Nachrichten aus der Transgender Welt!
Im Mai
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Nachrichten aus der Transgender Welt!
Die Transsexuelle
Shazia geht in Neu-Delhi auf den Strich, verkauft ihren in Saris gehüllten
Männerkörper an Freier. Doch das Leben der Inderin könnte sich bald schlagartig
bessern.
Das letzte Mal, dass sie es mit der Staatsmacht zu tun
bekam, ist fünf Wochen her: Shazia kam nachts aus dem Haus eines Freiers, den
sie und eine Kollegin gerade bedient hatten. In westliche Minikleider gehüllt,
liefen die beiden Transsexuellen durch Neu-Delhis Defence Colony, einen teuren
Stadtteil, in dem auch viele Ausländer wohnen. "Eine Streife hielt uns an,
die Polizisten beschimpften uns und nahmen uns mit", sagt die 22-jährige
Shazia. Vier Tage wurden die beiden in Neu-Delhis berüchtigtem Tihar Gefängnis
festgehalten, beschuldigt, "öffentliches Ärgernis" erregt zu haben.
Erst als eine Hilfsorganisation die Kaution hinterlegte,
kamen die beiden Transsexuellen frei. Am Donnerstag ist die Anhörung vor
Gericht, doch Shazia hofft, dass die Anklage vielleicht fallengelassen werden
könnte. "Angeblich soll doch alles besser werden für uns", sagt sie.
"Wenn der Staat das ernst meint, kann er gleich damit anfangen, indem er
unseren Fall zu den Akten legt."
Dass Transsexuelle in Indien es künftig leichter haben
sollen, hat der Oberste Gerichtshof des Landes Mitte April beschlossen: Danach
müssen sich Transsexuelle künftig nicht mehr als Mann oder Frau registrieren
lassen. In öffentlichen Dokumenten wie Ausweisen und Führerscheinen soll es
bald die dritte Kategorie "Andere" geben.
Richterspruch im Sinne der Transsexuellen
Einschneidender als solche Formalitäten jedoch ist für die
geschätzt zwei bis sechs Millionen Transsexuellen in Indien der Beschluss der
Richter, die Transgender-Gemeinschaft als sozial und wirtschaftlich rückständig
einzustufen. Denn damit haben Menschen wie Shazia bald Anspruch auf staatliche
Hilfen, wie ihn auch Angehörige niederer Kasten erhalten. Sie haben dadurch
einen leichteren Zugang zu Bildungseinrichtungen und Regierungsposten, von
denen ein bestimmter Prozentsatz für benachteiligte Gemeinschaften reserviert
ist.
Geht es also nach dem Staat, könnte Shazia in Kürze von der
Sexarbeiterin zur Beamtin aufsteigen. Sie würde dann doch noch in die
Fußstapfen ihrer Eltern treten: Shazia wuchs in einer Polizistenfamilie im am
Fuße des Himalaja gelegenen Bundesstaat Uttarakhand auf, erzählt sie in den
Räumen der Hilfsorganisation Adobe, die sich in Delhis Vorort Noida für Homo-
und Transsexuelle einsetzt.
Dass sie sich als Frau fühlt, entdeckte sie als 14-Jährige:
Sie begann auf ihrem von der Armee betriebenen Internat, sich für Mitschüler zu
interessieren. Nachdem Shazia mehrmals bei Techtelmechteln mit anderen Jungs
erwischt wurde, benachrichtigte die Schulleitung ihre Eltern: Die nahmen ihren
Sohn, der lieber eine Tochter sein wollte, von der Schule und sperrten Shazia
zu Hause ein. Ihren College-Abschluss in Geologie und Chemie ließen die Eltern
Shazia nur per Fernstudium machen. Vor zwei Jahren riss sie aus und kam nach
Delhi.
"Die meisten von uns sind doch Analphabeten"
Hier versuchte sich Shazia, die gut Englisch spricht, als
Telefonistin in einem Callcenter. "Weil die Kunden da nicht sehen konnten,
dass ich anders bin." Doch mit ihrer Aufmachung in knallfarbenen Saris,
Lippenstift und viel Strass-Schmuck eckte sie auch bei ihren Kollegen an. "Vor
neun Monaten habe ich gekündigt, seitdem gehe ich anschaffen", sagt
Shazia. Von ihrem Verdienst zahlt sie ein weiteres Fernstudium, einen Bachelor
in Sozialarbeit. Dabei könnte die wegweisende neue Gesetzgebung ihr helfen,
hofft sie. "Vielleicht kann ich ein Stipendium bekommen und dann einen Job
aus dem Minderheiten-Kontingent", sagt Shazia.
Sie ist in der indischen Transgender-Community Indiens die
absolute Ausnahme. Dass auf dem Subkontinent demnächst Millionen Männer in
Frauenkleidern hinter Schaltern und Schreibtischen sitzen, ist höchst
unwahrscheinlich. "Die meisten von uns sind doch Analphabeten, wie sollen
wir da einen Beamtenjob bekommen", sagt Mala, die Anführerin einer
sogenannten Hijra-Gemeinschaft. Hijras waren im alten Indien Eunuchen, die in
familienähnlichen Gruppen am Rande der Gesellschaft lebten und die ihren
Lebensunterhalt damit verdienten, bei Hochzeiten und Geburten zu singen und zu
tanzen.
"Transsexuelle der nächsten Generation werden wählen können"
Heute amputieren die meisten Transsexuelle ihre Genitalien
nicht mehr, leben aber immer noch im alten Stil: Die Häuser der Hijras bieten
die einzige Zuflucht für die jungen transsexuellen Männer, die in der Pubertät
von ihren Familien verstoßen werden.
Auch Mala und ihre 250 Untergebenen wohnen zusammen und
sprengen lärmend und singend Familienfeiern. Ihr Besuch gilt als Fluch und
Segen zugleich: Zum einen muss viel Geld gezahlt werden, damit die ungeladenen
Gäste wieder abziehen. Andererseits gilt das Auftauchen der Transsexuellen als
glückliches Omen. Mala ist sich sicher, dass sich in ihrem Leben so schnell
nichts verbessern wird, nur weil einige Richter eine Entscheidung fällen.
Zufrieden ist sie trotzdem. "So fängt Fortschritt an. Wir haben keine
Chance gehabt, ein anderes Leben zu führen als das einer Hijra. Doch die
Transsexuellen der nächsten Generation werden wählen können, was sie aus ihrem
Leben machen wollen."
Ob Shazia tatsächlich in den Genuss der neuen Privilegien
kommt, steht und fällt damit, ob sie angesichts der neuen Gesetzeslage eine
bereits getroffene Entscheidung rückgängig macht. Eigentlich hatte sie
beschlossen, eine Geschlechtsumwandlung vorzunehmen, die Hormonbehandlung vor
der Operation läuft schon. Doch wenn sich Shazia zur Frau umoperieren lässt,
verlöre sie alle ihr gerade zugesprochenen Rechte und stünde da, wo eine halbe
Milliarde indischer Frauen stehen: auf der Verliererseite. "Nur dafür,
dass man eine Frau ist, bekommt man hier kein Stipendium", sagt sie.
Indisches Gericht erkennt drittes Geschlecht an
Nicht Mann, nicht Frau - der Oberste Gerichtshof in
Indien hat jetzt ein drittes Geschlecht anerkannt. Das Gericht ändert das Recht
für Millionen Menschen.
Neu Delhi - Indiens Oberster Gerichtshof hat in einem
wegweisenden Urteil neben Frauen und Männern ein drittes Geschlecht anerkannt.
Laut der Agentur IANS soll es künftig in öffentlichen Dokumenten wie
Führerscheinen oder Ausweisen neben den Kästchen "Mann" und
"Frau" eine dritte Kategorie geben.
Bis jetzt wurden Transsexuelle, sogenannte Hijras, dazu
gezwungen, sich einer der zwei gängigen Kategorien zuzuordnen. Laut "Times
of India" wird ein drittes Geschlecht in Indien damit zum ersten Mal
offiziell anerkannt.
Zu Hijras zählen sowohl Eunuchen, also Männer, die sich
einer Kastration unterzogen haben, als auch Menschen, die beide
Geschlechtsmerkmale aufweisen. Wie viele Hijras in Indien leben ist nicht ganz
sicher. Laut Medienberichten bewegen sich die Schätzungen zwischen zwei und
sechs Millionen.
Das Gericht sorgte sich laut "Times of India"
darum, dass Transgender in Indien belästigt und diskriminiert würden. Die
Polizei missbrauche demnach den Paragrafen 377 des indischen Strafgesetzbuches,
der sexuelle Handlungen "gegen die natürliche Ordnung"
kriminalisiere. Auch Homosexualität ist in Indien seit Dezember 2013 wieder
strafbar. Oft leben Hijras in isolierten Gemeinschaften und verdienen ihren
Lebensunterhalt mit Singen und Tanzen oder Prostitution.
Anspruch auf staatliche Hilfen
Das Gericht verfügte weiter, die Transgender-Gemeinschaften
sollten als sozial und wirtschaftlich rückständig betrachtet werden. Damit
haben sie Anspruch auf staatliche Hilfen, die auch niedere Kasten erhalten. Sie
haben dadurch einen leichteren Zugang zu Bildungseinrichtungen und Jobs, da ein
bestimmter Prozentsatz für benachteiligte Gemeinschaften reserviert ist.
Außerdem berichtete das Blatt, das Gericht habe die Politik
dazu aufgerufen, mit einer öffentlichen Kampagne der sozialen Stigmatisierung
der Transgender-Gemeinde entgegenzuwirken. Die Bundestaaten seien angehalten,
öffentliche Toiletten zu entwerfen, die den besonderen Bedürfnissen von
Menschen, die sich weder als Mann noch Frau sehen, gerecht werden.
Vertreter der Transgender-Gemeinde bejubelten das Urteil des
Obersten Gerichtshofes als historisch. "Heute fühle ich mich zum ersten
Mal stolz, ein Inder zu sein", sagte der Eunuch Laxmi Narayan Tripathi,
der zu einer Gruppe von Aktivisten gehört, die den Antrag vor zwei Jahren
einbrachten.
Neues Gesetz: Kalifornien stärkt Rechte von Transgender-Schülern
Als erster Bundesstaat in den Vereinigten Staaten hat
Kalifornien ein Gesetz zu den Rechten von Transgender-Schülern verabschiedet.
In Zukunft dürfen diese selbst entscheiden, welche Sportart sie betreiben oder
welche Toilette sie aufsuchen wollen.
Los Angeles - Eine neue Verordnung verpflichtet öffentliche
Bildungseinrichtungen im US-Bundesstaat Kalifornien, dafür zu sorgen, dass
Kinder und Jugendliche vom Kindergartenalter bis in die zwölfte Klasse nach
Belieben die Toilette für Jungs oder Mädchen aufsuchen dürfen. Auch bei der
Wahl der Sportarten sind diese Schüler ab jetzt frei, hieß es.
Eltern hatten in der Vergangenheit beklagt, dass betroffene
Schüler von wichtigen Schulaktivitäten ausgeschlossen worden seien und sich
teilweise aufgrund der Diskriminierung gar nicht mehr in ihre Klasse getraut
hätten.
Auch die US-Bundesstaaten Massachusetts und Connecticut
schützen bereits die Rechte von Transgender-Personen, Kalifornien hat sie aber
erstmals in einem Gesetz festgeschrieben. Der Entwurf 1266 für Erfolg und
Chancengleichheit in der Schule war mit 21 zu 9 Stimmen im kalifornischen Senat
verabschiedet worden. Gouverneur Jerry Brown unterzeichnete das Gesetz, das am
1. Januar in Kraft tritt.
Ashton Lee, ein 16-jähriger Transgender-Junge aus Manteca,
der ins Highschool-Football-Team aufgenommen werden wollte, hatte sich im
vergangenen Monat vor dem Bildungskomitee des Senats geäußert: "Ich will
einfach nur wie alle anderen Jungen behandelt werden", zitiert ihn der
Nachrichtensender CNN. "Aber meine Schule zwingt mich, am
Mädchen-Sportunterricht teilzunehmen und als jemand zu leben, der ich nicht
bin." Er könne nicht erfolgreich lernen, wenn er sich jeden Tag in der
Klasse isoliert und alleingelassen fühle, so Lee.
Während Unterstützergruppen wie das Transgender Law Center
die Entscheidung begrüßten, bemängelten Kritiker des Gesetzes, die Privatsphäre
und die Rechte der anderen Kinder seien bedroht. "Es gibt jugendliche
Triebtäter", warnte der republikanische Senator Jim Nielsen. "Ich
garantiere, dass es welche gibt, die die Gelegenheit ausnutzen werden."
"Werden Transgender-Schüler anderen Kindern Unbehagen
bereiten?", fragte der Autor des Entwurfs, der Demokrat Tom Ammiano,
rhetorisch. "Vielleicht", so seine Antwort. "Ich will das nicht
kleinreden, aber neue Erfahrungen sind oft unbequem. Das kann aber keine
Entschuldigung sein für Vorurteile."
USA: Richter genehmigt Geschlechtsumwandlung für Häftling
Erstmals
hat in den USA ein Richter einem Häftling erlaubt, eine Geschlechtsumwandlung
durchführen zu lassen. Der Insasse habe ein Recht auf eine angemessene Behandlung
seines medizinischen Bedürfnisses, heißt es in der Urteilsbegründung.
Boston - Im US-Bundesstaat Massachusetts hat ein Gericht die
Geschlechtsumwandlung für den Häftling Robert Kosilek genehmigt. Bezirksrichter
Mark Wolf entschied am Dienstag, dass der 1990 wegen Mordes an seiner Frau
verurteilte Mann sich einer entsprechenden Operation unterziehen dürfe.
Wolf befand, Kosilek habe das Recht "auf angemessene
medizinische Behandlung seines ernsten medizinischen Bedürfnisses". Er
berief sich dabei auf die US-Verfassung, die grausame und unübliche
Bestrafungen verbietet.
Kosilek wurde als Mann geboren, hat sich aber bereits einer
Hormontherapie unterzogen und lebt heute als Frau namens Michelle in einer
Strafanstalt für Männer. Die Gefängnisverwaltung hatte die
Geschlechtsumwandlung abgelehnt und argumentiert, Kosilek könne dadurch für
seine Mitgefangenen zum leichten Opfer werden. Das Gericht befand jedoch, es
handle sich um ein vorgeschobenes Argument. Es sei Sache der
Strafvollzugsbehörden zu entscheiden, ob Kosilek künftig in ein Männer- oder
Frauengefängnis komme.
Kritiker wie der republikanische Senator Scott Brown
brandmarkten die Entscheidung als "unfassbaren Missbruch von
Steuergeldern", Anwälte werteten das Urteil als wichtiges Signal auf dem
Weg zur Anerkennung der Geschlechtsidentitätsstörung als medizinische Diagnose.
Brown hatte 2008 eine Gesetzesänderung angestrengt, die es
verbieten sollte, Steuergelder für solche Eingriffe bei Häftlingen zu nutzen -
vergeblich. "Uns stehen als Nation viele große Herausforderungen bevor -
aber dazu gehört nicht, Häftlingen Geschlechtsumwandlungen zu finanzieren",
sagte er.
Geschlechts-OP für Transsexuelle: Fremd im eigenen Körper
Innen Frau und außen Mann oder umgekehrt: Transsexuelle
fühlen sich im falschen Körper geboren - und darin gefangen. Viele wünschen
sich einen chirurgischen Eingriff, der ihr Geschlecht verändert.
Schon vor der Angleichung leben die Betroffenen im Alltag im
gewünschten Geschlecht
Anders als bei Intersexuellen ist das Geschlecht bei
Transsexuellen körperlich eindeutig festgelegt. Sie empfinden es aber als
falsch. Ein Transsexueller mit männlichem Körper wünscht sich ein weibliches
Aussehen, er fühlt sich als Frau. Umgekehrt ist es genauso. Den Wunsch erfüllen
sich viele mit einer Operation.
Heute spricht man dabei nicht mehr von einer
Geschlechtsumwandlung, sondern von einer Angleichung des Geschlechts. Das ist
medizinisch korrekter - weil nur der Körper verändert wird, nicht das Genom.
Und es kommt dem Empfinden Transsexueller näher: Sie erleben die Operation als
äußere Angleichung an ihre Identität als Mann oder Frau.
Die gesetzlichen Krankenkassen zahlen für eine
Geschlechtsangleichung. Allerdings nur, wenn Betroffene vorher in
psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung waren. Sie müssen einen
"krankheitswertigen Leidensdruck" durch ihre Transsexualität belegen,
der sich nur durch die Operation lindern lässt. Und sie müssen schon einige
Zeit in der Rolle des Wunschgeschlechts gelebt haben.
Hohes Maß an Verzweiflung
Enver Özgür arbeitet als Chirurg an der Uni-Klinik Köln und
operiert dort Transsexuelle. Viele seien so verzweifelt, dass sie lieber selbst
für den Eingriff zahlen wollen, als länger auf die Bewilligung durch die
Krankenkasse zu warten. "Dann operiere ich aber nicht. Wegen der hohen
Kosten bitte ich die Patienten abzuwarten", sagt der Chirurg. Özgür bietet
die Veränderung vom Mann zur Frau an. Sie kostet zwischen 10.000 und 15.000
Euro. Läuft der Eingriff einmal nicht nach Plan, sind die Kosten schnell noch
höher.
Özgürs Patienten leben im Alltag bereits als Frau. Sie
nehmen weibliche Geschlechtshormone, die ihnen Brüste wachsen lassen. Schon vor
dem Eingriff sehen viele sehr weiblich aus. Für den Eingriff selbst wählt Özgür
das insgesamt gängigste Operationsverfahren: Operateure machen sich dabei zu
Nutze, dass sich männliche und weibliche Genitalien aus den gleichen Anlagen
heraus entwickelt haben und sich umformen lassen.
Zunächst werden dazu die Schwellkörper aus dem Penis
entfernt. Der Schaft als schlauchartiger äußerer Teil bleibt erhalten. Er wird
in einen Hohlraum umgestülpt, der im Körper zwischen Darm und Harnröhre
freigelegt wird. So entsteht eine künstliche Scheide. Aus der Gliedspitze wird
die Klitoris erzeugt. Nach dem Entfernen der Hoden werden schließlich noch
Schamlippen aus den verbliebenen Hodensäcken geformt. Um eine funktionstüchtige
neue Scheide - Chirurgen sprechen von Neo-Vagina - zu erhalten, sind oft zwei
Eingriffe nötig.
Bei Operationsfehlern können Harnröhre oder Darm verletzt
werden. Im schlimmsten Fall müssen Patienten dann einige Monate mit einem
künstlichen Darmausgang leben. "95 Prozent der Eingriffe gelingen aber
ohne größere Komplikationen", sagt Özgür. Nach sechs bis acht Wochen
können die neuen Frauen Geschlechtsverkehr haben.
Angleichung zum Mann ungleich aufwendiger
Die Angleichung einer Frau zum Mann bietet Özgür nicht an.
Es ist ein komplizierterer Eingriff, der mehrere Operationen erfordert.
Zunächst werden dabei Brustgewebe, Eierstöcke, Gebärmutter und Scheide
entfernt. Ein künstlicher Penis wird entweder aus der Klitoris moduliert, die
durch eine Hormontherapie vergrößert wurde. Er ist dann sehr klein. Oder es
wird Gewebe von anderen Körperbereichen, wie zum Beispiel dem Rücken,
entnommen, um damit ein normalgroßes Glied zu formen.
In den künstlichen Penis wird dann ein Implantat
eingearbeitet, mit dem er sich für den Geschlechtsverkehr aufpumpen lässt.
Imitate aus Silikon ersetzen die Hoden. Genau wie bei der Mann-zu-Frau-Variante
müssen Operierte bis an ihr Lebensende Geschlechtshormone des Wunschgeschlechts
zu sich nehmen: Der neue Körper kann diese nicht produzieren. Die Hormone
beeinflussen unter anderem Stimme, Körperbehaarung, Brust- oder Muskelwachstum.
Zu den üblichen Operationsrisiken kommt bei
Geschlechtsangleichungen eine weitere Gefahr: Die Fähigkeit zum Orgasmus kann
danach beeinträchtigt sein, insbesondere bei Patienten, deren Penis aus
Transplantaten geformt wurde. Bei den Mann-zu-Frau-Operationen bleibt die
sexuelle Empfindsamkeit laut Özgür aber fast immer erhalten. Einige Frauen
hätten sogar berichtet, seit dem Eingriff mehr Freude am Sex zu haben, sagt der
Chirurg: "Medizinisch lässt sich das nicht erklären, aber es freut mich
natürlich für sie."
Recht auf Unversehrtheit: Verbände fordern Operationsverbot intersexueller
Kinder
Mädchen oder Junge? In manchen Fällen ist die Antwort nicht
eindeutig.
Männlich oder weiblich? Nicht immer ist die Antwort
eindeutig. Künftig muss das Geschlecht von intersexuellen Babys in der Geburtsurkunde
nicht erfasst werden. Aktivisten fordern: Geschlechts-OPs dürfen frühestens in
der Pubertät stattfinden.
Für die meisten werdenden Eltern ist es ein spannender
Moment, wenn sie in der Frauenarztpraxis auf das Ultraschallbild blicken: Wird
es ein Junge oder ein Mädchen? Doch manchmal ist die Antwort nicht klar - auch
nach der Geburt nicht. Etwa eines von 4500 Babys wird mit uneindeutigem
Geschlecht geboren.
Mediziner sprechen dann von einem intersexuellen Menschen.
Bei ihnen weichen die inneren Geschlechtsorgane oft von den äußeren ab, oder
vom chromosomalen Geschlecht. Ein Mensch mit männlichen XY-Chromosomen etwa
kann äußerlich eine Frau sein. Ein anderer mit dem weiblichen Chromosomensatz
XX kann eher als Mann erscheinen. Es gibt Misch- und Zwischenformen von Hoden
und Eierstöcken, Klitoris und Penis.
Vom ersten November an soll das beim Eintrag ins
Geburtenregister berücksichtigt werden: Anstatt ihr intersexuelles Kind der
Kategorie männlich oder weiblich zuzuordnen, können Eltern den Punkt nun offen
lassen.
"Ein Schritt in die richtige Richtung" sagt Lucie
Veith, Vorsitzende des Bundesverband Intersexuelle Menschen. Obwohl sie auch
Nachteile fürchtet, etwa, dass Kinder dadurch in der Schule
"zwangsgeoutet" und diskriminiert werden könnten. Zudem fordern die
Intersexuellen-Vereine noch etwas anderes: Sie wollen verbieten lassen, Kinder
weiter auf ein Geschlecht hin zu operieren, das Eltern und Ärzte für sie
bestimmen. Medizinisch sei das so gut wie nie nötig, sagt Veith. "Das
Recht auf körperliche Unversehrtheit wird damit verletzt." Aktivisten von
Zwischengeschlecht.org sprechen sogar von "verstümmelnden kosmetische
Genitaloperationen an Kindern", die man dringend stoppen müsse.
Unnötige Eingriffe stoppen
Viele der heute erwachsenen Intersexuellen haben als Kind
schmerzhafte und traumatische Behandlungen erlebt. Und immer noch sind
umstrittene Eingriffe üblich. So wird Kindern, um sie zum Mädchen zu machen,
eine Vaginalplastik angelegt - eine chirurgisch erzeugte Scheide. Damit diese
nicht wieder zuwächst, müssen regelmäßig Fremdkörper eingeführt werden,
bougieren lautet der Fachbegriff dafür.
"Ich habe von vielen gehört, die das wie einen
regelmäßigen sexuellen Übergriff erlebten", sagt Veith. Die so Operierten
sollen vaginalen Geschlechtsverkehr mit einem Mann haben können. Ob sie aber
überhaupt einem Geschlecht angepasst werden wollen und wenn ja welchem, sollten
Betroffene selbst entscheiden, sagt Veith - wenn sie die sexuelle Reife haben.
"Medizinisch nicht notwendige Eingriffe vor dem 16. Lebensjahr gehören
verboten."
"Mit dem Bestreben eindeutige Körper zu produzieren,
wird dem Kind unter Umständen etwas übergestülpt, was es nicht möchte",
sagt auch Sexualwissenschaftlerin Hertha Richter-Appelt vom
Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Allerdings seien nicht alle Menschen,
die als Kind operiert wurden, später unglücklich. Ein operiertes Kind könne den
Eltern später vorwerfen "Warum habt ihr bloß?", ein nicht operiertes
"Warum habt ihr bloß nicht?".
"Wenn es darum geht, eindeutig festzustellen, was
wirklich besser für die Kinder ist, müssen wir ehrlich sein und sagen: Wir
wissen es oft nicht genau", sagt Richter-Appelt. Sie empfiehlt, bis zur
Pubertät mit geschlechtszuweisenden Eingriffen abzuwarten.
Neue Richtlinien sind notwendig
Susanne Krege operiert im Krankenhaus Maria-Hilf in Krefeld
intersexuell geborene Kinder, am häufigsten genetische Mädchen mit dem
Adrenogenitalen Syndrom (AGS). Bei dieser Stoffwechselstörung entsteht schon
während der embryonalen Entwicklung ein Überschuss an männlichen
Geschlechtshormonen. Viele AGS-Mädchen werden deshalb mit einer vergrößerten
Klitoris geboren, die an einen kleinen Penis erinnern kann. In der Regel wird
diese operativ verkleinert, der Eingriff kann die sexuelle Empfindsamkeit
reduzieren.
Bei den modernen Operationsmethoden sei das aber selten,
sagt Krege. Sie führt den Eingriff nur dann noch bei Babys durch, wenn Eltern
stark darauf drängen. Meist rät sie abzuwarten, wie sich ein Kind entwickelt.
Die Vaginalplastik bietet sie an, wenn Mädchen reif genug erscheinen, um das
Bougieren selbst durchzuführen. Vielen intersexuellen Kindern wurden früher in
der Körperhöhle liegende Hoden entfernt, was eine lebenslange
Hormonersatztherapie erforderlich macht. Auch damit warte man nun eher ab, sagt
Krege, es sei denn, die Krebsgefahr sei dadurch sehr stark erhöht.
Die Intersexuellen-Verbände sagen: Es wird noch immer zu
viel und zu früh operiert. Krege hingegen glaubt: "Die Ärzte, die sich
intensiver mit der Problematik befasst haben, tun das heute nicht mehr."
Neue Richtlinien sollen demnächst erarbeitet werden.
Für Lucie Veith geht es nicht nur darum wann, sondern auch
ob die Operationen tatsächlich nötig sind. "Auch als Intersexueller kann
man nämlich ein glücklicher Mensch sein."
INTERSEXUALITÄT
Der Deutsche Ethikrat definiert den Begriff in einfachen
Worten: Intersexuelle sind demnach "Menschen, die sich aufgrund von
körperlichen Besonderheiten des Geschlechts nicht eindeutig als männlich oder
weiblich einordnen lassen".
Man darf sich dabei auch kein eindeutig beschreibbares
"Zwischengeschlecht" vorstellen. Zwischen männlich und weiblich gibt
es ein Feld der Varianz mit hochgradig unterschiedlichen Ausprägungen. Es gibt
genetische Variationen zum üblichen XX- oder XY-Muster, von denen selbst die
Betroffenen mitunter nichts erfahren.
Es gibt scheinbar eindeutige Sexualitäten, die hormonell
induziert in Fluss geraten. Es gibt Kombinationen geschlechtlicher Merkmale,
die sichtbar sind und solche, für die das nicht gilt. Selten gibt es sogar
Fälle, in denen nicht alle Zellen eines menschlichen Körpers das gleiche
Geschlecht haben. Man kann Intersexualität also als Sammelbegriff verstehen.
Immer aber gilt: Intersexualität ist körperlich definiert -
im Gegensatz zur Transsexualität, bei der das eigene Empfinden nicht mit dem
Geschlecht korrelliert. Intersexuelle können sich selbst als Mann oder Frau,
als Gemischt-geschlechtlich in Abstufungen oder als eigenständiges Geschlecht
empfinden.
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