Samstag, 15. Dezember 2012

Ausblick in die Vielgeschlechtlichkeit jenseits fester Identitäten


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Bearbeitet und Geschrieben von Nikita Noemi Rothenbächer 2012

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Ausblick in die Vielgeschlechtlichkeit jenseits fester Identitäten

Wir fragen,  ob  mit  der  Dekonstruktion  der  'Natur  der  Zweigeschlechtlichkeit'  die
Entmaterialisierung  von  Körpern  einhergehen  muss?  Wir verneint  dies: „Die  psychischen  und
physischen Narben, die Schmerzen der operierten Körper von Intersexuellen sind so real, dass es
als  Hohn  erscheint,  bereits  ihre  'ursprünglichen'  Körper  für  konstruierte  zu  halten.“

Intersexualität als Negation der Zweigeschlechtlichkeit bedeutet nicht, mit Geschlechtern in Form
einer  Maskerade  oder  Travestie  lediglich  zu  spielen,  es  erfordert  eine  grundsätzlichere
Veränderung  des  polaren  Denkens  bezüglich  einer  pluralen  Geschlechterdifferenz  jenseits  der Kategorien `Frau´ und `Mann´. Heldmann fordert nicht einen „selbstmitleidigen Blick“ auf das
„schwache Geschlecht“, wie es die feministische Bewegung lange Zeit propagiert hat, sondern auf
die gewaltsame Eliminierung sog. zwischengeschlechtlicher Menschen.

Wir  befinden  uns  hier  in  einer  argumentativen  Zwickmühle:  einerseits  muss  von
Zweigeschlechtlichkeit als Konstruktion und von konstruierten Körpern ausgegangen werden, die
dieses Modell bedienen, andererseits muss auf der 'Substanz' von Körpern bestanden werden, um
Intersexuellen nicht erneut den Ort ihrer Präsenz zu nehmen.

Heldmann plädiert von daher für die Beibehaltung der Kategorien gender und sex.

Die  vielfältigen  Formen  der  Intersexualität  und  die  Schwierigkeit  der  Medizin,  diese  zu
kategorisieren,  machen  deutlich,  dass  die  körperlichen Merkmale  intersexueller  Körper  nicht
lediglich  als  eine  Mischung  der  definierten  weiblichen  und  männlichen  Körpermerkmale
anzusehen sind,  sondern  jeder  Körper  für sich  eine  eigene  körperliche  Geschlechtskategorie
darstellt.
Dadurch wird der Begriff der Intersexualität obsolet.

In diesem Sinne plädiert Heldmann für andere Begrifflichkeiten. Sie schlägt 'Vielgeschlechtlichkeit' vor; 'Frau' und 'Mann' definierten dann lediglich zwei Möglichkeiten der Geschlechterformen unter vielen.

Was theoretisch so einfach formuliert wird, gestaltet sich in der Praxis als nicht unbedingt einfach.
Das Wissen um den Körper, das u. a. durch die Biologie und Medizin geprägt ist, erlaubt es nicht,
Leibeserfahrungen und -wahrnehmungen unpolar  zu  erleben.
Die Menschen in unserer Kultur können  nur  anhand  binär  gestalteter  Körperdifferenz  die  Geschlechter  'Frau'  und  'Mann' wahrnehmen.
In Begegnungen mit Intersexuellen fällt auf, wie dominant dieses binär gestaltete Körperwissen ist.
 So werden oft in der unmittelbaren Konfrontation mit einem intersexuellen 'Leib' an seinem/ihrem 'Körper' Merkmale gesucht, die sich nur an der Kategorien 'Frau' und 'Mann' zu orientieren  scheinen.
 Durch  eigenes  Körperwissen  wird  versucht,  den  Leib  in  binäre Geschlechtermerkmale  zu  strukturieren.

Da  dies  unmöglich  gelingen  kann,  tritt  zunächst Verwirrung  auf. Erst wenn  eigenes Körperwissen  vergessen wird, besteht die Möglichkeit, dem Menschen gegenüber gerecht  zu werden.
Geht es aber andererseits nicht genau darum, dieses Wissen gerade nicht zu vergessen? Geht es nicht vielmehr darum, sich des eigenen Verhaftet-Seins in der binären Ordnung bewusst zu werden?

Erst mit einem Bewusstsein für diese Kategorien ist es möglich,  mehr  als  nur  den  in  der  Kategorie  verhafteten  Menschen  zu  sehen.  Durch  diesen erweiterten Blick kann es gelingen, geschlechtliche Körper in mehr als zwei Varianten zu erfassen.
Durch  die  Konfrontation  mit  Intersexuellen  ergibt  sich  aber  die  viel  grundsätzlichere Herausforderung, identitätskonstituierende Prozesse immer wieder zu hinterfragen, um vielleicht irgendwann  Identität  unabhängig  von  Geschlecht  denken  zu  können.

Eine  Differenz  der Geschlechter jenseits der Zweigeschlechtlichkeit sehen zu können, bedeutet, sich ein völlig neues Wahrnehmen,  Denken  und  Wissen  anzueignen,  das  die  Menschen  in  ihren  vielfältigen Geschlechtern belassen kann.

Resumee

Der  Blick  in  die  Geschichte  zeigte  uns,  dass  der  Wechsel  des  Geschlechts  erst seit  dem  19.Jahrhundert verboten ist, nachdem sich der biologisch-medizinische Apparat installiert hat. Dabeikristallisierte sich für uns die Erkenntnis heraus, dass gesellschaftliche Diskurse gewalttätig zum Offenbarungseid  zwingen können, ohne dass  eine  aktive Person,  ein  Täter  verantwortlich sein muss.

Zur  Frage,  weshalb  Intersexuelle  operiert  werden,  haben  wir  diverse  medizinische  Texte durchgearbeitet.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Sexualmedizin Intersexualität als schwerwiegende  Störung sieht.  Zweigeschlechtlichkeit  und Heterosexualität wird  von  den Mediziner-Innen für normal gehalten.

Die Mediziner-Innen behaupten, eine geschlechtsspezifische Erziehung sei nur möglich, wenn körperlich-morphologisches und nach der Geburt zugewiesenes bürgerliches  Geschlecht  übereinstimmen.

Wenn  dies  nicht  der  Fall  ist, sei  eine  psychosozial normale Entwicklung des Kindes nicht gewährleistet. Es hätte dann keine erfüllende Sexualität.
Auch wenn dieses gegen die Menschen-Rechte verstößt, vorallem in Deutschland in welchem die Würde des Menschen unantastbar proglamiert wird!

Oberstes  Ziel  ist  dabei  die  Kohabitationsfähigkeit:  Es  muss  eine  Koitusfähigkeit  des Geschlechtsorgans hergestellt werden.
Menschen mit  einem  dritten  oder neutralen Geschlecht würden diskriminiert werden. Deshalb ist oberstes Ziel, ein eindeutiges Geschlecht zu erzeugen.

Entscheidend sei die Leid vorbeugende, bald nach der Geburt vorgenommene Korrektur.
Jedoch der Säugling hat somit das Recht auf Würde verloren, denn Er kann nicht mit Reden!

Hierbei sei es zweitrangig, ob eine Vermännlichung oder Verweiblichung vorgenommen wird.

Um auch das sozial gelebte Geschlecht auf den korrigierten operierten Körper zu eichen, wird im Anschluss eine Psychotherapie empfohlen. Der biologische sex wird also entsprechend dem herrschenden gender Modell geformt, das soziale Geschlecht erschafft das biologische.
Es zeigt sich, dass es bei den geschlechtlichen Normierungen keineswegs um die Interessen der Betroffenen, sondern um die Absicherung dichotomer Geschlechterverhältnisse geht.

Intersexualität wird mittels der binären Geschlechternorm zugleich hervorgebracht wie verboten.
Im  krassen  Gegensatz  zu  den  ärztlichen  Konzepten  stehen  die  Erfahrungen  der  operierten Menschen
.
Sie sehen die Operationen nicht als Wohltat zur Verhinderung von Leid, sondern als Folter.

Ihr Körper wird mit Gewalt gezwungen, ein anderer zu sein, sie werden mit Gewalt in ein kulturelles Raster gepresst, in das sie nicht hineinpassen. Hinzu kommt die sexualisierte Gewalt durch die behandelnden Ärzte, etwa bei der Bougierung (`Dehnung´) der Scheide.

Da die medizinische Selbstlegitimation mit diesen Ausführungen also hinfällig ist, muss es einen anderen Grund dafür geben, das Intersexuelle zwangsoperiert werden.

Wir sind zu dem Schluss gekommen,  dass Intersexuelle für  die  herrschenden Geschlechterverhältnisse  eine Bedrohung darstellen.
Sie offenbaren die zwangsheterosexuelle Zweigeschlechtlichkeit nur zu offensichtlich als  kulturelles  Artefakt.
Sie stürzen  das  System  in  eine Identitätskrise.
Demnach schützt  der ärztliche Präventionsgedanke also 'die Gesellschaft' vor Intersexuellen, nicht etwa Intersexuelle vor 'der Gesellschaft'.
Individuell kann nicht gelöst werden, was nur gesellschaftlich geht.
Von sexueller Gewalt wird in westlichen Ländern nur gesprochen, wenn es um außereuropäische Kulturen, etwa die Genitalverstümmelung in Afrika geht. Damit wird in rassistischer Weise davon abgelenkt,  dass  auch  im  aufgeklärten Westen  Folter  und  Verstümmelung  durch  die  moderne Medizin  an  der  Tagesordnung  ist.
Diese  Fakten  passen  aber  nicht  zum  kolonialen, paternalistischen Blick, den auch manche Feministin auf die „armen Frauen“ in Afrika fallen lässt.
Diskursive Ein- und Ausschlussregeln fielen uns auch bei der gesamten Rezeption medizinischer Literatur  auf:
Medizinische  Diskurse  können  es  sich  leisten,  völlig  ohne  Bezugnahme  auf feministische  Diskurse  zu  existieren,  die  die  Geschlechterkonstruktion  kritisch  hinterfragen.
Naturwissenschaftliche Diskurse weisen allerdings unterschiedliche Durchlässigkeiten auf. In der Biologie ist es beispielsweise üblicher, Kritik aus der eigenen Disziplin heraus zu leisten (siehe etwa Donna Haraway  etc.)  als  im Bereich  der Medizin, wo  die AutorInnen mancher wichtiger Standardwerke  noch  nie  etwas  von  feministischer  Naturwissenschaftskritik  gehört  zu  haben scheinen und ihre Theorieproduktion seit Jahrzehnten unfassbar hermetisch ist.
Als Ausblick steht für uns fest, dass eine grundsätzlichere Veränderung des polaren Denkens in Richtung einer pluralen Geschlechterdifferenz, einer Vielgeschlechtlichkeit jenseits der Kategorien 'Frau' und 'Mann' dringend notwendig ist.
Zum  Schluss möchten wir noch  auf  die Gefahr hinweisen,  dass Operationen  an Intersexuellen aufgrund  der  zunehmenden  öffentlichen  Kritik  bald  durch  unauffälligere  vorgeburtliche Elimination  abgelöst  werden  könnten.
Zur  Frage,  ob  Intersexuelle  bereits  heute  durch  ein systematisches  pränatales  Screening ausgefiltert  werden,  haben  wir  keine  genauen  Angaben gefunden.  Es  ist  aber  zumindest  klar,  dass  Föten  mit  bestimmten,  der  Intersexualität zugerechneten  Syndromen,  nach  §218a  bis  zum  neunten Monat  abgetrieben werden  können, „wenn  schwerwiegende  Beeinträchtigungen  des  körperlichen  oder  seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren zu erwarten sind - mit anderen Worten, wenn das künftige Kind  als nicht  zumutbar  gilt.“

Michel Reiter schreibt, über Pränataldiagnostik und In-VitroFertilisation werde man „vermutlich schrittweise eine vollständige Elimination anstreben“

Soviel so weit, wir können nur darauf Aufmerksam machen, das hier nicht nur Verstöße vorliegen oder Menschen-Rechts Verletzungen, sondern hier spricht man sogar von legalem Mord, nur um diese Zweigeschlechtlichkeit aufrecht zu erhalten!

Verbleibe Nikita Noemi

Wenn ich gefragt werde, ob mir http://trans-weib.blogspot.de/ 10 Euro wert ist, dann sage ich: Ja, klar!

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