Donnerstag, 15. August 2013

Ja, Trans* und HIV ist ein Thema. Aber wenn doch, welches bzw. wie viele und für wen?


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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2013


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HIV und Transsexuelle gibt es (k)ein Thema oder viele?

Wie kann man sich ein Bild eines transsexuellen Menschen machen? Stellen Sie sich vor, Ihr Körper wäre ein dunkles Gefängnis, in dem ihre Seele eingesperrt ist. Eine Zeit lang können Sie mit diesem Zustand leben, bis es nicht mehr geht. Sie möchten endlich ihre Seele befreien und so leben, wie es ihrem Naturell entspricht. Die Persönlichkeit möchte sich entfalten, wie bei jedem anderen Menschen auch. Nur bei Transsexuellen passen nun mal Geist, Seele und Körper nicht zusammen, deshalb brauchen sie rechtliche, psychologische und medizinische Hilfe, bis sie den Zustand erreicht haben, mit dem sie leben können. Nun dies könnte relativ einfach sein, wenn Transsexuelle in einem Umfeld leben würden, dass Ihnen ihren Weg, der nun mal sehr lang und steinig ist, erleichtern würde. Denn Transsexuelle sind keine pauschal leidenden oder
kranken Menschen, sondern Menschen wie jeder andere auch. Wir haben auch Berufe, wir haben Familien, wir haben Freunde und alles, was wir nach unserem Geschlechtswechsel haben wollen, ist ein Leben, was wir genießen können. Also wieder ein Bedürfnis, was jeder andere Mensch auch hat.

HIV und Transsexuelle gibt es (k)ein Thema oder viele?

Zu HIV bei Transmännern und -frauen gibt es kaum wissenschaftliche Daten.
Fest steht allerdings, dass diese aufgrund der mehrfachen Diskriminierung zu den Risikogruppen gehören.

Seit dem Erfolg der antiretroviralen Kombinationstherapien ist zumindest für die westlichen Länder HIV ein immer weniger lebensbedrohliches Thema.

Die Neuinfektionsrisiken verlagern sich zunehmend weg von schwulen Mittelstandsmännern, hin zu besonders randständigen Gruppen der Gesellschaft, wie intravenöse Drogennutzer/innen*, Wohnungslose, Migrant/innen, Bildungsverlierer/innen, Sexarbeiter/innen etc. – und besonders solche, bei denen mehrere dieser Merkmale zusammen kommen.

Auch Transgender, Transidente, Transsexuelle (kurz: Trans*) gehören zu den gesellschaftlich besonders vulnerablen Gruppen, denen bisher im Rahmen der HIV/AIDS Bekämpfung außerhalb der  Entwicklungszusammenarbeit wenig – in Deutschland keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Dabei zeigen viele, vor allem US-amerikanische Studien, dass Seropositivraten innerhalb urbaner Trans*-Communities zwischen 22% und 63% liegen

Wenn wir davon ausgehen, dass die Gesundheitssituation von Trans* in der bundesdeutschen Gesellschaft nicht wesentlich von der in anderen westlichen Ländern abweicht, kann also zunächst zu Recht vermutet werden:

Ja, Trans* und HIV ist ein Thema. Aber wenn doch, welches bzw. wie viele und für wen?

Mehrfach benachteiligt!

Aufgrund der gesellschaftlich stigmatisierten Lage von Trans*, fallen Trans* häufiger unter weitere Benachteiligungskategorien, wie Trans* und wohnungslos, Trans* und Suchtmittelgebrauch, Trans* und Arbeitslosigkeit, Trans* als Sexarbeiter/innen etc.
Ein weiteres Thema, das in die traurige Nähe zu Trans* zu rücken ist, ist die psycho-soziale Gesundheit.

Depressionen und eine hohe Selbstmordgefährdung können neben dem Risiko einer Neuinfizierung u.U. auch die Testbereitschaft beeinflussen (es gibt Hinweise auf ein „Under-Testing“ der Trans*-Community).

Aussagekräftige Informationen zu Transmännern sind selbst im US amerikanischen Kontext rar, aber Wissen zu besonderen Gefährdungssituationen existiert: niedriges Einkommen, Erfahrungen mit sexueller Gewalt und Missbrauch, Diskriminierung und soziale Isolation beschreiben viele transmännliche Lebenslagen.

Beim ersten Erfahrungsaustausch zu trans* und HIV anlässlich des Kongresses „HIV im Dialog” im August 2011 in Berlin, berichteten z.B. anwesende schwule Transmänner, dass sie sich glücklich schätzen würden, wenn sich ein schwuler Cis-Mann  überhaupt  sexuell auf sie einlassen würde.

Welche Auswirkungen auf Safer Sex Praktiken eine solch ungleiche Verteilung von (Ver-) Handlungsmacht ggf. haben kann, ist bisher nicht erforscht.

Transsexuelle-Frauen :

Die Situation von Transfrauen scheint besonders prekär zu sein – ebenso wie ihr (Nicht-) Einbezug in die europäische und deutsche MSM-Forschung.
Schon 2004 steht im HIV-Präventionsplan von San Francisco, dass die HIV-Prävalenz mit 17,5% unter Trans* allgemein überdurchschnittlich hoch ist und besonders Transfrauen von HIV betroffen sind.

Afro-amerikanische Transfrauen führten diese traurige Statistik mit 33% an.

Trotzdem sucht man klinische Forschung zu Übertragungswegen via Neo-Genitale oder sozialwissenschaftliche Forschung zu Trans* und HIV außerhalb einer Tätigkeit in der Sexarbeit vergeblich.

Beispiel Sexarbeit!

Diverse Studien siedeln den Anteil von trans* Frauen in der Gruppe der Sexarbeiterinnen in großstädtischen Ballungsräumen bei 30% bis 40% an.

Eine beachtliche Zahl, die obendrein in Deutschland ohne eine eigene Lobby, Community und Infrastruktur geblieben ist, wie sie beispielsweise cis-weibliche Sexarbeiterinnen zumindest in Großstädten (z.B. der Verein Hydra e.V.) haben.
Bedrohung und körperliche Gewalt durch Freier, aber auch Legalisierung und das risikoreichere Anschaffen auf der Straße erhöhen den Marginalisierungsgrad zusätzlich.
Trotzdem scheint: Das „Schutzniveau ist bei professionellen Kontakten von Transvestiten und Transsexuellen relativ hoch“.

 Je nach Stunden und Praktik schwankt das Schutzniveau durch Präservativ zwischen 70% und 100%.

Zwischen den bezahlten Sexarbeits- und unbezahlten Privat-Kontakten ist für Transfrauen jedoch ein deutlicher Unterschied feststellbar.

Bei Letzteren schützen sich Transfrauen offenbar deutlich weniger gut.
Höchstens die Hälfte aller Transfrauen geben an, bei unbezahlten Sexualkontakten regelmäßig Kondome gebraucht zu haben.

Auch hier können als Motiv für die höhere Risikobereitschaft in Partnerschaften – ähnlich wie bei Transmännern und zusätzlich zur besonderen Prekarität – soziale und emotionale Isolation vermutet werden.

Weniger Schutz bei Privaten Kontakten

Insgesamt ergab eine Schweizer Studie, dass sich die Gruppe der trans* weiblichen Sexarbeiter/innen allgemein durch eine hohe HIV-Prävalenz auszeichnet, selbst bei denen, die keine Drogen injizieren.

Alles zusammen genommen ein spannender Befund – hat sich doch bis dato die meiste Forschung zu trans* und Sexarbeit auf die Praxis des Anschaffens und nicht etwa auf den privaten und/oder trans* Bereich fokussiert.

Wieder einmal sind es die USA, in denen eine der wenigen, solche Forschungslücken schließenden Untersuchungen unternommen wurde.

Ihre Ergebnisse zeigen: Das Stigma und die Diskriminierung, die der sozialen Realität von Trans*entsprechen, sind die Hauptgründe, warum besonders Transfrauen bereit sind, sich auf von Partnern verlangte Unsave Praktiken einzulassen.

Blinder-fleck in der Aids-Aufklärung

Und was tut die deutsche HIV/AIDS-Aufklärung?

Studien zu Trans* und HIV, spezielles Info-Material oder Betroffenengruppen sucht man bislang in Deutschland vergebens.

So erwähnte beispielsweise das Berliner Entwicklungskonzept für die Prävention von HIV/AIDS zwar die Bereiche Sexarbeit und Migration, ließ jedoch Trans* jeweils außen vor.

Auch an weitere Intersektionen, wie Illegalisierte ohne Krankenverssicherung, ältere Schwule und homosexuelle Jugendliche wurde gedacht, jedoch nicht an die Schnittstellen zu Trans*.

Das verwundert wenig: unter den 25 zur Konzepterstellung befragten Expert/innen, deren Auswahl sich eng an schwulen Community-Strukturen orientierte, befand sich keine einziger Experte/in einer Trans*-Organisation, die es in Berlin durchaus und mittlerweile auch in einer nie zuvor da gewesenen Vielfalt gibt.

Dabei würde sich der im Konzept verfolgte Ansatz der Gesundheitskompetenz gut eignen, auch die unterschiedlichen Lebens- und Gefährdungslagen von Trans* positiv zu beeinflussen. Mehr Austausch darüber ist nötig.

Trans* und HIV ist also aufgrund der multiplen Diskriminierungslagen nicht nur ein Thema, sondern viele. Von klinischer Forschung zu ggf. bestehenden Besonderheiten bei Übertragungswegen bei Neo-Genitalen, Krankheitsverläufen und Wirkung von Kombi-Therapien bei gegengeschlechtlicher Hormonsubstitution bis zu sozialwissenschaftlicher und/oder Public Health Forschung zur Lebens- und Diskriminierungssituation.

Der HIV-Dialog zu Trans* steht noch ganz am Anfang


Ich kann nur hoffen das dieser Bericht einigen die Augen öffnen vermag, denn hier geht es um das Leben

Verbleibe mit freundlichen Grüßen Nikita Noemi

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