Freitag, 16. Mai 2014

Nachrichten aus der Transgender Welt! Mai 2014


Nachrichten aus der Transgender Welt!
Im Mai
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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2013

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Nachrichten aus der Transgender Welt!

Die Transsexuelle Shazia geht in Neu-Delhi auf den Strich, verkauft ihren in Saris gehüllten Männerkörper an Freier. Doch das Leben der Inderin könnte sich bald schlagartig bessern.

Das letzte Mal, dass sie es mit der Staatsmacht zu tun bekam, ist fünf Wochen her: Shazia kam nachts aus dem Haus eines Freiers, den sie und eine Kollegin gerade bedient hatten. In westliche Minikleider gehüllt, liefen die beiden Transsexuellen durch Neu-Delhis Defence Colony, einen teuren Stadtteil, in dem auch viele Ausländer wohnen. "Eine Streife hielt uns an, die Polizisten beschimpften uns und nahmen uns mit", sagt die 22-jährige Shazia. Vier Tage wurden die beiden in Neu-Delhis berüchtigtem Tihar Gefängnis festgehalten, beschuldigt, "öffentliches Ärgernis" erregt zu haben.

Erst als eine Hilfsorganisation die Kaution hinterlegte, kamen die beiden Transsexuellen frei. Am Donnerstag ist die Anhörung vor Gericht, doch Shazia hofft, dass die Anklage vielleicht fallengelassen werden könnte. "Angeblich soll doch alles besser werden für uns", sagt sie. "Wenn der Staat das ernst meint, kann er gleich damit anfangen, indem er unseren Fall zu den Akten legt."
Dass Transsexuelle in Indien es künftig leichter haben sollen, hat der Oberste Gerichtshof des Landes Mitte April beschlossen: Danach müssen sich Transsexuelle künftig nicht mehr als Mann oder Frau registrieren lassen. In öffentlichen Dokumenten wie Ausweisen und Führerscheinen soll es bald die dritte Kategorie "Andere" geben.

Richterspruch im Sinne der Transsexuellen


Einschneidender als solche Formalitäten jedoch ist für die geschätzt zwei bis sechs Millionen Transsexuellen in Indien der Beschluss der Richter, die Transgender-Gemeinschaft als sozial und wirtschaftlich rückständig einzustufen. Denn damit haben Menschen wie Shazia bald Anspruch auf staatliche Hilfen, wie ihn auch Angehörige niederer Kasten erhalten. Sie haben dadurch einen leichteren Zugang zu Bildungseinrichtungen und Regierungsposten, von denen ein bestimmter Prozentsatz für benachteiligte Gemeinschaften reserviert ist.

Geht es also nach dem Staat, könnte Shazia in Kürze von der Sexarbeiterin zur Beamtin aufsteigen. Sie würde dann doch noch in die Fußstapfen ihrer Eltern treten: Shazia wuchs in einer Polizistenfamilie im am Fuße des Himalaja gelegenen Bundesstaat Uttarakhand auf, erzählt sie in den Räumen der Hilfsorganisation Adobe, die sich in Delhis Vorort Noida für Homo- und Transsexuelle einsetzt.

Dass sie sich als Frau fühlt, entdeckte sie als 14-Jährige: Sie begann auf ihrem von der Armee betriebenen Internat, sich für Mitschüler zu interessieren. Nachdem Shazia mehrmals bei Techtelmechteln mit anderen Jungs erwischt wurde, benachrichtigte die Schulleitung ihre Eltern: Die nahmen ihren Sohn, der lieber eine Tochter sein wollte, von der Schule und sperrten Shazia zu Hause ein. Ihren College-Abschluss in Geologie und Chemie ließen die Eltern Shazia nur per Fernstudium machen. Vor zwei Jahren riss sie aus und kam nach Delhi.

"Die meisten von uns sind doch Analphabeten"


Hier versuchte sich Shazia, die gut Englisch spricht, als Telefonistin in einem Callcenter. "Weil die Kunden da nicht sehen konnten, dass ich anders bin." Doch mit ihrer Aufmachung in knallfarbenen Saris, Lippenstift und viel Strass-Schmuck eckte sie auch bei ihren Kollegen an. "Vor neun Monaten habe ich gekündigt, seitdem gehe ich anschaffen", sagt Shazia. Von ihrem Verdienst zahlt sie ein weiteres Fernstudium, einen Bachelor in Sozialarbeit. Dabei könnte die wegweisende neue Gesetzgebung ihr helfen, hofft sie. "Vielleicht kann ich ein Stipendium bekommen und dann einen Job aus dem Minderheiten-Kontingent", sagt Shazia.

Sie ist in der indischen Transgender-Community Indiens die absolute Ausnahme. Dass auf dem Subkontinent demnächst Millionen Männer in Frauenkleidern hinter Schaltern und Schreibtischen sitzen, ist höchst unwahrscheinlich. "Die meisten von uns sind doch Analphabeten, wie sollen wir da einen Beamtenjob bekommen", sagt Mala, die Anführerin einer sogenannten Hijra-Gemeinschaft. Hijras waren im alten Indien Eunuchen, die in familienähnlichen Gruppen am Rande der Gesellschaft lebten und die ihren Lebensunterhalt damit verdienten, bei Hochzeiten und Geburten zu singen und zu tanzen.

"Transsexuelle der nächsten Generation werden wählen können"


Heute amputieren die meisten Transsexuelle ihre Genitalien nicht mehr, leben aber immer noch im alten Stil: Die Häuser der Hijras bieten die einzige Zuflucht für die jungen transsexuellen Männer, die in der Pubertät von ihren Familien verstoßen werden.
Auch Mala und ihre 250 Untergebenen wohnen zusammen und sprengen lärmend und singend Familienfeiern. Ihr Besuch gilt als Fluch und Segen zugleich: Zum einen muss viel Geld gezahlt werden, damit die ungeladenen Gäste wieder abziehen. Andererseits gilt das Auftauchen der Transsexuellen als glückliches Omen. Mala ist sich sicher, dass sich in ihrem Leben so schnell nichts verbessern wird, nur weil einige Richter eine Entscheidung fällen. Zufrieden ist sie trotzdem. "So fängt Fortschritt an. Wir haben keine Chance gehabt, ein anderes Leben zu führen als das einer Hijra. Doch die Transsexuellen der nächsten Generation werden wählen können, was sie aus ihrem Leben machen wollen."

Ob Shazia tatsächlich in den Genuss der neuen Privilegien kommt, steht und fällt damit, ob sie angesichts der neuen Gesetzeslage eine bereits getroffene Entscheidung rückgängig macht. Eigentlich hatte sie beschlossen, eine Geschlechtsumwandlung vorzunehmen, die Hormonbehandlung vor der Operation läuft schon. Doch wenn sich Shazia zur Frau umoperieren lässt, verlöre sie alle ihr gerade zugesprochenen Rechte und stünde da, wo eine halbe Milliarde indischer Frauen stehen: auf der Verliererseite. "Nur dafür, dass man eine Frau ist, bekommt man hier kein Stipendium", sagt sie.


Indisches Gericht erkennt drittes Geschlecht an


Nicht Mann, nicht Frau - der Oberste Gerichtshof in Indien hat jetzt ein drittes Geschlecht anerkannt. Das Gericht ändert das Recht für Millionen Menschen.

Neu Delhi - Indiens Oberster Gerichtshof hat in einem wegweisenden Urteil neben Frauen und Männern ein drittes Geschlecht anerkannt. Laut der Agentur IANS soll es künftig in öffentlichen Dokumenten wie Führerscheinen oder Ausweisen neben den Kästchen "Mann" und "Frau" eine dritte Kategorie geben.

Bis jetzt wurden Transsexuelle, sogenannte Hijras, dazu gezwungen, sich einer der zwei gängigen Kategorien zuzuordnen. Laut "Times of India" wird ein drittes Geschlecht in Indien damit zum ersten Mal offiziell anerkannt.
Zu Hijras zählen sowohl Eunuchen, also Männer, die sich einer Kastration unterzogen haben, als auch Menschen, die beide Geschlechtsmerkmale aufweisen. Wie viele Hijras in Indien leben ist nicht ganz sicher. Laut Medienberichten bewegen sich die Schätzungen zwischen zwei und sechs Millionen.

Das Gericht sorgte sich laut "Times of India" darum, dass Transgender in Indien belästigt und diskriminiert würden. Die Polizei missbrauche demnach den Paragrafen 377 des indischen Strafgesetzbuches, der sexuelle Handlungen "gegen die natürliche Ordnung" kriminalisiere. Auch Homosexualität ist in Indien seit Dezember 2013 wieder strafbar. Oft leben Hijras in isolierten Gemeinschaften und verdienen ihren Lebensunterhalt mit Singen und Tanzen oder Prostitution.

Anspruch auf staatliche Hilfen


Das Gericht verfügte weiter, die Transgender-Gemeinschaften sollten als sozial und wirtschaftlich rückständig betrachtet werden. Damit haben sie Anspruch auf staatliche Hilfen, die auch niedere Kasten erhalten. Sie haben dadurch einen leichteren Zugang zu Bildungseinrichtungen und Jobs, da ein bestimmter Prozentsatz für benachteiligte Gemeinschaften reserviert ist.
Außerdem berichtete das Blatt, das Gericht habe die Politik dazu aufgerufen, mit einer öffentlichen Kampagne der sozialen Stigmatisierung der Transgender-Gemeinde entgegenzuwirken. Die Bundestaaten seien angehalten, öffentliche Toiletten zu entwerfen, die den besonderen Bedürfnissen von Menschen, die sich weder als Mann noch Frau sehen, gerecht werden.

Vertreter der Transgender-Gemeinde bejubelten das Urteil des Obersten Gerichtshofes als historisch. "Heute fühle ich mich zum ersten Mal stolz, ein Inder zu sein", sagte der Eunuch Laxmi Narayan Tripathi, der zu einer Gruppe von Aktivisten gehört, die den Antrag vor zwei Jahren einbrachten.


Neues Gesetz: Kalifornien stärkt Rechte von Transgender-Schülern

Als erster Bundesstaat in den Vereinigten Staaten hat Kalifornien ein Gesetz zu den Rechten von Transgender-Schülern verabschiedet. In Zukunft dürfen diese selbst entscheiden, welche Sportart sie betreiben oder welche Toilette sie aufsuchen wollen.

Los Angeles - Eine neue Verordnung verpflichtet öffentliche Bildungseinrichtungen im US-Bundesstaat Kalifornien, dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche vom Kindergartenalter bis in die zwölfte Klasse nach Belieben die Toilette für Jungs oder Mädchen aufsuchen dürfen. Auch bei der Wahl der Sportarten sind diese Schüler ab jetzt frei, hieß es.

Eltern hatten in der Vergangenheit beklagt, dass betroffene Schüler von wichtigen Schulaktivitäten ausgeschlossen worden seien und sich teilweise aufgrund der Diskriminierung gar nicht mehr in ihre Klasse getraut hätten.
Auch die US-Bundesstaaten Massachusetts und Connecticut schützen bereits die Rechte von Transgender-Personen, Kalifornien hat sie aber erstmals in einem Gesetz festgeschrieben. Der Entwurf 1266 für Erfolg und Chancengleichheit in der Schule war mit 21 zu 9 Stimmen im kalifornischen Senat verabschiedet worden. Gouverneur Jerry Brown unterzeichnete das Gesetz, das am 1. Januar in Kraft tritt.

Ashton Lee, ein 16-jähriger Transgender-Junge aus Manteca, der ins Highschool-Football-Team aufgenommen werden wollte, hatte sich im vergangenen Monat vor dem Bildungskomitee des Senats geäußert: "Ich will einfach nur wie alle anderen Jungen behandelt werden", zitiert ihn der Nachrichtensender CNN. "Aber meine Schule zwingt mich, am Mädchen-Sportunterricht teilzunehmen und als jemand zu leben, der ich nicht bin." Er könne nicht erfolgreich lernen, wenn er sich jeden Tag in der Klasse isoliert und alleingelassen fühle, so Lee.

Während Unterstützergruppen wie das Transgender Law Center die Entscheidung begrüßten, bemängelten Kritiker des Gesetzes, die Privatsphäre und die Rechte der anderen Kinder seien bedroht. "Es gibt jugendliche Triebtäter", warnte der republikanische Senator Jim Nielsen. "Ich garantiere, dass es welche gibt, die die Gelegenheit ausnutzen werden."

"Werden Transgender-Schüler anderen Kindern Unbehagen bereiten?", fragte der Autor des Entwurfs, der Demokrat Tom Ammiano, rhetorisch. "Vielleicht", so seine Antwort. "Ich will das nicht kleinreden, aber neue Erfahrungen sind oft unbequem. Das kann aber keine Entschuldigung sein für Vorurteile."


USA: Richter genehmigt Geschlechtsumwandlung für Häftling
Erstmals hat in den USA ein Richter einem Häftling erlaubt, eine Geschlechtsumwandlung durchführen zu lassen. Der Insasse habe ein Recht auf eine angemessene Behandlung seines medizinischen Bedürfnisses, heißt es in der Urteilsbegründung.

Boston - Im US-Bundesstaat Massachusetts hat ein Gericht die Geschlechtsumwandlung für den Häftling Robert Kosilek genehmigt. Bezirksrichter Mark Wolf entschied am Dienstag, dass der 1990 wegen Mordes an seiner Frau verurteilte Mann sich einer entsprechenden Operation unterziehen dürfe.

Wolf befand, Kosilek habe das Recht "auf angemessene medizinische Behandlung seines ernsten medizinischen Bedürfnisses". Er berief sich dabei auf die US-Verfassung, die grausame und unübliche Bestrafungen verbietet.
Kosilek wurde als Mann geboren, hat sich aber bereits einer Hormontherapie unterzogen und lebt heute als Frau namens Michelle in einer Strafanstalt für Männer. Die Gefängnisverwaltung hatte die Geschlechtsumwandlung abgelehnt und argumentiert, Kosilek könne dadurch für seine Mitgefangenen zum leichten Opfer werden. Das Gericht befand jedoch, es handle sich um ein vorgeschobenes Argument. Es sei Sache der Strafvollzugsbehörden zu entscheiden, ob Kosilek künftig in ein Männer- oder Frauengefängnis komme.

Kritiker wie der republikanische Senator Scott Brown brandmarkten die Entscheidung als "unfassbaren Missbruch von Steuergeldern", Anwälte werteten das Urteil als wichtiges Signal auf dem Weg zur Anerkennung der Geschlechtsidentitätsstörung als medizinische Diagnose.

Brown hatte 2008 eine Gesetzesänderung angestrengt, die es verbieten sollte, Steuergelder für solche Eingriffe bei Häftlingen zu nutzen - vergeblich. "Uns stehen als Nation viele große Herausforderungen bevor - aber dazu gehört nicht, Häftlingen Geschlechtsumwandlungen zu finanzieren", sagte er.

Geschlechts-OP für Transsexuelle: Fremd im eigenen Körper
Innen Frau und außen Mann oder umgekehrt: Transsexuelle fühlen sich im falschen Körper geboren - und darin gefangen. Viele wünschen sich einen chirurgischen Eingriff, der ihr Geschlecht verändert.

Schon vor der Angleichung leben die Betroffenen im Alltag im gewünschten Geschlecht
Anders als bei Intersexuellen ist das Geschlecht bei Transsexuellen körperlich eindeutig festgelegt. Sie empfinden es aber als falsch. Ein Transsexueller mit männlichem Körper wünscht sich ein weibliches Aussehen, er fühlt sich als Frau. Umgekehrt ist es genauso. Den Wunsch erfüllen sich viele mit einer Operation.

Heute spricht man dabei nicht mehr von einer Geschlechtsumwandlung, sondern von einer Angleichung des Geschlechts. Das ist medizinisch korrekter - weil nur der Körper verändert wird, nicht das Genom. Und es kommt dem Empfinden Transsexueller näher: Sie erleben die Operation als äußere Angleichung an ihre Identität als Mann oder Frau.
Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen für eine Geschlechtsangleichung. Allerdings nur, wenn Betroffene vorher in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung waren. Sie müssen einen "krankheitswertigen Leidensdruck" durch ihre Transsexualität belegen, der sich nur durch die Operation lindern lässt. Und sie müssen schon einige Zeit in der Rolle des Wunschgeschlechts gelebt haben.

Hohes Maß an Verzweiflung


Enver Özgür arbeitet als Chirurg an der Uni-Klinik Köln und operiert dort Transsexuelle. Viele seien so verzweifelt, dass sie lieber selbst für den Eingriff zahlen wollen, als länger auf die Bewilligung durch die Krankenkasse zu warten. "Dann operiere ich aber nicht. Wegen der hohen Kosten bitte ich die Patienten abzuwarten", sagt der Chirurg. Özgür bietet die Veränderung vom Mann zur Frau an. Sie kostet zwischen 10.000 und 15.000 Euro. Läuft der Eingriff einmal nicht nach Plan, sind die Kosten schnell noch höher.

Özgürs Patienten leben im Alltag bereits als Frau. Sie nehmen weibliche Geschlechtshormone, die ihnen Brüste wachsen lassen. Schon vor dem Eingriff sehen viele sehr weiblich aus. Für den Eingriff selbst wählt Özgür das insgesamt gängigste Operationsverfahren: Operateure machen sich dabei zu Nutze, dass sich männliche und weibliche Genitalien aus den gleichen Anlagen heraus entwickelt haben und sich umformen lassen.

Zunächst werden dazu die Schwellkörper aus dem Penis entfernt. Der Schaft als schlauchartiger äußerer Teil bleibt erhalten. Er wird in einen Hohlraum umgestülpt, der im Körper zwischen Darm und Harnröhre freigelegt wird. So entsteht eine künstliche Scheide. Aus der Gliedspitze wird die Klitoris erzeugt. Nach dem Entfernen der Hoden werden schließlich noch Schamlippen aus den verbliebenen Hodensäcken geformt. Um eine funktionstüchtige neue Scheide - Chirurgen sprechen von Neo-Vagina - zu erhalten, sind oft zwei Eingriffe nötig.

Bei Operationsfehlern können Harnröhre oder Darm verletzt werden. Im schlimmsten Fall müssen Patienten dann einige Monate mit einem künstlichen Darmausgang leben. "95 Prozent der Eingriffe gelingen aber ohne größere Komplikationen", sagt Özgür. Nach sechs bis acht Wochen können die neuen Frauen Geschlechtsverkehr haben.

Angleichung zum Mann ungleich aufwendiger


Die Angleichung einer Frau zum Mann bietet Özgür nicht an. Es ist ein komplizierterer Eingriff, der mehrere Operationen erfordert. Zunächst werden dabei Brustgewebe, Eierstöcke, Gebärmutter und Scheide entfernt. Ein künstlicher Penis wird entweder aus der Klitoris moduliert, die durch eine Hormontherapie vergrößert wurde. Er ist dann sehr klein. Oder es wird Gewebe von anderen Körperbereichen, wie zum Beispiel dem Rücken, entnommen, um damit ein normalgroßes Glied zu formen.
In den künstlichen Penis wird dann ein Implantat eingearbeitet, mit dem er sich für den Geschlechtsverkehr aufpumpen lässt. Imitate aus Silikon ersetzen die Hoden. Genau wie bei der Mann-zu-Frau-Variante müssen Operierte bis an ihr Lebensende Geschlechtshormone des Wunschgeschlechts zu sich nehmen: Der neue Körper kann diese nicht produzieren. Die Hormone beeinflussen unter anderem Stimme, Körperbehaarung, Brust- oder Muskelwachstum.

Zu den üblichen Operationsrisiken kommt bei Geschlechtsangleichungen eine weitere Gefahr: Die Fähigkeit zum Orgasmus kann danach beeinträchtigt sein, insbesondere bei Patienten, deren Penis aus Transplantaten geformt wurde. Bei den Mann-zu-Frau-Operationen bleibt die sexuelle Empfindsamkeit laut Özgür aber fast immer erhalten. Einige Frauen hätten sogar berichtet, seit dem Eingriff mehr Freude am Sex zu haben, sagt der Chirurg: "Medizinisch lässt sich das nicht erklären, aber es freut mich natürlich für sie."

Recht auf Unversehrtheit: Verbände fordern Operationsverbot intersexueller Kinder
Mädchen oder Junge? In manchen Fällen ist die Antwort nicht eindeutig.

Männlich oder weiblich? Nicht immer ist die Antwort eindeutig. Künftig muss das Geschlecht von intersexuellen Babys in der Geburtsurkunde nicht erfasst werden. Aktivisten fordern: Geschlechts-OPs dürfen frühestens in der Pubertät stattfinden.

Für die meisten werdenden Eltern ist es ein spannender Moment, wenn sie in der Frauenarztpraxis auf das Ultraschallbild blicken: Wird es ein Junge oder ein Mädchen? Doch manchmal ist die Antwort nicht klar - auch nach der Geburt nicht. Etwa eines von 4500 Babys wird mit uneindeutigem Geschlecht geboren.

Mediziner sprechen dann von einem intersexuellen Menschen. Bei ihnen weichen die inneren Geschlechtsorgane oft von den äußeren ab, oder vom chromosomalen Geschlecht. Ein Mensch mit männlichen XY-Chromosomen etwa kann äußerlich eine Frau sein. Ein anderer mit dem weiblichen Chromosomensatz XX kann eher als Mann erscheinen. Es gibt Misch- und Zwischenformen von Hoden und Eierstöcken, Klitoris und Penis.
Vom ersten November an soll das beim Eintrag ins Geburtenregister berücksichtigt werden: Anstatt ihr intersexuelles Kind der Kategorie männlich oder weiblich zuzuordnen, können Eltern den Punkt nun offen lassen.

"Ein Schritt in die richtige Richtung" sagt Lucie Veith, Vorsitzende des Bundesverband Intersexuelle Menschen. Obwohl sie auch Nachteile fürchtet, etwa, dass Kinder dadurch in der Schule "zwangsgeoutet" und diskriminiert werden könnten. Zudem fordern die Intersexuellen-Vereine noch etwas anderes: Sie wollen verbieten lassen, Kinder weiter auf ein Geschlecht hin zu operieren, das Eltern und Ärzte für sie bestimmen. Medizinisch sei das so gut wie nie nötig, sagt Veith. "Das Recht auf körperliche Unversehrtheit wird damit verletzt." Aktivisten von Zwischengeschlecht.org sprechen sogar von "verstümmelnden kosmetische Genitaloperationen an Kindern", die man dringend stoppen müsse.

Unnötige Eingriffe stoppen


Viele der heute erwachsenen Intersexuellen haben als Kind schmerzhafte und traumatische Behandlungen erlebt. Und immer noch sind umstrittene Eingriffe üblich. So wird Kindern, um sie zum Mädchen zu machen, eine Vaginalplastik angelegt - eine chirurgisch erzeugte Scheide. Damit diese nicht wieder zuwächst, müssen regelmäßig Fremdkörper eingeführt werden, bougieren lautet der Fachbegriff dafür.

"Ich habe von vielen gehört, die das wie einen regelmäßigen sexuellen Übergriff erlebten", sagt Veith. Die so Operierten sollen vaginalen Geschlechtsverkehr mit einem Mann haben können. Ob sie aber überhaupt einem Geschlecht angepasst werden wollen und wenn ja welchem, sollten Betroffene selbst entscheiden, sagt Veith - wenn sie die sexuelle Reife haben. "Medizinisch nicht notwendige Eingriffe vor dem 16. Lebensjahr gehören verboten."

"Mit dem Bestreben eindeutige Körper zu produzieren, wird dem Kind unter Umständen etwas übergestülpt, was es nicht möchte", sagt auch Sexualwissenschaftlerin Hertha Richter-Appelt vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Allerdings seien nicht alle Menschen, die als Kind operiert wurden, später unglücklich. Ein operiertes Kind könne den Eltern später vorwerfen "Warum habt ihr bloß?", ein nicht operiertes "Warum habt ihr bloß nicht?".

"Wenn es darum geht, eindeutig festzustellen, was wirklich besser für die Kinder ist, müssen wir ehrlich sein und sagen: Wir wissen es oft nicht genau", sagt Richter-Appelt. Sie empfiehlt, bis zur Pubertät mit geschlechtszuweisenden Eingriffen abzuwarten.

Neue Richtlinien sind notwendig


Susanne Krege operiert im Krankenhaus Maria-Hilf in Krefeld intersexuell geborene Kinder, am häufigsten genetische Mädchen mit dem Adrenogenitalen Syndrom (AGS). Bei dieser Stoffwechselstörung entsteht schon während der embryonalen Entwicklung ein Überschuss an männlichen Geschlechtshormonen. Viele AGS-Mädchen werden deshalb mit einer vergrößerten Klitoris geboren, die an einen kleinen Penis erinnern kann. In der Regel wird diese operativ verkleinert, der Eingriff kann die sexuelle Empfindsamkeit reduzieren.

Bei den modernen Operationsmethoden sei das aber selten, sagt Krege. Sie führt den Eingriff nur dann noch bei Babys durch, wenn Eltern stark darauf drängen. Meist rät sie abzuwarten, wie sich ein Kind entwickelt. Die Vaginalplastik bietet sie an, wenn Mädchen reif genug erscheinen, um das Bougieren selbst durchzuführen. Vielen intersexuellen Kindern wurden früher in der Körperhöhle liegende Hoden entfernt, was eine lebenslange Hormonersatztherapie erforderlich macht. Auch damit warte man nun eher ab, sagt Krege, es sei denn, die Krebsgefahr sei dadurch sehr stark erhöht.
Die Intersexuellen-Verbände sagen: Es wird noch immer zu viel und zu früh operiert. Krege hingegen glaubt: "Die Ärzte, die sich intensiver mit der Problematik befasst haben, tun das heute nicht mehr." Neue Richtlinien sollen demnächst erarbeitet werden.

Für Lucie Veith geht es nicht nur darum wann, sondern auch ob die Operationen tatsächlich nötig sind. "Auch als Intersexueller kann man nämlich ein glücklicher Mensch sein."

INTERSEXUALITÄT

Der Deutsche Ethikrat definiert den Begriff in einfachen Worten: Intersexuelle sind demnach "Menschen, die sich aufgrund von körperlichen Besonderheiten des Geschlechts nicht eindeutig als männlich oder weiblich einordnen lassen".

Man darf sich dabei auch kein eindeutig beschreibbares "Zwischengeschlecht" vorstellen. Zwischen männlich und weiblich gibt es ein Feld der Varianz mit hochgradig unterschiedlichen Ausprägungen. Es gibt genetische Variationen zum üblichen XX- oder XY-Muster, von denen selbst die Betroffenen mitunter nichts erfahren.

Es gibt scheinbar eindeutige Sexualitäten, die hormonell induziert in Fluss geraten. Es gibt Kombinationen geschlechtlicher Merkmale, die sichtbar sind und solche, für die das nicht gilt. Selten gibt es sogar Fälle, in denen nicht alle Zellen eines menschlichen Körpers das gleiche Geschlecht haben. Man kann Intersexualität also als Sammelbegriff verstehen.

Immer aber gilt: Intersexualität ist körperlich definiert - im Gegensatz zur Transsexualität, bei der das eigene Empfinden nicht mit dem Geschlecht korrelliert. Intersexuelle können sich selbst als Mann oder Frau, als Gemischt-geschlechtlich in Abstufungen oder als eigenständiges Geschlecht empfinden.

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