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Rothenbächer 2013
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vor, einer Minderheit anzugehören!
Viele hören lesen und versuchen zu Verstehen was steckt eigentlich hinter diesem Phänomen der Transidentität sprich Transsexualität!
Jedoch um genaues zu Verstehen muss man in der Geschichte zurück gehen!
Hier etwas von der Geschichte welche meist keinen Interessiert jedoch wertvolle Einblicke gibt!
Transidentität - ein unordentliches
Phänomen
In der uns vertrauten zweipoligen Geschlechter-Ordnung darf
es nur Frauen oder Männer geben und dazwischen gar nichts. Da bleibt kein Platz
für Menschen, die sich im biologisch falschen Körper fühlen und ihre Identität
geschlechtskonträr empfinden. Bisher werden die Betroffenen als gestört
betrachtet.
Doch ist es nicht bald an der Zeit, das öffentliche
Bewusstsein darauf hinzulenken, dass es eine Vielfalt von Geschlechtsvarianten
und Geschlechtsidentitäten gibt, die nicht alle krank sein können? Transidentität
/Transsexualität ist ein komplexes Phänomen und wirft nicht nur bei den
Betroffenen und Angehörigen viele Fragen auf.
Neben der umfassenden und gut verständlichen Darstellung
transsexueller Erscheinungsweisen, Verläufe, Ursachen und geschlechtsangleichender
Maßnahmen sowie ihrer Voraussetzungen bietet der Blog ausführliche
Informationen über die rechtliche Situation, über geschichtliche Hintergründe,
Kontroversen, Debatten und vieles andere mehr.
Es richtet sich an Betroffene und deren Angehörige, an
Ärzte, Juristen, Sozialpädagogen, an Menschen anderer Berufe, die mit
Transsexuellen in Kontakt sind, sowie an alle Interessierten, die sich aufgrund
des neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstandes eine fundierte Meinung bilden
wollen.
Durch ihre fachlich kompetente,
neutrale Aufklärung holt die erfahrene Psychotherapeutin und bekannte
Fachbuchautorin die Transsexualität aus der «Schmuddel Ecke» und dem Bereich
des «Schrillen».
Ver-körperungen des
anderen Geschlechts - Transvestitismus und Transsexualität historisch
betrachtet
Der Wechsel zur Kleidung des anderen Geschlechts und, oft
damit verbunden, der Wechsel des sozialen Geschlechts sind in der europäischen
Geschichte seit Langem bekannt, gerieten aber erst im späten 19. Jahrhundert in
den medizinischen Blick.
Cross-Dressing - der Wechsel zur Kleidung des anderen
Geschlechts - und, oft damit verbunden, der Wechsel des sozialen Geschlechts
sind in der europäischen Kulturgeschichte seit Langem bekannt.
Von einigen Ausnahmen abgesehen wissen wir angesichts
fehlender autobiografischer Aufzeichnungen allerdings wenig über die Motive und
den sozialen Alltag solcher historischer Personen, deren "wahres"
Geschlecht meist erst anlässlich kriminologischer Ermittlung oder ärztlicher
Untersuchung bei Krankheit oder Tod entdeckt wurde, dann aber großes Aufsehen
erregte. Überlegungen über ein entsprechendes kulturelles Phänomen liegen aus
früheren Zeiten nicht vor, auch einen bezeichnenden Begriff gab es nicht.
Unterstellt wurde den Betreffenden eine juristisch zu ahndende Täuschung aus
unlauteren persönlichen oder politischen Motiven. In Deutschland galten heute
sogenannte Cross-Dresser bis Mitte des 19. Jahrhunderts als Hochstapler und
Schwindler, einige wurden gar der Spionage verdächtigt.
Geschlechtswechsel in der Sexualpathologie
Cross-Dressing geriet erst auf dem Höhepunkt der
humanwissenschaftlichen Geschlechterdebatte innerhalb der psychiatrischen
Sexualpathologie des späten 19. Jahrhunderts in den medizinischen Blick.
Dabei wurde auf tradierte Konzepte der
Mischgeschlechtlichkeit zurückgegriffen, wobei man Verbindungen und Übergänge
zwischen den verschiedenen Formen annahm, deren wichtigste der
Hermaphroditismus war.
Konkret geht das medizinische Interesse am Cross-Dressing
auf die moderne Diskussion um das gleichgeschlechtliche sexuelle Begehren der
Männer zurück, für das sich im 20. Jahrhundert der Begriff
"Homosexualität" durchsetzte. Maßgeblich waren hierbei die Texte von
Karl Heinrich Ulrichs, dem ersten bekennenden "Urning", wie er Männer
begehrende Männer in Anlehnung an den Planeten Uranus nannte. Seine ab 1864
erscheinenden emanzipatorischen Streitschriften richteten sich gegen die
drohende Fortschreibung der nach preußischem Recht geltenden Strafbarkeit
sexueller Handlungen zwischen Männern im geplanten neuen Strafgesetzbuch für
das Deutsche Reich.
Ulrichs' Schriften regten um 1870 zunächst den Berliner
Ordinarius und Charité-Psychiater Carl Westphal und zehn Jahre später dessen
Grazer Kollegen Richard von Krafft-Ebing zur Begründung der modernen
Sexualpathologie an.
Ulrichs stellte die These von der weiblichen Seele im männlichen
Körper auf und unterschied zwischen virilen und femininen Urningen, wobei er
traditionell weibliche Beschäftigungen und das Tragen von Frauenkleidern als
Kennzeichen der sogenannten Weiblinge verstand.
Als Beispiel nannte Ulrichs den berühmt gewordenen
Gardinenaufstecker Blank, der um 1850 "ganz als Dame gekleidet auf den
Wallpromenaden von Torgau" spazieren ging, sich zeitweise als Frau ausgab
und von der Polizei verhaftet wurde.
"Jener Blank war sogar so kühn, bei der Obrigkeit
förmlich um die Erlaubnis einzukommen, sich weiblich nennen und kleiden zu
dürfen. Die Bitte ward abgeschlagen."[
Jener Fall fand in dem 1870 veröffentlichten Schlüsseltext
"Die conträre Sexualempfindung" von Carl Westphal ausführliche
Erwähnung.
Die Fallgeschichten betreffen eine Frau, die "gern ein
Mann sein" wollte, "eine männliche Beschäftigung" suchte und von
sich sagte: "Ich fühle mich überhaupt als Mann und möchte gern ein Mann
sein." Ein anderer Fall ist ein "auf einem hiesigen (Berliner, R.H.)
Bahnhofe unter verdächtigen Umständen" verhafteter "Mann in
Frauenkleidern". Dieser klagte: "Das weibische Wesen ist eine wahre
Qual für mich gewesen, das Verlangen, Frauenkleider anzuziehen, steigt öfter
(...) in mir auf."
Er gab dem zweifelnden Westphal aber gleichzeitig zu
verstehen, dass er sich sexuell nur zu Frauen hingezogen fühle.
Westphal kam nun zu dem Schluss, dass es "bei der
geschilderten Neigung zum Anlegen von Frauenkleidern wirklich um ein Symptom
eines pathologischen Zustandes" gehe, eine Stufe der angeborenen conträren
Sexualempfindung: "Hier handelt es sich wohl eben nur um
Gradunterschiede."
In der sexualpathologischen Denkrichtung des letzten
Drittels des 19. Jahrhunderts fand eine Koppelung von Cross-Dressing mit
gleichgeschlechtlichem Begehren zu einem Gesamtphänomen statt, eben jener
"conträren Sexualempfindung". Diese neue Diagnose umgreift als
Sammelbezeichnung ausnahmslos alle von den Geschlechternormen abweichenden
Gefühls- und Verhaltensweisen. Als nur graduell verschiedene Phänomene wurden
gleichgeschlechtliches sexuelles Begehren, Cross-Dressing und der Wechsel der
sozialen Geschlechterrollen bei Männern und Frauen zusammengefasst.
Um den Wandel der Bewertung des Cross-Dressing von der
Täuschung zum Symptom der conträren Sexualempfindung zu illustrieren, sei auf
zeitgenössische Abbildungen (s. Abbildungen welche im Internet zu finden sind
verwiesen.
Krafft-Ebing entwickelte in seiner wirkungsmächtigen
"Psychopathia Sexualis" 1886 Westphals Idee der
"Gradunterschiede" zu einer hierarchisch-ontologischen Ordnung, in
deren aufsteigender Folge die Zeichen der Geschlechtermischung immer deutlicher
hervortreten. Und entsprechend dem Ansatz Griesingers, nachdem Geisteskrankheiten
Hirnkrankheiten seien, präzisierte Krafft-Ebing Ulrichs' These von der
weiblichen Seele im männlichen Körper in das weibliche Gehirn respektive
"Sexualcentrum" im Männerkörper. Sein diagnostischer
Blick weitete sich auf die Trias sexuelle Objektwahl, körperliches und soziales
Geschlecht aus.
Weil Krafft-Ebing bei der conträren Sexualempfindung
zwischen "erworbener Perversität" und "angeborener
Perversion" unterschied, schlug er zwei analoge Reihen dieser Abstufungen
vor. Erstere steige bis zur "Metamorphosis sexualis paranoica (dem Wahn
der Geschlechtsumwandlung)" an, letztere über die "Effemination"
der Männer und die "Viraginität" der Frauen bis zur
"schwerste(n) Stufe degenerativer Homosexualität", der
"Androgynie" respektive "Gynandrie".
Für das Stadium der Viraginität der Frauen sei der große
"Drang" charakteristisch, "auch Haar und Zuschnitt der Kleidung
männlich zu tragen, unter günstigen Umständen sogar in der Kleidung des Mannes
aufzutreten und als solcher zu imponieren.
Nicht selten sind die Fälle, wo Weiber in Männerkleidern
aufgegriffen wurden." Und über die "Effemination der Männer" schreibt er:
"Vielfach zeigen sich auch Bestrebungen, in Gang, Haltung und Zuschnitt
der Kleider sich der weiblichen Erscheinung zu nähern.
" Ulrichs lehnte in seinem emanzipatorisch angelegten
Konzept eines mischgeschlechtlichen Uranismus jede Krankheitszuschreibung ab,
erst in der Rezeption seiner Schriften erfolgte dessen sexualpathologische
Ausdeutung: Cross-Dressing wurde Symptom und Diagnose zugleich.
Aushandlungen
Im Kontext der um die Jahrhundertwende zunehmenden
Verwissenschaftlichung, Popularisierung und Politisierung der Homosexualität
begann auch der Selbstdiskurs der Cross-Dresser und Geschlechtswechsler. Mit
der Etablierung einer Homosexuellenbewegung in Gestalt des
Wissenschaftlich-humanitären Komitees (1897) wurde der Homosexuelle in der
Öffentlichkeit ein geläufiger Sozialcharakter. Infolge seiner Funktion als
Mitbegründer und Sprachrohr der Vereinigung avancierte Magnus Hirschfeld zur
Schlüsselfigur dieser Emanzipationsbewegung und für deren Klientel zum
wichtigsten Ansprechpartner in wissenschaftlichen, rechtlichen, aber auch ganz
alltäglichen sozialen Fragen. Ausgehend von seinen Forschungen über sexuelle
Zwischenstufen entwickelte er im Rückgriff auf Ulrichs die Auffassung, dass
jeder Mensch eine Mischung aus männlichen und weiblichen, körperlichen und
seelischen Eigenschaften sei. Ab 1903 setzte sich für diesen Ansatz der Begriff
"Zwischenstufentheorie" durch, wobei Homosexuelle und Hermaphroditen
die prominentesten Vertreter darstellten.
Cross-Dresser bildeten bei Hirschfeld zunächst keine
eigenständige Kategorie, auch er begriff ihre Passion als Anzeichen von
Homosexualität. Dies lässt sich in vielen Texten sowie anhand der ersten und
einzigen Abbildung eines "Homosexuellen" aus seinem programmatischen
Aufsatz im Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen von 1899 erkennen .
Das Jahrbuch war darauf angelegt, über die ganze Fülle
mischgeschlechtlicher Formen zu berichten. Dort erschienen wichtige Arbeiten
zum Hermaphroditismus wie auch die erste zum Cross-Dressing überhaupt. Diese
stammt nicht von einem ärztlichen Experten, sondern aus der Feder eines
Cross-Dressers.
Dieser beschreibt sich zunächst in Anlehnung an
Vordiskussionen als Urning, "welcher zu der Gruppe der ausgeprägtesten
Effeminierten gehört".
Obwohl seine Passion auf die Neigung, Frauenkleider zu
tragen, begrenzt war und er von einer "Liebesbeziehung" zu einer Frau
berichtet, schreibt er weiter: "Es kann nicht mehr festgestellt werden, ob
sich in frühester Jugend schon Erscheinungen von Homosexualität bemerkbar
machten.
" Als Hirschfeld diesen Mann knapp zehn Jahre später in
der Kasuistik seiner Monografie "Die Transvestiten" beschrieb,
kommentierte er dessen damalige Selbsteinordnung mit der Bemerkung: "Er
bezeichnet sich dort irrtümlicherweise als Urning, während er selbst
ausdrücklich angibt, sein Geschlechtstrieb sei stets auf das Weib gerichtet
gewesen. " 1910 gibt jener Cross-Dresser nun auch an:
"Homosexuell bin ich nicht, im Gegenteil, ich kann sagen, ich bin ein
echter Don Juan gewesen.“
Der Wandel in dieser Selbst- und
Fremdzuordnung setzte erst ein, als ein alternatives, passenderes Konzept
vorlag, das die Differenz zwischen sexuellem Begehren und Kleidervorliebe
betonte. Während sich einige Cross-Dresser an der sexualpathologisch
hergestellten "Verwandtschaft" mit den Homosexuellen nicht störten,
fühlten sich andere missverstanden und versuchten, sich dezidiert abzugrenzen.
Auch in der allgemeinen Öffentlichkeit war die Zuordnung der
Cross-Dresser zu den Urningen verbreitet. Ein vom Sexualwissenschaftler Iwan
Bloch beschriebener Mann berichtete, dass er vergeblich versuchte, bei seiner
Frau Verständnis für seine Neigung zu wecken.
Sie forschte nach, indem sie andere Frauen befragte: "Diese wussten
ihr über Männer, die so veranlagt wären wie ich, nur Schlechtes und Gemeines zu
berichten, ich sollte unbedingt ein Urning sein (...)." Das Image des
Urnings oder Homosexuellen war negativ besetzt, sodass die Bezeichnungen auch
als Schimpfwort gebraucht wurden.
Dies gab Anlass zur Distanzierung. So beschreibt ein von
Hirschfeld als Transvestit porträtierter Mann sich wie folgt: "Von
sonstiger Homosexualität aber ist keine Spur vorhanden. Urninge und
effeminierte Männer verachte ich tief.“
Die ablehnende Haltung der Cross-Dresser gegenüber den Homosexuellen
veranlasste sie dazu, Hirschfeld anzuregen, sich ihrer anzunehmen: "Ich
kann es nicht begreifen, dass sich die Wissenschaft nicht mit den Effeminierten
abgibt, wo es doch etwas Alltägliches und Natürliches ist; und leider werden
wir fälschlich auch noch oft für Päderasten gehalten."
Damit initiierten die Cross-Dresser einen Dialog, im Zuge
dessen Hirschfelds Entwurf des Transvestitismus entstand.
Andererseits gab es auch bei homosexuellen Männern das
Bedürfnis, sich von der sichtbaren Effeminierung der Cross-Dresser zu
distanzieren; ihnen war der Abstand mindestens ebenso wichtig wie umgekehrt.
Die in Hirschfelds "Zwischenstufentheorie" vorgenommene Verknüpfung
von männlicher Homosexualität mit Weiblichkeit provozierte beim viril
orientierten Flügel der Homosexuellenbewegung Protest, wie ihm durchaus bewusst
war: "Der großen Mehrzahl der Homosexuellen, nicht nur der virileren, ist
die Verkleidung direkt unsympathisch."
Die als Zerrbild wahrgenommene Darstellung Hirschfelds
führte 1907 innerhalb des Wissenschaftlich-humanitären Komitees zur Sezession.
Nach Auffassung der tendenziell misogynen Sezessionisten machte Hirschfeld die
Homosexuellen zu "Halbweibern" und "einer Art psychischer
Mißgeburt", wie ihr Wortführer Benedikt Friedländer es nannte.
Das Ziel der Homosexuellenbewegung, die
Abschaffung des Paragrafen 175 Reichsstrafgesetzbuchs (RStGB), erforderte aber
gerade eine Bündelung der Kräfte, was ein konsensfähiges Bild vom Homosexuellen
voraussetzte. Die
Herstellung eines Konsenses zwischen den Lagern dürfte daher ein weiteres Motiv
für die Trennung der Effeminierten von den Homosexuellen gewesen sein; die
Einführung der neuen Kategorie "Transvestiten" kann somit als
Konzession an Hirschfelds Opponenten in der Homosexuellenbewegung gelesen
werden.
Schwierigkeiten der Transvestiten ergaben sich jedoch nicht nur aus den
stigmatisierenden Fremdzuschreibungen ihrer Eigenart, sondern vor allem aus
juristischen Konsequenzen. Obwohl das deutsche Strafrecht der Kaiser- wie der
Weimarer Zeit das Tragen von Kleidung des anderen Geschlechts nicht
ausdrücklich sanktionierte, waren Personen, die polizeilich als Transvestiten erkannt
wurden, wegen der "Erregung öffentlichen Ärgernisses" und somit
"Störung der öffentlichen Ordnung" mit empfindlichen Strafen bedroht.
Bei vielen Transvestiten beiderlei Geschlechts blieben aufgrund ihres
Körperbaus, Haarwuchses, Gesichtsschnittes, ihrer Bewegungen oder der Stimmlage
trotz noch so perfekter Aufmachung Spuren des Herkunftsgeschlechts wahrnehmbar.
Einige Transvestiten wurden deshalb von der Polizei festgenommen und mussten
als "Wiederholungstäter" Haftstrafen verbüßen.
Für diesen Personenkreis handelte Hirschfeld gemeinsam mit seinem
Kollegen Iwan Bloch um 1910 mit der Polizeibehörde eine Übereinkunft aus, nach
der von einer Festnahme abgesehen wurde, wenn die Betreffenden eine polizeilich
bestätigte Bescheinigung vorlegen konnten, die sie als ärztlich beglaubigte
Transvestiten auswies. Der "Transvestitenschein" wurde in der
Folge häufig ausgestellt.
Zu dieser Zeit hatte sich besonders in Berlin eine
vielfältige Transvestitenkultur mit eigenen Lokalen, Treffpunkten,
Organisationen und Zeitschriften entfaltet.
Dank einer mündlichen Übereinkunft mit dem Preußischen
Justizminister war es ab 1921 in einem gutachterlichen Verfahren möglich,
eindeutig auf das Geschlecht verweisende Vornamen durch einen neutralen, etwa
Alex oder Toni, zu ersetzen; in einem Fall gelang sogar die Umschreibung des
Personenstandes. Vornamensänderungen gaben die Behörden in Verwaltungszeitungen
bekannt, was einem amtlichen Outing gleichkam: Die Anzeigen enthielten die
Klarnamen, persönlichen Daten und Wohnadressen der Betreffenden. Beide Praxen
bedeuteten ein doppeltes Abhängigkeitsverhältnis der Transvestiten, nämlich vom
Wohlwollen der Gutachter und der Überzeugungskraft ihrer ärztlichen Expertise -
schließlich war die Anerkennung von Hirschfelds durchaus nicht unumstrittenem
Transvestitismus-Konzept die Voraussetzung. Abhängig waren sie aber auch vom Verständnis
der Polizei und Justiz, auf deren Genehmigung sie angewiesen und deren
Kontrollwillkür sie ausgeliefert waren. Insofern hatten die Transvestiten trotz
dieser Liberalisierungen also auch weiterhin einen prekären Status inne.
Zur (Be)Deutung des Geschlechtskörpers
Zu den Transvestiten zählten auch Frauen und Männer, die
nicht nur die Kleidung des anderen Geschlechts bevorzugten, sondern sich diesem
ganz zugehörig fühlten.
In den wenigen frühen Mitteilungen dieser Personengruppe
finden sich allerdings keine Hinweise auf Operationswünsche.
Punktueller, passagerer oder permanenter Wechsel des
sozialen Geschlechts war in ihrem Selbstkonzept offenbar nicht notwendig mit
einem - wie es heute heißt - "Unbehagen
im falschen Körper" und dem Wunsch nach dessen
Umgestaltung verbunden. Hirschfeld berichtet allerdings von einigen Männern,
die über kürzere oder längere Zeit als Frau gelebt hatten, und fasst ihre
Körperwünsche und -wahrnehmungen wie folgt zusammen: "Vielfach bilden sich
zwar die Transvestiten vor dem Spiegel stehend ein, ihre Formen seien weicher
und weiblicher, wie die gewöhnlicher Männer; aber ihre meist rauhe Haut, die
behaarte Brust, der starke Bartwuchs, der schlanke, oft sehnige Körperbau, die
straffen Linien und Züge, die tiefe Stimme zeigen, dass es sich um eine
angenehme Selbsttäuschung handelt, die übrigens keine tiefgehende ist, auch
nicht den Charakter einer Wahnidee trägt; sie wissen ganz genau, dass ein
Widerspruch zwischen ihrem Körper und ihrer Seele klafft."]
Mit dem Ausdruck vom "klaffenden Widerspruch" weist Hirschfeld auf
die empfundene Diskrepanz von Physis und Psyche hin. Damit deutete sich zwar
ein Handlungsfeld an, aber noch fehlten sowohl der artikulierte Wunsch als auch
die geeigneten Techniken zu dessen Umsetzung.
Selbstgestaltung des Geschlechtskörpers
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfuhr der Körper sowohl in
der (Sexual-)Wissenschaft als auch in den alle Bevölkerungsschichten und
Bereiche des alltäglichen Lebens durchziehenden Lebensreformbewegungen eine
Rehabilitierung, Neudefinition und Aufwertung. Diese Bedeutungsaufladung des
Geschlechtskörpers für die Konstruktion des Selbst bildete die Voraussetzung
dafür, jene Personen, die sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlten, zur
physischen Umgestaltung zu motivieren. Die dazu nötigen Techniken wurden in der
um 1900 aufkommenden kosmetischen Medizin entwickelt, sei es die
Gesichtschirurgie, die Röntgenepilation oder die Paraffinbrustplastik. Diese
Kontextualisierungs- und Plausibilisierungsversuche können den Wunsch nach
operativer Geschlechtsumwandlung allerdings lediglich einordnen. Sie vermitteln
jedoch keinen Eindruck von der Tiefe individuellen psychischen Leids, das
Einzelne Anfang des 20. Jahrhunderts dazu trieb, irreversible Umgestaltungen
durch invasive Eingriffe - wie sie Kastration und Amputation darstellen -
durchzusetzen oder an sich selbst vorzunehmen.
Die nach 1910 datierten ersten Versuche körperlicher
Manipulation sogenannter Transvestiten zielten allerdings noch nicht auf
operative Umgestaltung, sondern zunächst "nur" darauf, die Zeichen
des Herkunftsgeschlechts zu tilgen. Diese Schlussfolgerung legen zumindest die
Quellen nahe. So berichten die Ärzte Tange und Trotsenburg 1911 über einen
niederländischen Transvestiten, der mittels verschiedener Manipulationen
versuchte, seinen Körper zu verweiblichen.
Der Vater von vier Kindern hatte sich
bereits 1905 einseitig kastriert, später entfernte er mit Hilfe seiner Frau
auch den zweiten Hoden und versuchte durch Lufteinblasungen Brüste zu bekommen,
weshalb er mehrfach ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Von nun an mehren sich
derartige Mitteilungen in der Fachpresse. Dieses Selbstgestalten des
Geschlechtskörpers findet zunächst vor und außerhalb der medizinischen
Diskursivierung der Umwandlung statt.
Eine erste vorläufige Differenzierung
zwischen den "normalen" Transvestiten und jenem Personenkreis, der
sich dem anderen Geschlecht zugehörig fühlte, beginnt in diesem Zeitabschnitt.
Sie geht auf den englischen Sexualwissenschaftler Havelock
Ellis zurück, der das Phänomen des Cross-Dressing in Anlehnung an den Chevalier
D'Eon "Eonism" nannte.
Anlässlich der Präsentation entsprechender Fälle unterschied
Ellis zwei Typen: Neben der Mehrzahl, bei der "die Inversion hauptsächlich
auf die Kleidung beschränkt" sei, gebe es eine vollständigere Inversion,
bei der "die Aenderung der Bekleidung als etwas verhältnismäßig
Gleichgültiges betrachtet wird". Ein Individuum dieser Prägung
identifiziere sich jedoch "mit seinen physischen und psychischen Zügen,
die an das entgegengesetzte Geschlecht erinnern, (...) dass es sich wirklich
diesem Geschlecht zugehörig fühlt, obwohl es über seine anatomische Bildung
keine Wahnvorstellungen hat".
Erste Versuche operativer Geschlechtsumwandlung
Der Berliner Chirurg Richard Mühsam, dem in der Diskussion
eine Schlüsselposition zukommt, operierte 1912 einen ersten von ihm so
bezeichneten weiblichen Transvestiten, die sich, 35-jährig, Brüste und
Gebärmutter entfernen ließ, "da sie diese Organe als nicht zu ihr gehörig
empfand. Sie hielt sich für einen verkappten Mann und wollte auch äußerlich wie
ein Mann aussehen. (...) (Sie) war (...) eine nicht unbegabte Malerin, trug
Männerkleider und klagte über (...) das Gefühl, Fremdkörper im Leibe zu haben.
Als diese (...) sah sie die Eierstöcke an, um deren
Entfernung sie dringend bat." Nachdem er ihr auch die Ovarien entfernt
hatte, schreibt Mühsam "fühlte sie sich (...) freier und betrieb die
Umschreibung ihres Personalstandes".
Außer diesen kolportierten Operationswünschen führt Mühsam
keine Argumente zur Begründung der Eingriffe an, obgleich sie nach den
medizinethischen Standards schon damals als problematisch galten, weil es keine
Indikation dafür gab. Und obwohl die Eingriffe aus heutiger Sicht als erste
ärztlich ausgeführte Geschlechtsumwandlung von Frau-zu-Mann gelten dürfen,
wurden sie damals nicht als solche betrachtet. Auch Hirschfeld erwähnte 1918
zahlreich geäußerte Bedürfnisse und Versuche körperlicher Umgestaltung.
Nachdem er 1919 sein Institut für Sexualwissenschaft
eröffnet hatte, teilte der dort als Psychotherapeut tätige Arthur Kronfeld mit,
dass allein im ersten Jahr zwölf Männer um eine Kastration baten; zehn von
ihnen konnte er davon abbringen.
Ausschlaggebend für die ersten mitgeteilten Wünsche nach
Operationen ist folgender Kontext: Im Zuge der nach 1900 einsetzenden Forschung
zur Wirkung von Geschlechtshormonen wurden experimentelle
Geschlechtsumwandlungen an Haus- und Labortieren vorgenommen. Über die vom
Wiener Physiologen Eugen Steinach realisierten berichtete die deutschsprachige
Fach- und Tagespresse als wissenschaftliche Sensation. Wie solche Berichte bei
einigen Transvestiten Wünsche nach analogen Eingriffen wachriefen, lässt sich
am Beispiel eines 1916 vom Sexualwissenschaftler Max Marcuse beschriebenen
Mannes illustrieren: "Die im Mai v.J. durch die Presse gegangene Notiz
(...) veranlasste Herrn A., mich darüber zu konsultieren, ob eine derartige
Operation nicht auch am Menschen mit Erfolg ausgeführt und er auf diese Weise
zu einem Weibe gemacht werden könnte."
Ihn bringe das "Vorhandensein des Gliedes und der Hoden
oft zur Verzweiflung", er sei völlig beherrscht von der "Idee der
Verweiblichung und ihrer Herbeiführung auf operativem Wege". Deutlich
zeigt sich hier, auf welch direkte Weise die Medialisierung der
Geschlechtsumwandlung auf diesen Personenkreis wirkte.
Die erste komplett dokumentierte Mann-zu-Frau-Geschlechtsumwandlung
erfolgte 1920/1921 bei einem Patienten des Hirschfeld-Instituts. Bei diesem
Medizinstudenten, der mit der Pistole in der Hand mit Suizid drohte, wurde von
Arthur Kronfeld eine "schwere Sexualneurose" diagnostiziert.
Sie diente als medizinische Indikation für die Eingriffe, während die
Suiziddrohung eine sogenannte Notoperation rechtfertigte, wie ein weiterer
Hirschfeld-Mitarbeiter später ausführlich darlegte.
Die von Mühsam ausgeführten Operationen umfassten zunächst
die Kastration, die Vernähung des Penis im Damm und die Ausformung einer
Neovagina; später wurde auch ein Eierstock implantiert. All diese
Behandlungsschritte waren in anderen medizinischen Kontexten entwickelt worden
und wurden nun zur Lösung einer bislang unbekannten Problematik
zusammengeführt. Man könnte das Vorgehen als Experiment mit ungewissem Ausgang
charakterisieren, das der individuellen Notlage eines Patienten und
medizinischen Omnipotenzphantasien entsprang, das "natürliche"
Geschlecht medizinisch ändern zu können.
Mit Unterstützung des Instituts für Sexualwissenschaft erfolgten
bis 1931 eine ganze Reihe weiterer Umwandlungen. Über die Routine der
Operationen berichtet Felix Abraham in einer ersten medizinischen
Veröffentlichung im selben Jahr. Die bekannteste dieser frühen
Geschlechtsumwandlungen ist die des dänischen Malers Einar Wegener, der sich
aufgrund des Operationsortes Dresden "Lili Elbe" nannte.
Obgleich es nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933
keine einheitliche Strategie im Umgang mit Transvestiten gab, standen diese
unter dem Generalverdacht der Homosexualität. Zur Verfolgung der Homosexuellen
wurde 1935 der entsprechende Paragraf 175 RStGB verschärft und die
Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und der Abtreibung
eingerichtet. Transvestiten
standen unter der Beweislast ihrer Heterosexualität; für einige, denen dies
gelang, wurden Transvestitenscheine aus der Weimarer Zeit verlängert oder sogar
neue ausgestellt.
Und obgleich der Berliner Charité-Psychiater Karl Bonhoeffer
1941 berichtete, dass ihm Wünsche nach Geschlechtsumwandlung - wie aus der
Weimarer Zeit - nicht mehr begegnet seien, lässt sich zumindest eine
ausgeführte Operation bei einem Mann-zu-Frau Transsexuellen für die NS-Zeit
nachweisen. Über das Schicksal der vor 1933 Operierten liegen keine
systematischen Forschungen vor.
Erst in den 1950er Jahren setzte in den
USA erneut eine medizinische Diskussion über die Geschlechtsumwandlung ein,
allerdings nicht mit direkten Bezug auf die deutsche Vorläuferschaft, ohne die
sie freilich nicht zu denken ist. Harry Benjamin nahm für sich in Anspruch, den
Begriff transsexuality eingeführt zu haben.
Ähnlich wie Hirschfeld den Wunsch nach
Geschlechtsumwandlung bei "extremen Transvestiten" als "stärkste
Form des totalen Transvestitismus" bezeichnete, beschrieb Benjamin
"den Transsexualismus als höchsten Grad des Transvestismus" (sic)
oder die "Transvestiten als die mildeste Form unter den
Transsexuellen".
In Deutschland bezeichnete man Personen mit dem Wunsch nach
Geschlechtsumwandlung noch bis in die 1950er Jahre als Transvestiten. Erst mit
der Rezeption von Benjamins Arbeiten in den 1960er Jahren wurde, ohne Bezug zur
hier beschriebenen Vorläuferdiskussion um Hirschfeld, in beiden deutschen
Staaten von "Transsexualismus", später von
"Transsexualität" gesprochen.
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