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Bearbeitet von Nikita Noemi
Rothenbächer 2012
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Arbeitsalltag im falschen Körper
Schlechte
Witze, Jobangst, Mobbing: Trans-Menschen haben es im Berufsleben nicht einfach.
Der Alltag mit Kollegen und Vorgesetzten gerät oft zum gefühlten
Spießrutenlauf. Dabei soll das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz solche
Nachteile eigentlich verhindern.
Wenn zum
Kollegium am Arbeitsplatz plötzlich eine Person gehört, die sich für ein Leben
im anderen Geschlecht entscheiden will, zeigt sich, wie tolerant Kollegen und
Vorgesetzte sind. In einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
schildern Trans-Personen Anfeindungen, Drohungen und Belästigung. Sie ertragen
Spott, Tratsch, unnötige Kritik, Ausschluss aus Kollegengruppen und müssen oft
unangenehme Aufgaben übernehmen. Und wer sich im Unternehmen als Trans-Person outet,
wird vom Chef auch schon mal vom Kontakt mit den Kunden abgezogen oder muss
gleich um den Job fürchten.
Wegen seines
Geschlechts oder seiner sexuellen Identität darf niemand Nachteile erleiden. So
schreibt es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vor. Viele Trans-Personen
schafften es bis zum Eintrag ihres gelebten Geschlechtes ins Personenregister.
Zuvor müssen sie sich nach derzeitigem Recht sterilisieren und
medizinisch-operativ angleichen lassen. Wer das nicht will, dem bleibt nur, im
privaten Rahmen zu leben, was er sein möchte. Im Job und der weiteren
Öffentlichkeit herrscht dann der Zwang, sich dem Eintrag des
Personenstandsregisters anzupassen.
Deutliche
Benachteiligungen
Die Hälfte
der Trans-Personen hält am Arbeitsplatz ihr gewähltes Geschlecht aus Angst vor
Nachteilen und Jobverlust geheim, ergab die Studie der
Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die in Europa und den USA
zusammengetragenen Forschungsergebnisse zeigen, dass bis zu 54 Prozent der
Trans-Personen arbeitslos sind. Bis zu einem Drittel der Befragten gaben an,
ihren Job wegen des Trans-Seins verloren zu haben. Trans-Menschen verdienen
deutlich weniger als Kollegen in vergleichbaren Positionen und machen seltener
Karriere.
Um ihr
Geschlecht anzugleichen, geben zudem viele den Arbeitsplatz auf und suchen erst
wieder eine Anstellung, wenn ihre Papiere geändert sind. Oft bleibt nur die
Selbstständigkeit, um der Diskriminierung am Arbeitsplatz zu entgehen. Zu den
Schikanen, von denen Betroffene berichten, zählt sogar das Verbot, die Toilette
des gewählten Geschlechts zu besuchen. Die Forscher hatten unter anderem in
Deutschland, Österreich, Belgien, den USA und Großbritannien mehrere Tausend
Trans-Personen befragt.
Unter den
Grünen lösten die Befunde Betroffenheit aus: "Die Studie offenbart, wie
weit verbreitet die Diskriminierung gegenüber Transsexuellen und Transgendern
ist", sagte Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. "Das Sortieren in
Schubladen ist tief in unserer Gesellschaft verwurzelt." Der Mensch müsse
im Mittelpunkt stehen, und nicht die mit Geschlechterrollen verbundenen
Vorurteile.
Veraltete
Gesetzgebung
Am stärksten
erschwert Trans-Personen die Arbeitssuche, dass ihr gelebtes Geschlecht nicht
mit dem in den Dokumenten und im Lebenslauf ausgewiesenen übereinstimmt.
"Menschen mit transsexuellem Hintergrund haben oftmals Schwierigkeiten,
ihren Ausbildungs- und beruflichen Werdegang mit Dokumenten zu belegen, die
ihrer gelebten Geschlechtsidentität entsprechen", beklagt Christine
Lüders, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle. "Dies führt zu
Diskriminierungen dieser Personen, besonders in Bewerbungsverfahren." Das
Problem: Weder das Transsexuellengesetz noch das Personenstandsgesetz bilden
eine praktikable Grundlage, Zeugnisse und Urkunden nach einer Geschlechtsanpassung
auszustellen, sobald ein Gericht den neuen Vornamen bestätigt hat.
Das
Personenregister ändern zu lassen ist in Deutschland ein mehrjähriger Prozess,
wie der Verein Transinterqueer beklagt. Lüders dringt auf Abhilfe: Es sei nicht
hinnehmbar, dass transsexuelle Menschen einem potenziellen Arbeitgeber ihre
Geschlechtsangleichung offenbaren müssten und dann den gewünschten Arbeitsplatz
möglicherweise doch nicht erhielten, sagt die Chefin der
Antidiskriminierungsstelle. Eine "verbindliche und bundeseinheitliche Lösung"
sei dringend erforderlich, um Urkunden rückwirkend ändern zu können.
Dass das
Transsexuellengesetz "nicht mehr in jeder Hinsicht aktuellen
medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen" entspricht, hatten auch
Union und FDP erkannt und vereinbarten in ihrem Koalitionsvertrag, es "auf
eine neue zeitgemäße Grundlage" zu stellen. 2009 hatte die
Vorgängerregierung zumindest den Zwang zur Scheidung abgeschafft, wenn ein
verheirateter Partner das Geschlecht wechseln wollte. Dabei blieb es, was Transinterqueer
heftig kritisiert.
Im Kampf
gegen Kastration und operative Eingriffe haben Trans-Personen die Unterstützung
der Grünen: "Zwangskastration, sogenannte geschlechtsanpassende
Operationen gegen den Willen der Betroffenen und Gängelei durch Behörden und
Gutachter gehören endgültig abgeschafft", verlangt
Fraktionsgeschäftsführer Beck. Derartige Praktiken seien "eines modernen
Rechtsstaats nicht würdig". Die Grünen legten den Entwurf eines
"Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit"
vor, nach dem künftig die Standesämter und nicht Gerichte das Verfahren
übernehmen sollen. "In Zukunft sollen die Betroffenen selbst über ihre
Geschlechtszugehörigkeit entscheiden", sagt Beck.
Parlamentsvertreter
der Liberalen wollen sich nun mit den Kollegen von der Union treffen, um zu
sondieren, was in dieser Wahlperiode noch möglich ist. Man werde die
Geschlechts-Anerkennung "würdevoller und diskriminierungsfreier
gestalten", sagt Michael Kauch, Bundestagsabgeordneter der FDP. Bis 2013
ist Zeit, dann ist die nächste Wahl.
Trans*, Geschlecht
und Arbeit mal Wissenschaftlich!
Aus dem
Bereich sozialwissenschaftlicher und Geschlechterforschung stammen darüber hinaus
qualitative Untersuchungen, die Erfahrungen von Trans*Menschen im Arbeitsleben thematisieren
(Schirmer 2010; Schilt 2006; Schilt/Connell 2007; Schilt/Westbrook 2009).
Weiterhin
entstanden theoretische Konzepte für Analysen von Zusammenhängen zwischen
Geschlechts- bzw. Sexualitätszuschreibungen und gesellschaftlichen
Positionierungen, auch im Bereich der Arbeit.
R. Connell
(1999) unterscheidet verschiedene gesellschaftliche Positionen von
Männlichkeit, die in Wechselwirkung mit den jeweiligen Produktionsverhältnissen
einer Gesellschaft stünden. Hegemoniale Männlichkeit halte eine patriarchale
Gesellschaftsordnung am effektivsten aufrecht, während untergeordnete
Männlichkeiten, z.B. aufgrund nicht hegemonialer Klassen- oder ethnischer
Zuschreibungen oder auch wegen nonkonformen Geschlechtsausdrucks (etwa schwule
Männlichkeit), weniger autorisiert seien.
Gemeinsam sei
allen Männlichkeiten die patriarchale Dividende, d.h. der Profit von Männern in
einer patriarchal strukturierten Gesellschaft. Deren Höhe variiere je nach Grad
der Autorisierung oder Marginalisierung der Männlichkeit (Connell 1999;
Schirmer 2010). Nach Çınar/Strähle (2010) ist der Anteil von Transmännern an
der patriarchalen Dividende stark von ihrem Passing abhängig. Ohne
durchgehendes Passing könnten neu erworbene männliche Privilegien wieder
verloren gehen.
Ein weiteres
theoretisches Konzept, das trans-relevante Diskriminierungsstrukturen beschreibt,
ist das der sexuellen Arbeit (Boudry et al. 1999; Lorenz/Kuster 2007). Es
fokussiert Verschränkungen von Zweigeschlechtlichkeit und Heteronormativität
mit dem Bereich Arbeit. Auf mehreren Ebenen müssen danach Personen, die von
normativen Erwartungen an Geschlecht und Sexualität abweichen, besondere Arbeit
leisten, damit ihre Produktivität als gleichwertig anerkannt wird.
Schirmer/Weckwert (2006; sowie Schirmer 2010) sprechen von geschlechtlicher
Arbeit als einem besonderen beruflichen Engagement, das Trans*Personen leisten
müssten, und fassen dies wie folgt zusammen:
Arbeit an
der Geschlechtsdarstellung entsprechend zweigeschlechtlicher visueller Codes
Beziehungsarbeit
entsprechend vergeschlechtlicher Verhaltenserwartungen, um Irritationen zu
vermeiden bzw. zu überwinden
Selbstverhältnisse:
Erkennen, Aushalten und Verarbeiten von abwertenden, pathologisierenden,
potenziell verletzenden Bezugnahmen auf Trans* erfordert psychische Arbeit.
80 Lindemann 1997, S. 324. Auch Hirschauer
plädiert für das Selbstbestimmungsrecht von Transsexuellen und fordert, dass
die Indikationsstellung zu medizinischen Körperveränderungen sich nicht auf
eine diagnostische Auswahlentscheidung, sondern auf eine biografische
Lebensentscheidung fokussieren solle: vgl. Hirschauer 1997, S. 336. 81 Vgl. Lindemann 1997, S. 327 f. Aktuell klagen
Trans*Menschen gegen die im TSG für die Personenstandsänderung vorgeschriebene
Unfruchtbarkeit, vgl. Pressemitteilung von TrIQ e.V.,
http://www.transinterqueer.org/. Zum
Begriff „Passing“ vgl. Glossar ab Seite 94.23
Übererfüllung
beruflicher Anforderungen:
Besondere fachliche Kenntnisse (Spezialisierung)
eröffnen Spielräume für Trans*Personen. Transmänner erfahren patriarchale
Dividende, männlichen Kompetenzbonus, wohingegen sich Transfrauen als Frauen
besonders beweisen müssen.
Nach
Schirmer sind Transgressionen der Zwei-Geschlechter-Ordnung in der Arbeitswelt
oft nicht lebbar. Das Verlassen der Dichotomie männlich-weiblich bedeute den
Verzicht auf beruflichen Aufstieg.
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