Copyright © 2011-2021 Nikita Noemi Rothenbächer- Alle
Rechte vorbehalten!
Bearbeitet von Nikita Noemi
Rothenbächer 2012
Bitte kopiert den Link und gebt
diesen euren Verwandten, Freunde, Bekannten und Familie denn Information beugt
vor, einer Minderheit anzugehören!
Verdacht auf
"transexuelles Syndrom"
In den letzten Monaten, auch ausgelöst durch den MDS, MDK,
Krankenkassen und andere Quellen, kam es zu sehr großen Verunsicherungen
bezogen auf die Diagnostik und Behandlung von Transgendern. Aus diesem Grunde
fasse ich an dieser Stelle Grundsätzliches, was auch auf der Seite
"Medizinisches" ausführlich besprochen wird, hier zusammen.
Diagnose: Verdacht auf "transexuelles Syndrom"
Notwendige Schritte für die Differenzialdiagnose
Behandlung: erste Schritte und Ziele
Wichtiger Hinweis für den Patienten
Diagnose: Verdacht auf "transsexuelles Syndrom"
Zunächst möchte ich zur Klärung der Begrifflichkeit
folgendes darstellen:
1. Sich nicht dem, bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht
zugehörig zu empfinden ist grundsätzlich eine Selbstdiagnose.
2. Diese Selbstdiagnose schließt nicht automatisch das
Empfinden ein dem anderen Geschlecht anzugehören, sie bedeutet aber
ausdrücklich, dass sich der betroffene Mensch nicht dem bei der Geburt
zugewiesenen Geschlecht zugehörig empfindet. Die kulturell bedingte Vorgabe von
Geschlecht, in der auch Betroffene aufwachsen, erweckt aber oft den Eindruck
sich dem anderen Geschlecht zugehörig empfinden zu müssen und die damit
verbundene "Heilungserwartung". Es gibt aber keine verbindliche
medizinisch wissenschaftlich, noch juristisch eindeutige Definition von
Geschlecht. Dies dem einzelnen betroffenen Menschen zum Vorwurf zu machen ist
weder mit den Menschenrechten, dem Grundgesetz oder dem Sinn der Schöpfung
vereinbar.
3. Die kulturell und sozial geprägte Begrifflichkeit von
männlich und weiblich dient ausschließlich der Normierung von Natur und
Schöpfung. Jeder einzelne Mensch entzieht sich aber einer Normierung. Wenn es
ihm gelingt sein Leben in einer dualisierten Norm offen oder versteckt zu
leben, dann bestätigt er die Norm, die ihn selbst zwar nicht bestätigt, sozial
und kulturell aber nicht in Frage stellt. Prof. Dr. Mieth, katholischer
Moraltheologe der Uni-Tübingen bestätigte ausdrücklich, dass es mehr
Geschlechter gibt als wir in unserer Kultur und Denkweise zulassen wollen. Er
erweiterte seine Aussage auch ausdrücklich auf den Schöpfungsbegriff, auf den
sich andere Wissenschaftler gerne reduzierend berufen.
4. Die Fremddiagnose eines "transsexuellen
Syndroms" kann nicht erhoben werden. Deshalb ist es erforderlich, dass
eine medizinische und neurologisch/psychiatrische Differenzialdiagnose erstellt
wird (Negativbeweis, der vor allem aus der Mathematik bekannt ist).
An dieser Stelle muss ich nochmals ausdrücklich darauf
hinweisen, dass zwischen der Diagnose und eventuellen Behandlungsschritten auf
der einen Seite und den Bestimmungen des PStG (Personenstandsgesetzes), hier
speziell des TSG mit der sogenannten "kleinen Lösung" (Antrag nach §
1 mit Entscheidung nach § 4) auf der anderen Seite, kein Zusammenhang besteht
oder abgeleitet werden kann. Es darf weder für Behandlungsschritte die
Inanspruchnahme des TSG gefordert werden, noch kann aus der Inanspruchnahme des
TSG die Notwendigkeit einer Behandlung abgeleitet werden. Nach derzeit
geltendem Recht ist es lediglich notwendig, dass medizinische Maßnahmen
nachgewiesen werden, wenn ein Antrag nach § 8 (Änderung der
Geschlechtszugehörigkeit) gestellt wird. Umgekehrt ist es aber nicht
erforderlich, dass nach medizinischen Maßnahmen ein Antrag nach § 8 TSG
gestellt wird. So ist es möglich, dass verheiratete Transgender auch
verheiratet bleiben können, auch wenn dann sozial gesehen zwei Frauen oder zwei
Männer miteinander verheiratet sind (sie haben sogar das Recht, in
gegenseitigem Einverständnis, ihre Heiratsurkunde so zu ändern, dass der nach §
4 TSG zugebilligte Vorname in die Heiratsurkunde übernommen wird). Aus diesem
Grunde dürfen auch Behandlungsmaßnahmen nicht verweigert werden, wenn der/die
Betroffene verheiratet bleiben will.
Notwendige Schritte für die Differenzialdiagnose
Der Patient (ich meine beide nach heutigem Recht gegebene
Geschlechtsformen) sucht den Arzt seines Vertrauens auf. Am günstigsten ist es,
wenn der Arzt den Patienten schon längere Zeit kennt. Die oft geäußerte
Befürchtung, es gingen auch andere Familienmitglieder zu diesem Arzt und es
käme dadurch zu einem ungewollten frühzeitigen Outen, ist unbegründet. Sowohl
der Arzt als auch das Personal in der Praxis stehen unter absoluter
Schweigepflicht, auch Verwandten 1. Grades gegenüber, also Ehegatte, Eltern und
eigene Kinder. Der Arzt muss keine speziellen Kenntnisse über
"Transsexualität" haben (ich verwende hier deshalb diesen Begriff, da
er für die Abrechnung nach ICD 10 F 64.0 erforderlich ist). Viel wichtiger ist,
dass der Arzt den Patienten in seiner bisherigen allgemeinen, gesundheitlichen
und sozialen Entwicklung kennt und der Patient seinerseits dem Arzt vertraut
oder durch das lange sich Kennen Vertrauen aufbauen oder erhalten kann. Dieses
Vertrauen könnte nur dann ungerechtfertigt sein, wenn der Arzt von sich aus die
Existenz von Trans* als natürliche Lebensform in Abrede stellt, selbst also in
wissenschaftlich unbegründeten, lediglich kulturell manifestierten Dogmen
verstrickt ist.
In den folgenden Ausführungen gehe ich aber vom Normalfall aus:
1. Der Arzt des Vertrauens kennt den Patienten.
2. Er weiß, dass es in der Entwicklung eines Menschen zum
Erkennen und Erleben einer Diskrepanz zwischen dem zugewiesenen Geschlecht und
dem eigenen Empfinden kommen kann, weil die Zuweisung sich lediglich am
genitalen Erscheinungsbild, nicht aber dem Gefühl des Patienten fest macht.
3. Er akzeptiert den Menschen in seiner Gesamtheit und neigt
nicht dazu aus eigenen Ängsten gleich eine "Abschiebung" zu
"Experten" zu veranlassen.
4. Er versteht, dass ein Mensch, der sich anders fühlt als
er von Geburt aus zugewiesen wurde, Probleme haben kann, denen ein Mensch der
sich mit seiner Zuweisung identifiziert nicht ausgesetzt ist. (Diese Menschen,
es sind etwa 98% aller Menschen, brauchen sich nie Gedanken über ihre Identität
machen.)
Dieser Arzt wird in seiner ersten Einschätzung davon
ausgehen, dass es primäre Ursachen für eine
"Geschlechtsidentitätsstörung" geben kann, aber eben auch zu
Störungen sekundärer Natur kommt, wenn die Zuweisung des Geschlechtes nicht mit
dem Empfinden des heranwachsenden Menschen übereinstimmt. Dieser Mensch weiß ja
zunächst nichts davon, dass seine Entwicklung und Erziehung unter der
wissenschaftlich nicht haltbaren These der Zweigeschlechtlichkeit erfolgt.
Der Arzt des Vertrauens kann nun zum Dreh- und Angelpunkt
für notwendige und sinnvolle Behandlungen und Untersuchungen werden. Er ist
bereit alles Notwendige für eine sichere Differenzialdiagnose einzuleiten.
Welche Schritte sind dies? Für die rein medizinische Differentialdiagnose gilt:
1. Grundsätzlich ist der erste Schritt eine allgemeine
Gesundheitsuntersuchung um Leber-, Nieren- und Stoffwechselstörungen
auszuschließen. Diese Untersuchung hat zwar nichts mit "Störungen der
Geschlechtsidentität" zu tun, ist aber eine wichtige Grundlage für
eventuell nötige nachfolgende Behandlungsschritte (vor allem im Hinblick auf
eine gegengeschlechtliche Hormontherapie und ihre Risiken).
2. Der Hausarzt veranlasst eine Untersuchung des hormonellen
Status des Patienten. Entweder wird die nötige Blutprobe von ihm selbst
entnommen oder er veranlasst die Überweisung zu einem Arzt, der mit hormonellen
Störungen und deren Behebung zu tun haben kann, ein Gynäkologe, Urologe,
Internist oder Endokrinologe. In Jedem Falle ist es wichtig, dass der behandelnde
Arzt hinter seiner Empfehlung steht.
a) Wenn er selbst die Probe entnimmt, dann muss der
Untersuchungsauftrag an das Labor eindeutig lauten: Bestimmung des
Geschlechtshormonzustandes, verglichen mit den Referenzwerten männlich und
weiblich zum Ausschluss von Intersexualität.
b) Überweist er zu einem Kollegen/Kollegin, wegen Verdachtes
auf ein "transsexuelles Syndrom" nach ICD 10 F 64.0, dann muss der
Überweisungsauftrag folgenden Hinweis enthalten: Feststellung des Hormonstatus,
verglichen mit den Referenzwerten männlich und weiblich zum Ausschluss von
Intersexualität.
3. In einem nächsten Schritt ist es notwendig durch die
urologisch-/gynäkologische Untersuchung festzustellen, ob Teile oder
rudimentäre Reste des anderen Geschlechtes vorhanden sind. Der behandelnde Arzt
stellt also eine Überweisung zum Urologen oder Gynäkologen aus, mit dem
Auftrag: Feststellung der äußeren und inneren Geschlechtsmerkmale zum
Ausschluss von Intersexualität, wegen Verdachtes auf ein "transsexuelles
Syndrom". Es muss gezielt nach inneren Geschlechtsmerkmalen des anderen
Geschlechtes gesucht werden oder deren frühkindliche Beseitigung oder Korrektur
zur Vorspiegelung eines "eindeutigen" Geschlechtes. (Jeder Patient
sollte wissen, auch der Arzt, dass die biologisch, geschlechtliche
Differenzierung in der Zeit der 9. bis 12. Schwangerschaftswoche erfolgt und
nicht immer der Erwartungshaltung der religiös, kulturellen Vorstellung folgt.
Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies, dass sich die Gonaden entweder zu Hoden
oder Eierstöcken entwickeln, manchmal aber auch zu beidem. Die Stammzellen, die
für die weitere genitale Entwicklung verantwortlich sind entwickeln einen Penis
oder eine Klitoris, eine Prostata oder eine Gebärmutter, Schamlippen oder einen
Hodensack. Es kommt darauf an, welcher "Schlüssel" aktiv auf die
Entwicklung zu jedem einzelnen Zeitpunkt einwirkt. In jedem Fall werden
gleichzeitig die entsprechenden und notwendigen Verbindungen zum Stammhirn
hergestellt. Diese Nervenbahnen bleiben natürlich auch dann erhalten, wenn eine
sogenannte Fehlbildung "korrigiert" wird. Genau deshalb ist es
unverantwortlich irreversible Eingriffe an Kindern, die sich zu ihrem
Geschlecht nicht äußern können, vorzunehmen. Die Behauptung,
Geschlechtsidentität sei anerziehbar ist spätestens seit dem Zeitpunkt
widerlegt, als die "wissenschaftlichen Grundlagen für die Erziehung zu
einer eindeutigen Geschlechtsidentität" (in den 50er-Jahren von Monay
veröffentlicht) durch den Wissenschaftler Milton Diomand als kulturell,
religiöse und dogmatisch entlarvt wurden.
Wenn diese bisher durchgeführten Untersuchungen keinen
Anhaltspunkt für ein der Intersexualität zuzuordnendes Syndrom ergeben, dann
kann auf weitere teure Untersuchungen normalerweise verzichtet werden (ich sage
deshalb "normalerweise", weil es natürlich auch in meiner Denkweise
und meinem Wissen keine Normierung für Menschen gibt). Es liegt der sinnvolle
Schluss nahe, dass der Patient unter einem "transsexuellen Syndrom"
leidet, also einer durch die geschlechtliche Zuweisung bei der Geburt
ausgelöste Identitätsstörung.. Oft kommt es vor, dass verlangt wird eine
chromosonale Abweichung zu prüfen. Klar ist aber, medizinisch und
wissenschaftlich bewiesen, dass die reine Bestimmung der Geschlechtschromosome
keine eindeutige Aussage über ein Geschlecht machen kann (es gibt XX-Männer und
XY-Frauen, bei denen eben die hormonelle Untersuchung keinen Aufschluss gibt).
Liegt ein gemischter Chromosomensatz vor, so weisen auch die Untersuchungen
nach 2. und 3. entsprechende Auffälligkeiten aus. Liegt ein mehrdeutiger
Chromosomensatz vor, so gilt entsprechendes. Eine Untersuchung der
hirnorganischen Struktur durch ein CT mag zwar wissenschaftlich interessant
sein, ist jedoch völlig irrelevant für den Einzelfall und treibt lediglich
Kosten in die Höhe. Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, dass sich in den
Ergebnissen einer CT-Untersuchung (Computertopografie des Kopfes, wie sie z.B.
in Münchjen üblich ist) verwertbare Erkenntnisse wiederspiegeln. Es entstehen
zu Lasten der Sozialgemeinschaft lediglich Kosten, die eigentlich der Forschung
zuzuordnen wären. Zeigen aber die Untersuchungen von Hormonen und inneren
Geschlechtsorganen Auffälligkeiten im Sinne einer geschlechtlichen
Uneindeutigkeit oder Mehrdeutigkeit, dann hat sich der Verdacht auf ein "transsexuelles
Syndrom" nicht bestätigt und die weiteren Untersuchungen und die
Behandlung muss dann nach den Kriterien einer Intersexualität fortgesetzt
werden (juristisch also der freien Entscheidung der betroffenen Menschen zu
seinem Geschlecht, auch dann, wenn es nicht in die Dualität von Geschlecht
passt. Das Grundgesetz sagt eindeutig, dass kein Mensch wegen seines
Geschlechtes bevorzugt oder benachteiligt werden darf. Eine Definition von
Geschlecht ist im Grundgesetz nicht zu finden, im Umkehrschluss kann daraus nur
gefolgrt werden, dass es eben keine Definition gibt).
Neben der beschriebenen medizinischen Diagnose ist eine
weiterer Schritt, die neurologisch / psychiatrische Differentialdiagnose
wichtig. Der Hausarzt/Arzt des Vertrauens wird also seinen Patienten zu einem
Facharzt für Neurologie und Psychiatrie überweisen mit dem Auftrag:
Feststellung des neurologisch/psychiatrischen Zustand des Patienten wegen
Verdachtes auf ein "transsexuelles Syndrom". Dabei ist es für den
untersuchenden Arzt wichtig zu klären ob der überwiesene Patient unter einer
primären neurologischen oder psychischen Störung leidet, die zu einem
Ausweichverhalten führt oder sich auf Grund der manifestierten
Geschlechtsidentitätsstörung lediglich sekundäre Störungen ergeben haben, die
dazu dienten der Abweichung der Geschlechtsidentität entgegen zu wirken, also
eventuelle sekundäre Störungen vorliegen.
Der Patient sollte in jedem Fall schon vor der Konsultation
des Neurologen/Psychiaters einen ausführlichen Lebenslauf im Sinne einer
Anamnese schreiben und dem Arzt zur Verfügung stellen, damit sich dieser bei
den notwendigen Gesprächen oder Untersuchungen schon ein Bild gemacht haben
kann. Dieser Lebenslauf sollte über die Entwicklung des Patienten im
Vorschulalter, die ersten Schuljahre, die Zeit der Pubertät und, entsprechend
dem Alter des Patienten, über seine weitere soziale Entwicklung Aufschluss
geben. Parallel dazu sind aufgetretene Krankheiten, aufgefallene
Verhaltensstörungen und eventuelle Behandlungen (Kinder-/Jugendpsychologe oder
Schulpsychologe), psychosomatische Gesundheitsstörungen, Gefühlslagen wie
hyperaktiv oder introvertiert bis hin zu autistischen Verhaltensformen,
Erscheinungen der Ausgrenzung oder Selbstabkapselung, ... darzulegen. Für einen
außenstehenden Arzt ist es auch wichtig, dass der Patient auf die häusliche
Situation, in der er sich entwickelt hat, eingeht, also die soziale Stellung
und emotionale Beziehung zu Eltern und Geschwistern. Dies hat nichts mit
Neugier der Ärzte/Diagnostiker zu tun, sondern es erleichtert die
Differenzierung zwischen primären und sekundären Störungen. Ehrlichkeit und
Offenheit des Patienten dient seiner eigenen Sicherheit. Ein guter Diagnostiker
wird merken, wenn ihm der Patient etwas zwanghaft oder aus Angst verschweigt,
oder wenn er ihm etwas vorgaukelt, was nach Meinung des Patienten der
Erwartungshaltung des Diagnostikers entspricht. Der Arzt ist dann aber beim
weiteren Suchen nach den Ursachen auf seine Phantasie angewiesen und dies kann
so weit gehen, dass der Patient selbst ungewollt eine Fehldiagnose provoziert.
Diagnostiker, oder "Gutachter", die mit vorgefertigten Meinungen in
die Arbeit mit Transgendern einsteigen sollten von vornherein abgelehnt werden.
Bereits im April betonte Frau Sophienette Becker, die an den Standards für die
Begutachtung von "Transsexuellen" (veröffentlicht 1996) maßgeblich
mitgearbeitet hat, in einer Live-Rundfunkdiskussion über das Thema Trans*
folgendes:
Auf die Frage der Moderatorin, wie sie denn
"Transsexualität" beschreiben würde sagte Frau Becker: "Wenn ich
1000 Transsexuelle begutachtet oder behandelt hätte, dann wären dies 1000
verschiedene "Transsexualitäten". Tatsache ist eben, dass jeder
einzelne Mensch seine Identität, oder eben die Störung dieser wegen der
geburtlichen Zuweisung, nur in seinem Umfeld, seiner ganz spezifischen
Erfahrung mit Entwicklung und Erziehung erlebt. Der Mensch lässt sich nicht
standardisieren.
Die Tatsache, dass ein Patient eventuell eine Ehe, eine
eheähnliche Beziehung oder eine "homosexuelle" Partnerschaft eingegangen
ist oder noch aufrecht erhält ist in keinem Fall ein Beweis, dass eine
Identitätsstörung ausgeschlossen sei. Vor allem ist ja der Versuch eine
"homosexuelle" Partnerschaft einzugehen sogar ein Beweis für das
Vorliegen einer Identitätsstörung. Eine solche Partnerschaft sieht ja nur von
außen betrachtet homosexuell aus, ist aber entsprechend der Identität des
Patienten eine heterosexuelle Partnerschaft, also "pseudohomosexuell"
wegen der geschlechtlichen Zuweisung. Im Umkehrschluss ist dann eine Ehe des
Patienten eigentlich "pseudoheterosexuell", in Wahrheit also eine
staatlich legalisierte Homoehe, die unter dem besonderen Schutz des
Grundgesetzes Art. 6 steht.
Ich kann nur jedem Patienten wünschen, dass sein
behandelnder Arzt ihn für die Erstellung der neurologisch/psychiatrischen
Differentialdiagnose zu einem Kollegen überweist, der nicht unter kultureller
Verengung leidet und sich um den Menschen kümmert und nicht die Zementierung
von Dogmen.
Der Diagnostiker sollte in seinem Abschlussbericht an den
behandelnden Arzt deutlich darstellen, dass bei dem Patienten keine
neurologische oder psychotische Erkrankung in dem Sinne vorliegt, dass sie das
"Gefühl dem anderen Geschlecht" anzugehören als Flucht aus dem
zugewiesenen Geschlecht belegen würde. Vorhandene Störungen, als sekundäre Form
müssen natürlich klar gemacht werden und es sollten dafür auch
Behandlungsempfehlungen abgegeben werden. Der Patient muss sich klar darüber
sein, dass die ärztliche Akzeptanz seiner abweichenden Geschlechtsidentität
nicht automatisch dazu führt, dass er nun von anderen Störungen, die er sich in
seinem Leben erworben hat, automatisch "geheilt" ist. Ein Patient,
der unter einer als pathologisch einzustufenden Kontaktarmut leidet und bei dem
sich daraus depressive Zustände entwickelt haben, wird nicht automatisch
plötzlich kontaktfreudig. Er muss es erst wieder lernen Kontakte aufzunehmen
und zuzulassen. Ein Patient, der zum Alkoholiker wurde, weil er sich selbst und
die Umwelt nicht mehr ertragen konnte, wird durch die ärztliche Akzeptanz nicht
automatisch trocken, er hat aber eine gute Chance, wenn er darauf hinarbeitet,
seine Lebenssituation zu verbessern. Ich habe diese beiden Fälle nur
beispielhaft genannt, weil sie sehr leicht nachvollziehbar sind. Eine psychotherapeutische
begleitende Behandlung kann dann eben dazu helfen, dass der Patient eben nicht
"vom Regen in die Traufe" kommt, wenn er das gefühlte Geschlecht auch
lebt. Der angesammelte Ballast sollte offen und ohne jeden diagnostischen oder gutachterlichen
Druck aufgearbeitet werden.
Wenn der Diagnostiker feststellt, dass keine wesentlichen
sekundären Störungen vorliegen, dann steht auch für diesen Teil der Diagnose
fest, dass ein "transsexuelles Syndrom" vorliegt. Eine Psychotherapie
zu diagnostischen Zwecken ist sinnlos, uneffektiv und führt nur zu
kostentreibenden und u.U. auch stark psychisch belastenden Verzögerungen des
Entwicklungs- und "Heilungsprozesses".
Behandlung: erste Schritte und Ziele
Die Behandlung zur Stabilisierung und/oder Verbesserung der
Lebenssituation und Gesundheit des Patienten muss im gegenseitigen Vertrauen
zwischen Arzt und Patienten abgesprochen werden. Dabei ist aber vor allem
darauf zu achten, dass
1. keine falschen Erwartungen aufgebaut werden.
2. die Lebbarkeit der angestrebten Geschlechtsrolle auch
sozialverträglich erprobt wird und bei der Erprobung auftretende Probleme
besprochen werden. Die Erprobung der Lebbarkeit kann auch durch den Einstieg in
die Hormontherapie unterstützt werden. Ein "Alltagstest" als
Härttest, um zu beweisen, dass man für die Hormontherapie reif ist, ist absolut
unsinnig. Er könnte nur als Schikane verstanden werden unter dem Motto:
"ein Patient der sich diese Forderung gefallen lässt muss ja wohl
transsexuell sein, denn ein anderer Mensch ließe sich dies nie gefallen."
3. grundsätzlich eine begleitende Psychotherapie zu
empfehlen ist. Gerade in der Zeit der Erprobung und des Einstieges in die
Behandlung kommt es sehr oft zu neuen Problemen, die der Patient lernen muss
richtig einzuordnen und damit umzugehen. Diese Therapie sollte in jedem Fall
auf den Mensch, seine Ängste und Bedürfnisse orientiert sein. Der Therapeut
sollte wissen, nun erst seine psychische Pubertät durchlebt. Die Therapie
sollte weder mit einer diagnostischen noch gutachterlichen Erwartungshaltung
belastet werden (siehe auch "Möglichkeiten und Grenzen der
Psychotherapie" in dem Sachbuch "Gleiche Chancen für alle").
4. der Patient sich vor allem auf den Weg der Angleichung,
die dabei auftretenden Probleme und die dabei möglichen Chancen zur Entwicklung
konzentriert und nicht das einzige Ziel in der Erreichung eines
"Endzustandes" sieht. Eine solche Einstellung gefährdet erheblich die
Tragfähigkeit der "neuen" Geschlechtsrolle. Es geht nicht um eine
neue Rolle, sondern das Hineinwachsen in die gefühlte Identität und den
lebenswerten Umgang mit der Reflexion in der sozialen Umgebung, Verwandtschaft,
Freunde, Nachbarschaft und am Arbeitsplatz. Es geht darum realistische
Perspektiven zur Unterstützung der Behandlung zu sehen und zu erarbeiten.
Der Einstieg in den ersten Schritt einer Angleichung des
geschlechtlichen Erscheinungsbildes, soweit es sich um medizinisch indizierte
Maßnahmen handelt, ist die Hormontherapie. Diese Therapie liegt, wie auch die
BEK (Barmer Ersatzkasse) einem Arzt auf Anfrage mitteilte, ausdrücklich in der
gegenseitigen Verantwortung von Arzt und Patient, nachdem eine vollständige
Differentialdiagnose den Verdacht des "transsexuellen Syndroms"
bestätigt hat. Die Hormontherapie muss nicht beantragt werden und bedarf
deshalb auch keiner Genehmigung durch die Krankenkasse. Verschriebene Hormone
sind wie alle anderen Medikamente als Heilmittel von der Kasse zu übernehmen.
Geschlechtshormone fallen auch nicht unter die Einschränkungen des sog.
Off-Label-Use-Urteils des BSG, da es keine Hormone auf dem Markt gibt, die
ausdrücklich für eine gegengeschlechtliche Hormonbehandlung entwickelt wurden.
Sie sind deshalb in jedem Fall auf Kassenrezept zu verschreiben. Eine
Verschreibung auf Privatrezept für Kassenpatienten ist unzulässig.
Im übrigen verweise ich auf die ausführlichen Hinweise der
dgti unter Medizinisches.
Wichtiger Hinweis für den Patienten
Der Patient sollte von Anfang an alle Schritte der Diagnose
und Behandlung auch für sich dokumentieren, also den zeitlichen Ablauf
dokumentieren, auch von vorherigen somatischen oder psychischen
Behandlungsschritten, Kopien von Überweisungen machen bevor er sie verwendet,
Kopien von Untersuchungsberichten, ... damit er später, wenn in der weiteren
Behandlung auch antragspflichtige Maßnahmen anstehen, den
"transsexuellen" Verlauf nachweisen kann.
Sobald ein Patient zumindest teilweise in der angestrebten
sozialen Geschlechtsrolle lebt kann er zum Schutz vor Diskriminierung durch
Amtspersonen und Behörden oder Einrichtungen des Öffentlichen Rechts, den
Ergänzungsausweis bei der dgti beantragen.
Wenn der Patient in der "neuen" Geschlechtsrolle
Arbeit sucht oder in einem bestehenden Arbeitsverhältnis ausüben will, dann
kann er schon vor einer gerichtlichen Entscheidung über seinen geänderten Namen
einen neuen Sozialversicherungsausweis mit seinem neuen Namen beantragen, der
dann auch die dem Namen entsprechende Geschlechtskennziffer trägt. Zuständig
sind die BfA oder die LVA. Wenn der Patient die Dienste einer Arbeitsagentur
(früher Arbeitsamt) in Anspruch nehmen muss oder sogar auf das Sozialamt angewiesen
ist, so haben diese die Pflicht den Hilfesuchenden in der gelebten
Geschlechtsrolle zu akzeptieren und so anzusprechen und anzuschreiben (siehe
Grundsatzurteil des BVG von 1996).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen