Dienstag, 7. April 2015

Eine Frage der Identität-Die Herren vom Olymp

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Geschrieben und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2015

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Eine Frage der Identität

Die Herren vom Olymp waren mit dem Thema leicht überfordert. "Entschuldigen Sie, wenn ich rückblickend lachen muss", sagte Jacques Rogge nach der heiklen Besprechung. "Aber meine Kollegen haben nicht wirklich verstanden, worum es ging, das ist nachvollziehbar, da sie ja nicht wie ich Medizin studiert haben", erklärte Rogge.

 Der Belgier ist Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Er hat als Arzt gearbeitet, in der Chirurgie und als Klinikchef in Gent.

 Er kennt sich aus mit dem menschlichen Körper, seinen Defekten und Verstecken, hormonellen Wirrungen und dem mysteriösen Spiel der Säfte.

 "Wir müssen jetzt einen noch besseren Job machen, erklären, was dem Ganzen zu Grunde liegt - und wir müssen vor allem Ängste abbauen", forderte Rogge. Medizinischer Rat Was Rogge und seine Kollegen vom Exekutivkomitee im Februar in Athen besprochen hatten, galt einer neuen Regel im olympischen Sport:

Es ging um die Zulassung von Transsexuellen zu den Spielen.

Vor allem die Athletenkommission des IOC stellte sich gegen die revolutionäre Novelle, die nichts anderes besagt, als dass Athleten, die früher Männer waren, nun im Wettbewerb der Frauen starten dürfen, weil sie sich als solche fühlen. Und dass Männer, die früher Frauen waren, beim starken Geschlecht mitmischen können, das für gewöhnlich ein X- und ein Y-Chromosom trägt und nicht zwei X-Chromosomen wie Frauen, üblicherweise. Das IOC musste die Frage beantworten, wann ein Mann als Frau anzuerkennen ist - und umgekehrt.

 Aber kann man überhaupt klare Regeln dafür formulieren?

Um das zu klären, wurde im Herbst des vergangenen Jahres eine Expertenrunde gebildet. Den Vorsitz übernahm der Chef der medizinischen Kommission des IOC, Arne Ljungqvist aus Schweden. Er hatte schon dafür gesorgt, dass vor den Olympischen Spielen in Sydney der so genannte Sextest für Athletinnen abgeschafft worden war, sodass sie nicht mehr den Nachweis erbringen mussten, eine "normale" Frau zu sein. Ljungqvist musste nun untersuchen, "wie lange eine Behandlung mit weiblichen Hormonen dauern muss, bis sie als erfolgreich anzusehen ist". Oder: "Wie man sicherstellen kann, dass die Behandlung mit weiblichen Hormonen auch wirklich stattfindet.
" Im Mai dieses Jahres war es dann soweit.
Ljungqvist hatte seine Arbeit vollendet, das IOC verkündete die Zulassung von Transsexuellen zu den Spielen.

Drei Punkte sind künftig zu beachten:

Die Geschlechtsumwandlung muss abgeschlossen sein; sie muss von der zuständigen Behörde des Landes anerkannt sein; und die Transsexuellen müssen sich einer zweijährigen Hormonbehandlung nach der Operation unterzogen haben.

Es ist nicht bekannt, ob transsexuelle Athleten in Athen an den Start gehen.
Das IOC hält sich bedeckt.

Auf Anfrage dieser Zeitung schreibt es:

"Um die Privatsphäre der Athleten zu schützen, fühlt sich das IOC nicht verpflichtet, bekannt zu geben, ob Sportler, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben, in Athen teilnehmen."
Michelle Dumaresq (34), früher Michael Dumaresq, sagt, sie stehe in Kontakt mit mindestens zwei Sportlerinnen, die Chancen bei Olympia hätten.

Viele transsexuelle Sportlerinnen wenden sich an die kanadische Mountainbike-Meisterin, die in diesem Jahr den Downhill-Wettbewerb gewonnen hat.

Sie weiß, was es heißt, um Akzeptanz in der Sportszene zu kämpfen.

Ihre Mitfahrerinnen feindeten sie lange Zeit an, versuchten, ihr das Startrecht zu verbauen. Die Argumentation:

Sie verfüge über einen Wettbewerbsvorteil; einen stärkeren Körperbau, mehr Hämoglobin im Blut, eine bessere Herzleistung, sie hätte eine größere Lunge und mehr Muskeln. Doch Dumaresq verweist darauf, dass nach der Östrogenbehandlung 30 Prozent ihrer Muskelmasse verloren gegangen sei. "Östrogen ist eine leistungsmildernde Droge", sagt sie, "ich habe zwar noch große Knochen, aber nicht mehr die Muskeln, sie effektiv zu bewegen." Auch Mianne Bagger (37) hält den Einwand, transsexuelle Frauen seien stärker, für Unfug.

Die australische Golferin sagt: "Ich kann die Bedenken der Leute verstehen, aber wenn sie Zweifel haben, dann sollen sie herkommen und mir beim Golfen zusehen. Ich weiß, dass ich den Ball nicht mehr so weit schlagen kann wie früher." Bei den Australian Open 2004 produzierten ihre Kolleginnen viel weitere Abschläge als Bagger, die zudem vom Rummel um ihre Person schier überrollt wurde.

Es gilt als Sensation, wenn sich ein Sportler zur neuen Identität bekennt.
In das Sensationelle der Nachricht mischt sich gleichzeitig die Angst vor Mannweibern und vor der Auflösung von Geschlechternormen. Zu Beginn der neuzeitlichen olympischen Bewegung war die Rollenverteilung im Zeichen der fünf Ringe noch klar formuliert. Baron Pierre de Coubertin meinte: "Olympische Spiele sind ein Ausbund männlicher Athletik, und der Beifall der Frauen ist deren Lohn." Der Satz fiel vor 108 Jahren. ------------------------------ Geschlechtliche Transformation // Mann zu Frau: Die US-Amerikanerin Renee Richards (vormals Richard Raskin) bekannte sich als erste Sportlerin zu ihrer Transsexualität. Sie nahm Ende der Siebzigerjahre an Tennisturnieren teil. Frau zu Mann: Kugelstoßerin Heidi Krieger, Europameisterin 1986, ließ sich nach hohen Steroidgaben im Zuge des DDR-Dopings operieren.

Sein neuer Vorname: Andreas.


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