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Nikita Noemi Rothenbächer 2015
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„Transsexualität
ist weder Mode noch Krankheit“
Ben Anders über die Probleme derer, die in einem falschen
Körper leben
Herr Anders, wer sind Sie?
Ben Anders: Ich bin aufgrund meiner empfundenen Identität
ein Mann und lebe in einem weiblichen Körper, bin also ein Transmann. Um keine
beruflichen Nachteile zu erfahren und auch um mich vor gewalttätigen
Übergriffen zu schützen, verwende ich bei Interviews ein Pseudonym.
Hat sich seit dem European Song Contest in der Szene etwas
verändert?
Ich habe das nicht intensiv verfolgt, weil mir die Musik,
die auf dem ESC läuft, nicht gefällt. Manche Menschen, die transsexuell sind,
finden, dass Travestiekünstler wie Conchita Wurst oder Olivia Jones, aber auch
Transvestiten, die sich sehr auffällig kleiden, unserer Sache eher schaden. Die
meisten Transsexuellen wollen einfach ein ganz normales Leben führen und sich
auch ganz normal als Mann oder Frau kleiden. Sie wollen keine Paradiesvögel
sein wie diese Medienstars.
Hat die Akzeptanz von Transsexuellen in den letzten Jahren
zugenommen?
Das Thema findet mehr Beachtung in der Öffentlichkeit. Der
fade Beigeschmack aber bleibt, dass dies aus Sensationsgier geschieht. Es wird
so getan, als sei Transsexualität eine Modekrankheit. Aber Transsexualität ist
weder Mode noch eine Krankheit. Transsexualität hat es in vielen anderen
Kulturen bereits gegeben und ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit
selbst. Durch die teilweise einseitige mediale Darstellung des Themas ist es
meiner Meinung nach eher zu einem Rückgang von Toleranz gekommen. Wir waren schon
mal weiter.
Müssen Transsexuelle so sein wie sie sind oder wollen sie so
sein?
Viele halten Transsexualität für einen selbstgestalteten
Lebensentwurf. Für Travestiekünstler wird dies zutreffen. Das gilt aber nicht
für einen Transsexuellen. Er hat sich das nicht ausgesucht und leidet in
mehrfacher Hinsicht darunter. Man leidet unter seinem Körper aber auch an der
gesellschaftlichen Stigmatisierung. Manche Transsexuelle wurden schon wegen
ihres Soseins zusammengeschlagen. Aber es gibt auch ganz alltägliche Probleme.
Gehe ich auf die Herren- oder Damentoilette? Wenn ich auf eine Damentoilette
gehe, fühle ich mich dort nicht richtig. Wenn ich auf die Herrentoilette gehe,
muss ich Angst vor Übergriffen haben. Eine Transfrau wiederum hat das Problem,
beim Kleiderkauf von den Verkäuferinnen blöd angemacht zu werden, was für eine
perverse Sau sie doch sei. Dabei kauft sie sich doch nur ein Kleid wie jede
andere Frau auch.
Aber manche Männer tragen auch Frauenkleidung, um Lust zu
erleben.
Natürlich gibt es ganz viele Abstufungen. Travestie ist eine
kulturelle Kunstform. Transvestiten hingegen leben mit ihrer Kleidung auch ihre
Lust aus. Crossdresser machen sich eher einen Spaß aus dem Rollentausch. Für
die ist das ein Hobby. Transsexuelle wiederum sind einfach im falschen Körper.
Wenn ich Herrenkleidung trage, empfinde ich keinen sexuellen Reiz sondern fühle
mich einfach wohl darin. Und dann gibt es noch Transgender, die die Einteilung
in Mann und Frau ablehnen. Es gibt sehr viele Facetten, die man nicht über
einen Kamm scheren kann.
Was brauchen Sie?
Wir brauchen ganz viel Aufklärung. Mit dem Verein
Transbekannt versuchen wir, mit Politikern ins Gespräch zu kommen. Wir wollen,
dass langfristig das Transsexuellen-Gesetz überarbeitet wird. Transsexualität
muss außerdem in vielen Ausbildungen thematisiert werden, bei angehenden
Erzieherinnen und Erziehern, bei Lehrerinnen und Lehrern. Chefs müssen mehr
über Transsexualität wissen.
Wie viele Transsexuelle gibt es?
Offizielle Zahlen gehen von 6.000 bis 7.000 Transsexuellen
in ganz Deutschland aus. Das ist lächerlich. Nicht jeder Transsexuelle macht den
Schritt, eine Namensänderung und Personenstandsänderung vor Gericht zu
erwirken. Viele Transsexuelle trauen sich nicht an die Öffentlichkeit. Manche
trauen sich auch nicht, sich selbst zuzugestehen, transsexuell zu sein. Vielen
ist es auch nicht möglich, offen damit umzugehen, weil sie sonst ihren Job
verlieren. Ich gehe davon aus, dass in einer Stadt wie Dortmund 5.000 bis
10.000 Transsexuelle leben.
Wie viele Menschen machen bei Transbekannt mit?
Wir haben ja eine Gruppe in Hagen und eine in Dortmund. Wir
sind etwa 30 Aktive. Im Monat führen wir hundert bis 150 telefonische
Beratungsgespräche. Die Anrufer kommen aber aus ganz Deutschland.
Transsexualität ist keine Krankheit?
Die Psychiatrie hat viele Jahrzehnte versucht, eine
psychische Ursache zu finden. Es wurden Transsexuelle zwangseingewiesen und
zwangstherapiert. Betroffene wurden am Hirn operiert. Dabei sind manche dieser
Patienten gestorben. Elektroschocks wurden angewandt. Von christlicher Seite
wurde gesagt: „Das kannst Du weg beten.“ Oder man hat Exorzismus betrieben,
weil man glaubte, der Betroffene sei vom Teufel besessen.
Welche Ursachen hat Transsexualität wirklich?
Langsam versucht man umzudenken. In den letzten 14 Jahren
etwa wurden mehrere medizinische Studien an Transsexuellen durchgeführt, die
darauf schließen lassen, dass es sich um ein körperliches Phänomen handelt. So
zeigen zum Beispiel zwei Studien von 2000 und 2010, dass sich „männliche“ von
„weiblichen“ Hirnzellen unterscheiden. Tatsächlich haben Frauen, die mit einem
männlichen Körper geboren wurden, trotzdem ein Hirn mit weiblichen Hirnzellen.
Lapidar gesagt, hat eine Transfrau ein weiblich ausgeprägtes Gehirn, aber einen
männlichen Körper darum. In anderen Studien wurde die DNA untersucht. Auch hier
fand man Veränderungen bezüglich der Testosteron-Rezeptoren.
Was wünschen Sie sich von der Gesellschaft?
Akzeptanz. Natürlich können Leute zunächst nichts für ihre
Vorurteile. Die sind ihnen anerzogen worden. Aber wir können auch nichts dafür,
transsexuell zu sein. Vorurteile kann man ändern. Wir Transsexuelle aber können
unsere Identität nicht ändern.
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