber das war für mich ein Weg, mich mit meinem
Leben, so wie es gewesen ist, auseinander zu setzen.
Was wird der nächste Schritt sein? Eine Operation zur
Geschlechtsumwandlung?
"Um die ganzen Operationen zur Geschlechtsumwandlung
durchzuführen, muss man einen Kredit bei der Bank aufnehmen. Ich habe bei
vielen Ärzten wegen Entfernung der Brüste nachgefragt und bin auf einen Arzt
mit gutem Ruf gestoßen. Ich konnte mich von seiner Arbeit überzeugen, war
positiv beeindruckt von den Ergebnissen, auf den Fotos waren keine Narben zu
erkennen und er war verhältnismäßig billig; er verlangt 23.000 NIS (ca. 4.700
€) für eine Operation. Es gibt andere, die verlangen wesentlich mehr. Ich
hoffe, ich bekomme das Geld irgendwann einmal zusammen."
Zögerst du nicht angesichts dieser einmaligen Entscheidung,
von der es keinen Weg zurück gibt?
"Schon immer habe ich dafür gekämpft, ein Mann werden
zu können. Niemals wollte ich zum Anfang zurückkehren."
In diesen Tagen bereitet Aizik mit Hilfe von Nora Grinberg
von der AGUDAH, dem landesweiten Verband für Schwule, Lesben, Bisexuelle und
Transgenders und Rechtsanwälten, die dem Verband angehören, den Gang vors
Gericht vor, um ein Urteil zu erzielen, in dem das Gericht das Innenministerium
anweist, die Angabe des Geschlechts in Aiziks Personalausweis zu verändern. Auf
die Frage des "warum" sagt Aizik: "Ich mache das, damit ich
einfach in der Lage bin, weiter zu leben. Niemals bin ich eine Frau gewesen.
Ich sehe mich selbst als Mann, die Gesellschaft von heute akzeptiert mich als
Mann, und nur der Personalausweis, in dem 'weiblich' geschrieben steht,
verdirbt mir das Leben. Ich habe Ausweise und Dokumente, v.a. von der Armee, in
der Hand, in denen ich als Mann adressiert werde. Ich habe sogar medizinische
Dokumente von dieser Art. Vor einiger Zeit bin ich krank gewesen. Man schickte
mich in die Notaufnahme, dort wurden auf meine Akte Aufkleber geklebt, auf
denen bei der Geschlechtsangabe 'weiblich' stand. Doch etwas außergewöhnliches
passierte. Nach der Untersuchung schrieb der Arzt den gesamten Bericht über
mich in der männlichen Umgangsform."
Der derzeit größte Erfolg in Aiziks Anerkennungskampf lässt
sich darin verzeichnen, dass er es schaffte wie jeder andere Mann auch, drei
Jahre in der Armee zu dienen. "Eigentlich hätte ich bereits nach einem
Jahr und neun Monaten aus der Armee entlassen werden sollen. Daraufhin fuhr ich
viele Male zur Zentralkommandantur, um mit Offizieren in hohen Dienstgraden zu
sprechen und schaffte es, sie von meinem Anliegen zu überzeugen. Einen Monat
vor meiner Entlassung bekam ich ihre Zusage und verpflichtete mich für ein
zusätzliches Jahr des regulären Dienstes. Das hat mich sehr erfreut. Erst jetzt
wird mir überhaupt bewusst, welchen Sieg ich errungen habe, welche Revolution
ich ausgelöst habe."
Wie hast du sie von deinem Anliegen überzeugen können?
"Ich habe ihnen gesagt, dass ich ein Mann bin und daran
gibt es nichts zu rütteln. Außerdem brachte ich ihnen Empfehlungsschreiben über
meine Auszeichnung von den Offizieren meiner Stammbasis. Ich ließ ihnen keine
Wahl. Wenn sie mir die drei Jahre nicht gewährt hätten, wäre ich nicht zur Rückgabe
der Armeeausrüstung erschienen."
Wie verhielt man sich Dir gegenüber in der neuen
Militärbasis?
"Ein Großteil hat das Interview gelesen, ein Teil hat
die Reportage im Fernsehen gesehen, aber die meisten wussten immer noch nicht
so recht, in welche Schublade sie mich einordnen konnten. Jeder dachte etwas
anderes, dass ich eine Lesbe sei, dass ich ein Schwuler sei. Genau in dieser
Zeit begann der Bart zu wachsen. Es gab welche, die sagten: 'Das kann keine
Frau sein. Er hat einen Bart, das kann doch nicht sein.' Ich erinnere mich,
dass ich mit einer Wache hielt, sie schaute mich an, auf meinen Bart und fragte
'Wie kann das sein?' Ich antwortete ihr 'Es gibt geheimnisvolle Dinge; wir
werden sie nicht verstehen, wir werden sie nicht wissen.' und sie war einfach
sprachlos. Ich genoss es den Mysteriösen zu spielen.
Es gab viele Neugierige, die fragten, wie man von einer Frau
zu einem Mann wird, wie ich mir einen Bart habe wachsen lassen, und ich
antwortete ihnen: 'Es gibt eben geheimnisvolle Phänomene.' Und das machte sie
nur noch neugieriger. Viele fragten mich auch, ob ich eine
Geschlechtsumwandlungsoperation gemacht habe. Den besseren Freunden unter
ihnen, die es wissen wollten, erklärte ich alles detailgetreu, wo man
aufschneidet, wo man zunäht und wo man die Rohre verlegt. Ganz andere wiederum
fragten mich wegen Geschlechtsumwandlungsoperationen, um zu sticheln, um zu
verspotten. Ich gab acht, mich nicht allzu sehr darüber aufzuregen.
Die außergewöhnlichste Episode hatte ich mit dem
stellvertretenden General, dem obersten Offizier der Basis. Eines Tages kam ich
bei ihm vor Gericht, weil ich ohne Genehmigung auf einer Entlassungsparty eines
Soldaten gefilmt hatte. Ich trat in sein Büro ein, und er hieß mich einzutreten
und bot mir an, zu sitzen. Ich war erst einmal sprachlos. Ich setzte mich, und
wir begannen, uns miteinander zu unterhalten. Das war das erste Mal, das ich
mit ihm geredet habe. Er interessierte sich für mein Befinden und erzählte,
dass während eines Fluges ins Ausland 'die Grünen' ausgestrahlt worden ist; als
ich auf dem Bildschirm erschienen bin, stand er auf und rief 'Das ist einer
meiner Soldaten!' Ich musste lachen. Bis heute kann ich kaum fassen, dass ich
mit diesem stellvertretenden General zusammengesessen bin; zwischen ihm und einfachen
Soldaten herrscht schließlich ein äußerst großer Abstand."
Gab es auch unangenehme Reaktionen während deines Dienstes?
Da gab es ein paar vom Sicherheitsdienst, die es genossen,
mich aufzuziehen, aber ich schenkte ihnen keine Aufmerksamkeit.
Viele Male sehnte ich mich nichtsdestotrotz nach meiner
alten Basis, wo ich meine Grundausbildung absolviert hatte. Dort schätzten mich
die anderen Soldatinnen. In der für mich neuen Marinebasis in Elat war das
allgemeine Klima weit schlechter, und meine Stimmung verbitterte sich. Ich fand
dort keine Freunde. Ich sorgte dafür, nicht allzu sehr unter Menschen zu sein,
und am Feierabend eilte ich nach Hause. Ich zählte jeden Tag und jede Stunde
bis zur Entlassung. So sehr fühlte ich mich dort nicht wohl."
Die Bemühungen um die Anerkennung deiner männlichen
Identität von Seiten der offiziellen Behörden beschäftigen Dich momentan mehr
als die Suche nach Liebe?
"Ich habe niemanden, und ich suche auch nicht. Ich
lasse die Zeit ihren Teil zukommen. Ich bin aus der Armee entlassen, ich fühle
einen großen Druck in meinem Kopf. Ich glaube daran, dass das Leben mich dahin
führen wird, wohin man gelangen muss. Momentan möchte ich nicht unbedingt
jemanden oder eine Frau kennen lernen. Das ist momentan nicht das Wichtigste in
meinem Leben. Ich denke, es muss alles zu seiner Zeit kommen."
Mit wem gehst du aus? Mit heterosexuellen Frauen? Mit
Lesben? Mit Männern?
"Ich gehe nicht mit Männern aus, obwohl ich schon hin
und wieder auf Gay-Parties gehe. Ich gehe nur mit heterosexuellen Frauen aus,
als Mann."
Erzählst du diesen Frauen über die Veränderungen, die du
durchgemacht hast?
"Nein, denn ich bin ja noch nie eine Frau gewesen. Es
gibt nichts zu erzählen. Ich gehe als Mann mit einer jungen Frau aus, das ist
alles. Einmal bin ich – als Mann – mit einer Frau ausgegangen, wir hatten ein
Verhältnis zueinander wie Mann und Frau, und sie geht immer noch davon aus,
dass ich ein Mann bin, es sei denn sie hat die Reportage im Fernsehen gesehen
oder in der Zeitung gelesen. Vor kurzem erschien in derselben Zeitung ein
Artikel über einen angeblichen Kriminalfall, in dem ein anderer Transgender,
Chen Alkobi, verwickelt sein soll. Ich war empört darüber, dass sie darin
schrieben, er habe sich als Mann ausgegeben. Ich schrieb ihnen daraufhin einen
Leserbrief, den sie aber nicht veröffentlichten. Was soll das heißen 'sich als
Mann ausgegeben'? Er ist ein Mann. Auch ich gehe als Mann mit Frauen aus.
Verstelle ich mich dabei etwa? Ich bin ein Mann der sich zu Frauen hingezogen
fühlt. Mein Verhältnis zu einer Frau ist ein Gewöhnliches, wie jedes Verhältnis
zwischen Mann und Frau, d..h. zusammen ausgehen, sitzen und reden, alles genau
gleich wie bei anderen auch."
Was ist mit Sex?
"Ich habe nicht so viel Sex."
Fürchtest Du, dass Geschlechtsverkehr dich ausliefern
könnte?
"Für mich ist Sex nicht das Allerwichtigste. Arm in Arm
am Strand zu sitzen, das ist für mich besser als Sex. Damit will ich nicht
behaupten, dass man keinen Sex braucht, aber meine Verhältnisse basieren nicht
ausschließlich darauf."
Denkst du nicht, dass du es den Frauen schuldig bist, mit
denen du ausgehst, ihnen mitzuteilen, dass du als Frau geboren worden bist?
"Es gibt da nichts zu wissen. Ich lebe heute mein Leben
als Mann in jeder Beziehung. Ich mag es nicht, in der Vergangenheit zu
wühlen."
Mit wie vielen Frauen bist du ausgegangen?
"Wirklich ernst war es mit vier Frauen. Vor der Armee
habe ich ein wenig bei McDonalds gearbeitet und begann mit einer der
Angestellten auszugehen. Jeden Abend nach der Schicht sind wir irgendwo hin
gegangen, haben miteinander gesprochen, uns geküsst. Es vergingen zwei Monate,
und sie zweifelte an gar nichts. Sie wusste, dass sie mit einem Mann ausgeht.
Sie ist mit Haut und Haaren heterosexuell. Nach zwei Monaten kam nach Elat der
Film 'Boys don't Cry', und ich lud sie zu diesem Film ein. Ich versuchte ihr
Andeutungen über den Film zu machen, aber sie verstand sie nicht. Im Laufe der
folgenden Tage sprach ich weiterhin über diesen Film. Nach einigen Tagen
streichelte sie mich auf ungewöhnliche Art und Weise. Ich fühlte, dass sie
versuchte, etwas herauszufinden. Am selben Abend erzählte ich es ihr. Sie
sagte, dass es ihr nichts ausmache und dass sie mich liebe und nachdem ich es
ihr erzählt hatte, gingen wir miteinander ins Bett. Danach war ich derjenige,
der sich entfernte. Ich war verschreckt. Sie verfiel in eine ernste Krise, ging
in psychologische Behandlung. Sie hatte kein leichtes Jahr."
Warum habt ihr euch voneinander getrennt?
"Ich halte es nicht lange in einer Beziehung aus. Wenn
es ernst wird, bin ich nicht in der Lage, es weiter zu führen. In einem anderen
Fall war ich mit einer einen Monat zusammen. Am Anfang verliebte ich mich in
sie, aber sie wollte nicht. Und danach drehte sich das Rad in die umgekehrte
Richtung. Bis heute ist sie in mich verliebt. Ich kann sie anrufen, und schon
kommt sie an. Als wir genau einen Monat zusammen waren, brachte sie Blumen und
Schokolade, um zu feiern, aber ich erschrak und flüchtete."
Schrecken dich also romantische Bindungen ab?
"Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich eine wirklich
seltsame Begegnung. Da gab es eine Frau, mit der ich zusammen gelernt habe und
in die ich mich verliebt habe. In der Lernanstalt wusste man mich damals nicht
so recht einzuordnen. Ein Teil dachte, ich sei eine Lesbe, ein anderer, ich sei
schwul. Man hängte mir alles mögliche an. Sie wollte nichts mit mir zu tun
haben, weil sie in einer primitiven Familie aufgewachsen ist. So sehr ich ihr
auch versicherte, ich sei ein Mann, es half nichts. Nach der Ausbildung
verloren wir den Kontakt, aber ich nahm ihn erneut telefonisch auf. In unseren
Gesprächen machte ich aus mir einen Schwulen. Auch nachdem die Reportagen im
Fernsehen und in der Zeitung erschienen, erhielt ich die Illusion aufrecht,
indem ich ihr erzählte, dass man den Medien Geschichten erzählen müsse, um
erfolgreich bei ihnen anzukommen, und schließlich sei das nur ein Alibi für
meine wahre Geschichte. Jedes Mal, wenn sie darum bat, dass wir uns treffen
sollten, verschob ich das Treffen. Irgendwann auf einer nächtlichen Fahrt nach
Tel Aviv treffe ich sie plötzlich zufällig zum ersten Mal nach vier Jahren.
Danach sprachen wir ununterbrochen auf der restlichen Fahrt nach Tel
Aviv."
Erkannte sie Dich wieder?
"Ja, aber sie hatte Schwierigkeiten damit. Sie sagte,
dass ich mich sehr stark verändert habe. Sie fühlt sich äußerst zu mir
hingezogen und hat sich in mich verliebt aber denkt, ich sei schwul. Sie sagte,
es sei schade, dass ich schwul sei. Sie zweifelt gar nicht daran, nicht im
Geringsten denkt sie, ich sei kein Mann. Für sie bin ich ein Mann. Ein Mann,
aber schwul. Irgendwann trafen wir uns noch einmal in Tel Aviv. Sie versuchte
mich im wahrsten Sinne zu verführen. Ich sagte zu ihr: 'Schätzchen, ich habe
dir doch gesagt, dass ich schwul bin.' Warum? – Ich ziehe es vor, kein
Verhältnis einzugehen, ziehe es vor, es niemandem erzählen zu müssen.
Wahrscheinlich gibt es für alles einen Grund."
Fühlst du dich einsam?
"Ja, ich habe mich dazu entschlossen, vieles alleine zu
machen, weil ich mir selbst am besten trauen kann. Ich brauche meine Ruhe. Aber
früher fühlte ich mich noch viel einsamer. Ich war mir sicher, dass wenn jemand
neben mir im Bus versuchen würde, ein Gespräch mit mir zu führen, ich mich taub
stellen würde, um nur nicht sprechen zu müssen. Das einzige, was ein bisschen
Farbe in mein Leben brachte, war meine Basketball-Mannschaft in Elat. Ich
bewunderte die jungen Frauen, die dort spielten. Im Alter von fünfzehn oder
sechzehn Jahren sah ich sie auf dem Feld spielen und verliebte mich in sie
alle. Langsam lernte ich jede einzelne von ihnen kennen. Was ihr Lieblingsessen
ist, ihre Hobbies. Sogar die Personalausweis-Nummer von jeder einzelnen von
ihnen kannte ich auswendig. Diese Gruppe füllte in mir das Loch der fehlenden
Familie und der fehlenden Freunde. Zu meinem Leidwesen löste sich die Gruppe
irgendwann auf, und ich war wieder einsam. Ich blieb nur noch mit Avivit, der
Sponsorin der Gruppe, in Kontakt. Sie ist eine einmalige Frau. Sie ist die
einzige, der ich auch intime Angelegenheiten erzählen kann."
Gehst Du manchmal aus auf Parties?
"Hin und wieder; nichts Aufregendes. Ich gehe in
verschiedene Diskos, auch Schwulendiskos. Ich mag die Parties dort. In einer
gewissen Art und Weise fühle ich mich mit ihnen verbunden. Mein Bruder macht
manchmal mit mir Spaß, klopft mir auf den Hintern und sagt 'Zweifellos, das ist
das Hinterteil eines Schwulen.' Daraufhin entgegne ich ihm dann '…wenn schon,
dann das Hinterteil einer Schwulen.'"
Bist du zufrieden mit dem Weg, den du zurückgelegt hast?
Hast du nichts zu bereuen?
"Im Alter von neun Jahren schickte man mich zum
Psychologen. Sie dachten, sie könnten mich auf diesem Wege 'heilen'. Als ich
das Alter von 18 Jahren erreicht hatte, unterschrieb ich ein Formular zur
Aufhebung der Schweigepflicht, um meine Akte von diesem Psychologen an mich
nehmen zu können. Können Sie sich vorstellen, was seine Diagnose war?
Verwirrung der sexuellen Identität. Unsinn, Verwirrung. Ich bin schon immer ein
Mann gewesen".
Gespräch mit Nora Grinberg von der Agudah:
Eine Frage der Identität
"Tals Absicht ist es, vom Gericht eine Anweisung an das
Innenministerium zu erhalten, die Geschlechtsangabe in seinem Personalausweis
zu verändern.", erklärt Nora Grinberg vom Israelischen Verband der
Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgenders.
Auf ziviler Ebene ist das größte Problem für nicht operierte
Transsexuelle – wie Tal Aizik – die Nicht-Anerkennung ihrer geschlechtlichen
Identität durch die Behörden. "Die Änderung der Geschlechtsangabe im
Personalausweis ist heute nur bei Personen möglich, die eine Operation zur
Änderung des Geschlechts vollzogen haben; aber die meisten Transsexuellen, die
in der sexuellen Identität leben, in die sie sich zugehörig fühlen, machen
keine Operationen durch," so Nora Grinberg vom Israelischen Verband der
Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgenders, die selbst eine
Geschlechtsumwandlungsoperation hinter sich hat.
"Das Problem ist in der Regel drastischer bei
Transsexuellen, die in ihrer Vergangenheit Frauen gewesen sind, von denen nur
ein geringer Prozentsatz Operationen am Geschlechtsteil machen lassen. Um die
Geschlechtsangabe im Personalausweis verändern zu können, fordert das
Innenministerium eine Bescheinigung von einer nach dem Gesetz kompetenten
Person, und in der Praxis sind das die Ärzte. In diesem Fall ist auch das
Gericht Kompetenzträger, und weil sich Tal in seinen Bürgerrechten
benachteiligt sieht, bittet er das Gericht um eine Anweisung an das Innenministerium,
die Geschlechtsangabe in seinem Personalausweis zu verändern, obwohl er keine
Operation am Geschlechtsteil vollzogen hat".
Von der Angabe des Geschlechts in Aiziks Personalausweis
hängen viele Dienste, Vergütungen und Rechte ab. Außerdem wird jedes Mal, wenn
er seinen Personalausweis vorzeigen muss, sein Geheimnis fremden, unbeteiligten
Menschen preisgegeben.
Nora Grinberg "Die Geschichte von Tal zeigt die
beeindruckende Kraft, die Transsexuelle in ihrem Streben nach einem Leben in
ihrer gewünschten sexuellen Identität aufrecht erhält. Es ist diese Kraft, die
es diesen Menschen ermöglicht, Zurückweisung und Boykott, Feindseeligkeit, Hohn
und Diskriminierung jeglicher Art standzuhalten, sämtliche Behandlungen zu
überstehen, jeden Schmerz auszuhalten, um irgendwann einmal so leben zu können
wie es das Gefühl diktiert."
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