Mittwoch, 24. September 2014

Waldschlösschen Erklärung:Wir, die Unterzeichnenden, fordern anlässlich des bundesweiten Netzwerktreffens „Trans*Aktiv" in der Akademie Waldschlösschen vom 22.-24.08.2014 Folgendes:

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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2014
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                   In Zusammenarbeit mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Waldschlösschen Erklärung


Göttingen, 24.08.2014
Wir, die Unterzeichnenden, fordern anlässlich des bundesweiten Netzwerktreffens
„Trans*Aktiv" in der Akademie Waldschlösschen vom 22.-24.08.2014 Folgendes:
1. Die breite Beteiligung von Menschen, die geschlechtliche Vielfalt leben, an der
interministeriellen Arbeitsgruppe unter der Federführung des Bundesministeriums für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zur „Situation von Inter- und
Transsexuellen" und bei allen anderen politischen (einschließlich gesundheitspolitischen) und
gesetzgebenden Gremien und Maßnahmen, die unsere Lebenssituationen betreffen.

2. Eine zeitnahe Reform des Transsexuellengesetzes bis hin zur Abschaffung, die mindestens
folgende Anforderungen erfüllt:
• Vornamens- und Personenstandsänderung ohne Gutachten und gerichtliche Entscheidung
basierend auf dem Selbstbestimmungsrecht der betreffenden Personen.
• Ausbau des Diskriminierungsschutzes und des Schutzes der Privatsphäre der betreffenden
Personen.

3. Volle Durchsetzung der Menschenrechte auch für Personen, die geschlechtliche Vielfalt
leben, durch die Annahme der Yogyakarta Prinzipien als Leitlinien jedes rechtlichen,
politischen, gesundheitlichen und gesellschaftlichen Handelns.

4. Die Anerkennung und Wahrung der Menschenrechte von Asylsuchenden, die aufgrund
ihrer Geschlechtsidentität und/oder sexuellen Orientierung in ihren Herkunftsländern
Verfolgung oder Bedrohung erleben. Dies umfasst den vollen Zugang zu medizinischen
Maßnahmen, auch während das Asylverfahren läuft.

5. Den Ausbau des Antidiskriminierungsrechts und dessen Ausweitung auf alle
Lebensbereiche.

6. Die Sicherstellung und Verbesserung einer zugänglichen, umfassenden,
bedürfnisorientierten und präventiven Gesundheitsversorgung für alle, die sie für ihr
geschlechtliches Gesundheitsempfinden benötigen, auf Basis der informierten Einwilligung
(„informed consent"). Alle benötigten Leistungen müssen im Leistungskatalog der
Kostenträger ohne zusätzliche Prüfung durch den medizinischen Dienst der
Krankenversicherungen (MDK) enthalten sein.

7. Das Hinwirken auf die Entpsychopathologisierung und Entstigmatisierung, z. B. durch eine
daraufhin ausgerichtete Arbeit in der Kommission der Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Überarbeitung der
medizinischen Leitlinien. Wir vertrauen den dort repräsentierten Vertreter_innen von
Organisationen, die sich für geschlechtliche Vielfalt einsetzen, und unterstützen ihre Arbeit.

8. Die Stärkung von Verbänden, Vereinen, Netzwerken, Selbsthilfegruppen und allen anderen
Organisationen, die sich für die Menschen einsetzen, die geschlechtliche Vielfalt leben, durch
finanzielle und strukturelle Unterstützung. Sie brauchen verlässliche und nachhaltige
Förderstrukturen für ihre Arbeit.

9. Den Einbezug von geschlechtlicher Vielfalt in die Satzung und proportionale Repräsentanz
ihrer Vertreter_innen in allen Gremien der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.

Hier der Punkt, den wir für bedenklich halten, oder der geeignet sein kann, transsexuelle Menschen aus politischen Prozessen auszuschliessen oder unsichtbar zu halten:

"7. Das Hinwirken auf die Entpsychopathologisierung und Entstigmatisierung, z. B. durch eine daraufhin ausgerichtete Arbeit in der Kommission der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zur Überarbeitung der medizinischen Leitlinien. Wir vertrauen den dort repräsentierten Vertreter_innen von Organisationen, die sich für geschlechtliche Vielfalt einsetzen, und unterstützen ihre Arbeit."

Wir vertrauen den Vertretern der Trans*-Organisationen, die an der AWMF-Leitlinienerstellung mitarbeiten, nicht. Sie sprechen nicht in unserem Namen. Konzepte der medizinischen Behandlung, die von einer "Gender Dysphorie" oder "Gender Inkongruenz" ausgehen und als einzige Ansichten gelten sollen, entsprechen nicht unseren Vorstellungen einer medizinischen Behandlung, die ohne geschlechtliche Deutung auskommt. Eine Fortführung der Vermischung von Gender-Deutungen und medizinischer Behandlung, wie sie 2013 erneut in den DSM V Einzug gehalten hat und auch für den ICD 11 diskutiert wird, entspricht nicht unseren Vorstellungen menschenrechtskonformer Behandlung trans- und intersexueller Menschen.
ATME weist darauf hin, dass die Vertreter der Trans*-Organisationen, die bisher an der AWMF-Leitlinien-Entwicklung mitarbeiten, keinen allgemeinen Vertretungsanspruch besitzen. Die Aktion Transsexualität und Menschenrecht e.V. fordert die medizinischen Vertreter dazu auf, davon Kenntnis zu nehmen, dass die Leitlinienentwicklung in Sachen "Gender Incongruence" bzw. "Gender Dysphorie" nicht etwa im Einverständnis mit allen Betroffenen in Deutschland steht.

Wir fordern dazu auf, einen öffentlichen und für alle offenen Diskurs über die Zukunft der Behandlung trans- und intersexueller Menschen zu beginnen. Der Diskurs muss transparent und offen gestaltet werden. Die Kritik an Konzepten wie "Gender Dysphorie" oder "Gender Incongruence" muss von der Politik in Deutschland ernst genommen werden.

Die medizinische Behandlung geht uns alle an.
Herzlichen Dank für's Beachten.

http://atme-ev.de/texte/wald14.pdf

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