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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2013
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diesen euren Verwandten, Freunde, Bekannten und Familie denn Information beugt
vor, einer Minderheit anzugehören!
Als Aktivistin für Menschen-Rechte frage ich mich all zu oft, gibt es das wirklich was Du gerade gelesen hast?
Immer und immer wieder ließt man Berichte welche man nicht nur lesen sollte, sondern sich einfach mal die Zeit nehmen sollte und sich Hinterfragen. Kann das sein ist das Richtig oder ist das Falsch?
Nun meine lieben Leser lest selbst und erst nach Überlegen und Verarbeiten des Textes gebt euren Kommentar ein ok, vielen Dank!
Sandra auf der Flucht
Vier Jahre Haft wegen Einbrüchen –
obwohl sie transsexuell ist, kam Sandra O. in den Männerknast. Nun wird nach
ihr gefahndet.
Sandra O. passte nirgendwo hin. Sie durfte nicht zu den
Frauen, sie wollte nicht zu den Männern, sie musste. Sandra O. hielt es nicht
aus, und deshalb ist sie jetzt weg. Sandra O. ist eine Frau, die eingesperrt
war. Nicht nur im falschen Körper. Sondern auch im falschen Gefängnis
Blassgraue Wolken wehen über hohe Wände aus stahlvernieteten
Betonplatten, als sich Gefängnisdirektor Jörg Schäfer von seinem Schreibtisch
erhebt und nach der dicken Mappe greift. Er lässt sich an den achteckigen
Besprechungstisch nieder, schlägt die Akte auf und setzt an, zu erklären, wie
es so kommen konnte. Dass in der Männer-JVA in Diez, Rheinland-Pfalz, ein
Häftling fehlt, ein Häftling mit weiblichem Vornamen. „Der hätte bis 20.40 Uhr
ausgehen können“, sagt er, „dann kam sie einfach nicht zurück.“
Schäfer spricht konzentriert, trotzdem kommt er ab und an
mit den Pronomen durcheinander. Sandra O. gehört zu den Menschen, bei denen die
gefühlte Identität und der Körper nicht zueinander passen. Im Sommer 2012 wurde
sie wegen mehrere Einbrüche zu vier Jahren Haft verurteilt.
Zunächst saß die Transsexuelle in Koblenz in Haft. Es
dauerte nicht lange, bis andere Häftlinge anfingen, sie zu schikanieren. Sandra
O. fühlte sich bedroht. Daher verlegte man sie im Dezember nach Diez.
Aus Angst keine Frauenkleider
Jörg Schäfer denkt einen Moment nach, sein Blick geht aus
dem Fenster. Vor den Gittern windet sich Stacheldraht. Er sagt, dass Sandra O.
ihre Zelle, gerade acht Quadratmeter, so gut wie nie verlassen hat. Sie hätte
Frauenkleidung tragen können.
Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Celle von 2003 darf
Transsexuellen dies nicht verwehrt bleiben: „Frauenkleider in Gefängnissen sind
sozialverträglich, auch bei Männern.“ Jörg Schäfer sagt: „Wir hätten ihm
Frauenkleidung ermöglicht. Gleichwohl hätten wir ihn darauf hingewiesen, dass
es dann schwierig werden kann, seine Sicherheit zu gewährleisten.“
Sandra O. ließ es nicht darauf ankommen. Sie streifte sich
den blauen Häftlingsanzug über und bat, mit Herr O. angesprochen zu werden,
nicht mit Frau O. „Sie hat gesagt, sie wollte das nicht“, sagt Manfred Czakert,
stellvertretender Abteilungsleiter im Dora-Flügel. „Um kein Aufsehen zu
erregen, geh ich mal von aus.“
Schäfer hat Czakert dazugeholt, weil der direkt mit ihr zu
tun hatte. Er faltet seine Hände auf dem Tisch, vor ihm dampft eine Tasse
Kaffee, die er nicht anrührt. Czakert hat gemerkt, das Sandra O. gelitten hat.
„Sehr“, sagt er. „Sie hat ja einen Weg gesucht, als Frau anerkannt zu werden.
Und jetzt waren wir für sie zuständig.“
Sprüche, Pfiffe, Spott
Die Beamten beschreiben Sandra O. als stille Person, die
keinen Ärger gemacht hat. Zwar sei sie in Diez nicht systematisch belästigt
worden, doch Sprüche, die kamen vor, Pfiffe, Spott. „Das bleibt ja nicht aus“,
sagt Czakert. Jörg Schäfer wollte es Sandra O. etwas leichter machen. Also ließ
er sie in den offenen Vollzug verlegen, auch wenn das nach so kurzer Zeit
unüblich ist.
„Mein Ziel war, ihren Leidensdruck zu verringern.“ Mitte
März zog Sandra O. ins Freigängerhaus, arbeitete in der Gärtnerei, konnte die
Anstalt fünf Stunde pro Woche verlassen. Das ging ein paar Tage lang gut. Dann
verschwand Sandra O. Nun wird nach ihr gefahndet. Die Polizei hat im Mai ein
Foto veröffentlicht: ein rundes, weiches Gesicht, kurzes Kinn, Halbglatze, halblange
Haare. Sie ist 52 Jahre alt, 1,73 Meter groß, wiegt 90 Kilo.
Ihren männlichen Vornamen hat sie vor mehr als zwanzig
Jahren abgestreift. Aus Thomas wurde Sandra, so stand es auch in ihrem Pass.
Sie fing eine Hormonbehandlung an, brach sie aber wieder ab. Ihre
Geschlechtsteile konnte sie nicht angleichen lassen. Weil Sandra O. an einer
entzündlichen Krankheit leidet, war eine Operation nicht möglich. Ihr Körper
blieb männlich, ebenso ihr Personenstand. Daher sah die Staatsanwaltschaft
Koblenz keine Alternative, sie in einem Männerknast unterzubringen.
Das „tatsächliche“ Geschlecht
„Dem tatsächlichen Geschlecht nach handelt es sich bei ihr
noch um einen Mann“, sagt Oberstaatsanwalt Rolf Wissen. Doch was genau ist das
„tatsächliche Geschlecht“? Wer hat darüber zu entscheiden? Die Grundrechte
gelten auch im Gefängnis, dazu gehört das Persönlichkeitsrecht. Was also war
mit Sandra O.?
Hätten die Behörden sie nicht doch in ein Frauengefängnis
einweisen müssen? „Das wäre unvorstellbar, unverantwortlich“, ruft Wissen ins
Telefon. Viel zu groß sei die Gefahr, dass es zu einem sexuellen Verhältnis
oder zu einem Übergriff kommt.
Allerdings können solche Entscheidungen auch anders
ausfallen, sagt Patrizia Metzer von der Deutschen Gesellschaft für
Transsexualität und Intersexualität (DGTI). „Es gibt inzwischen flexiblere
Lösungen.“ Metzer befasst schon lange mit diesem Thema. Es gibt keine
Statistiken, wie hoch der Anteil Transsexueller an den Gefangenen ist.
Metzer kennt mehrere Häftlinge in Berlin und Brandenburg,
die trotz Männerkörpers in Frauengefängnissen leben, in Einzelzellen. Ob so
etwas geht, hängt immer vom Einzelfall ab, verbindliche juristische Leitlinien
fehlen. „Es ist eine Frage der Persönlichkeit, des Gefängnispsychiaters, der
Haftanstaltsleitung“, sagt Metzer, „und des Betroffenen selbst, wie er sich
anstellt.“
Keine Familie, keine Freunde
Sylvia Karrenbauer hat oft überlegt, was sie tun kann, um
Sandra O. zu helfen. Die Anwältin hat unter anderem versucht, sie in Kontakt
mit Transsexuellen-Vereinen zu bringen. Doch Sandra O. blockte ab. „Der
Anstaltspfarrer und ich waren ihre einzigen Bezugspersonen, es gab keine
Familie, keine Freunde.“
Die Juristin überquert den Marktplatz von Trier, steuert auf
ein Café zu und breitet ihre Unterlagen auf dem Tisch aus. Sie zögert vor jeder
Antwort, manches lässt sie offen. Als Anwältin ist sie an die Schweigepflicht
gebunden. Sie hatte O. ab 2010 als Pflichtverteidigerin vertreten.
Die Bewährungszeit war noch nicht abgelaufen, als im Winter
2011 ein Anruf bei der Anwältin einging. Sandra O. war wieder verhaftet worden,
wieder wegen Einbruchs. Diesmal stand sie in Cochem vor Gericht, angeklagt in
34 Fällen, nachgewiesen werden konnten ihr sieben.
Sandra O. drang in Schulen und Kitas ein, hin und wieder
auch in Firmen, Büros und in Behörden. Meist fand sie nur ein paar Euro, mal
hat sie nur eine Limo getrunken, mal ein paar Kekse gegessen. „Alles relativ
sinnlos“, sagt die Juristin. Es ist anzunehmen, dass es Sandra O. auch darum
ging, einen Schlafplatz zu finden. Sie hatte keinen festen Wohnsitz.
"So etwas gehört sich nicht"
Sylvia Karrenbauer berührte die Geschichte ihrer Mandantin.
Sie spürte, wie die Haftbedingungen ihr zugesetzt haben. „Es war für sie sehr
belastend.“ Die Juristin senkt ihren Blick, hängt kurz ihren Gedanken nach,
dreht den Silberring an ihrem Finger.
Die Situation im Gefängnis war eine Sache, eine andere die
Art, wie die Presse berichtete. „Sie wurde zum Objekt degradiert“, sagt Sylvia
Karrenbauer, zieht ihr Handy aus der Jackentasche und lässt einen RTL-Beitrag
laufen. Sandra O.s Foto ist zu sehen, bearbeitet mit Photoshop: Die
Transsexuelle mit Perücke und greller Schminke. Die Bild brachte ähnliche
Montagen. „Ich finde, so was gehört sich nicht.“
Dass Sandra O. geflohen ist, hat Sylvia Karrenbauer Anfang
Mai erfahren. Nach dem Prozess in Cochem war es zum Bruch zwischen ihr und
ihrer Mandantin gekommen. Nun ist sie in Sorge. Wenn es schlecht läuft, begeht
Sandra O. nun noch weitere Einbrüche. Für die Juristin macht der Fall deutlich,
wie dringend es wäre, die Gesetze zu überarbeiten. „Die Rechtslage ist
unbefriedigend“, sagt sie. „Es muss sich etwas ändern. Auch Minderheiten haben
Gehör verdient.“
Rund 100 Kilometer weiter nördlich steigt eine junge Frau
aus ihrem Auto. Vor ihr erhebt sich das Amtsgericht von Cochem an der Mosel,
ein Bau mit Rundbogenfenstern und Stufengiebel. Katja Thönnes vom Cochemer
Wochenspiegel hat über den Prozess berichtet. „Man weiß natürlich, dass da eine
Verhandlung stattfindet, die hier im ländlichen Raum nicht ganz so alltäglich
ist“, sagt sie, steigt die Treppe hinauf. Dann deutet sie in den Saal, wo das
Urteil gefallen ist. Parkett, an der Wand ein Mosaik: Mose empfängt die Zehn
Gebote.
Rein äußerlich ein Mann
Die Journalistin erinnert sich, dass Sandra O. in der
Verhandlung oft gesagt hat, dass sie in ein Frauengefängnis will, dass sie über
Mobbing in der JVA Koblenz klagte. Doch äußerlich, sagt sie, hatte Sandra O. wenig
an sich, was weiblich wirkte. „Wenn man sie gesehen hat, wäre man nie drauf
gekommen, dass sie sich für eine Frau hält.“
Die Redakteurin tritt auf die Straße, schlendert zu dem Café
gegenüber und kramt ihren Block hervor. Der Wochenspiegel ist ein Anzeigenblatt.
In Cochem, mit 5.000 Einwohnern die zweitkleinste Kreisstadt Deutschlands, war
der Prozess eine große Geschichte.
„Es gab damals viele Polizeimeldungen von Einbrüchen. Das
hatte für große Unruhe gesorgt“, sagt Katja Thönnes, blättert in ihren Notizen.
Gleich am ersten Prozesstag geriet Sandra O. mit den Journalisten aneinander.
Thönnes war mit ihrem Chef im Gericht, der richtete seine Kamera auf die
Angeklagte. Sandra O. trat nach ihnen, wollte auf sie losgehen. „Ihr Auftreten
war mehr als aggressiv.“ Der Wochenspiegel machte mit der Geschichte auf, die
Überschrift: „Ist diese Frau noch 'Herr' ihrer Sinne?“
Allmählich bricht die Mittagszeit in der JVA Diez an,
Gefängnisdirektor Jörg Schäfer läuft einen Korridor herunter, von dem die
Zellen abgehen, vereinzelt schieben Beamte Wagen voller Essensportionen vor
sich her. Auch Schäfer hat nicht vergessen, welche Schlagzeilen das Verfahren
gemacht hat. "Das war hier auf den Dörfern ein Riesenbohei."
Als Sandra O. zu ihm kam, hat er im Gesetz nachgelesen,
welche Möglichkeiten es für sie geben könnte. „Mir ist nicht ganz klar
geworden, wie das aktuell aussieht“, sagt Schäfer, ein promovierter Jurist. Er
riet ihr, sich selbst schlau zu machen. Stattdessen ist sie auf und davon.
„Wenn Sie mich persönlich fragen“, sagt Schäfer, „mir war klar, dass der in
einer Damenanstalt durchaus gut aufgehoben wäre.“
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