Dienstag, 25. September 2012

Neu Auflage: Wie entsteht Transsexualität?



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Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012

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Wie entsteht Transsexualität?

Ob eine Frau tatsächlich wie eine Frau fühlt oder doch wie ein Mann, entscheidet sich höchstwahrscheinlich schon im Mutterleib. Schon in den ersten Wochen der Schwangerschaft werden die Weichen für die Gehirnentwicklung festgelegt. Der kurzfristige Einfluss von männlichen Sexualhormonen könnte dann das Gehirn eines weiblichen Embryos "vermännlichen". Ein männliches Gehirn in einem weiblichen Körper könnte das Phänomen "Frau-zu-Mann-Transsexualität" erklären. Es ist jedoch heute nur in Ausnahmefällen möglich, mit Sicherheit nachzuweisen, welchen Konzentrationen von Sexualhormonen ein Mensch im Mutterleib ausgesetzt war. Das gilt beispielsweise für bestimmte Stoffwechselerkrankungen, die sich nach der Geburt bestimmen lassen. Selbst wenn solche Mädchen noch als Säuglinge mit weiblichen Hormonen behandelt werden, verhalten sie sich später wie Jungs. Sie spielen lieber mit Jungs, kleiden sich wie ein Junge und gehen manchmal sogar in die Umkleidekabine für Jungs. Genauso verhalten sich fast alle Frau-zu-Mann-Transsexuellen in ihrer Jugend. Vielleicht haben also tatsächlich männliche Hormone schon im Mutterleib die Weichen in Richtung Transsexualität gestellt.

Eine rätselhaftes Syndrom kommt bei Frau-zu-Mann-Transsexuellen häufiger vor

Dafür spricht auch die Beobachtung, dass das sogenannte polyzystische Ovarial-Syndrom bei Frau-zu-Mann-Transsexuellen überraschend häufig auftritt. Bei diesem Syndrom sind die Eierstöcke der betroffenen Frauen von vielen Zysten durchsetzt. Das liegt daran, dass die Eier, sich nicht wie sonst üblich beim Eisprung lösen. Eine Studie von Kieler Sexualmedizinern konnte das polyzystische Ovarialsyndrom bei 50 Prozent der untersuchten Frau-zu-Mann-Transsexuellen nachweisen. Bei anderen Frauen kommt es nur in fünf Prozent der Fälle vor. Die Entstehung dieses Syndroms führen Experten heute – genau wie die Frau-zu-Mann-Transsexualität – ebenfalls auf den Einfluss männlicher Hormone im Mutterleib zurück. Außerdem könnte ein weiteres Symptom des polyzystischen Ovarialsyndroms die Entstehung von Transsexualität begünstigen. Die betroffenen Frauen haben nämlich auch im Erwachsenenalter einen erhöhten Testosteronspiegel. Dieses männliche Sexualhormon könnte dazu beitragen, dass manche Menschen wie ein Mann fühlen und denken, obwohl sie einen weiblichen Körper haben.

Frau-zu-Mann-Transsexuelle haben schon vor der Hormonbehandlung einen "unweiblichen" Körper

Eine erhöhte Konzentration von männlichen Sexualhormonen könnte auch erklären, warum Frau-zu-Mann-Transsexuelle eher männliche Körperproportionen aufweisen. In einer Studie haben Kieler Sexualmediziner eine Reihe von Frau-zu-Mann-Transsexuellen vermessen und dabei festgestellt, dass ihr Taille nicht so schlank, ihre Schultern breiter und ihre Hüften schmaler sind als bei anderen Frauen. Die Familiensituation trägt ebenfalls zur Entstehung von Transsexualität bei

Die Wirkung von männlichen Hormonen kann viele Symptome der Frau-zu-Mann-Transsexualität erklären. Allerdings müssen höchstwahrscheinlich noch andere Faktoren hinzukommen, damit eine Frau wie ein Mann fühlt. Schließlich gibt es etliche Frauen, die ebenfalls einen erhöhten Spiegel männlicher Sexualhormone aufweisen oder sogar schon im Mutterleib männlichen Hormonen ausgesetzt waren und trotzdem wie eine ganz normale Frau fühlen. Damit es tatsächlich zu einer Frau-zu-Mann-Transsexualität kommt, müssen noch andere Einflüsse hinzukommen. Experten haben nach solchen Faktoren in der Familiensituation von Transsexuellen gesucht und dabei sind ihnen einige Besonderheiten aufgefallen. Beispielsweise haben sich die Mütter von Frau-zu-Mann-Transsexuellen oft einen Jungen gewünscht. Die jungenhaften Verhaltensweisen ihrer Tochter würde eine solche Mutter eher fördern und positiv verstärken. Außerdem fehlt in den Familien von Frau-zu-Mann-Transsexuellen überdurchschnittlich häufig der Vater. Die Töchter neigen dann dazu, den Vater zu idealisieren und versuchen vielleicht gerade deswegen, sich typisch männlich zu verhalten.

Das Gehirn von Frau-zu-Mann-Transsexuellen verhält sich männlich

Es gibt vermutlich noch eine Vielzahl von bis jetzt unbekannten Faktoren, die die Entstehung von Frau-zu-Mann-Transsexualität begünstigen. Noch bleiben bei diesem Phänomen viele Rätsel ungelöst. Sicher wissen Experten im Moment nur eins: Das Gehirn von Transsexuellen verhält sich entsprechend ihrem gefühlten Geschlecht. In Tests im Kernspintomographen schneiden Frauen, die wie Männer fühlen, genauso ab wie nicht-transsexuelle Männer in der Kontrollgruppe. Dabei ist es völlig egal, ob dieser Test das räumliche Vorstellungsvermögen überprüft oder die sexuelle Erregbarkeit. Wie es dazu kommt, können Wissenschaftler allerdings immer noch nicht vollständig erklären. Das liegt aber nicht nur daran, dass es sich um ein schwieriges wissenschaftliches Problem handelt. Experten, die in diesem Feld arbeiten, beklagen immer wieder, wie schwierig es ist, Forschungsgelder für Studien zum Thema Transsexualität zu bekommen. Dabei haben viele Transsexuelle, wie Balian Buschbaum, ein großes Interesse daran, zu verstehen, was mit ihnen los ist.

Das Gehirn - Das wichtigste Sexual-Organ

Dick Swaab, geboren 1944, gilt als einer der international führenden Hirnforscher. Er war Professor für Neurobiologie an der Universität Amsterdam und dreißig Jahre lang Direktor des Niederländischen Instituts für Hirnforschung. Für seine Forschung erhielt er zahlreiche Preise.

Die vorliegenden Ausschnitte entstammen seinem Buch "Wir sind unser Gehirn"[1a], das in den Niederlanden monatelang an der Spitze der Bestsellerliste stand.

„Wir kommen mit einem Gehirn zur Welt, das durch eine Kombination unserer genetischen Anlagen und der Programmierung während unserer Entwicklung in der Gebärmutter einzigartig geworden ist. In ihm sind unsere Charaktereigenschaften, unsere Talente und Begrenzungen im Wesentlichen schon festgelegt. Das betrifft nicht nur den IQ, die Prägung zum Morgen- oder Abendmenschen, das Maß an Spiritualität, das neurotische, psychotische, aggressive, antisoziale oder nonkonformistische Verhalten, sondern auch das Risiko für Hirnkrankheiten [...]. Sind wir erst einmal erwachsen, ist die Modifizierbarkeit unseres Gehirns sehr eingeschränkt und unsere Eigenschaften sind, wie sie sind. Die Struktur unseres Gehirns, das auf diese Weise zustande gekommen ist, bestimmt seine Funktion, wir sind unser Gehirn.
Unsere genetischen Anlagen und die zahlreichen Faktoren, die unsere frühe Hirnentwicklung nachhaltig beeinflussen, erlegen uns viele »interne Beschränkungen« auf. Daher sind wir nicht frei, unsere Geschlechtsidentität, unsere sexuelle Orientierung, unser Aggressionsniveau, unseren Charakter, unsere religiöse Einstellung oder unsere Muttersprache zu verändern. Das ist kein neuer Gedanke, ich befinde mich mit ihm in guter Gesellschaft. […] Zu diesem Schluss kam auch Charles Darwin (1809 -1882) in seiner Autobiographie. Er schrieb, „dass Erziehung und Umgebung nur eine geringe Wirkung auf den Geist eines jeden ausüben und dass die meisten unserer Eigenschaften angeboren sind“.
Diese Auffassung steht jedoch in krassem Gegensatz zum Machbarkeitsglauben der sechziger und siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede wurden damals der herrschenden Männergesellschaft angelastet, und man vertrat die Ansicht, dass das doppelt so hohe Risiko von Frauen, an einer Depression zu erkranken, auf ihr beschwerlicheres Leben zurückzuführen wäre. Man dachte: Wenn das soziale Umfeld diese Probleme verursacht, dann kann man an ihnen auch etwas ändern. Doch der Fortschrittsglaube und die Beachtung, die man dem sozialen Umfeld zollte, hatten auch ihre dunklen Seiten. Der Erziehung, und vor allem den Müttern, gab man die Schuld, wenn es schiefging. Eine dominante Mutter war der Grund für die Homosexualität ihres Sohnes, das Kind einer emotional distanzierten Mutter wurde autistisch, und widersprüchliche Botschaften hatten Schizophrenie bei den Kindern zur Folge, so dass sie „aus den Klauen der schädlichen Familie gerettet werden mussten“. Transsexuelle waren psychotisch, kriminelles Verhalten ließ sich auf einen schlechten Freundeskreis zurückfuhren, Magermodels lösten eine Magersuchtepidemie bei anderen Mädchen aus, und Missbrauch- und Verlusterfahrungen riefen Borderline-Persönlichkeitsstörungen hervor. Kaum eine bzw. keine dieser Auffassungen ist heute noch haltbar.“

„Alle Fakten weisen darauf hin, dass […] [Geschlechtsdifferenzierungen] bereits in der Gebärmutter entstehen. Man hat kleine Veränderungen der Gene entdeckt, die an der Wirkung der Hormone auf die Gehirnentwicklung beteiligt sind und auf diese Weise die Wahrscheinlichkeit von Transsexualität erhöhen. Auch ein abnormaler Hormonspiegel des Kindes in der Gebärmutter oder Medikamente, die eine Mutter während der Schwangerschaft einnimmt und die den Abbau von Geschlechtshormonen hemmen, können die Wahrscheinlichkeit von Transsexualität erhöhen. Die Differenzierung unserer Geschlechtsorgane vollzieht sich in der ersten, die sexuelle Differenzierung unseres Gehirns in der zweiten Schwangerschaftshälfte. Da diese beiden Prozesse in unterschiedlichen Phasen ablaufen, wird die Theorie vertreten, dass diese Prozesse bei Transsexualität unterschiedlichen Einflüssen unterliegen.“ [(S. 104)]

„Je nachdem, ob Testosteron produziert wurde oder nicht, entwickeln sich die Geschlechtsorgane des Kindes zwischen der 6. und 12. Schwangerschaftswoche zu männlichen oder weiblichen. Später, in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft, differenziert sich das Gehirn in männliche oder weibliche Richtung. […] In dieser Phase wird unsere Geschlechtsidentität - das […] [Wissen], ein Mann oder eine Frau zu sein - unumkehrbar in den Hirnstrukturen verankert.
Dass unsere Geschlechtsidentität bereits in der Gebärmutter festgelegt wird, ist noch nicht lange bekannt. Zwischen 1960 und 1980 dachte man, ein Kind käme als unbeschriebenes Blatt zur Welt, dessen Verhalten von seinem Umfeld in eine männliche oder weibliche Richtung gelenkt werde. Diese Vorstellung hatte schwerwiegende Folgen für den Umgang mit Neugeborenen.“ [(S. 87/88)]

„Tatsächlich haben wir 1995 eine solche Umkehrung der Geschlechterdifferenzierung in einer kleinen Struktur eines Spendergehirns entdeckt und diesen Fall in der Zeitschrift Nature publiziert. Er betraf den Bed Nucleus der Stria terminalis (BST), eine kleine Gehirnstruktur, die in vielfältiger Weise an unserem sexuellen Verhalten beteiligt ist. Der zentrale Teil dieses Kerns, der BSTc, ist bei [nicht transsexuellen] Männern doppelt so groß und enthält doppelt so viele Neuronen wie bei [nicht ztranssexuellen] Frauen. Bei transsexuellen Frauen entdeckten wir einen weiblichen BSTc. Das einzige Gehirn eines transsexuellen Mannes, das wir untersuchen konnten - dieses Material ist noch seltener als das Gehirn von transsexuellen Frauen -, hatte tatsächlich einen männlichen BSTc. Wir konnten ausschließen, dass die Umkehrung der Geschlechterdifferenzierung des Gehirns bei transsexuellen Menschen durch einen veränderten Hormonspiegel im Erwachsenenalter verursacht wurde. Die Umkehrung muss im Laufe der Gehirnentwicklung stattgefunden haben.“  [(S. 104/105)]



b) Kruijver et al.  Transsexuelle Frauen haben weibliche Neuronenanzahl in einem Kern des limbischen Systems
Eine wichtige Frage, die sich aus der oben genannten Hirnstudie bei transsexuellen Frauen ergab, war, ob der beschriebene Unterschied in der Größe des BSTc-Kerns sich nur auf die Größe an sich bezog, oder ob die Größe auch etwas mit der Anzahl der Neuronen zu tun hat. Wenn die Größe des Bstc-Kerns transsexueller Frauen der von nicht transsexuellen Frauen entspricht, haben sie auch die gleiche Neuronenzahl?

Die Forscher bestimmten deshalb bei 42 Probanden die Anzahl der Somatostatinneurone des BSTc im Verhältnis zum Geschlecht, sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und früherem oder gegenwärtigem Hormonstatus. Unabhängig von der sexuellen Orientierung hatten Männer fast doppelt so viel Somatostatinneurone wie Frauen. Die Anzahl der Neurone in der BSTc bei transsexuellen Frauen entsprach der der nicht-transsexuellen Frauen. Im Gegensatz dazu war die Neuronenzahl der transsexuellen Männer im Bereich derer von nicht-transsexuellen Männern.

Hormontherapie und Hormonspiegelunterschiede bei Erwachsenen schienen keinen Einfluss auf die BSTc- Neuronenzahl zu haben.

Die gefundenen Ergebnisse hinsichtlich der Geschlechtsunterschiede der Somatostatinneuronen in der BSTc unterstützen klar die Vermutung, dass bei Transsexuellen die geschlechtlichen Differenzierungen von Gehirn und Genitalien in unterschiedliche Richtungen gehen können und weisen auf eine neurobiologische Ursache der Transsexualität hin.



c) Untersuchungen von G. Stalla
Der Neuroendokrinologe Günter Karl Stalla und seine Mitarbeiter vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München überprüften die Hypothese, dass Hormoneinflüsse in der 7. Schwangerschaftswoche (die bei Männern und Frauen unterschiedlich sind) für Transsexualität mitverantwortlich sind. Dazu bestimmten sie bei mehr als 100 transsexuellen Menschen das Verhältnis der Länge von Zeige- zu Ringfinger. Forschungen haben gezeigt: Die Differenz ist umso größer, je weniger männliche Geschlechtshormone in der 7. Schwangerschaftswoche auf das Embryo einwirkten.

Bei transsexuellen Frauen fanden die Forscher eine andere Relation der Fingerlänge als bei Männern. Die Verhältnisse der Fingerlängen zueinander (Zeigefinger zu Ringfinger) der transsexuellen Frauen entsprach in etwa der von nicht-transsexuellen Frauen. Dies zeigt, dass die Gehirne transsexueller Frauen im Mutterleib denselben mengen Androgenen ausgesetzt waren, wie alle Frauengehirne und nicht der hohen Androgenmenge, wie Männergehirne.

Der Anteil an Androgenen im Blut bestimmt in der 7. Schwangerschaftswoche, ob sich u.a. das Gehirn in die weibliche oder in die männliche Richtung entwickelt. Da bei transsexuellen Frauen der Anteil an Androgenen dem nicht-transsexueller Frauen entsprach, entwickelten sich die Gehirne in die weibliche Richtung (siehe oben).



d) Vincent Harley / Prince Henrys Institut
Es gibt neue Anzeichen dafür, dass das menschliche Gehirn sich viel früher in eine männliche und weibliche Richtung entwickelt, als bisher angenommen --- nämlich schon bevor Sexualhormone zum Tragen kommen.
Die Forscher vom Prince Henry's Institute of Medical Research untersuchten die Gene von 112 transsexuellen Frauen, sowie die von 258 „gewöhnlichen“ Männern. In dieser bisher größten genetischen Studie zum Thema Transsexualität fanden sie heraus, dass transsexuelle Frauen häufig ein übermäßig langes Gen für den Androgenrezeptor besitzen (genannt ERbeta) - für ein Molekül also, das im Körper die Wirkung des männlichen Sexualhormons Testosteron vermittelt.

Ein langes Gen ist weniger tüchtig als ein kurzes. "Im Mutterleib könnten die Kinder daher weniger Testosteron ausgesetzt gewesen sein", vermuten die Forscher um Vincent Harley in der Fachzeitschrift Biological Psychiatry: Das Gehirn sei deshalb während der Fötal-Entwicklung feminisiert worden (siehe oben).
Diese Untersuchung wurde durch eine schwedische Studie  bestätigt.

„Es gibt das soziale Stigma, dass Transsexualität eine Frage des Lifestyles ist. Unsere Ergebnisse dagegen unterstützen den Ansatz, dass es eine biologische Grundlage dafür gibt, wie sich eine Geschlechtsidentität entwickelt“, sagt Vincent Harley, Co-Autor der Studie.



e) Eric Vilain / UCLA Kalifornien

Biologen beginnen jetzt langsam zu verstehen, dass Hormone nicht als die einzige bestimmende Größe im Zusammenhang mit der Geschlechtsidentität des Gehirns gesehen werden können. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass männliche und weibliche Gehirne bereits schon vor dem größeren Einfluss von Geschlechtshormonen beginnen dürften sich in männlich und weiblich zu trennen.

"Es gibt zwar viele Anzeichen dafür, dass Hormone für die Geschlechtsidentität menschlicher Gehirne verantwortlich sind, aber das ist bei weitem nicht alles", sagt Eric Vilain, Genetiker der University of California.
Eric Vilain von der University of California in Los Angeles fand heraus, dass sich das Gehirn von Mäuseembryonen bereits in weiblich oder männlich differenziert hat, bevor der Körper überhaupt  Geschlechtshormone produziert. Vilain identifizierte 54 Gene, die für die geschlechtsspezifische Entwicklung des Gehirns verantwortlich sein sollen. Vermutlich sind einige davon bei Transsexuellen verändert.

Viele unterschiedliche Gene sind dafür verantwortlich und falls Gen-Abweichungen dafür zuständig sind, ob sich ein Mensch männlich oder weiblich fühlt.

„UCLA Wissenschaftler haben 54 Gene, die die unterschiedliche Organisation der männlichen und weiblichen Gehirnen erklären können, identifiziert
Vilain und seine Kollegen untersuchten, ob genetische Einflüsse die Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Gehirnen erklären können. Mit Hilfe von zwei genetischen Testverfahren verglichen sie die Produktion von Genen in männlichen und weiblichen Gehirnen in  Mäuseembryonen - lange bevor die Tiere Geschlechtsorgane entwickeln.
Zu ihrer Überraschung fanden die Forscher 54 Gene in unterschiedlichen Mengen in männlichen und weiblichen Gehirnen von Mäusen, vor dem hormonellen Einfluss produziert. Achtzehn der Gene wurden auf höheren Ebenen in den männlichen Gehirnen produziert; 36 wurden auf höheren Ebenen in den weiblichen Gehirnen produziert.
"Unsere Ergebnisse könnten erklären, warum wir männlich oder weiblich fühlen, unabhängig von unserer tatsächlichen Anatomie", sagte Vilain. "Diese Entdeckungen erhärtet die Idee, dass Transgender zu sein --- das Gefühl, dass man im Körper des falschen Geschlechts geboren wurde - ein Zustand des Geistes ist.
"Aus früheren Studien wissen wir, dass Transgender-Personen einen normalen Hormonspiegel besitzen", fügte er hinzu. "Ihre geschlechtliche Identität wird wahrscheinlich durch einige der Gene, die wir entdeckten, erklärt werden."[6b]



f) Radiologen der Uni Essen [7]

Radiologen der Uni Essen haben festgestellt: Das Gehirn transsexueller Frauen, reagiert typisch weiblich auf visuelle erotische Stimuli. In einer Studie mit funktioneller Magnetresonanztomographie zeigt sich eher ein weibliches Aktivierungsmuster der verschiedenen Gehirnareale.
Untersucht wurden je zwölf nicht-transsexuelle Männer und Frauen sowie zwölf transsexuelle Frauen. Die Radiologen der Uni Essen haben den Versuchspersonen während einer Magnetresonanztomographie des Gehirns Filmsequenzen mit erotischem Inhalt vorgespielt.

Wie Dr. Elke Gizewski beim Röntgenkongress in Berlin betonte, ist bereits aus Voruntersuchungen anderer Gruppen bekannt, dass sich bei Männern und Frauen in der Magnetresonanztomographie Unterschiede zeigen, wenn erotische Stimuli präsentiert werden. So wird bei Männern durch erotische Stimuli das limbische System stärker aktiviert, als bei Frauen. Was stärker aktiviert wird, sind vor allem Regionen im Hypothalamus, in den Mandelkernen und im Inselkortex.

Bei den transsexuellen Frauen gab es diese spezifisch männliche Aktivierung des limbischen Systems nicht. Die Gehirne der transsexuellen Frauen reagierten also auf erotische Stimuli, genau wie die Hirne von nicht-transsexuellen Frauen. Die Radiologen können also das, was die transsexuellen Frauen angeben - dass sie sich nämlich "wie im falschen Körper" empfinden - anhand der Aktivierung des Gehirns auf erotische Stimuli bestätigen. Trotz des männlichen Körpers, trotz männlicher Hormone, reagieren die Gehirne transsexueller Frauen wie ganz normale Frauengehirne.



g) Schöning, S., u.a.: Mentale Rotation bei transsexuellen Frauen – eine fMRT-Studie am Universitätsklinikum Münster, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. [8]

Es ist bekannt, dass Männer Frauen in räumlich-visuellen Fähigkeiten, vor allem in der mentalen  Rotation dreidimensionaler Objekte, überlegen sind. Diese Arbeit untersuchte elf transsexuelle Frauen vor einer Hormontherapie (HRT), elf transsexuelle Frauen nach einer Hormontherapie und elf nicht-transsexuelle Männer.

Diese Arbeit konnte zeigen, dass schon im Vergleich von transsexuellen Frauen vor HRT und nicht-transsexuellen Männern Unterschiede in der Aktivierung der Hirnrinde bestehen. Transsexuelle Frauen ohne Hormontherapie aktivierten vor allem frontale und occipitotemporale Areale stärker als nicht-transsexuelle Männer, während sich bei nicht-transsexuellen Männern im Vergleich zu transsexuellen Frauen vor der Hormontherapie Mehraktivierungen im Lobus parietalis inferior (innerer Scheitellappen/Parietallappen) der linken Hemisphäre fanden. Es fielen bei den Aktivierungsunterschieden deutliche Parallelen zu den bekannten Aktivierungsunterschieden zwischen (nicht-transsexuellen) Männern und (nicht-transsexuellen) Frauen auf. Diese Beobachtungen liefern Indizien dafür, dass vorgeburtliche Hormonschwankungen möglicherweise ein Bestandteil der multifaktoriell bedingten Prägung geschlechtlicher Unterschiede im Gehirn und der Entstehung der Transsexualität sein könnten (siehe oben).



h) Zwillingsstudien (zitiert nach Möller (2009)[9])

"Die meisten genetischen (Zwillings-) Studien finden starke Beiträge zur Varianz in der GID. Die einzige vorausblickende Studie mit 314 Zwillingen im Alter von 4-7 , bzw. 8-12 Jahren mit den klinisch signifikanten Symptomen einer GID fand eine "signifikante zusätzliche genetische Komponente mit einem Anteil von 62% der Varianz und eine Umweltkomponente von 38% der Varianz."[10] [. ..]

Knafo und Mitarbeiter[11] überprüfen zwei Studien, die signifikantes vererbtes atypisches geschlechtliches Verhalten der Geschlechter fanden, mit einer genetischen Varianz von 37% und 62%. […]

Iervolino und seine Mitarbeiter[12] fanden in einer großen Zwillings-Studie (N = 3990) heraus, dass sowohl genetische als auch Umweltfaktoren gemeinsam zum geschlechts-typischen Verhalten beitragen. Sie fanden Zwillings-spezifische Umwelteinflüsse, die sich zu rund 22% durch gemeinsame Umweltfaktoren erklären lassen, dies scheint es für Jungen und Mädchen ähnlich zu sein, und zusätzlich genetische Einflüsse von 57% bei Mädchen und 34% bei Jungen.

Van Beijsterveldt und Mitarbeiter[13] konnten in einer 2006 durchgeführten Studie mit nur zwei Elementen des CBCL im Zusammenhang mit Cross-Gender-Verhalten ("verhält sich wie das andere Geschlecht" und "Wünsche des anderen Geschlechts zu sein") bei 7-jährigen Zwillinge(N = 14.000) und 10-Jährigen (N = 8500) zeigen, dass 70% der Varianz des Cross-Gender-Verhaltens erklärt werden konnte."





Quellennachweise und weitere Studien:

[1] vgl. hierzu: Zhou, M.A. Hofman, L.J. Gooren and D.F. Swaab: A Sex Difference in the Human Brain and its Relation to Transsexuality. Eine Untersuchung, die die Annahmen stützt, dass eine Veränderung des BSTc-Kerns vor der Geburt bis ins Erwachsenenalter anhält, konnte folgende Untersuchung zeigen: Wilson C J Chung, Geert J De Vries, Dick F Swaab: Sexual differentiation of the bed nucleus of the stria terminalis in humans may extend into adulthood.
[1a] Dick Swaab (2011): Wir sind unser Gehirn. Wie wir denken, leiden und lieben. ISBN: 978-3-426-27568-9. Droemer-Verlag

[2] FRANK P. M. KRUIJVER, JIANG-NING ZHOU, CHRIS W. POOL, MICHEL A. HOFMAN, LOUIS J. G. GOOREN, AND DICK F. SWAAB: Male-to-Female Transsexuals Have Female Neuron Numbers in a Limbic Nucleus
Eine weitere Interessante Untersuchung zum Thema Gehirn mit Dick Swaab:
Alicia Garcia-Falgueras and Dick F. Swaab: A sex difference in the hypothalamic uncinate nucleus: relationship to gender identity

[3] Schneider HJ, Pickel J, Stalla GK (2006) Typical female 2nd-4th finger length (2D:4D) ratios in male-to-female transsexuals-possible implications for prenatal androgen exposure.
Eine weitere Studie zum Zusammenhang Fingerlänge - Geschlecht wäre z.B.:
Kyle L. Gobrogge S. Marc Breedlove Kelly L. Klump: Genetic and Environmental Influences on 2D:4D Finger Length Ratios: A Study of Monozygotic and Dizygotic Male and Female Twins

[4] Lauren Hare, Pascal Bernard, Francisco J. Sánchez, Paul N. Baird, Eric Vilain, Trudy Kennedy, and Vincent R. Harley: Androgen Receptor (AR) Repeat Length Polymorphism Associated with Male-to-Female Transsexualism

[5] Susanne Henningssona, Lars Westberga, Staffan Nilssonb, Bengt Lundströmc, Lisa Ekseliusd, Owe Bodlunde, Eva Lindströmd, Monika Hellstranda, Roland Rosmondf, Elias Erikssona and Mikael Landén: Sex steroid-related genes and male-tofemale transsexualism
und eine weitere Studie dazu:
Alicia Garcia-Falguerasa, Helena Pinosa, Paloma Colladoa, Eduardo Pasarob, Rosa Fernandezb, Cynthia L. Jordanc, Santiago Segoviaa, Antonio Guillamona: The role of the androgen receptor in CNS masculinization

[6] Sven Bocklandta and Eric Vilain: Sex Differences in Brain and Behavior: Hormones Versus Genes

[6b] Reuters News Service 10/20/2003. http://transgenderlondon.com/What%20Causes%20It.htm

[7] Eva Krause: Geschlechtsspezifische Differenzen der Hirnaktivität in der fMRT bei Normalprobanden im Vergleich mit transsexuellen Probanden (= Gizewski ER, Krause E, Schlamann M, Happich F, Ladd ME, Forsting M, Senf W: Specific Cerebral Activation due to Visual Erotic Stimuli in Male-to-Female Transsexuals Compared with Male and Female Controls: An fMRI Studie)
Eine andere Studie lieferte ähnliche Ergebnisse:
H. Berglund, P. Lindstrom, C. Dhejne-Helmy and I. Savic: Male-to-Female Transsexuals Show Sex-Atypical Hypothalamus Activation When Smelling Odorous Steroids

[8] Christine Bauer: Mentale Rotation bei Mann-zu-Frau-Transsexuellen und Männern ohne Geschlechtsidentitätsstörung - eine fMRT-Studie

[9] Möller, Birgit, Herbert Schreier,  Alice Li and Georg Romer, MDa (2009): Gender Identity Disorder in Children and Adolescents. Curr Probl Pediatr Adolesc Health Care 2009;39:117-143

[10] Coolidge FL, Thede LL, Young SE. The heritability of gender identity disorder in a child and adolescent twin sample. Behav Genet 2002;32:251-7.

[11] Knafo A, Iervolino AC, Plomin R. Masculine girls and feminine boys: genetic and environmental contributions to atypical gender development in early childhood. J Pers Soc Psychol 2005;88:400-12.

[12] Iervolino AC, Hines M, Golombok SE, Rust J, Plomin R. Genetic and environmental influences on sex-typed behavior during the preschool years. Child Dev 2005;76:826-40.

[13] Van Beijsterveldt CE, Hudziak JJ, Boomsma DI. Genetic and environmental influences on cross-gender behavior and relation to behavior problems: a study of Dutch twins at ages 7 and 10 years. Arch Sex Behav 2006;35:647-58.

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