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Rothenbächer 2012
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Geschlechtsumwandlung
für Kinder
Medizin ohne
Menschlichkeit
Ein
amerikanischer Arzt glaubt, dass schon Neunjährige die Entscheidung zu einer
Geschlechtsumwandlung treffen können. Er will Kinder bereits in diesem Alter
behandeln - mit Pubertätsblockern und Hormonpräparaten.
Norman Spack
ist in den Vereinigten Staaten ein angesehener Mann. Als das „Beth Israel
Deaconess Medical Center“ am 9. Juni seine Preise für besondere Leistungen im
Bereich „Lesbian, Gay, Bisexual and Transgendered“ verlieh - einer ging an ein
Projekt, das sich der Prävention von häuslicher Gewalt gegen homosexuelle
Männer widmet -, da hielt Dr. Spack den Festvortrag. Tätig ist der
Endokrinologe am Bostoner Kinderkrankenhaus. Und dort sollen, wenn es nach Dr.
Spack geht, die kommenden Kinderstars der Gender-Revolution gezüchtet werden.
Er hat dafür eine eigene Abteilung eingerichtet, die „Gender Management Service
Clinic“.
Es gibt
Menschen, die sich in ihrem biologischen Geschlecht dauerhaft oder zeitweise
nicht zu Hause fühlen. Die Möglichkeiten, das Begehren auszuleben, reichen vom
einfachen Kleiderwechsel bis zum komplizierten chirurgischen Eingriff. Davon zu
unterscheiden ist das spielerische Experiment in der Pubertät oder kurz davor:
Jungen staksen gern einmal in den hochhackigen Schuhen von Mama, wenn sie sich
unbeobachtet glauben, und es gibt Mädchen, die ebenso gern mit maskulinen Rollen
spielen. Das Problem beginnt da, wo solche Spiele schon als Indikatoren einer
definitiven, fixierten Identität als „transgendered“ ausgelegt werden - wenn
das Rollenexperiment als Entscheidung gilt und plötzlich unwiderruflich wird.
Pubertäts-Blocker
und Hormonpräparate
Der
allgemeinen Tendenz der westlichen Kulturindustrie zur Vorverlegung des
Sexuellen in ein früheres Lebensalter fügt Norman Spack an seiner Bostoner
Klinik eine besondere Note hinzu. Er glaubt ernsthaft, dass schon Kinder im
Alter von zehn Jahren überhaupt so etwas empfinden können wie ein dauerhaftes
Missbehagen am biologischen Geschlecht, und vor allem: dass sie ein genügend
ausgebildetes Urteil haben, um sich in seine Behandlung zu fügen. Stolz erklärt
er, unter seinen Patienten auch schon Neunjährige gehabt zu haben.
Die erste
Stufe: Pubertäts-Blocker, die die Geschlechtsentwicklung verhindern, will
Norman Spack ab dem zehnten Lebensjahr verabreichen. „Dann wirken sie am
besten“, sagte er kürzlich dem „Boston Globe“. Die Einnahme selbst sei eine Art
Prüfverfahren: Habe etwa ein Mädchen bei den ersten Anzeichen eines Wachstums
der Brust mit Selbstverletzungstendenzen zu kämpfen, dann sei das Kind
höchstwahrscheinlich „transgendered“. Wenn diese innere Nötigung, sich Schnitte
zuzufügen, dann nach Einnahme der Drogen abklinge, sei die Diagnose bestätigt.
Sein einziges Anliegen, so Spack, sei es, selbstmordgefährdeten Kindern zu
helfen. Er sieht sich als Philanthropen.
Eine zweite
medikamentöse Stufe der Geschlechtsveränderung ist die Verabreichung von
Hormonpräparaten an Kinder, Östrogen, das weibliche Hormon, an Knaben;
Testosteron, das männliche, an Mädchen. Spack will die niederländische Praxis,
mindestens bis zum Alter von sechzehn Jahren mit solchen schwerwiegenden
Eingriffen in die körperliche Entwicklung zu warten, nicht hinnehmen. Er hofft
auf „flexiblere Richtlinien“, ohne sich im Gespräch mit dem „Boston Globe“
schon auf eine Altersgrenze festzulegen. Nur so viel will er mitteilen, dass es
für manche mit sechzehn schon zu spät sein kann. „Wir würden Chancen ungenutzt
verstreichen lassen.“
Eine
Klagewelle in zehn Jahren?
Auf
Nachfrage gestand aber auch Spack ein gewisses „ethisches Problem“ der
Behandlung zu. Kinder, die seiner Heilkunst ausgesetzt sind, erwartet das
sichere Schicksal späterer Zeugungsunfähigkeit oder Unfruchtbarkeit. Man müsse
die Kinder darüber aufklären. Aber: „Wenn Sie mit einem zwölfjährigen Kind
darüber sprechen, liegt auf einem solchen Gespräch eine schwere Verantwortung.
Denkt ein Kind in diesem Alter denn schon an Unfruchtbarkeit?“ Gleich beruhigt
er wieder: Setze die Behandlung nicht frühzeitig ein, dann hätten die
Betroffenen zeitlebens Anpassungsschwierigkeiten. „Und meine Patienten erinnern
mich immer wieder daran, dass ihre Identität für sie das Wichtigste ist.“
Nun ist das
Problem tatsächlich eines der medizinischen Ethik, aber auch eine Rechtsfrage.
In den Vereinigten Staaten, einem sehr prozessfreudigen Land, kann man erwarten,
dass in spätestens zehn Jahren eine Klagewelle auf das Bostoner
Kinderkrankenhaus zukommt, wenn die dann erwachsen gewordenen Menschen einmal
verstanden haben, was ihnen angetan wurde. Bis dahin aber muss man befürchten,
dass die szientistische Neigung der Gegenwart, der Wissenschaftsglaube, noch
manche beunruhigten Eltern nach Boston ziehen wird, weil man ihnen dort
verspricht, die Schwierigkeiten der Kinder nach modernsten Einsichten zu lösen.
Denn die
Medikamentisierung seelischer Entwicklungsprobleme, die Technokratisierung der
Kinderheilkunde sind ja in den Vereinigten Staaten in viel höherem Maß
akzeptiert, Diagnosen von Hyperaktivität oder „Allgemeiner
Aufmerksamkeitsstörung“ werden dort häufiger gestellt als in Europa - und das
Mittel Ritalin wird entsprechend häufig an Knaben verabreicht.
Norman Spack
gilt seit langem als einer der namhaftesten Aktivisten der
„Transgendered“-Lobby. Schon vor zwei Jahrzehnten begann er seine Tätigkeit in
Selbsthilfegruppen und will dabei bemerkt haben, dass es den Betroffenen im
Leben besser ergangen wäre, wenn schon damals eine frühzeitige Behandlung
gegriffen hätte.
Das tiefere
Problem: der wissenschaftliche Anstrich des Projekts
Nun mag der
Westen über das Jungfräulichkeitsideal anderer Kulturen lächeln und sich den
muslimischen Männern haushoch überlegen fühlen. Dabei vergisst er aber, dass er
selbst um einen Schutz der Unschuld nicht herumkommt. Pädophilie gilt zu Recht
als eine der schlimmsten Verletzungen menschlicher Würde. Die Pläne von Dr.
Spack sind aber etwas ganz Ähnliches: eine definitive, unwiderrufliche
Sexualisierung von Kindern noch vor der Pubertät.
Das tiefere
Problem ist der wissenschaftliche Anstrich des Projekts, wenn man einmal annimmt,
dass moderne, ihren sittlichen Traditionen oft entfremdete Menschen dazu
neigen, das moralische Urteil an ein vermeintliches Expertenwissen zu
überweisen. Das ist eine Schattenseite des amerikanischen Pragmatismus.
Es kommt
hinzu, dass die Minderheitenfreundlichkeit, in den modernen Gesellschaften fast
die oberste Norm, sich mit der Kinder-Sexualisierung, die vor allem über das
Medium von Musikvideos verbreitet wird, zu einem kaum mehr kritisierbaren
Amalgam verbindet. Vor zwei Jahren hörte man aus den Vereinigten Staaten von
einem Fünfjährigen, dessen Eltern mit Unterstützung von Therapeuten
durchsetzten, dass er den Kindergarten in Mädchenkleidung besuchen darf. Aber
das erscheint harmlos gegenüber den Bostoner Plänen. Was Dr. Spack vorhat,
erinnert an ein Schreckbild der Kinderzeit. Man grimassierte, und die Eltern
sagten: Wenn du das um Mitternacht tust, bleibt dein Gesicht für immer so.
Ärztlicher Größenwahn diente in der Vergangenheit meist der biopolitischen
Repression, heute fördert er die Extremisten der Emanzipation.
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