Dienstag, 22. Januar 2013

Das Transsexuellen-Urteil und die Homo-Ehe



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Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2013

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Das Transsexuellen-Urteil und die Homo-Ehe

“Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes macht wieder einmal deutlich, wie unsinnig und lebensfremd die rechtliche Hierarchisierung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft ist“

Denn die Lebenspartnerschaft für Lesben und Schwule ist nach wie vor weit davon entfernt, eine der Ehe gleichberechtigte Institution zu sein: Zwar stimmen die Pflichten mittlerweile vollständig überein, bei den Rechten hingegen gibt es noch einiges zu tun: Benachteiligungen im Steuerrecht haben dramatische Schlechterstellungen zur Folge und die Einschränkungen beim Adoptionsrecht wären nur als lächerlich zu bezeichnen, würden sie nicht zu Nachteilen für die Kinder führen.

Ehen werden zwischen Mann und Frau geschlossen – das schien bis vor wenigen Wochen fast ein deutsches Naturgesetz zu sein. Und dann kam ausgerechnet das Bundesverfassungsgericht mit einem „aber“.

Was war eigentlich los?

Ein 1929 geborener Mann, seit 56 Jahren verheiratet und Vater von drei Kindern, fühlte sich als Frau – so sehr, dass er einen weiblichen Vornamen annahm, eine operative Geschlechtsumwandlung vornehmen ließ und nun die weibliche Geschlechtszugehörigkeit auch offiziell feststellen lassen wollte.

Das deutsche Transsexuellengesetz lässt das aber nicht zu. Eine der Voraussetzungen wäre, dass die betreffende Person nicht verheiratet ist, denn nach dem Grundgesetz ist eine Ehe nur zwischen Mann und Frau möglich – nicht aber zwischen zwei Frauen. (§ 8 Abs. 1 Transsexuellengesetz)

Allerdings wollte das Ehepaar sich nicht scheiden lassen. Ihre Ehe ist intakt und soll bestehen bleiben.

“Es ist eine Beleidigung unserer Gefühle, wenn unsere kostbare Lebensgemeinschaft juristisch wie eine zerrüttete Ehe behandelt werden soll”, argumentierten sie.

(zitiert nach: taz vom 24.7.2008)

Was also gegeneinander stand, war der grundgesetzliche gesicherte Schutz von Ehe und Familie (Artikel 6 Abs. 1) auf der einen Seite und der Anspruch auf Anerkennung der neuen Geschlechtszugehörigkeit nach dem Transsexuellengesetz auf der anderen.

In dieser Gemengelage kam der Fall bis vor das Bundesverfassungsgericht.

Es fällte ein überraschendes Urteil:

„Es ist einem verheirateten Transsexuellen nicht zumutbar, dass seine rechtliche Anerkennung im neuen Geschlecht voraussetzt, dass er sich von seinem Ehegatten, mit dem er rechtlich verbunden ist und zusammenbleiben will, scheiden lässt, ohne dass ihm ermöglicht wird, seine ehelich begründete Lebensgemeinschaft in anderer, aber gleich gesicherter Form fortzusetzen.“

Quelle: Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 77/2008 vom 23.7.2008

Das Transsexuellengesetz ist also verfassungswidrig. Bis spätestens zum 1. August 2009 muss eine verfassungsgemäße Lösung gefunden werden und bis dahin darf die Vorschrift der Ehelosigkeit für Transsexuelle nicht angewendet werden.

Das dürfte Bundestag und Bundesrat überhaupt nicht gefallen. In der Tat haben sie nun mehrere Möglichkeiten:
Die Ehe kann geöffnet werden, so dass sie künftig nicht nur Heterosexuelle offen steht, sondern auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

Das Lebenspartnerschaftsgesetz kann der Ehe vollständig angeglichen werden, so dass es eine „gleich gesicherte Form“ darstellt.

Es kann eine ganz neue Rechtsform speziell für Paare geben, bei denen der Partner oder die Partnerin während der Ehe feststellt, dass er oder sie transsexuell ist.

Es könnte auch eine Ausnahmeregelung speziell für Transsexuelle geben – das Bundesverfassungsgericht hat wegen der „geringen Zahl der betroffenen verheirateten Transsexuellen“ offen gelassen.

Allerdings ist mehr als fraglich, ob dies europarechtlich Bestand hätte – immerhin stellt es Lesben oder Schwule deutlich schlechter als vormals heterosexuelle Transsexuelle, die nach ihrer Geschlechtsumwandlung gleichgeschlechtlich leben und deshalb verheiratet bleiben wollen.
Tatsächlich war eine Gleichstellung von Lebenspartnerschaften bereits unter der letzten rot-grünen Koalition auf Bundesebene vorgesehen. Sie scheiterte aber an dem Widerstand der CDU.

Am einfachsten wäre eine entspannte und unkomplizierte Öffnung der Ehe für andere Partnerschaften als die von Mann und Frau. Dass das funktioniert, zeigen andere moderne Staaten: In den Ländern Belgien, Niederlande, Kanada, Südafrika, Spanien, Norwegen (ab 1.1.2009) und zwei Bundesstaaten der USA (Massachusetts und Kalifornien) können auch gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe eingehen.

Mein Plädoyer: Warum kompliziert wenn’s auch einfach geht? Weg mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz und ein Hoch auf die Ehe!

Keine Heiratspflicht für Transsexuelle

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte Transsexueller gestärkt. Auch ihnen darf es nicht verwehrt werden, eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit ihrem Lebenspartner einzugehen. Sie müssen sich nicht auf eine Eheschließung verweisen lassen.

Vor das Gericht gezogen war eine 62-Jährige, die als Mann geboren wurde, sich aber als Frau fühlt. Sie hat sich für die “kleine Lösung” nach dem Transsexuellengesetz entschieden, d.h. sie änderte ihren Namen und ihr Aussehen. Vornehmlich wegen ihres Alters sah sie aber von einer operativen Geschlechtsumwandlung ab.
Die Betroffene wollte nun eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit einer Frau eingehen. Dies hat das Standesamt ihr aber verweigert, weil sie rechtlich noch als Mann gelte. Erst nach einer operativen Geschlechtsumwandlung habe sie formal den Personenstand einer Frau. Die eingetragene Lebenspartnerschaft sei aber gleichgeschlechtlichen Paaren vorbehalten.

Die Beschwerdeführerin hätte also heiraten müssen. Das lehnte sie aber ab. Sie störte unter anderem, dass jeder, der von der Heirat wisse, sich ausmalen könne, dass einer der Partner transsexuell ist. Hierdurch fühlte sie sich diskriminiert.

Das Bundesverfassungsgericht gab der Frau recht.

Das Geschlecht definiert sich nach Auffassung der Richter gar nicht an der Frage, ob die äußeren Geschlechtsmerkmale operativ angepasst wurden. Vielmehr komme es darauf an, wie konsequent der Betroffene sein empfundenes Geschlecht lebe.

Zwar gebe es einige juristische Gründe, die für klare Regelungen sprächen. Zum Beispiel, “dass rechtlich dem männlichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder gebären oder rechtlich dem weiblichen Geschlecht zugehörige Personen Kinder zeugen, weil dies dem Geschlechtsverständnis widerspräche und weitreichende Folgen für die Rechtsordnung hätte”.

Jedoch müsse dieses Interesse stets mit dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen abgewogen werden. Diesem Selbstbestimmungsrecht gibt das Bundesverfassungsgericht Vorrang, schon weil die möglichen Problemfälle praktisch extrem selten seien.
Das Gericht hat die betreffenden Normen für verfassungswidrig erklärt und angeordnet, dass sie nicht mehr angewendet werden dürfen. Somit kann nun nicht nur die Beschwerdeführerin eine Lebenspartnerschaft eingehen, sondern auch alle anderen, die vor derselben Situation stehen.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Januar 2011, 1 BvR 3295/07



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