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Transsexualität und Estradiol, Progesteron und Cyproteronacetat.
Durch Bescheid der
Ärztekammer Westfalen-Lippe vom 18. Mai 2009 erhielt Dr. med. Christian
Tschuschke die Genehmigung auf der Grundlage des § 27 der Berufsordnung als
Tätigkeitsschwerpunkt die Behandlung des Transsexualismus anzuzeigen. Dies ist
das Ergebnis einer langjährigen Tätigkeit auf diesem Gebiet, über die im
folgenden berichtet wird.
Die Behandlung
transsexueller Menschen nimmt eine besondere Stellung in der Praxis des
niedergelassenen Urologen ein. Standards oder Leitlinien zur Behandlung des
Transsexualismus gibt es nicht. Ich habe Transsexuelle immer als Patienten
erlebt, die außerordentlich gut informiert sind. Gleichzeitig haben sie eine
sehr hohe Motivation ihre Behandlung durchführen zu lassen. Ihr Ziel der
Identitätsänderung verfolgen sie mit viel Energie, die für den oft schwierigen
Verlauf auch nötig ist. In meiner Praxis behandle ich Transsexuelle seit 1993.
Zuvor habe ich an der Urologischen Klinik der Westfälischen
Wilhelms-Universität mit ihnen zusammengearbeitet.
1. Die
Behandlung in der Praxis des Urologen
Der
niedergelassene Urologe ist bei der Behandlung, oder besser Begleitung
transsexueller Menschen derjenige, der die physischen Veränderungen intensiv
betreut. Seine Untersuchungen müssen ergeben, dass der Transidente biologisch
gesund ist und keine genitalen Abweichungen, Fehlbildungen oder eine
Chromosomenanomalie vorliegt. Er führt die Hormonbehandlung durch und überwacht
Wirkung und Nebenwirkung der Therapie. Auch die Betreuung nach der
geschlechtsanpassenden Operation, wie Wund- und Funktionskontrollen erfolgen in
seiner Praxis. Vom ersten Kontakt an begleitet er die transsexuellen Patienten
während der gravierenden Veränderungen, die diese erleben. Einfühlungsvermögen
und Verständnis für die psychische Situation ist daher mindestens genau so
wichtig wie fundierte Kenntnisse von Endokrinologie und Pharmakologie. Ein
enger Kontakt mit den behandelnden Psychiatern und Psychologen ist wichtig.
2.
Hormontherapie
Die
Behandlung mit dem gegengeschlechtlichen Hormon kann nach Erstellung eines
psychiatrischen Gutachtens, wenn möglich unter Einbeziehung eines
Alltagstestes, erfolgen. Der Beginn der Behandlung wird von den Patienten immer
mit Sehnsucht erwartet, diese Hürde muss aber genommen werden. In der Medizin
ist eine Therapie stets von der Indikation abhängig, und diese wird in dem
Gutachten überprüft. Auch für die Übernahme der Behandlungskosten durch die
Krankenkasse ist das Gutachten unbedingt erforderlich. Der Urologe muss
ausführlich über Risiken und Nebenwirkungen aufklären, denn seine Behandlung
wird erhebliche, wenn auch erwünschte, körperliche und seelische Veränderungen
bewirken. Er hat sich durch seine Untersuchungen davon zu überzeugen, ob die
Hormonbehandlung überhaupt durchgeführt werden kann. In seltenen Fällen kann es
Kontraindikationen geben, wie eine erhöhte familiäre Thromboseneigung, oder
Lebererkrankungen, die eine Therapie unmöglich machen oder eine Modifikation
erfordern.
Für beide
Formen des Transsexualismus ist das Prinzip der Behandlung gleich. Es wird das
gegengeschlechtliche Hormon verabreicht, um die Wirkung der körpereigenen
Hormone aufzuheben und die gewünschten Wirkungen zu erzielen. Sämtliche
verwendeten Medikamente werden auch im Rahmen anderer Erkrankungen oder
Behandlungen (Empfängnisverhütung) eingesetzt. Für die Hormonbehandlung
transsexueller Menschen sind oft allerdings sehr hohe Dosen erforderlich, die
wiederum erhöhte Nebenwirkungen mit sich bringen. Zum Teil sind diese auch
ausdrücklich gewünscht, zum Beispiel das Größenwachstum der Brustdrüse bei der
Gabe weiblicher Hormone.
Hormonspiegel
im Blut lassen sich sehr gut messen. Normbereiche für Männer und Frauen in
verschiedenen Lebensaltern stehen in jedem Lehrbuch für Frauenheilkunde und
Urologie. Im Prinzip versucht der Behandler diese Werte des gewünschten
Geschlechtes einzustellen. In der Praxis zeigt sich oft, dass diese
Parameter-orientierte Behandlung die Bedürfnisse des Patienten nicht erfüllt.
Häufig lassen sich körperliche Veränderungen und ein gesundes seelisches
Empfinden mit geringeren Dosen an Medikamenten erreichen, auch wenn die
„Ziel-Parameter“ nicht erreicht sind. In wenigen Fällen muss die Dosierung
erhöht werden, da erst supra-normale Hormonwerte beim Patienten die gewünschten
Wirkungen erzielen. Neben der Laborkontrolle ist also das Gespräch über das
Befinden des Patienten wichtig. Hierbei muss die gesamte Situation des transsexuellen
Menschen berücksichtigt werden. Was er oder sie während der ersten Jahre der
Identitätsveränderung an psychischen Turbulenzen erlebt, kann nicht allein
durch die Gabe von Hormonen aufgefangen werden. Schwere Depressionen sind oft
nicht nur Folge einer ausbleibenden Wirkung der Medikamente oder eine
Nebenwirkung, sonder durch die schwierige Lebenssituation bedingt. Der Kontakt
zu den behandelnden Psychiatern und Psychologen ist also kontinuierlich
erforderlich.
2.1.
Mann-zu-Frau Transsexualismus
Die
weiblichen Hormone, die zugeführt werden müssen, können als Depot-Spritze, als
Tablette oder Hautpflaster verabreicht werden. Pflaster und Tabletten haben
sich als Standard-Behandlung wegen der auftretenden Nebenwirkungen nicht
durchsetzen können. Die besten Ergebnisse werden mit der intramuskulären
Injektion von Ethinylestradiol, 100 mg alle 2 Wochen intramuskulär verabreicht,
erzielt. Der Hersteller hat die Produktion leider eingestellt. Alternativ
stehen Estradiol oder Ethinylestradiol als Tabletten und als Hautpflaster zur
Verfügung.
Zweite
wichtige Therapie besteht in der Gabe des Antiandrogens mit zusätzlicher
Gelbkörperhormonkomponente Cyproteronacetat. Der vornehmlich gewünschte Effekt
des Cyproteronacetats, Rückgang des Bartwuchses, ersetzt allerdings nur selten
eine Epilationsbehandlung. Viele Transidente nehmen Cyproteronacetat nur in der
zweiten Zyklushälfte. Nach der geschlechtsangleichenden Operation kann auf
Cyproteronacetat häufig verzichtet werden. Andere Antiandrogene, haben sich praeoperativ
nicht durchgesetzt.
2.1.1.
Probleme der Hormonbehandlung
Hormonspezifische
Probleme, d.h. durch das Medikament verursachte unerwünschte Nebenwirkungen,
sind eher selten. Thrombosen treten selten auf, die Thrombosegefährdung zum
Beispiel bei operativen Eingriffen ist aber erhöht. Viel häufiger beklagen die
TransFrauen eine zu geringe Wirkung der erwünschten (Neben)Wirkungen. Ihre
Hoffnungen auf einen völligen Stillstand des Bartwuchses oder eine große Brust
erfüllen sich nur selten durch die Gabe der Hormone allein zur völligen
Zufriedenheit.
2.2.
Frau-zu-Mann Transsexualismus
Die
Hormon-Therapie der Wahl bei Frau-zu-Mann Transidenten besteht in der
14-tägigen intramuskulären Injektion von Testosteronenantat . Höhere
Dosierungen erbringen keine weiteren positiven Effekte. Die biologische
Verfügbarkeit des Testosterons ist durch Einnahme in Tablettenform schwerer zu
erzielen, da der Wirkstoff, um einem Abbau in der Leber vorzubeugen, chemisch
verändert werden muss. Sehr gute Bioverfügbarkeit bieten auch Hautpflaster, die
alle 24 Stunden erneuert werden müssen. Mit ihnen lässt sich auch ein
physiologischer Tagesrhythmus erzielen, der mit der intramuskulären Gabe nicht
erreicht wird. Die Hautpflaster haben sich aber als Standard-Behandlung nicht
durchsetzen können. Das Handling ist kompliziert. Es treten relativ häufig
Pflasterallergien auf.
2.2.1.
Probleme der Hormonbehandlung
Transidente
Männer sind eher mit der Hormonbehandlung zufrieden. Durch das Absinken des
Oestrogens kommt es u.a. zu Veränderungen der Schleimhäute in Vagina und
Harnblase. Die Blase wird anfälliger für Entzündungen. Nach der
geschlechtsanpassenden Operation verringert sich das Risiko der
Blasenentzündung durch die Verlängerung der Harnröhre.
3. Die genitaltransformierende
Operation
Auf die
Details der Eingriffe wird an anderer Stelle ausführlich eingegangen. Die
Operationen und die unmittelbare postoperative Betreuung sind einigen wenigen
hochspezialisierten Zentren vorbehalten. peri- und postoperative kosmetische
und funktionale Korrekturen werden in den Zentren selbst vorgenommen. In der
urologischen Praxis spielen die langfristigen Nachsorgeuntersuchungen eine
Rolle.
3.1.
Mann-zu-Frau-Transsexualismus
Wichtig sind
regelmäßige Bougierungen der Neovagina, um eine Schrumpfung zu vermeiden. Diese
Behandlung wird von den Patientinnen selbst vorgenommen. Kontrolluntersuchungen
sind bei Beschwerden erforderlich. Die Funktion der verkürzten Harnröhre sollte
durch Harnflussmessungen überwacht werden. Verengungen sind Folge einer
Narbenbildung oder Schrumpfung im Bereich der neuen Harnröhrenöffnung.
Unerkannt können sie zu Fehlfunktionen der Harnblase führen.
3.2.
Frau-zu-Mann Transsexualismus
Auch hier
werden in der urologischen Praxis nur die langfristigen Nachsorgeuntersuchungen
am Penoid vorgenommen. Die schwierige Bildung der Neoharnröhre im Penoid
bedingt die meisten der auftretenden Probleme. Fistelbildungen werden
naturgemäß vom Patienten selbst erkannt. Narbige Verengungen fallen durch eine
Abnahme des Harnstrahls oder bei Harnflussmessungen auf. Die häufigsten
geäußerten Klagen von TransMännern beziehen sich auf das kosmetische Ergebnis.
Estradiol,
Progesteron und Cyproteronacetat.
Bei der Feminisierung von Dis-Frauen oder transsexuellen
Frauen kommen in der Regel die folgenden Hormone zum Einsatz:
Estradiol, Progesteron und Cyproteronacetat.
Wir nennen derzeit, zwecks Verdeutlichung der Wirkung,
vorbehaltlich neuerer Erkenntnisse und daher bis auf Widerruf, Estradiol das
Aufbau-Hormon und Progesteron das Rückbildungs-Hormon.
Estradiol ist hauptsächlich für die Ausbildung sekundärer
weiblicher Geschlechtsmerkmale im Rahmen der Genexpression, damit überwiegend
dem Aufbau von Fettspeichern in den Bereichen weibliche Brust, Gesäß,
Oberschenkel, Hüften und im Falle einer Dominanz, leider auch des gesamten
restlichen Körpers verantwortlich.
Progesteron ist hochwirksam in den folgenden Bereichen:
● Es hilft bei der Straffung der Haut und anderen
Bindegewebes.
● Es glättet die Haut in den Feinstrukturen.
● Es reduziert den Aufbau von Fettzellen, weil es einen
Antagonisten zu Insulin darstellt.
● Es hat Einfluss auf den Wasserhaushalt in Knorpel- und
Knochengewebe und hilft, diese teilweise zu verkleinern.
● Es unterstützt den Abbau des Fettgewebes im Bauchraum
(männliche Fettverteilung).
● In der Brust ist es dem Aufbau von Drüsengewebe
förderlich.
● Es hilft drastisch, Hornhaut und andere Verhärtungen
abzubauen, gelenkiger zu werden und damit eine bessere Figur und Haltung zu
bekommen
● Im Allgemeinen wirkt es stimmungsaufhellend.
Es wirkt auf 3 Arten antiandrogen:
● Zum einen hemmt Progesteron ein Enzym namens
5-Alpha-Reduktase, welches für die Umwandlung von Testosteron in
Dihydrotestosteron (DHT) verantwortlich ist, dem eigentlich virilisierenden
Androgen.
● Andererseits verhindert seine bloße Existenz die
Freisetzung des im Hypophysenvorderlappen (HVL) gebildeten luteinisierenden
Hormons (LH), was im Falle von Testes (männlichen Gonaden, Hoden) die Bildung
von Testosteron abregelt.
● Weniger entscheidend dürfte die antagonistische Wirkung
auf die Androgenrezeptoren sein.
Cyproteronacetat, der Wirkstoff im Präparat Androcur ist ein
antiandrogener Stoff mit einer gestagenen Komponente.
Genaueres und Ausführliches über dessen Wirkungsweise und
Nebenwirkungen werden in einer späteren Version folgen.
Wir empfehlen, CPA grundsätzlich zu vermeiden und nur in
absoluten Ausnahmefällen und in kleiner Dosierung zusätzlich zur Progesteron /
Estradiol-Kombination zu verabreichen.
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