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Transsexuellengesetz
– die Siebte.
Das Thema entwickelt sich langsam zu einem Karlsruher
Dauerbrenner. Zum siebten Mal musste sich das Bundesverfassungsgericht nun mit
der Transsexualität befassen – und befand die in § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 Transsexuellengesetz
normierten Voraussetzungen für die rechtliche Anerkennung von Transsexuellen
für verfassungswidrig.
Stein des Anstoßes war die seit einigen Jahren mögliche
Lebenspartnerschaft, seit deren Einführung verschiedengeschlechtliche Paare die
Ehe schließen und gleichgeschlechtliche Paare eine Lebenspartnerschaft eingehen
können.
Was aber gilt für eine transsexuelle Person? Darf eine
Mann-zu-Frau-Transsexuelle mit ihrer Freundin eine Lebenspartnerschaft
eingehen? Sicher, sagt das Gesetz – zumindest dann, wenn die
Geschlechtsumwandlung nach Durchführung der einschlägigen Operationen auch
rechtlich anerkannt wurde. Und vorher? Bleibt ihr dann etwa die
Lebenspartnerschaft mit ihrer Freundin verschlossen und sind die beiden gar
gezwungen, statt dessen die Ehe miteinander einzugehen? Nein! Das
ist unzumutbar und verfassungswidrig. Sagt jetzt jedenfalls das
Bundesverfassungsgericht, auch wenn die Beschwerdeführerin zwischenzeitlich mit
ihrer Freundin doch die Ehe eingegangen war.
Doch das Bundesverfassungsgericht ging noch weiter und
nutzte diesen Fall zu einer Verwerfung der “großen Lösung”, nach der die
rechtliche Anerkennung des anderen Geschlechts einer Person die einschlägigen
Operationen voraussetzt:
§ 8 Absatz 1 Nummern 3 und 4 des Gesetzes über die Änderung der
Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen
(Transsexuellengesetz – TSG) vom 10. September 19801 ist mit Artikel 2 Absatz 1
und Absatz 2 GG in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG nicht vereinbar.
§ 8 Absatz 1 Nummern 3 und 4 TSG ist bis zum Inkrafttreten einer
gesetzlichen Neuregelung nicht anwendbar.
DER RECHTLICHE AUSGANGSPUNKT
Voraussetzung einer Eheschließung ist die
Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten, während die Eingehung einer
Lebenspartnerschaft nach § 1 LPartG nur zwischen gleichgeschlechtlichen
Personen möglich ist. In beiden Fällen wird auf das personenstandsrechtliche
Geschlecht abgestellt.
Das Transsexuellengesetz (TSG) sieht zwei Verfahren vor, die
Transsexuellen das Leben im empfundenen Geschlecht ermöglichen sollen. Die
sogenannte „kleine Lösung“ erlaubt es, den Vornamen zu ändern, ohne dass zuvor
operative geschlechtsanpassende Eingriffe stattgefunden haben müssen. Hierfür
ist gemäß § 1 Abs. 1 TSG im Wesentlichen erforderlich, dass sich die Person auf
Grund ihrer transsexuellen Prägung dem anderen Geschlecht als zugehörig
empfindet, seit mindestens drei Jahren unter dem Zwang steht, ihren
Vorstellungen entsprechend zu leben, und mit hoher Wahrscheinlichkeit
anzunehmen ist, dass sich ihr Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht
nicht mehr ändern wird. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist durch zwei
Gutachten voneinander unabhängiger Sachverständiger nachzuweisen.
Nur die sogenannte „große Lösung“ gemäß § 8 TSG führt dagegen
zur personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen Geschlechts mit der
Folge, dass sich die vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten der
betroffenen Person grundsätzlich nach dem neuen Geschlecht richten. Sie setzt –
neben den Erfordernissen des § 1 Abs. 1 TSG – gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG
zusätzlich voraus, dass die Person dauernd fortpflanzungsunfähig ist (Nr. 3)
und sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen
Eingriff unterzogen hat, durch den eine deutliche Annäherung an das
Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist (Nr. 4). Hierfür
sind bei einer Mann-zu-Frau Transsexuellen die Amputation des Penisschaftes und
der Hoden sowie die operative Bildung der äußeren primären weiblichen Geschlechtsorgane
erforderlich; bei Frau-zu-Mann Transsexuellen die operative Entfernung der
Gebärmutter, der Eierstöcke und des Eileiters sowie oftmals eine
Brustverkleinerung.
Wird dem Antrag nach dem in § 9 TSG vorgeschriebenen
Verfahren durch gerichtliche Entscheidung entsprochen, ist der Antragsteller
von der Rechtskraft der Entscheidung an gemäß § 10 TSG als dem anderen
Geschlecht zugehörig anzusehen mit der Folge, dass sich seine vom Geschlecht
abhängigen Rechte und Pflichten grundsätzlich nach dem neuen Geschlecht
richten. Allerdings bleibt nach § 11 TSG das Verhältnis des Transsexuellen zu
seinen Abkömmlingen und Eltern unberührt. Nach § 9 Abs. 3 TSG in Verbindung mit
§ 6 TSG kann der Personenstand auf Antrag wieder dem Geburtsgeschlecht
angepasst werden.
Bei Entstehung des Transsexuellengesetzes war im
Gesetzgebungsverfahren unumstritten, dass eine Personenstandsänderung eine
operative Geschlechtsangleichung voraussetzt. Zur Begründung führte die
Bundesregierung aus, es müsse verhindert werden, dass ein Mann einen Mann
heiraten könne, der sich insofern sogar gemäß § 175 StGB strafbar machen könne.
Könne sich ein Betroffener der Operation nicht unterziehen, müsse er es bei der
„kleinen Lösung“ bewenden lassen2.
Die Voraussetzung der Fortpflanzungsunfähigkeit wurde nicht
begründet. Allerdings wurde das Verhältnis Transsexueller zu ihren Kindern
diskutiert. Der Bundesrat regte in diesem Zusammenhang mit späterer Zustimmung
der Bundesregierung3 an, das in § 11 TSG geregelte Eltern-Kind-Verhältnis
uneingeschränkt auf leibliche Kinder der Betroffenen zu beziehen, unabhängig ob
sie vor oder nach der personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen
Geschlechts geboren wurden. Nach den bisherigen Erfahrungen sei nicht
ausgeschlossen, dass Personen, die als fortpflanzungsunfähig gelten, noch
Kinder zeugen oder empfangen könnten. Diesen Kindern könne nicht die
Möglichkeit genommen werden, ihre Abstammung feststellen zu lassen4.
Das Bundesministerium des Innern erarbeitete zum 7. April
2009 den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Transsexuellenrechts, der jedoch
aufgrund der bereits fortgeschrittenen Legislaturperiode nicht mehr in das
Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurde5. Der Entwurf hielt an der Zweiteilung
zwischen „kleiner“ und „großer Lösung“ fest. Für die zur Personenstandsänderung
führende „große Lösung“ sollte die dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit und
nunmehr statt der bisher in § 8 TSG geforderten Operation eine in körperlicher
Hinsicht erfolgte Anpassung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts zur
Voraussetzung gemacht werden, jedoch nur, soweit die dafür notwendige
medizinische Behandlung nicht zu einer Gefahr für das Leben oder zu einer
schweren dauerhaften Gesundheitsbeeinträchtigung des Betroffenen führe.
In der Begründung des Gesetzesentwurfs wurde dazu
ausgeführt, auf die Voraussetzung der dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit könne
grundsätzlich nicht verzichtet werden. Die vom Geschlecht abhängige Zuordnung
im Zusammenleben der Gesellschaft solle gewahrt werden; insbesondere müsse ausgeschlossen
werden, dass rechtlich dem männlichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder
gebären und rechtlich dem weiblichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder
zeugen. Durch die Voraussetzung der operativen Geschlechtsumwandlung sei es
allerdings in der Vergangenheit zu mehr Operationen gekommen, als therapeutisch
angezeigt gewesen seien. Daher sollten sich medizinische Eingriffe künftig nach
der individuellen Entwicklung und ärztlichen Beurteilung richten.
n nahezu allen Rechtsordnungen Europas bestehen Möglichkeiten
zur rechtlichen Anerkennung Transsexueller in ihrem empfundenen Geschlecht. Sie
können danach unterschieden werden, ob sie für die personenstandsrechtliche
Anerkennung eine operative Geschlechtsumwandlung verlangen (so Frankreich6 und
die Türkei7) oder darauf verzichten (so Belgien8, Finnland9, Österreich10,
Schweden11, Spanien12 und Großbritannien13). Manche Rechtsordnungen verlangen
eine optische Angleichung an das empfundene Geschlecht, zum Beispiel durch eine
Hormontherapie (so Belgien14, Italien15 und die Niederlande16, wobei Belgien
und die Niederlande wiederum Ausnahmeregelungen für die Fälle vorgesehen haben,
in denen im Einzelfall gesundheitliche Risiken bestehen17). Während demnach nur
eine kleinere Zahl von Ländern die Durchführung einer operativen
Geschlechtsanpassung zur Voraussetzung einer Personenstandsänderung machen, ist
die Zahl der Länder größer, die eine Fortpflanzungsunfähigkeit verlangen
(Belgien18, Finnland19, Niederlande20, Schweden11, Türkei7). In allen
Rechtsordnungen sind Entscheidungen über die Anerkennung des empfundenen
Geschlechts auf der Basis von ärztlichen oder psychiatrischen Gutachten zu
treffen.
In Finnland21, Frankreich22, Österreich23, der Schweiz24 und
im Vereinigten Königreich25 gibt es neben der Ehe ein besonderes
familienrechtliches Institut zur rechtlichen Absicherung gleichgeschlechtlicher
Partnerschaften. Die Bestimmung der Gleichgeschlechtlichkeit richtet sich auch
in diesen Ländern nach dem Personenstand.
Demgegenüber haben Belgien26, die Niederlande27, Norwegen28,
Spanien29 und Schweden30 die Eingehung der Ehe nicht nur
verschiedengeschlechtlichen, sondern auch gleichgeschlechtlichen Partnern
eröffnet. Die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts
hat in diesen Ländern für einen Transsexuellen keine Auswirkungen auf die
Eingehung einer rechtlich abgesicherten Partnerschaft.
Seit Inkrafttreten des Transsexuellengesetzes wurden neue
Erkenntnisse über die Transsexualität gewonnen31. Transsexuelle leben in dem
irreversiblen und dauerhaften Bewusstsein, dem Geschlecht anzugehören, dem sie
aufgrund ihrer äußeren körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der
Geburt nicht zugeordnet wurden. Ihre sexuelle Orientierung im empfundenen
Geschlecht kann, wie bei Nicht-Transsexuellen, hetero- wie homosexuell
ausgerichtet sein.
Mit der Entwicklung geschlechtsanpassender Operationen in
den 1960er Jahren wurde Transsexualität als Leiden am falschen Körper definiert
und die Behandlung auf somatische Eingriffe fokussiert32. Die daraus abgeleitete
Auffassung, alle Transsexuelle würden nach einer geschlechtsanpassenden
Operation streben, hat sich inzwischen als unrichtig erwiesen33. Ein
Operationswunsch allein wird von Gutachtern nicht mehr als zuverlässiger
diagnostischer Indikator angesehen, da der Wunsch nach einer
„Geschlechtsumwandlung“ auch eine Lösungsschablone für psychotische Störungen,
Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern oder für die Ablehnung einer
homosexuellen Orientierung sein kann34.
Vielen Transsexuellen verschafft eine geschlechtsanpassende
Operation eine erhebliche Erleichterung ihres Leidensdrucks, die manche schon
vorher durch Selbstverstümmelung und Selbstkastration zu erreichen versuchen.
Jedoch verbleiben zwischen 20 und 30 % der Transsexuellen, die einen Antrag auf
Vornamensänderung stellen, in Deutschland dauerhaft in der „kleinen Lösung“
ohne Operation35. Der Wunsch und die Durchführung von Operationen sind nach
neueren Erkenntnissen nicht kennzeichnend für das Vorliegen von
Transsexualität. Für entscheidend wird vielmehr die Stabilität des
transsexuellen Wunsches gehalten36. Für erforderlich werden deshalb
individuelle therapeutische Lösungen erachtet, die von einem Leben im anderen
Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur
weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen können37. Mit Blick auf
diese Erkenntnisse werden die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG
als verfassungsrechtlich problematisch bezeichnet38.
Sowohl bei der Diagnose als auch in der Behandlung kommt dem
Leben in der neuen Geschlechterrolle (sogenannter „Alltagstest“) große
Bedeutung zu, um zu ermitteln, ob ein Wechsel der Geschlechterrolle bewältigt
werden kann. Anschließend wird häufig eine gegengeschlechtliche
Hormonbehandlung durchgeführt. Diese ermöglicht eine körperliche Angleichung an
das empfundene Geschlecht und schaltet Eigenschaften des Geburtsgeschlechts
aus, die von den Betroffenen als belastend empfunden werden, wie zum Beispiel
Menstruation, Ejakulation und Bartwuchs39. Die gegengeschlechtliche
Hormontherapie ist ein einschneidender Schritt, der mit der Herausbildung
weiblicher Brüste oder andererseits der Entwicklung einer tiefen Stimme und
möglicherweise dauerhafter Unfruchtbarkeit bereits irreversible körperliche Folgen
hat40 und gesundheitliche Risiken wie zum Beispiel erhöhtes Thrombose-Risiko,
Diabetes, chronische Hepatitis und Leberschäden mit sich bringt41. Nach
gegebenenfalls durchgeführten Operationen, die für die personenstandsrechtliche
Anerkennung nach dem Transsexuellengesetz Voraussetzung sind, muss die
Hormontherapie lebenslang fortgesetzt werden42.
Für die personenstandsrechtliche Anerkennung nach dem
Transsexuellengesetz sind bei einer Mann-zu-Frau Transsexuellen die Amputation
des Penisschaftes und der Hoden sowie die Bildung von Neovulva, Neoklitoris und
Neovagina mit der Schaffung eines neuen Harnausgangs erforderlich43. Bei
komplikationsloser Heilung kann die Patientin nach zwei Wochen stationärer
Behandlung entlassen werden, wobei mindestens die erste Woche strikte Bettruhe
einzuhalten ist. Da die Operation einen erheblichen Eingriff bedeutet, muss der
Operateur jeweils Operations- und Narkoserisiken abwägen44. Bei ca. 40 % der
Patientinnen müssen nach der ersten Operation weitere Korrekturoperationen
vorgenommen werden45. Unter den betroffenen Mann-zu-Frau Transsexuellen, die
körperliche Veränderungen anstreben, gilt als größter Wunsch nach körperlicher
Veränderung die Entwicklung einer weiblichen Brust, die allerdings oft schon
durch die Hormontherapie entsteht. Während einige Betroffene größte Abneigung
gegen ihre männliche Behaarung empfinden, eine Epilation wünschen und ihren
Penis als Zeichen der Männlichkeit ablehnen, können andere ihn akzeptieren46.
Bei Frau-zu-Mann Transsexuellen sind für die
Personenstandsänderung nach § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG die operative Entfernung
der Gebärmutter, der Eierstöcke und des Eileiters und oftmals eine
Brustverkleinerung zur Angleichung an das Erscheinungsbild des männlichen
Geschlechts erforderlich. Ein Scheidenverschluss und der Aufbau einer
Penisprothese werden als Voraussetzung allerdings nicht verlangt. Für
Frau-zu-Mann Transsexuelle, die körperliche Eingriffe anstreben, steht die
Entfernung der Brust als sichtbares Zeichen der Weiblichkeit im Vordergrund. An
zweiter Stelle steht die Beendigung der Menstruation, die bereits mit einer
Hormontherapie erreicht wird, so dass die Entfernung von Uterus und Eierstöcken
nur von den wenigsten Betroffenen aus eigener Motivation angestrebt wird. Der
Wunsch nach einer Penisprothese ist bei vielen Betroffenen nicht stark
ausgeprägt47.
Die Zahl der Transsexuellen, die nach der Änderung ihres
Vornamens oder nach Geschlechtsumwandlung wieder in ihr Geburtsgeschlecht
zurückwechseln, ist nur unzureichend bekannt. Der Rollenwechsel zurück gilt
jedoch als sehr seltener Ausnahmefall48. Nach einer Studie aus dem Jahr 1993
stellten seit Inkrafttreten des Transsexuellengesetzes nur sechs Personen (0,4
% der Personen, die einen Vornamen- beziehungsweise Personenstandswechsel vorgenommen
hatten) in Deutschland einen Antrag auf Rückumwandlung beziehungsweise
Wiederannahme des alten Vornamens, fünf davon nach vollzogener
Vornamensänderung und eine Person nach vollzogener Personenstandsänderung49.
Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung liegen die Fälle,
in denen eine Rückkehr ins Ausgangsgeschlecht durchgeführt wurde, bei deutlich
unterhalb einem Prozent aller durchgeführten TSG-Verfahren50.
DAS AUSGANGSVERFAHREN[↑]
Die jetzt 62-jährige Beschwerdeführerin wurde mit männlichen
äußeren Geschlechtsmerkmalen geboren. Sie empfindet sich jedoch als Angehörige
des weiblichen Geschlechts. Als solche ist sie homosexuell orientiert und lebt
in einer Partnerschaft mit einer Frau. Sie hat gemäß § 1 TSG ihren männlichen
in einen weiblichen Vornamen geändert. Eine Änderung des Personenstandes
(„große Lösung“) erfolgte nicht, da die notwendigen operativen Eingriffe nicht
vorgenommen worden waren. Ihren zusammen mit ihrer Partnerin gestellten Antrag
auf Eintragung einer Lebenspartnerschaft lehnte der Standesbeamte ab, weil
diese nur für zwei Beteiligte des gleichen Geschlechts eröffnet sei. Das
Amtsgericht Schöneberg bestätigte die Entscheidung mit dem Hinweis, dass den
Beteiligten nur die Möglichkeit der Eheschließung offen stehe, da für eine
personenstandsrechtliche Anerkennung der Beschwerdeführerin als Frau die
geschlechtsanpassende Operation erforderlich sei51. Ihre hiergegen erhobene
Beschwerde vor dem Landgericht Berlin52 sowie ihre weitere Beschwerde vor dem
Kammergericht53 blieben erfolglos.
DIE VERFASSUNGSBESCHWERDE[↑]
Mit ihrer im Dezember 2007 erhobenen Verfassungsbeschwerde
rügt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen eine Verletzung ihres allgemeinen
Persönlichkeitsrechts in seiner Ausprägung als Recht auf sexuelle Selbstbestimmung.
Als empfundene Frau, die eine Frau zur Partnerin habe, wolle sie eine
Lebenspartnerschaft begründen. Eine Eheschließung sei ihr nicht zumutbar, da
sie dadurch rechtlich als Mann eingestuft würde. Zudem würde angesichts ihres
weiblichen Vornamens offenkundig, dass eine der beiden Frauen transsexuell sei,
wodurch ein unauffälliges und diskriminierungsfreies Leben in der neuen Rolle
unmöglich würde. Eine geschlechtsanpassende Operation sei aufgrund ihres Alters
mit nicht abzuschätzenden gesundheitlichen Risiken verbunden.
Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, dass die in § 8
Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG normierten Voraussetzungen der personenstandsrechtlichen
Anerkennung Transsexueller zur Eingehung einer Lebenspartnerschaft mit dem
Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1
Abs. 1 GG und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG
nicht vereinbar sind. Die Vorschriften sind bis zum Inkrafttreten einer
gesetzlichen Neuregelung nicht anwendbar. Da die mittelbar auf § 8 Abs. 1 Nr. 3
und 4 TSG beruhenden fachgerichtlichen Entscheidungen die Beschwerdeführerin in
ihren Grundrechten verletzen, ist der Beschluss des Kammergerichts aufgehoben
und zur erneuten Entscheidung dorthin zurückverwiesen worden.
DIE ZULÄSSIGKEIT DER VERFASSUNGSBESCHWERDE TROTZ DER
ZWISCHENZEITLICHEN EHESCHLIESSUNG[↑]
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist das
Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerdeführerin nicht deshalb entfallen, weil sie
inzwischen die Ehe eingegangen ist.
Die Beeinträchtigung der geschlechtlichen Identität der
Beschwerdeführerin durch die rechtliche Nichtanerkennung ihres empfundenen
Geschlechts und die ihr damit nicht eröffnete Möglichkeit, eine eingetragene
Lebenspartnerschaft einzugehen, setzt sich auch nach ihrer Eheschließung
fort54. Nachvollziehbar hat die Beschwerdeführerin erklärt, nur deshalb die Ehe
eingegangen zu sein, weil sie angesichts ihres Alters und des sich hinziehenden
Verfahrens nicht mehr länger habe abwarten können, ihre Partnerschaft rechtlich
abzusichern. Ihr und ihrer Partnerin war es insoweit nicht zumutbar, ihr
Bedürfnis nach gegenseitiger Absicherung und Versorgung weiter hintanzustellen.
Dass die Fachgerichte und das Bundesverfassungsgericht schwierige Fragen oft
nicht in kurzer Zeit entscheiden können, darf nicht dazu führen, dass eine
Verfassungsbeschwerde wegen des Zeitablaufs und hierbei eintretender
Veränderungen als unzulässig verworfen wird55. Weil der Beschwerdeführerin zur
Absicherung ihrer Partnerschaft allein die Ehe offengestanden hat, ist sie
zudem dadurch, dass sie in der ehelichen Beziehung zu ihrer Partnerin rechtlich
ihrem Geburtsgeschlecht zugeordnet bleibt, weiterhin in ihrem eigenen
Identitätsempfinden als Frau betroffen und damit konfrontiert, dass ihre
Transsexualität aufgrund der ehelichen Verbindung mit ihrer Partnerin
offenkundig geworden ist.
VERLETZUNG DES ALLGEMEINEN PERSÖNLICHKEITSRECHTS[↑]
Es verstößt gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht in
seiner Ausprägung als Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, dass Transsexuelle mit gleichgeschlechtlicher
Orientierung zur rechtlichen Absicherung ihrer Partnerschaft entweder die Ehe
eingehen oder sich geschlechtsändernden und die Zeugungsunfähigkeit herbeiführenden
operativen Eingriffen aussetzen müssen, um personenstandsrechtlich im
empfundenen Geschlecht anerkannt zu werden und damit eine eingetragene
Lebenspartnerschaft begründen zu können, die ihrer als gleichgeschlechtlich
empfundenen Partnerbeziehung entspricht.
§ 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG ist mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2
in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar, soweit die dort geregelten
Voraussetzungen einen homosexuellen Transsexuellen, der die Voraussetzungen des
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 TSG erfüllt, mittelbar daran hindern, eine eingetragene
Lebenspartnerschaft zu begründen.
Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG schützt mit
der engeren persönlichen Lebenssphäre auch den intimen Sexualbereich des
Menschen, der die sexuelle Selbstbestimmung und damit auch das Finden und
Erkennen der eigenen geschlechtlichen Identität sowie der eigenen sexuellen
Orientierung umfasst56. Es ist wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis, dass die
Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Geschlecht nicht allein nach den
äußerlichen Geschlechtsmerkmalen im Zeitpunkt seiner Geburt bestimmt werden
kann, sondern sie wesentlich auch von seiner psychischen Konstitution und
selbstempfundenen Geschlechtlichkeit abhängt57. Steht bei einem Transsexuellen
das eigene Geschlechtsempfinden nachhaltig in Widerspruch zu dem ihm rechtlich
nach den äußeren Geschlechtsmerkmalen zugeordneten Geschlecht, gebieten es die
Menschenwürde in Verbindung mit dem Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit,
dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen Rechnung zu tragen und seine
selbstempfundene geschlechtliche Identität rechtlich anzuerkennen, um ihm damit
zu ermöglichen, entsprechend dem empfundenen Geschlecht leben zu können, ohne
in seiner Intimsphäre durch den Widerspruch zwischen seinem dem empfundenen
Geschlecht angepassten Äußeren und seiner rechtlichen Behandlung bloßgestellt
zu werden58. Es obliegt dem Gesetzgeber, die Rechtsordnung so auszugestalten,
dass diese Anforderungen erfüllt sind und insbesondere die rechtliche Zuordnung
zum nachhaltig empfundenen Geschlecht nicht von unzumutbaren Voraussetzungen
abhängig gemacht wird.
Mit diesen Grundsätzen ist es nicht vereinbar, wenn
Transsexuelle mit gleichgeschlechtlicher Orientierung, zur rechtlichen
Absicherung ihrer Partnerschaft entweder die Ehe eingehen oder sich
geschlechtsändernden und die Zeugungsunfähigkeit herbeiführenden operativen
Eingriffen aussetzen müssen, um personenstandsrechtlich im empfundenen
Geschlecht anerkannt zu werden und damit eine eingetragene Lebenspartnerschaft
begründen zu können, die seiner als gleichgeschlechtlich empfundenen
Partnerbeziehung entspricht. Die personenstandsrechtliche Anerkennung des
empfundenen Geschlechts darf nicht von Voraussetzungen abhängig gemacht werden,
die schwere Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit bedingen und mit
gesundheitlichen Risiken verbunden sind, wenn diese nach wissenschaftlichem
Kenntnisstand keine notwendige Voraussetzung einer dauerhaften und erkennbaren
Änderung der Geschlechtszugehörigkeit sind.
Zu der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien
Persönlichkeitsentfaltung gehört das Recht jedes Menschen, mit einer Person
seiner Wahl eine dauerhafte Partnerschaft einzugehen und diese in einem der
dafür gesetzlich vorgesehenen Institute rechtlich abzusichern59. Dem
verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG entsprechend ist dies zum
einen durch Eingehen der Ehe möglich, die verschiedengeschlechtlichen Paaren
offen steht60. Zum anderen hat der Gesetzgeber für gleichgeschlechtliche
Partnerschaften das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft geschaffen.
Der Zugang zum jeweiligen Institut bestimmt sich insofern im deutschen Recht
derzeit nach der Geschlechterkonstellation der Paare, die sich jeweils
miteinander rechtlich verbinden wollen, nicht nach deren sexueller
Orientierung, auch wenn die Entscheidung einer Person für eine Ehe oder eine
eingetragene Lebenspartnerschaft regelmäßig mit ihrer sexuellen Orientierung
verbunden ist61. Dabei ist das personenstandsrechtlich festgestellte Geschlecht
der Partner zum Zeitpunkt des Eingehens der rechtlichen Verbindung maßgeblich.
Die ausschließlich am rechtlich zugewiesenen Geschlecht ausgerichtete
Unterscheidung der beiden vom Gesetzgeber eröffneten Möglichkeiten für Paare,
sich rechtlich zu binden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden62. Sie
ermöglicht eine objektive und einfache Feststellung der Zugangsvoraussetzungen
für Ehe und Lebenspartnerschaft, vermeidet, dass die Partner vor Eingehen der
Ehe oder Lebenspartnerschaft Intimes über ihr Geschlechtsempfinden oder ihre
sexuellen Neigungen preisgeben müssen, und dient damit dem Schutz der
Privatsphäre63.
Dass für die Eröffnung von Ehe oder Lebenspartnerschaft das
jeweilige personenstandsrechtliche Geschlecht der Partner ausschlaggebend ist,
beeinträchtigt aber dann das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aus Art. 2
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, wenn bei der rechtlichen Bestimmung
der Geschlechtszugehörigkeit einer Person allein auf das nach ihren äußeren
Geschlechtsmerkmalen bestimmte und nicht auf das von ihr empfundene, durch
Gutachten bestätigte Geschlecht abgestellt wird und eine bestehende Diskrepanz
zwischen der personenstandsrechtlichen Geschlechtszugehörigkeit und dem
empfundenen Geschlecht nicht in einer für den Betroffenen zumutbaren Weise
beseitigt werden kann, sodass diesem zur Absicherung seiner Partnerschaft nur
ein Institut offen steht, bei dessen Eingehen er nach seinem Empfinden im
falschen Geschlecht leben muss.
Dies ist bei einem Transsexuellen mit homosexueller Orientierung
der Fall, der zwar die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 TSG erfüllt,
sich aber einer die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden und seine
Zeugungsunfähigkeit herbeiführenden Operation nicht unterzogen hat, die nach §
8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG erforderlich ist, um im selbstempfundenen Geschlecht
personenstandsrechtlich anerkannt zu werden. So empfindet sich eine
Mann-zu-Frau Transsexuelle mit „kleiner Lösung“ wie die Beschwerdeführerin als
Frau und hat entsprechend auch ihren Namen und ihr Äußeres dem empfundenen
Geschlecht angepasst, wird aber personenstandsrechtlich weiter als Mann
behandelt. Wie die Fachgerichte im zugrundeliegenden Fall der geltenden
Gesetzeslage entsprechend festgestellt haben, ist es der Beschwerdeführerin
deshalb nicht möglich gewesen, zur rechtlichen Absicherung ihrer nach ihrem
Empfinden gleichgeschlechtlichen Beziehung zu einer Frau eine eingetragene
Lebenspartnerschaft einzugehen, obwohl dieses Institut vom Gesetzgeber gerade
für gleichgeschlechtliche Paare geschaffen worden ist, um die Ehe als
Verbindung von Mann und Frau verschiedengeschlechtlichen Paaren
vorzubehalten64. Will sich eine Mann-zu-Frau Transsexuelle mit ihrer Partnerin
rechtlich verbinden, steht sie deshalb vor der Alternative, entweder mit ihrer
Partnerin die Ehe einzugehen oder an sich geschlechtsändernde und zur
Zeugungsunfähigkeit führende Operationen vornehmen zu lassen, um die
personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts zu erreichen
und damit die Voraussetzung für die Begründung einer ihrer homosexuellen
Beziehung entsprechenden eingetragenen Lebenspartnerschaft zu erfüllen. Beide
ihr offen stehenden Möglichkeiten beeinträchtigen ihr Recht auf sexuelle
Selbstbestimmung in unzumutbarer Weise.
Mit dem Verweis auf den Eheschluss als Möglichkeit, seine
Partnerschaft rechtlich abzusichern, wird ein Transsexueller mit sogenannter
„kleiner Lösung“ und gleichgeschlechtlicher Orientierung rechtlich und nach
außen erkennbar in eine Geschlechterrolle verwiesen, die seiner selbstempfundenen
widerspricht. Zugleich wird seine Transsexualität offenkundig. Dies entspricht
nicht dem Gebot des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG auf
Anerkennung der selbst- empfundenen geschlechtlichen Identität eines Menschen
und auf Schutz seiner Intimsphäre.
Steht die Ehe wie in einigen europäischen Ländern sowohl
verschieden- wie gleichgeschlechtlichen Paaren offen, lassen sich aus dem
Eingehen einer Ehe keine Rückschlüsse auf die Geschlechtszugehörigkeit oder
sexuelle Orientierung der Ehepartner ziehen. Hält die Rechtsordnung dagegen wie
in Deutschland neben der Ehe mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft ein
weiteres Institut zur Absicherung einer rechtlich verbindlichen Partnerschaft
bereit und grenzt sie die beiden Institute voneinander allein nach dem
Geschlechterverhältnis der Partner ab, erfolgt mit der Zuweisung zu dem
jeweiligen Institut auch eine Zuschreibung der Geschlechterrollen in der
Partnerschaft. So nimmt allein schon die Benennung als Ehegatten oder
Lebenspartner Einfluss auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung der jeweiligen
Partner und ihrer Beziehung. Wird ein Transsexueller mit „kleiner Lösung“ und
gleichgeschlechtlicher Orientierung darauf verwiesen, zur rechtlichen
Absicherung seiner Partnerschaft die Ehe einzugehen, und folgt er dem
gezwungenermaßen, weil geschlechtsändernde Operationen bei ihm nicht in
Betracht kommen, er aber nicht auf eine rechtliche Bindung mit seinem Partner
verzichten möchte, setzt er sich deshalb einer Infragestellung seiner
geschlechtlichen Identität wie seiner sexuellen Orientierung aus. Zum einen
gerät er in Zwiespalt zwischen dem durch die Eheschließung vermittelten
Eindruck seiner Geschlechtszugehörigkeit und seines, dem entgegenstehenden
eigenen Geschlechtsempfindens. Zum anderen wird ihm in der Ehe als
heterosexueller Verbindung eine Rolle zugeschrieben, die seiner sexuellen
Orientierung widerspricht.
Zwar kann der Transsexuelle auch nach Eheschluss seinen nach
§ 1 TSG geänderten, mit seinem empfundenen Geschlecht in Einklang stehenden
Namen behalten65. Doch gerade dieser Name und sein dem geschlechtlichen
Empfinden angepasstes äußeres Erscheinungsbild, das seine Beziehung zu seinem
angetrauten Partner als gleichgeschlechtlich offenbart, stellen ihn und seinen
Partner wiederum permanent in Widerspruch zu ihrem Status als Verheiratete. Sie
erscheinen als Paar, das eigentlich in der Ehe fehl am Platz ist. Offenkundig
wird, dass es sich bei einem von ihnen um einen Transsexuellen handeln muss.
Aufgrund der Diskrepanz zwischen ihrer ehelichen Verbundenheit und ihrer
erkennbar gleichgeschlechtlichen Beziehung müssen beide auch immer wieder damit
rechnen, auf ihre Geschlechtszugehörigkeit angesprochen zu werden. Zwar mag es
im Alltag vermeidbar sein, sich als Ehegatten zu erkennen zu geben. Es kann den
Betroffenen aber verfassungsrechtlich nicht zugemutet werden, den ihnen
rechtlich zugewiesenen Status nach außen verheimlichen zu müssen, um mit der
von ihnen empfundenen Geschlechterrolle in Einklang zu leben. Der Schutz der
Intimsphäre des Transsexuellen und seines Partners vor ungewollten Einblicken
durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG bleibt damit nicht
hinreichend gewahrt66. Es ist beiden deshalb nicht zumutbar, zur Absicherung
ihrer Beziehung auf die Ehe verwiesen zu werden.
Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der
Gesetzgeber beim Zugang zu einer eingetragenen Lebenspartnerschaft auch bei
Transsexuellen mit homosexueller Orientierung auf das personenstandsrechtlich
festgestellte Geschlecht der Partner abstellt und die personenstandsrechtliche
Geschlechtsbestimmung von objektivierbaren Voraussetzungen abhängig macht. Es
verstößt jedoch gegen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1
in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, wenn er die personenstandsrechtliche
Anerkennung eines Transsexuellen an zu hohe und damit unzumutbare
Voraussetzungen knüpft.
Eine eingetragene Lebenspartnerschaft steht nur
gleichgeschlechtlichen Paaren offen. Zu ihnen zählt sich zwar ein homosexueller
Transsexueller mit seinem Partner. Solange er aber in seinem empfundenen
Geschlecht noch keine personenstandsrechtliche Anerkennung gefunden hat, wird
seine Beziehung rechtlich nicht als gleichgeschlechtlich gewertet. Er kann eine
seinem Empfinden entsprechende Lebenspartnerschaft nur eingehen, wenn er zuvor
die Voraussetzungen erfüllt hat, von denen der Gesetzgeber eine Änderung des
Personenstandes abhängig gemacht hat. Das Anknüpfen an das
personenstandsrechtlich festgestellte Geschlecht dient der eindeutigen
Geschlechtszuordnung der Partner bei der Prüfung, ob ihnen Zugang zur
eingetragenen Lebenspartnerschaft zu gewähren ist. Der Gesetzgeber verfolgt ein
legitimes Ziel, wenn er mit dem Erfordernis eines personenstandsrechtlichen
Nachweises des Geschlechts dafür Sorge tragen will, dass die eingetragene
Lebenspartnerschaft nur Partnern offen steht, die rechtlich als
gleichgeschlechtlich anerkannt sind67.
Der Gesetzgeber kann bei der Bestimmung der
Geschlechtszugehörigkeit eines Menschen grundsätzlich von dessen äußeren
Geschlechtsmerkmalen zum Zeitpunkt der Geburt ausgehen und die
personenstandsrechtliche Anerkennung des im Widerspruch dazu stehenden
empfundenen Geschlechts eines Menschen von bestimmten Voraussetzungen abhängig
machen. Da das Geschlecht maßgeblich für die Zuweisung von Rechten und
Pflichten sein kann und von ihm familiäre Zuordnungen abhängig sind, ist es ein
berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers, dem Personenstand Dauerhaftigkeit und
Eindeutigkeit zu verleihen, ein Auseinanderfallen von biologischer und
rechtlicher Geschlechtszugehörigkeit möglichst zu vermeiden und einer Änderung
des Personenstands nur stattzugeben, wenn dafür tragfähige Gründe vorliegen und
ansonsten verfassungsrechtlich verbürgte Rechte unzureichend gewahrt würden.
Dabei kann er, um beliebige Personenstandswechsel auszuschließen, einen auf
objektivierte Kriterien gestützten Nachweis verlangen, dass die
selbstempfundene Geschlechtszugehörigkeit, die dem festgestellten Geschlecht
zuwiderläuft, tatsächlich von Dauer und ihre Anerkennung für den Betroffenen von
existentieller Bedeutung ist.
Dementsprechend setzt der Gesetzgeber für eine
personenstandsrechtliche Änderung des Geschlechts nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 TSG
unter Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 TSG zunächst voraus, dass eine Person, die sich
dem anderen als dem festgestellten Geschlecht zugehörig fühlt, durch zwei
Gutachten voneinander unabhängiger Sachverständiger, die über einschlägige
fachliche Kenntnisse und berufliche Erfahrungen auf dem Gebiet der
Transsexualität verfügen, nachweist, mindestens seit drei Jahren unter dem
Zwang zu stehen, den Vorstellungen über ihr Geschlecht entsprechend zu leben.
Des Weiteren muss mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass sich das
Zugehörigkeitsempfinden zum anderen Geschlecht nicht mehr ändern wird. Es ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die personenstandsrechtliche
Anerkennung an solche Voraussetzungen zu knüpfen.
Zwar kann der Gesetzgeber näher bestimmen, wie der Nachweis
der Stabilität und Irreversibilität des Empfindens und Lebens eines
Transsexuellen im anderen Geschlecht zu führen ist. Dabei kann er auch über die
Voraussetzungen des § 1 Abs.1 TSG hinaus seine Anforderungen, zum Beispiel an
die medizinische Begleitung des Transsexuellen, an sein Erscheinungsbild oder
an die Qualität der Begutachtung, spezifizieren. Der Gesetzgeber stellt aber an
den Nachweis der Dauerhaftigkeit des Empfindens und Lebens im anderen
Geschlecht zu hohe, dem Betroffenen unzumutbare und insofern mit Art. 2 Abs. 1
in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbare Anforderungen, wenn er in § 8
Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG zur personenstandsrechtlichen Anerkennung des
empfundenen Geschlechts von einem Transsexuellen unbedingt und ausnahmslos
verlangt, sich Operationen zu unterziehen, die seine Geschlechtsmerkmale
verändern und zur Zeugungsunfähigkeit führen68.
Um feststellen und nachweisen zu können, ob der
transsexuelle Wunsch wirklich stabil und irreversibel ist, bedarf es nach
heutigem medizinischen Kenntnisstand eines längeren
diagnostisch-therapeutischen Prozesses. Für ein Leben des Betroffenen im
anderen Geschlecht ist eine Angleichung seiner äußeren Erscheinung und
Anpassung seiner Verhaltensweise an sein empfundenes Geschlecht erforderlich.
Dies wird zunächst nur durch entsprechende Kleidung, Aufmachung und
Auftretensweise herbeigeführt, um im Alltag zu testen, ob ein dauerhafter
Wechsel der Geschlechterrolle psychisch überhaupt bewältigt werden kann.
Gelingt dies, unterzieht sich der Transsexuelle zumeist einer dauerhaften
hormonellen Behandlung, die körperliche Eigenschaften des Geburtsgeschlechts
wie Bartwuchs, Ejakulation oder Menstruation auszuschalten vermag, eine
optische Angleichung des Körpers an das empfundene Geschlecht bewirkt und
Unfruchtbarkeit mit sich bringen kann. Schließlich kann als weitestgehender
Behandlungsschritt ein operativer Eingriff in Betracht kommen, bei dem die
äußeren Geschlechtsmerkmale dem empfundenen Geschlecht des Transsexuellen
angepasst werden, wodurch auch seine Zeugungsunfähigkeit herbeigeführt wird.
Nicht selten hat eine solche Operation zur Folge, dass noch weitere
Korrekturoperationen erforderlich werden. Nach geschlechtsändernden Operationen
muss lebenslang eine Hormonbehandlung durchgeführt werden.
Eine Operation, mit der die Geschlechtsmerkmale eines
Menschen großteils entfernt beziehungsweise so umgeformt werden, dass sie im
Aussehen dem empfundenen Geschlecht möglichst weitgehend entsprechen, stellt
eine massive Beeinträchtigung der von Art. 2 Abs. 2 GG geschützten körperlichen
Unversehrtheit mit erheblichen gesundheitlichen Risiken und Nebenwirkungen für
den Betroffenen dar. Je nach Gesundheitszustand und Alter können diese Risiken
so groß sein, dass medizinischerseits von einer derartigen Operation abzuraten
ist. Zwar gehört es bei vielen Transsexuellen zur Therapie, ihnen ihren Leidensdruck
zu erleichtern, der aus dem Gefühl herrührt, körperlich im falschen Geschlecht
zu leben, und ihnen entsprechend ihrem Wunsch und Drang auch durch operative
Eingriffe zu ermöglichen, ihrem empfundenen Geschlecht näherzukommen und sich
diesem anzupassen. Es ist jedoch unzumutbar, von einem Transsexuellen zu
verlangen, dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise
dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen
Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die
Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu
stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht
zu erhalten.
Wie das Bundesverfassungsgericht schon in seiner Entscheidung
vom 6. Dezember 200569 festgestellt hat, kann angesichts des heutigen
wissenschaftlichen Erkenntnisstandes nicht mehr davon ausgegangen werden, dass
das Vorliegen ernsthaft und unumstößlich empfundener Transsexualität allein
daran festgestellt werden kann, dass der Betroffene mit allen Mitteln bestrebt
ist, seine Geschlechtsorgane und Geschlechtsmerkmale als Irrtum der Natur durch
operative Geschlechtsumwandlung zu korrigieren. Vielmehr ist die Fachwelt
inzwischen zu der Erkenntnis gelangt, dass geschlechtsumwandelnde Operationen
auch bei einer weitgehend sicheren Diagnose der Transsexualität nicht stets
indiziert sind. Ob eine Geschlechtsumwandlung medizinisch vertretbar und
anzuraten ist, muss nach medizinischer Diagnose bei jedem Betroffenen individuell
festgestellt werden70. Die Dauerhaftigkeit und Irreversibilität des empfundenen
Geschlechts eines Transsexuellen lässt sich nicht am Grad der Anpassung seiner
äußeren Geschlechtsmerkmale an das empfundene Geschlecht mittels operativer
Eingriffe messen, sondern ist daran festzustellen, wie konsequent der
Transsexuelle in seinem empfundenen Geschlecht lebt und sich in ihm angekommen
fühlt71. Durchgeführte geschlechtsumwandelnde Operationen sind deshalb zwar ein
deutliches Indiz für die Transsexualität einer Person. Werden sie aber zur
unbedingten Voraussetzung für die personenstandsrechtliche Anerkennung gemacht,
wird von einem Transsexuellen verlangt, sich körperlichen Eingriffen
auszusetzen und gesundheitliche Beeinträchtigungen hinzunehmen, auch wenn dies
in seinem Fall nicht indiziert und dazu für die Feststellung der
Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität nicht erforderlich ist. Damit setzt der
Gesetzgeber an den Nachweis des dauerhaften Vorliegens einer Transsexualität
eine übermäßige Anforderung, die den zu schützenden Grundrechten der
Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und aus Art. 2
Abs. 2 GG nicht hinreichend Rechnung trägt.
Im Übrigen verlangt der Gesetzgeber auch in anderen Fällen
keine Operationen, um eine weitgehende Übereinstimmung zwischen der rechtlichen
Geschlechtszugehörigkeit einer Person und ihren äußeren Geschlechtsmerkmalen
sicherzustellen. So eröffnet § 9 Abs. 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 TSG
Transsexuellen nach geschlechtsverändernden Operationen die Möglichkeit, die
personenstandsrechtliche Anerkennung ihres Wunschgeschlechts wieder rückgängig
zu machen und in ihr Geburtsgeschlecht zurückzukehren, ohne dass dafür erneute
geschlechtsanpassende Operationen zur Voraussetzung gemacht werden. Damit
akzeptiert der Gesetzgeber, dass nicht alle Angehörigen einer
Geschlechtszugehörigkeit hinsichtlich ihrer äußeren Geschlechtsmerkmale dem
Aussehen dieses Geschlechts vollständig entsprechen.
Auch mit der dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit hat der
Gesetzgeber in § 8 Abs. 1 Nr. 3 TSG eine unzumutbare Voraussetzung für die
personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts eines
Transsexuellen gesetzt, soweit für die Dauerhaftigkeit der
Fortpflanzungsunfähigkeit operative Eingriffe zur Voraussetzung gemacht werden.
Die Realisierung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG wird damit von der Preisgabe des Rechts auf
körperliche Unversehrtheit abhängig gemacht, ohne dass Gründe von hinreichendem
Gewicht vorliegen, die die hierdurch bei den betroffenen Transsexuellen
entstehenden Grundrechtsbeeinträchtigungen rechtfertigen könnten72.
Die Fortpflanzungsfähigkeit des Menschen steht unter dem
Schutz des Art. 2 Abs. 2 GG und ist Bestandteil des Rechts auf körperliche
Unversehrtheit73. Wird einem Transsexuellen auferlegt, sich zur Erlangung der
personenstandsrechtlichen Anerkennung im empfundenen Geschlecht operativen
Eingriffen zu unterziehen, die seine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit
herbeiführen, bringt ihn dies in die Zwangssituation, entweder dies abzulehnen,
damit aber auf seine rechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht
verzichten zu müssen, was ihn dazu zwingt, dauerhaft im Widerspruch zu seiner
rechtlichen Geschlechtszugehörigkeit zu leben, oder folgenreiche Operationen
hinzunehmen, die nicht nur körperliche Veränderungen und Funktionsverluste für
ihn mit sich bringen, sondern auch sein menschliches Selbstverständnis
berühren, um auf diesem einzig möglichen Weg zu seiner personenstandsrechtlichen
Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu gelangen. Welche Entscheidung der
Betroffene auch trifft, er wird stets in wesentlichen Grundrechten, die seine
psychische oder körperliche persönliche Integrität betreffen, beeinträchtigt.
Die für diese zwangsläufige und schwere
Grundrechtsbeeinträchtigung angeführten Gründe tragen nicht. Allerdings
verfolgt der Gesetzgeber ein berechtigtes Anliegen, wenn er mit der dauernden
Fortpflanzungsunfähigkeit als Voraussetzung für die personenstandsrechtliche
Anerkennung des empfundenen Geschlechts ausschließen will, dass rechtlich dem
männlichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder gebären oder rechtlich dem
weiblichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder zeugen, weil dies dem
Geschlechtsverständnis widerspräche und weitreichende Folgen für die
Rechtsordnung hätte74.
Es trifft zwar zu, dass solche Möglichkeiten eintreten
können, wenn bei der personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen
Geschlechts auf die Voraussetzung der dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit verzichtet
wird. Bei Frau-zu-Mann Transsexuellen wird dies jedoch nur in seltenen Fällen
vorkommen, weil sie ganz überwiegend heterosexuell orientiert sind75.
Demgegenüber ist bei Mann-zu-Frau Transsexuellen mit homosexueller
Orientierung, wenn die Zeugungsunfähigkeit nicht zur Voraussetzung für ihre
personenstandsrechtliche Anerkennung als Frau gemacht wird, nicht
auszuschließen, dass sie als dann rechtlich eingestufte Frauen Kinder zeugen.
Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass schon die hormonelle Behandlung, die zur
Therapie von Transsexuellen zumeist durchgeführt wird, eine mindestens
zeitweilige Zeugungsunfähigkeit bewirkt. Zudem ist angesichts des
Entwicklungsstandes der heutigen Fortpflanzungsmedizin selbst bei einem
Festhalten an dem Erfordernis der dauernden Fortpflanzungsunfähigkeit nicht
mehr auszuschließen, dass eine Mann-zu-Frau Transsexuelle, die sich
entsprechenden Operationen unterzogen hat und personenstandsrechtlich als Frau
ausgewiesen wird, später mit Hilfe ihres vor der Operation eingefrorenen
Spermas ein Kind zeugt, wie ein vor dem Oberlandesgericht Köln entschiedener
Fall zeigt76.
Solche Fälle des Auseinanderfallens von rechtlicher
Geschlechtszuordnung und Erzeuger- beziehungsweise Gebärendenrolle, die
angesichts der kleinen Gruppe transsexueller Menschen eher selten vorkommen
werden, berühren vornehmlich die Zuordnung der geborenen Kinder zu Vater und
Mutter. Es ist ein berechtigtes Anliegen, Kinder ihren biologischen Eltern auch
rechtlich so zuzuweisen, dass ihre Abstammung nicht im Widerspruch zu ihrer
biologischen Zeugung auf zwei rechtliche Mütter oder Väter zurückgeführt wird.
Wie § 11 TSG zeigt, ist eine solche klare, den biologischen Umständen
entsprechende rechtliche Zuordnung von Kindern zu einem Vater und einer Mutter
aber gesetzlich schon vorgesehen. Die Regelung bestimmt, dass das Verhältnis
eines nach § 8 TSG rechtlich anerkannten Transsexuellen zu seinen Abkömmlingen
unberührt bleibt, bei angenommenen Kindern jedoch nur, soweit diese vor
Rechtskraft der Entscheidung über die Anerkennung seines neuen Geschlechts als
Kind angenommen worden sind. Nach § 10 in Verbindung mit § 5 Abs. 3 TSG ist
deshalb im Geburtseintrag eines leiblichen oder eines vor seiner rechtlichen
Anerkennung angenommenen Kindes der Vorname des Transsexuellen einzutragen, der
vor seiner Namensänderung nach § 1 TSG rechtlich maßgebend war. Nach Ansicht
des Oberlandesgerichts Köln ist § 11 TSG in Verbindung mit §§ 10 und 5 Abs. 3
TSG dahingehend auszulegen, dass dies unabhängig davon gilt, ob das leibliche
Kind vor oder nach der rechtlichen Anerkennung seines Elternteils im
empfundenen Geschlecht geboren worden ist (vgl. OLG Köln, a.a.O., S. 46). Damit
ist sichergestellt, dass den betroffenen Kindern trotz der rechtlichen
Geschlechtsänderung eines Elternteils rechtlich immer ein Vater und eine Mutter
zugewiesen bleiben beziehungsweise werden. Wägt man insofern die Gründe, die
den Gesetzgeber bewogen haben, die dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit zur
Voraussetzung für die rechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht nach § 8
TSG zu machen, mit den schwerwiegenden Grundrechtsbeeinträchtigungen des
Transsexuellen ab, die er dadurch erfährt, dass er nur dann die rechtliche
Anerkennung in seinem empfundenen Geschlecht erhält, wenn er sich Operationen
unterzieht, die tief in seine körperliche Integrität eingreifen, selbst wenn
diese medizinisch nicht indiziert sind und bei Mann-zu-Frau Transsexuellen
zudem oft schon aufgrund von Hormonbehandlungen Zeugungsunfähigkeit besteht,
dann ist dem Recht des Transsexuellen auf sexuelle Selbstbestimmung unter
Wahrung seiner körperlichen Unversehrtheit größeres Gewicht beizumessen. Dies
gilt zumal, weil es rechtliche Möglichkeiten gibt sicherzustellen, dass Kinder,
deren einer Elternteil ein Transsexueller ist, dennoch rechtlich ihrem Vater
und ihrer Mutter zugewiesen werden. Damit erweist sich § 8 Abs. 1 TSG nicht nur
bezüglich seiner Nr. 4, sondern auch seiner Nr. 3 als verfassungswidrig.
DIE FOLGEN DER VERFASSUNGSWIDRIGKEIT
Die Verfassungswidrigkeit von § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG
führt nicht zur Nichtigkeit, sondern zur Unvereinbarkeit dieser Norm mit Art. 2
Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Denn der Gesetzgeber hat
die Möglichkeit, in § 8 Abs. 1 TSG für die personenstandsrechtliche Anerkennung
des empfundenen Geschlechts eines Transsexuellen spezifiziertere
Voraussetzungen zum Nachweis der Ernsthaftigkeit des Bedürfnisses, im anderen
Geschlecht zu leben, als in § 1 Abs. 1 TSG aufzustellen oder kann eine
Gesamtüberarbeitung des Transsexuellenrechts vornehmen, um einen
verfassungsgemäßen Rechtszustand herbeizuführen.
Angesichts der Schwere der Beeinträchtigung, die ein
Transsexueller dadurch erfährt, dass sein empfundenes Geschlecht
personenstandsrechtlich nicht anerkannt wird, wenn er die Voraussetzungen des §
8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG nicht erfüllt und deshalb ein Transsexueller eine
eingetragene Lebenspartnerschaft nicht eingehen kann, die seiner sexuellen
Orientierung entspricht, wird § 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG bis zum Inkrafttreten
einer Neuregelung für nicht anwendbar erklärt.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1
BvR 3295/07
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