Donnerstag, 6. September 2012

Jede sechste Transperson verliert Job



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Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012

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Jede sechste Transperson verliert Job

In Wien durfte die transsexuelle Lehrerin Andrea S. ihre Arbeit trotz anfänglicher Proteste behalten. Vielen weiteren Betroffenen gelingt das nicht
Wien - Wolfgang Wilhelm rechnet bei den Schülern der HTL Spengergasse mit "Offenheit" und "Neugierde" . Der Wiener Antidiskriminierungsbeauftragte für gleichgeschlechtliche und Transgenderlebensweisen soll an der Wiener Lehranstalt einen Workshop abhalten - auf Ersuchen des Unterrichtsministeriums und noch in dieser Woche, um im Konflikt um die transsexuelle Informatiklehrerin Andrea S. zu vermitteln.

"Nach einem Geschlechterwechsel muss es möglich sein, den Arbeitsplatz zu behalten", stellt der Trouble-shooter klar. Mittels Kurzvortrags und einer anschließenden Diskussion will er den Jugendlichen das Thema Transsexualität näherbringen, das sie, ihre Eltern und die Schuldirektion in der Person von Andrea S. jetzt persönlich betrifft. Die reale Konfrontation mit Menschen zwischen den Geschlechtszugehörigkeiten, "die man sonst meist nur in den Medien sieht", lasse die Toleranz zuweilen schwinden, weiß Wilhelm.

"Auszeit" nahegelegt


Der 58-jährigen Andrea S., die vor dem Sommer als Mann in die Ferien ging und zu Schulbeginn als Frau zurückkehrte, war vom Direktor eine berufliche Auszeit nahegelegt worden. Nach einer Reihe von Berichten im Kurier und im ORF wurde der Vorschlag zurückgezogen, S. unterrichtet weiter. Ihr "Fall" und die Lage von Transgenderpersonen insgesamt war Mittwochabend auch Thema im ORF-Club 2.

Kündigungen oder Androhungen damit sind laut Gleichbehandlungsanwältin Ingrid Nikolay-Leitner auch in der Privatwirtschaft der häufigste Grund für Transgenderpersonen, sich bei ihrer Stelle zu beschweren. Doch es gebe nur wenige Fälle: "Einer in mehreren Jahren." Dabei biete das auf EU-Richtlinien basierende Gleichbehandlungsgesetz den Betroffenen umfassenden Schutz.
"Es ist eine Frage der Bekanntheit unserer Stelle unter Transgenderpersonen", mutmaßt Nikolay-Leitner.

Sie verweist auf eine 2008 erstellte Studie über die "Lage von Transpersonen am österreichischen Arbeitsmarkt". Laut dieser leben 46 Prozent der rund 5000 Betroffenen in Österreich "aus beruflichen Gründen" nicht in ihrem gewählten Geschlecht.

15 Prozent, ein Sechstel, wurden nach ihrem Geschlechterwechsel gekündigt, 29 Prozent wechselten davor präventiv den Arbeitsplatz. "Um Konflikten vorzubauen ist das richtige Timing wichtig. Man muss Kollegen und Chefs, aber auch Bekannte und Freunde auf die bevorstehende Veränderung vorbereiten, den Übergang nicht allzu abrupt gestalten. Denn das Bild von früher darf sich in den Köpfen der anderen nicht allzu verfestigen", rät Eva Fels, Obfrau der Transgenderorganisation TransX. Der Verein bietet Betroffenen Begleitung bis hin zur Stilberatung an.

Rechtliche Verbesserung

Verbessert hat sich in den vergangenen Jahren die rechtliche Situation von Transgenderpersonen. So sehr, dass Österreich "inzwischen europaweit als Vorbild gelten kann", sagt der Wiener Anwalt Helmut Graupner. Anders als etwa in England, Deutschland und Frankreich müssen sich Ehepaare in Österreich nicht scheiden lassen, wenn einer der Partner das Geschlecht wechselt - die Folge eines Spruchs des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) aus dem Jahr 2006.

Seit 2009 können Transgenderpersonen nach einem weiteren VfGH-Entscheid außerdem auch ohne genitale Operationen vor den Behörden das Geschlecht wechseln: "Inzwischen", sagt Graupner, "fordern sogar schwedische Betroffene Gesetzesänderungen wie in Österreich."

Transsexuelle HTL-Lehrerin darf weiter unterrichten

Bildungsministerium setzt ein Zeichen für Toleranz


Wien  (OTS/SK) – “Das Bildungsministerium hat auf die Medienberichte über die transsexuelle Lehrerin an der HTL-Spengergasse in Wien prompt reagiert und erklärt, dass es bei LehrerInnen auf die Qualifikation und nicht auf das äußere Erscheinungsbild ankommt”, freute sich am Sonntag Angelika Frasl, stellvertretende Bundesvorsitzende und Transgenderbeauftragte der SoHo (Sozialdemokratie und Homosexualität).

Frasl erklärte, dass diese Aussage des Bildungsministeriums ein wichtiges Zeichen im Hinblick auf die Akzeptanz und Anerkennung von Transgenderpersonen am Arbeitsmarkt ist, an der sich jeder Arbeitgeber ein Beispiel nehmen sollte. “Immer noch verlieren viele transsexuelle Menschen nach ihrem Coming Out ihren Arbeitsplatz und gleiten in die Langzeitarbeitslosigkeit ab”, so Frasl weiter. Hier gilt es durch Bewusstseinsbildung und Aufklärungsarbeit dringend
Änderungen herbeizuführen.

“Transsexualität ist keine ansteckende Krankheit vor der man jemanden beschützen müsste”, meinte auch Sarah-Michelle Fuchs, Psychotherapeutin und SoHo-Bundesvorstandsmitglied, gestern in einem Interview gegenüber ATV. Daher ist die Reaktion des Elternvereinsobmannes unverständlich. “Ich wünsche der betroffenen HTL-Lehrerin alles Gute auf ihrem Weg zu ihrem wahren ‘Ich’ und danke Bildungsministerin Claudia Schmied und ihrem Team für die vorbildhafte Reaktion”, so Frasl abschließend.

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