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Bearbeitet von Nikita Noemi
Rothenbächer 2013
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Der Gebrauch der
Genitalien als Element der Geschlechterunterscheidung (Transsexualität vs.
Homosexualität)
In Ihrer Sorge um die Regulierung der Institution ›Ehe‹ behandelten
die kirchlichen und und juristischen Codizes alle Formen der sexuellen
Praktiken, die nicht der Fortführung der Ehetradition im Sinne einer Zeugung
von Christen-Kindern diente, mit Unsicherheit, Indifferenz oder Abscheu.
Als einziger Weg der Beschäftigung mit der
nicht-christlichen-nicht-reproduktiven Sexualität wurden Strafen angesehen,
nicht aber beispielsweise die Auseinandersetzung aus einem
wissenschaftlich-analytischen Interesse heraus. So wurde denn auch lange Zeit
alles unter dem Begriff der ›Sodomie‹ zusammengefasst, was nicht der
Fortpflanzung zwischen Christen diente und als ›unnatürlicher Gebrauch der
Zeugungsglieder‹ angesehen.
Darunter wurden die Selbstbefriedigung, der Verkehr mit dem gleichen
Geschlecht, aber auch mit dem anderen Geschlecht in unnatürlicher Weise, mit
Tieren und in der fleischlichen Vermischung mit Ungläubigen, Leichen und dem
Teufel verstanden .
Als eine der schlimmsten Formen der Sodomie galt die
sodomitische Praxis zwischen Männern, da mit ihr die Frage der
Geschlechterunterscheidung berührt wurde. Seit dem 12. Jh. hatten männliche
Sodomiten sexuelle Beziehungen zu Frauen und männlichen Jugendlichen gehabt,
ohne ihren Status als Männer einzubüßen nur eine kleine Gruppe erwachsener
Männer, die die gleichgeschlechtliche anale Penetration nicht (nur)
durchführten, sondern auch zuließen, büßten vereinzelt ihre geschlechtliche
Eindeutigkeit ein und wurden fälschlicherweise als Hermaphroditen bezeichnet.
Dies änderte sich allerdings ab dem 18.
Jh., als die Alters- und ›aktiv/passiv‹-Unterscheidung an Bedeutung verlor.
Jeder gleichgeschlechtliche Akt war auffällig und machte beide Beteiligten zu
Angehörigen einer dritten Geschlechtskategorie.
Nachdem die polizeiliche Überwachung und Verfolgung des sog.
›Verbrechens gegen die Natur‹ durch den relativ liberalen Code Napoleon ein
Ende fand, nahmen sich die Psychiater des Themas an und erstritten sich ihre
Zuständigkeit durch die Pathologisierung der gleichgeschlechtlichen Sexualität.
Die neue Krankheit wurde zunächst mit Pinels psychiatrischem
Konzept des ›moralischen Wahnsinns‹ begriffen , bevor sich ab Mitte des 19. Jh.
das weniger moralisierende, biologische Konzept einer angeborenen
Konstitutionsanomalie durchsetzte. 1869 verfasste der Schriftsteller Kerthbeny
unter dem Pseydonym ›Benkert‹ zwei Broschüren, in denen erstmalig der Begriff
›Homosexualität‹ auftaucht.
Darin wandte er sich an den
preußischen Justizminister, um Straffreiheit für ›Homosexuelle‹ zu fordern. Zur
gleichen Zeit prägte der Amtsassessor Ulrichs den Begriff des sog. ›Urnings‹
als Bezeichnung für homosexuelle Männer und Frauen. Für ihn waren ›Urninge‹
(homosexuelle Männer) zwitterähnliche Männer mit weiblichem Liebestrieb und
›Urninginnen‹ (homosexuelle Frauen) Frauen mit umgekehrter Veranlagung. Ulrichs
prägte damals für die Urninge die Formel, die keine hundert Jahre später eine
entscheidende Bedeutung für eine Gruppe von Menschen bekommen sollte, die man
dann als ›Transsexuelle‹ bezeichnete: »Eine weibliche Seele in einem männlichen
Körper gefangen«.
Der Mediziner Westphal zitiert Ulrichs in einer 1870
erschienenen Abhandlung als einen der Fälle von Männern, »die sich als Weiber
fühlten, deren sexuelle Neigung sich auf das eigene [d.h. das männliche]
Geschlecht richtete. Westphal fügt hinzu, und hebt besonders eine Patientin
hervor, die ihm durch ihre »Whut, Frauen zu lieben und mit ihnen ausser
Scherzen und Küssen Onanie zu treiben« besonders auffiel.
Die »Natur« ihrer sexuellen Neigung ist
für Westphal die ›conträre Sexualempfindung‹, eine »Verkehrung der
Geschlechtsempfindung, das Gefühl, ein männliches Wesen darzustellen«.
Diesem Gedanken der ›conträren Sexualempfindung‹ folgten
zahlreiche weitere Kollegen von Westphal, darunter auch Krafft-Ebing, und so
meinte der Medizier Gley, dass die ›Konträr-sexuellen‹ ein weibliches Gehirn
hätten .
Chevalier, Charcot
und Magnan sprachen von ›Inversion‹ und Laurent von ›psychischem
Hermaphroditismus‹. Carpenter konzipierte 1895 ein ›intermediate sex‹, und
Ellis sprach 1913 von ›sexual inversion‹. Als Höhepunkt dieser Entwicklung
entwickelte Hirschfeld seine Lehre von den ›sexuellen Zwischenstufen‹, die den
Homosexuellen als Intersex konzipierte, in dessen Körperbau, Gebiss und Hoden
seine Besonderheit messbar dokumentiert ist .
Foucault charakterisiert die
beschriebene Entwicklung mit folgender Aussage:
Der Homosexuelle des 19. Jahrhunderts ist zu einer Persönlichkeit
geworden, die über eine Vergangenheit und eine Kindheit verfügt, einen
Charakter, eine Lebensform, und schließlich eine Morphologie mit indiskreter
Anatomie und möglicherweise rätselhafter Physiologie besitzt. Nichts von
alledem, was er ist, entrinnt seiner Sexualität… Der Sodomit war ein
Gestrauchelter, der Homosexuelle ist eine Spezies.
Hirschfeld unterschied vier Gruppen von
Geschlechtsmerkmalen:
Die Genitalien, andere körperliche Merkmale (wie Behaarung,
Stimme, Brustgewebe, Gang, Teint, Knochenbau), den Sexualtrieb und sonstige
seelische Eigenschaften.
In jeder Gruppe
ergaben sich zahlreiche Zwischenstufen:
Neben verschiedenen
Formen des Hermaphroditismus z.B: Phänomene der ›Gynäkomastie‹, ›Androglottie‹,
›Gynosphysie‹, ›feminae barbatae‹ sowie der ›Succumbieren‹ von Männern »nach
Frauenart«, des ›Metarophismus‹, der Bi- und der Homosexualität.
Über die systematische Differenzierung weiterer Geschlechtsmerkmale
kommt Hirschfeld zu einer achtstelligen (!) Zahl von Geschlechtsvarianten und
meinte, es sei leicht, eine Vielfalt zu konzipieren, die die Zahl der
Erdbewohner übersteigen würde .
Während Thon noch versucht hatte, die schwer bis
unentscheidbaren Grenzfälle genitaler Geschlechtlichkeit den Kategorien der
Männer und Frauen zuzuordnen, wertete Hirschfeld in seiner
Zwischenstufentheorie die unterschiedlichsten und kleinsten Abweichungen zu
eigenständigen Geschlechtern auf. Eine von vielen ›seelischen Zwischenstufen‹
stellte für Hirschfeld eine Gruppe dar, für die er die Bezeichnung
›Transvestiten‹ prägte. Ihre nosologische Selbständigkeit liege darin, dass die
Effiminierung bei Homosexuellen nur eine Begleiterscheinung, den Transvestiten
jedoch wesentlich sei.
In der Nachfolge Hirschfelds begannen auch andere
Wissenschaftler mit einer stärkeren Differenzierung der Erscheinungen, die
vorher unter dem Begriff der Homosexualität zusammengefasst worden waren. So
Charakterisiert Ellis 1913 die schon von Hirschfeld als ›Transvestiten‹
bezeichnete Gruppe von Menschen mit den Bezeichnungen ›sexo-aesthetic
inversion‹ oder ›Eonism.
(Die Bezeichnung ›Eonismus‹ leitet sich vom Chevalier d’Éon
de Dequemont ab, einem französischen Diplomaten, der im 18. und 19. Jahrhundert
lebte und im französischsprachigen Kulturraum einer der berühmtesten
Geschlechtswechsler war. Der Chevalie d’Eon hat von den 82 Jahren seines Lebens
49 Jahre als Mann und 33 Jahre als Frau verbracht. Seine Berühmtheit liegt
beispielsweise darin begründet, dass er als künstlerische Vorlage des Cherubin
aus »Figaros Hochzeit« gedient hat.) Ihm und anderen geht es hauptsächlich
darum, die (männlichen) Homosexuellen vom ›Makel‹ der Weiblichkeit zu befreien.
Chevalier d’Eon hat zwar unbestritten den größten Teil
seines Lebens Frauenkleider getragen. Er hatte jedoch wichtige französische
Staatspapiere in seinen Besitz gebracht und war nach England geflohen.
Einige Historiker vermuten deshalb, dass er mit seinem Leben
in der Rolle einer Frau lediglich seiner Auslieferung entgehen wollte. Er
konnte irgendwann nach Frankreich zurückkehren, allerdings unter der Auflage,
weiterhin Frauenkleider zu tragen. Als er dieser Auflage nicht nachkam, wurde
er verhaftet. Er wurde freigelassen nachdem er einwilligte, wieder
Frauenkleider zu tragen.
Nach der französischen Revolution emigrierte er erneut nach
England, verarmte und bestritt seinen Lebensunterhalt durch Fechtauftritte in
Frauenkleidern. Das meinte ich mit "fremdbestimmt", denn es ist
fraglich, ob das Tragen gegengeschlechtlicher Kleidung wirklich seine freie
Entscheidung war.
Anders verhält es sich bei dem römischen Kaiser Elagabalus
oder dem französischen König Heinrich III. Hier kann man die historischen
Quellen m.E. tatsächlich so deuten, dass es sich um Fälle von Transidentität
handelte.
Im Jahr 1918 beschreibt Hirschfeld noch ein weiteres Phänomen:
Den ›androgynen Drang‹ nach einer körperlichen Vermännlichung bzw.
Verweiblichung, der mittels verschiedener (auch operativer) Manipulationen an
Bart, Brust und Genitalien Geschlechtsmerkmale einer intersexuellen Psyche
entsprechend zu »korrigieren« trachte .
Wenn Hirschfeld auch 1923 schon von ›seelischem
Transsexualismus‹ spricht (ein Begriff, den er allerdings synonym für
Transvestitismus versteht) und Ellis deskriptiv eine große Gruppe von Eonisten,
die nur die Kleider des anderen Geschlechts anziehen, von einer kleineren, aber
»vollständigeren« Gruppe unterschied, die sich ganz dem anderen Geschlecht
zugehörig fühlen, wird der Begriff der ›psychopathia transsexualis‹ erst 1949
von Cauldwell geprägt. Damit war der Grundstein für die Charakterisierung eines
Phänomens gelegt, das vier Jahre später als neues Konzept in die Wissenschaft
einziehen sollte: Die Transsexualität.
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