Mittwoch, 5. September 2012

Transsexualität‘ in einer Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit



Copyright © 2011-2021 Nikita Noemi Rothenbächer- Alle Rechte vorbehalten!

Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2012

Bitte kopiert den Link und gebt diesen euren Verwandten, Freunde, Bekannten und Familie denn Information beugt vor, einer Minderheit anzugehören!

Transsexualität‘ in einer Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit

Eine generelle Psychiatrisierung des transsexuellen Begehrens ist Ausdruck der Pathologisierung einer Lebensform, die als Infragestellung der Normen der Zweigeschlechtlichkeit und der schicksalhaften unabänderlichen Anatomie  verstanden wird.

Psychiatrisiert wird jedes Individuum, das diesen Wunsch äußert unabhängig davon, ob überhaupt eine manifeste psychische Störung zu diagnostizieren ist. In der Sexualpathologie des 19. Jahrhunderts wurde der Wunsch als Geschlechtsverwandlungswahn, im 20. Jahrhundert als Paranoia bzw. Schizophrenie, als konstitutionelle Psychopathie, Borderline-Syndrom oder Symptom einer Psychoseabwehr pathologisiert.
Die ‚Identitätslust‘, die insbesondere im psychoanalytischen Diskurs auf Homosexualität zurückgeführt wurde, wurde psychiatrisiert, die ‚perversen Subjekte‘ sollten psychotherapeutisch normalisiert und diszipliniert werden. 

Doch auch das somatische Behandlungsprogramm, der medizinische Geschlechtswechsel kann als Strategie im Sexualitätsdispositiv charakterisiert werden. Denn nicht nur die zur Legitimation von Geschlechtsumwandlungen entworfenen Ätiologiehypothesen, sondern auch die Wünsche und deren Erfüllung bestätigen  die Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit.

Die‚ transsexuelle Identität‘ ist eine transitorische Identität, die sich nach der erfolgten medizinischen Behandlung auflöst. Ohne Medizin gebe  es keine Transsexuellen, die dann dank der Medizin wieder verschwinden. Die Medizin hat die Behandlung Transsexueller ermöglicht, aber auch diszipliniert. 
Mark Barry Sulcov sah bereits 1973 Transsexualität als ein an das medizinische Behandlungsprogramm gebundenes Phänomen an. Dass seine Dissertation, die sich dem Phänomen Transsexualität mit einem interaktionistischen Ansatz näherte, kaum rezipiert wurde, lag vielleicht daran, dass Sulcov mit diesem Ansatz den Prozess der Etablierung der Krankheit störte.

 Sulcov hatte 1970 ein Stipendium der Harry Benjamin Foundation zur Erforschung der Transsexualität erhalten.

Seine  Interviews von Transsexuellen  ermittelten Ergebnisse, die nicht mit dem medizinischen Zwangskonzept der Transsexualität vereinbar waren. Dass er seine Studie ausgerechnet in der New Yorker Praxis von Harry Benjamin und Charles Ihlenfeld durchgeführt hatte, machte seine Ergebnisse besonders brisant.

„Transexualism is an emergent product of the interaction between the medical profession and the patient desiring to change his sexual status.”

Die Behauptung der Patienten, transsexuell zu sein – niemand behaupte, Transsexualität zu haben – und die medizinische Typisierung, diese Patienten seien Transsexuelle, verschleiere die soziale Realität dieses Zustands !

Transsexualität wurde als eine  Krankheit konstruiert für einen Prozess, den Ärzte als Behandlung ansahen.
Dieses medizinische Modell erlaubte die Präsentation eines Selbst mit dem Ziel, als transsexuell diagnostiziert zu werden, und es erlaubte Ärzten, ‘transsexuelle’ Selbstpräsentationen als Krankheitssymptom zu interpretieren.

Sulcov thematisierte zur Zeit der Auseinandersetzung um die Ent-Psychiatrisierung des Wunsches nach Geschlechtsumwandlung den ermöglichenden Effekt der medizinischen Konstruktion der Transsexualität. Er betonte, dass deren Konstruktion als durch Konstitution oder Erziehung determinierte Identitätsstörung zur Folge hat – paradoxerweise könnte man sagen –, dass der Patient die Macht hat, die Situation mit zu definieren.

So konstruierten nur knapp ein Viertel der 65 von Sulcov interviewten Transsexuellen ihre Biographie nach dem Modell, sie seien Opfer von Natur und/oder Erziehung. Mehr als die Hälfte gaben an, ihr Frausein bewusst gewählt zu haben, und berichteten von frühen Lebenserfahrungen, die sie von der Männlichkeit entfremdet hätten und ihr Potenzial der Weiblichkeit entdecken ließen.

Transsexualität stellte eine Lösung für Identitätsprobleme zur Verfügung, war eine Möglichkeit, vergangene Erinnerungen, eine gegenwärtige ‚Krankheit‘ und eine viel versprechende Zukunft zu organisieren. 
Neben diesem Aspekt der latent vorhandenen Selbstbestimmung ist mit Hirschauer festzustellen,  dass und  wie Geschlechtswechsel medizinisch bewerkstelligt werden, diszipliniert und normalisiert die Geschlechtswechsler in  der Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit. „Die ‚Geschlechtsumwandlung‘ hat einen Differenzierungseffekt: sie transformiert die Sehnsüchte, als deren Lösung sie sich präsentiert, entweder in eine Nachfrage oder sie entwertet sie zu bloßen Wünschen, denen mangels Konsequenz die Authentizität fehlt.“

Dass der Geschlechtswechsel medizinisch als Transsexualität konstruiert wurde impliziert, wie jener Wechsel medizinisch bewerkstelligt wird: als temporäre einmalige Passage, nach der der Passagier unauffällig im ‘neuen’ Geschlecht verschwindet, dem er sich immer schon zugehörig gefühlt hat. Die Medizinisierung des Geschlechtswechsels basiert darauf, dass Geschlechtsumwandlungswillige von Ärzten – als Bestätigung ihrer Selbstdiagnose – als Frau bzw. Mann im falschen Körper diagnostiziert werden. So ist Hirschauers Diagnose von der „medizinische(n) Fabrikation authentischer Geschlechtszugehörigkeit“ zuzustimmen.
Transsexualität ist historisch und kulturell einmalig – auf wenn sie als „durchorganisierte Dauereinrichtung mit Trend zur Globalisierung“ beschrieben werden kann  und konstituiert! 
                                                      
Sulcov (1973), S. 293. Wie später Runte mit dem Begriff „biographische Operationen“ wies auch Sulcov darauf hin, dass das Leben im Licht des Transsexualitätskonzepts reorganisiert werde: über den Geschlechtswechsel kein ‚drittes Geschlecht‘.

Der gegenteilige Hinweis auf die räumliche und zeitliche Universalität des Phänomens ist als Element der Strategie zur Legitimation von Geschlechtsumwandlungen anzusehen. So schrieb z. B. Green: „Evidence for the phenomenon today called transsexualism can be found in records backward through centuries and spanning widely seperated cultures.“

In verschiedenen Teilen der Welt gebe es beispielsweise Stämme, bei denen Männer „adopted the ways and dress of women enjoyed high esteem as shamans, priests, and sorcerers“.

Diesem Argument kann Sulcovs Hinweis gegenübergestellt werden, dass Mann-zu-Frau ranssexuelle, die nicht die normale, unauffällige Frauenrolle anstreben würden – z. B. Berühmtheiten in Nachtclubs oder politische Kämpfer für die Emanzipation –, das Ziel unterminierten, den weiblichen Status zu erreichen: “rather than fostering the image of a two-role sexual status system, they establish a third category,those moving from one status to the other.”
 
Vielleicht hat die Infragestellung und Aufweichung der tradierten Geschlechterrollen im Kontext der so genannten Sexuellen Revolution in den späten 1960er und den 1970er Jahren dazu beigetragen, dass das „treatment pendulum“, wie Bockting und Coleman meinten, mit Hilfe des Jorgensen-Falls und der Arbeit von Harry Benjamin von „attempting to ‘cure’ the transvestite or transsexual with psychoanalysis (...) or aversion treatment” umgeschlug “to facilitating acceptance and management of gender role transition.”

Doch Akzeptanz und Management des Geschlechtswechsels basierten auf einem deterministischen Krankheitskonzept, das bipolar ‘konträre’ Geschlechtsidentitäten postulierte und ätiologisch wie symptomatologisch Eindeutigkeit konstruierte.

Und Ärzte und Transsexuelle, weil ihre  Ärzte es so wollten, betonten, dass der gewünschte Geschlechtswechsel nicht auf dem freien Willen des Individuums beruhe. Dass Benjamin 1969 nicht nur Transsexualität, sondern auch die gegen Geschlechterrollenkonventionen  verstoßenden Hippies  „longhaired boys and trousered girls“ – als eine Form von „gender role disorientation“ biologischen Ursprungs qualifizierte,zeigt die heute skurril anmutenden Blüten des biologistischen Denkmodells.
Unsere Gesellschaft bleibt, so Mike Brake, nicht nur an die strenge Dichotomie der Geschlechterrollen gebunden, sondern kennt nur ein zugeschriebenes und kein “achieved gender”.

Der als Transsexualität konstruierte und medizinisch bewerkstelligte Geschlechtswechsel stabilisiert die Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit.

Transsexuelle bringen sich selbst in diese Ordnung, sie entschädigen, wie auch kritische Psychiater bemerken, die Öffentlichkeit weitgehend durch die an ihnen „erkennbare Idealisierung der polaren Geschlechtlichkeit“:                                        
Ihre Identitätsbildung funktioniert auf der Basis der herrschenden Geschlechternormen als Selbstnormalisierung, ein Prozess, bei dem ‚nicht männlich‘ notwendig ‚weiblich‘ und ‚nicht weiblich‘ notwendig ‚männlich‘ bedeutet. Ärzte bringen Transsexuelle in diese Ordnung, indem sie denn als falsch diagnostizierten Körper in Übereinstimmung mit der gegengeschlechtlichen Identität bringen.
An Transsexualität werden, so Hirschauer, „die Axiome unserer kulturellen Annahmen über Geschlechtszugehörigkeit bewiesen und bestritten: daß der Körper die Geschlechtszugehörigkeit begründet und daß sie von lebenslanger Konstanz ist“.
Die Chirurgie Überschreite die körperliche Geschlechtsgrenze und reaffirmiere zugleich die Körpergebundenheit der Geschlechtszugehörigkeit, denn es könne nicht nur geschnitten werden, es müsse geschnitten werden. Und trotz der sozialen  und biographischen Brüche eines Geschlechtswechsels werde negiert, dass ein Wechsel stattgefunden habe: gerade an Transsexuellen werde gezeigt, wie früh das Geschlecht determiniert sein soll.
Mit Hirschauer ist Transsexualität als „Ausdruck einer historisch spezifischen Geschlechtskonstruktion“ zu qualifizieren, deren Kontingenz sich am normalisierenden operativen Eingriff zeige.
Dem gegenüber sehen Psychiater entweder nur die eine Seite der Medaille – „Transsexualität durchbricht die Grenze der zweigeteilten Geschlechterordnung“ – oder aber sie instrumentalisieren die Position, dass durch operative Geschlechtsumwandlungen „Stereotype bezüglich Geschlechtsrollen und Charakteristiken der beiden Geschlechter noch verhärtet werden“ für ihre grundsätzliche Kritik an der „Propagation der ‚Geschlechtskorrektur‘“.
 
Transsexualität wurde von der Medizin universalistisch als eine Identitätsstörung konstruiert, die von den konkreten gesellschaftlichen Geschlechterverhältnissen und ihren Veränderungen unabhängig ist und die Behauptung impliziert, dass es immer und überall nur genau zwei Geschlechter gegeben hat, gibt und geben wird; als eine Störung, deren Ursache auf paradoxe Weise zugleich im Individuum und in der Natur der Sache, aber nicht in der jeweiligen gesellschaftlichen Geschlechterordnung zu finden sei. Diesem Postulat eines außergesellschaftlichen Ursprungs entspricht die fast mythenförmige Darstellung der Transsexualität in Autobiographien und anderen Medien, eine Darstellungsform, die die Angst der Transsexuellen wie der Nicht-Transsexuellen vor dem Phänomen reduziert.
Das medizinische Management von Intersexualität, durch das bereits  frühkindlich eine geschlechtliche Eindeutigkeit hergestellt wird, deute ich auch als Bewältigungsstrategie dieser Angst vor der Verwischung der Grenzen der Zweigeschlechtlichkeit.
Die medizinische Konstruktion der Transsexualität sowie die Darstellung von Transsexuellen in der medialen Öffentlichkeit festigt die Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit, weil sich Transsexuelle, die sich als Opfer von Natur oder Erziehung sehen und darstellen, problemlos als Mann oder Frau – lediglich im falschen Körper – fühlen können und wahrgenommen und (medizinisch) behandelt werden
.
Das medizinische Management des Geschlechtswechsel                                                         
stellt eine Strategie des Sexualitätsdispositivs  dar, durch die die abweichende Identitätslust zwar nicht mehr psychiatrisiert, aber normalisiert wird. Dass diese Strategie wesentlich als Selbstnormalisierung der Transsexuellen funktioniert, die die gesellschaftlichen Geschlechternormen internalisiert haben, verdeutlicht für mich die Macht dieser Normen.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Das Menschliche

Und Sie wissen nicht, mit was Sie es zutun haben! Doch diese bekommen euch, ein Fakt!

Heute in den TV- Medien, die Massen - Vergewaltigung einer 15 jährigen Schülerin, angeblich "Gastarbeiter bzw. FLÜCHTLINGE auch Poliz...