Copyright © 2011-2021 Nikita Noemi Rothenbächer- Alle
Rechte vorbehalten!
Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2013
Bitte kopiert den Link und gebt
diesen euren Verwandten, Freunde, Bekannten und Familie denn Information beugt
vor, einer Minderheit anzugehören!
HIV und Transsexuelle gibt es (k)ein Thema oder viele?
Wie kann man
sich ein Bild eines transsexuellen Menschen machen? Stellen Sie sich vor, Ihr
Körper wäre ein dunkles Gefängnis, in dem ihre Seele eingesperrt ist. Eine Zeit
lang können Sie mit diesem Zustand leben, bis es nicht mehr geht. Sie möchten
endlich ihre Seele befreien und so leben, wie es ihrem Naturell entspricht. Die
Persönlichkeit möchte sich entfalten, wie bei jedem anderen Menschen auch. Nur
bei Transsexuellen passen nun mal Geist, Seele und Körper nicht zusammen,
deshalb brauchen sie rechtliche, psychologische und medizinische Hilfe, bis sie
den Zustand erreicht haben, mit dem sie leben können. Nun dies könnte relativ
einfach sein, wenn Transsexuelle in einem Umfeld leben würden, dass Ihnen ihren
Weg, der nun mal sehr lang und steinig ist, erleichtern würde. Denn
Transsexuelle sind keine pauschal leidenden oder
kranken
Menschen, sondern Menschen wie jeder andere auch. Wir haben auch Berufe, wir
haben Familien, wir haben Freunde und alles, was wir nach unserem Geschlechtswechsel
haben wollen, ist ein Leben, was wir genießen können. Also wieder ein
Bedürfnis, was jeder andere Mensch auch hat.
HIV und Transsexuelle
gibt es (k)ein Thema oder viele?
Zu HIV bei
Transmännern und -frauen gibt es kaum wissenschaftliche Daten.
Fest steht
allerdings, dass diese aufgrund der mehrfachen Diskriminierung zu den
Risikogruppen gehören.
Seit dem
Erfolg der antiretroviralen Kombinationstherapien ist zumindest für die
westlichen Länder HIV ein immer weniger lebensbedrohliches Thema.
Die Neuinfektionsrisiken
verlagern sich zunehmend weg von schwulen Mittelstandsmännern, hin zu besonders
randständigen Gruppen der Gesellschaft, wie intravenöse Drogennutzer/innen*,
Wohnungslose, Migrant/innen, Bildungsverlierer/innen, Sexarbeiter/innen etc. – und
besonders solche, bei denen mehrere dieser Merkmale zusammen kommen.
Auch
Transgender, Transidente, Transsexuelle (kurz: Trans*) gehören zu den gesellschaftlich
besonders vulnerablen Gruppen, denen bisher im Rahmen der HIV/AIDS Bekämpfung
außerhalb der Entwicklungszusammenarbeit
wenig – in Deutschland keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde.
Dabei zeigen viele,
vor allem US-amerikanische Studien, dass Seropositivraten innerhalb urbaner Trans*-Communities
zwischen 22% und 63% liegen
Wenn wir
davon ausgehen, dass die Gesundheitssituation von Trans* in der bundesdeutschen
Gesellschaft nicht wesentlich von der in anderen westlichen Ländern abweicht,
kann also zunächst zu Recht vermutet werden:
Ja, Trans* und HIV
ist ein Thema. Aber wenn doch, welches bzw. wie viele und für wen?
Mehrfach benachteiligt!
Aufgrund der
gesellschaftlich stigmatisierten Lage von Trans*, fallen Trans* häufiger unter
weitere Benachteiligungskategorien, wie Trans* und wohnungslos, Trans* und
Suchtmittelgebrauch, Trans* und Arbeitslosigkeit, Trans* als Sexarbeiter/innen
etc.
Ein weiteres
Thema, das in die traurige Nähe zu Trans* zu rücken ist, ist die psycho-soziale
Gesundheit.
Depressionen
und eine hohe Selbstmordgefährdung können neben dem Risiko einer Neuinfizierung
u.U. auch die Testbereitschaft beeinflussen (es gibt Hinweise auf ein
„Under-Testing“ der Trans*-Community).
Aussagekräftige
Informationen zu Transmännern sind selbst im US amerikanischen Kontext rar,
aber Wissen zu besonderen Gefährdungssituationen existiert: niedriges
Einkommen, Erfahrungen mit sexueller Gewalt und Missbrauch, Diskriminierung und
soziale Isolation beschreiben viele transmännliche Lebenslagen.
Beim ersten
Erfahrungsaustausch zu trans* und HIV anlässlich des Kongresses „HIV im Dialog”
im August 2011 in Berlin, berichteten z.B. anwesende schwule Transmänner, dass
sie sich glücklich schätzen würden, wenn sich ein schwuler Cis-Mann überhaupt sexuell auf sie einlassen würde.
Welche Auswirkungen
auf Safer Sex Praktiken eine solch ungleiche Verteilung von (Ver-) Handlungsmacht
ggf. haben kann, ist bisher nicht erforscht.
Transsexuelle-Frauen
:
Die
Situation von Transfrauen scheint besonders prekär zu sein – ebenso wie ihr
(Nicht-) Einbezug in die europäische und deutsche MSM-Forschung.
Schon 2004
steht im HIV-Präventionsplan von San Francisco, dass die HIV-Prävalenz mit
17,5% unter Trans* allgemein überdurchschnittlich hoch ist und besonders Transfrauen
von HIV betroffen sind.
Afro-amerikanische
Transfrauen führten diese traurige Statistik mit 33% an.
Trotzdem sucht
man klinische Forschung zu Übertragungswegen via Neo-Genitale oder sozialwissenschaftliche
Forschung zu Trans* und HIV außerhalb einer Tätigkeit in der Sexarbeit
vergeblich.
Beispiel Sexarbeit!
Diverse Studien
siedeln den Anteil von trans* Frauen in der Gruppe der Sexarbeiterinnen in
großstädtischen Ballungsräumen bei 30% bis 40% an.
Eine
beachtliche Zahl, die obendrein in Deutschland ohne eine eigene Lobby, Community
und Infrastruktur geblieben ist, wie sie beispielsweise cis-weibliche Sexarbeiterinnen
zumindest in Großstädten (z.B. der Verein Hydra e.V.) haben.
Bedrohung
und körperliche Gewalt durch Freier, aber auch Legalisierung und das
risikoreichere Anschaffen auf der Straße erhöhen den Marginalisierungsgrad
zusätzlich.
Trotzdem
scheint: Das „Schutzniveau ist bei professionellen Kontakten von Transvestiten
und Transsexuellen relativ hoch“.
Je nach Stunden und Praktik schwankt das
Schutzniveau durch Präservativ zwischen 70% und 100%.
Zwischen den
bezahlten Sexarbeits- und unbezahlten Privat-Kontakten ist für Transfrauen
jedoch ein deutlicher Unterschied feststellbar.
Bei
Letzteren schützen sich Transfrauen offenbar deutlich weniger gut.
Höchstens
die Hälfte aller Transfrauen geben an, bei unbezahlten Sexualkontakten regelmäßig
Kondome gebraucht zu haben.
Auch hier können
als Motiv für die höhere Risikobereitschaft in Partnerschaften – ähnlich wie
bei Transmännern und zusätzlich zur besonderen Prekarität – soziale und emotionale
Isolation vermutet werden.
Weniger Schutz bei Privaten
Kontakten
Insgesamt
ergab eine Schweizer Studie, dass sich die Gruppe der trans* weiblichen
Sexarbeiter/innen allgemein durch eine hohe HIV-Prävalenz auszeichnet, selbst
bei denen, die keine Drogen injizieren.
Alles
zusammen genommen ein spannender Befund – hat sich doch bis dato die meiste
Forschung zu trans* und Sexarbeit auf die Praxis des Anschaffens und nicht etwa
auf den privaten und/oder trans* Bereich fokussiert.
Wieder
einmal sind es die USA, in denen eine der wenigen, solche Forschungslücken
schließenden Untersuchungen unternommen wurde.
Ihre
Ergebnisse zeigen: Das Stigma und die Diskriminierung, die der sozialen
Realität von Trans*entsprechen, sind die Hauptgründe, warum besonders
Transfrauen bereit sind, sich auf von Partnern verlangte Unsave Praktiken
einzulassen.
Blinder-fleck in der Aids-Aufklärung
Und was tut
die deutsche HIV/AIDS-Aufklärung?
Studien zu
Trans* und HIV, spezielles Info-Material oder Betroffenengruppen sucht man
bislang in Deutschland vergebens.
So erwähnte
beispielsweise das Berliner Entwicklungskonzept für die Prävention von HIV/AIDS
zwar die Bereiche Sexarbeit und Migration, ließ jedoch Trans* jeweils außen
vor.
Auch an
weitere Intersektionen, wie Illegalisierte ohne Krankenverssicherung, ältere
Schwule und homosexuelle Jugendliche wurde gedacht, jedoch nicht an die
Schnittstellen zu Trans*.
Das verwundert
wenig: unter den 25 zur Konzepterstellung befragten Expert/innen, deren Auswahl
sich eng an schwulen Community-Strukturen orientierte, befand sich keine
einziger Experte/in einer Trans*-Organisation, die es in Berlin durchaus und
mittlerweile auch in einer nie zuvor da gewesenen Vielfalt gibt.
Dabei würde
sich der im Konzept verfolgte Ansatz der Gesundheitskompetenz gut eignen, auch
die unterschiedlichen Lebens- und Gefährdungslagen von Trans* positiv zu
beeinflussen. Mehr Austausch darüber ist nötig.
Trans* und
HIV ist also aufgrund der multiplen Diskriminierungslagen nicht nur ein Thema,
sondern viele. Von klinischer Forschung zu ggf. bestehenden Besonderheiten bei
Übertragungswegen bei Neo-Genitalen, Krankheitsverläufen und Wirkung von
Kombi-Therapien bei gegengeschlechtlicher Hormonsubstitution bis zu
sozialwissenschaftlicher und/oder Public Health Forschung zur Lebens- und
Diskriminierungssituation.
Der
HIV-Dialog zu Trans* steht noch ganz am Anfang
Ich kann nur hoffen das dieser Bericht einigen die Augen öffnen vermag, denn hier geht es um das Leben
Verbleibe mit freundlichen Grüßen Nikita Noemi
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen