Donnerstag, 23. August 2012

Nicht jeder Bub, der ein Röckli trägt, ist transsexuell. Langsam kommt die Medizin der Transidentität auf die Spur. Für Kinder im «falschen» Körper gibts Hilfe.


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Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012

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Nicht jeder Bub, der ein Röckli trägt, ist transsexuell. Langsam kommt die Medizin der Transidentität auf die Spur. Für Kinder im «falschen» Körper gibts Hilfe.

Ein Mädchen aus Los Angeles sagte mit 18 Monaten: «Ich ein Junge». An dieser Überzeugung hat sich bis heute nichts geändert, das Kind ist mittlerweile acht Jahre alt. Es wollte nie Mädchenkleider tragen und besteht seit dem Vorschulalter auf einen Bubennamen.
Für die Familie war die Geschlechtskrise zuerst ein Schock. Die Mutter dachte, es sei eine Phase, das Mädchen vielleicht lesbisch. Doch nun unterstützt sie den Wunsch ihres Kindes und zieht es als Junge auf. Die Schulfreunde wissen nicht, dass ihr Gspänli biologisch gesehen ein Mädchen ist. Beim ersten Anzeichen der Pubertät wird sie mit der Einnahme von Hormonen beginnen, die aus ihr den Jungen machen sollen, als den sie sich fühlt.

Eine Hormonbehandlung mit zarten elf oder zwölf Jahren ist keine leichte Kost. Für das betroffene Mädchen allerdings war es eine riesige Erleichterung zu erfahren, dass es Medikamente gibt, die verhindern, dass ihm Brüste wachsen, schreibt «Time». Den Körper dem gefühlten Geschlecht anzupassen ist für das transidente Kind wertvoller als ein Leben ohne Medikamente.

Betroffenen trauen sich vermehrt Hilfe zu suchen


In den USA nimmt die Zahl der Behandlungen für Teenager und Kinder, die sich im falschen Geschlecht fühlen, zu. Dabei geht es nicht um den Jungen, der einfach gerne Röcke anprobiert oder das Mädchen, dass sich als Huckelberry Finn ausgibt, sondern um Kinder, die sich sicher sind, im falschen Körper zu stecken. Führend in dem Bereich ist das Kinderspital in Boston, das seit 2007 eine Abteilung eigens für die Geschlechtsidentität bei Kleinkindern, Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat. Jährlich werden etwa 19 Fälle behandelt; das sind zwar immer noch sehr wenige, aber fast fünf Mal mehr, als Ende der 1990er Jahre im Kinderspital dafür Hilfe suchten. «Time» berichtet zudem von mehr Fällen in Los Angeles und Texas.

Auch in der Schweiz ist eine Zunahme feststellbar. Der Psychotherapeut, Professor und Buchautor Udo Rauchfleisch beschäftigt sich seit über 40 Jahren mit dem Thema Transidentität. Dass er in den letzten Jahren vermehrt von Eltern mit Kindern und Jugendlichen im Zusammenhang mit Geschlechtsidentitätsfragen aufgesucht wurde, erklärt er sich damit, dass das Phänomen in der Bevölkerung bekannter geworden ist, die Betroffenen ihre Identität eher wahr nehmen und sich trauen, mit den Eltern darüber zu sprechen.

Die Pubertät vorzeitig stoppen


In den USA können Kinder unter 16 mit Hormonen behandelt werden, um die Pubertät nach hinten zu verschieben. Die monatliche Hormon-Injektion beginnt beim ersten Anzeichen der Pubertät, meist im Alter von elf oder zwölf Jahren, und wird von The Endocrine Society, die sich seit 1969 mit der Hormonlehre beschäftigt, empfohlen.

Durch die frühzeitig eingesetzten Pubertätsblocker gewinnen die Kinder einerseits Zeit, bevor sich ihr Körper zur Frau oder zum Mann entwickelt. Wenn sie auch psychologisch und emotional in der Lage sind, sich für ein Geschlecht zu entscheiden, kann durch eine weitere und wahrscheinlich lebenslange Einnahme von gegengeschlechtlichen Hormonen das biologische Geschlecht permanent verändert werden. Der Einsatz von Pubertätsblockern kann vor späteren, operativen Eingriffen bewahren. Denn wenn die Brust oder der Adamsapfel erst gar nicht wächst, müssen sie auch nicht später wieder entfernt oder verändert werden.

In der Schweiz gibt es keine allgemein verbindlichen Richtlinien für den Einsatz von pubertätsverzögernden Medikamenten. Udo Rauchfleisch sieht zwar den Vorteil der Zeitgewinnung, doch für ihn steht die intensive psychotherapeutische Begleitung im Vordergrund: «Auf diese Weise lässt sich in den meisten Fällen innerhalb eines halben bis eines Jahres entscheiden, ob es wirklich um Transidentität geht. Wenn dies klar ist, bin ich für den Einsatz von gegengeschlechtlichen Hormonen.»

Frühe Behandlung für besseres Resultat


Auch für den Einsatz von gegengeschlechtlichen Hormonen bestehen in der Schweiz keine verbindlichen Richtlinien. Die internationale Endocrine Society mit Mitgliedern aus über 100 Ländern ihrerseits empfielt für die Behandlung von minderjährigen Transsexuellen, die Pubertät zum gewünschten anderen Geschlecht mit 16 Jahren einzuleiten und die Hormondosis langsam zu steigern. Das Ergebnis sei deutlich besser, als wenn erst später damit begonnen wird. Vor operativen Eingriffen bei Minderjährigen wird abgeraten, genaue Überwachung und intensive psychologische Begleitung dagegen sind ein Muss.

Die Einnahme von Testosteron, Testosteronhemmern oder Östrogenen ist nicht ungefährlich, sie birgt Risiken wie Thrombosen und Krebs. In der kürzlich von Norman Spack, Direktor der Klinik in Boston, veröffentlichten Studie über die Behandlung von Betroffenen in einem Zeitraum von 12 Jahren sind keine Komplikationen eingetreten. Nach der Einnahme der Pubertätsblocker hat sich nur eines der insgesamt 97 Kinder gegen die defintive Umwandlung entschieden.

Andere Gehirnstruktur


Wie Rauchfleisch betont, muss vor einer Behandlung bei den jungen Patienten die Frage geklärt werden, woher ihr Unwohlsein im eigenen Körper kommt: «Geschlechtsidentitätskrisen können bei Jugendlichen im Zusammenhang mit verschiedenen Problemen auftauchen. Transidentität hingegen hat nichts mit dem Alter und der Entwicklungsphase eines Kindes zu tun. Sie besteht, soweit wir wissen, schon von früh auf, möglicherweise schon seit Geburt.»

Transidentität hat, wie der emeritierte Professor für Klinische Psychologie an der Universität Basel sagt, selbst nichts mit psychischen Störungen oder medizinischen Problemen zu tun. «Sie stellt eine Variante der Identität dar.» Dennoch erhalten die betroffenen Kinder und Menschen damit eine psychiatrische Diagnose, der Mensch wird damit als krank etikettiert. Doch es gibt Ärzte, darunter auch Spack, die das ändern wollen. Die Forschung deutet darauf hin, dass die Gehirne der transidenten Menschen dem des anderen Geschlechts ähnlicher sind. Das komme schätzungsweise bei 0.01 Prozent vor.

Wer will das andere Geschlecht?


«Die Geschlechterrollen werden dann relevant, wenn es darum geht, ob ein Kind in der weiblichen oder männlichen Rolle sozialisiert wird, und wie es sich in der Öffentlichkeit zeigt», so Rauchfleisch. Es gibt auch Kinder, die sich überhaupt nicht mit den vorherrschenden Geschlechterrollen identifizieren können und mit den Konventionen, die ihnen aufgedrängt werden, zu kämpfen haben. Auch die Rolle der Eltern muss genau untersucht werden. Die Sexualität der Kinder könnte ein Auslöser für den Entscheid zur Geschlechtsumwandlung sein. Möglicherweise können manche Eltern besser damit umgehen, aus ihrem Sohn eine Tochter zu machen, als einen schwulen Sohn zu haben, schildert «Time» die ethischen Vorbehalte von Margaret Moon, Mitglied des Bioethik-Komitees der American Academiy of Pediatrics.

Spacks Studien zeigen, dass Kinder, die sich im falschen Körper fühlen, sich zum Teil selber verstümmeln, um ihre Anatomie zu verändern. Auch verbaler und psychischer Missbrauch kommt vor, und sie tendieren zu Stress und Depressionen. Gemäss Spack verschwinden diese Probleme für gewöhnlich wieder, wenn die Kinder behandelt werden und als das gewünschte Geschlecht leben dürfen.


Mehr als zwei Möglichkeiten


Auch das Zwei-Geschlechter-Modell unserer Gesellschaft macht es schwieriger für Individuen, deren Identität nicht der einen oder anderen erwarteten Rolle entspricht. «Es wäre einfacher», so Rauchfleisch, «wenn es Menschen möglich wäre, unabhängig von den Kategorien Frau und Mann, so zu leben, wie sie sich fühlen».

Es gibt Gesellschaften, die andere Geschlechtsidentitäten akzeptieren. So leben zum Beispiel die Hijras in Indien oder die Kathoeys in Thailand als drittes Geschlecht. Die Ladyboys, glamouröse und attraktive Männer, die sich in Frauen verwandelt haben, sind eine beliebte Attraktion für Thai-Touristen. In der Kultur Polynesiens wiederum trifft man auf Fa'afafine, biologische Männer, die sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsmerkmale haben und zumindest früher eine sehr angesehene Bevölkerungsgruppe waren.

Manche Kulturen definieren im Graubereich zwischen Mann und Frau noch mehr Möglichkeiten. Die Lakota-Indianer kennen insgesamt vier Geschlechter, die sich sprachlich als Mann, Frau, Mann-Frau und Frau-Mann ausdrücken. So wird Raum geschaffen für eine vielschichtigere Identität, wo Individuen, die nicht den klassischen Rollen entsprechen, aufgefangen werden.

Stellungnahme des Deutschen Ethikrats


Ein Umdenken ist – zwar langsam – im Gang. In seiner Stellungnahme vom 23. Februar 2012 zur Situation intersexueller (Anm: nicht dasselbe wie transsexuell) Menschen fordert der Deutsche Ethikrat, dass Menschen, die sich aufgrund ihrer körperlichen Konstitution weder dem Geschlecht «weiblich» noch «männlich» zuordnen können, im Personenstandsregister auch die Option haben, sich als «anderes» einzutragen, beziehungsweise, dass kein Eintrag erfolgen muss, bis die betroffene Person sich selbst entschieden hat. In den USA ist dies schon möglich.


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