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Nikita Noemi Rothenbächer 2015
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Only together can we bring moving and injustices where possible in a proper light, I thank you with all my heart,
your Nikita Noemi Rothenbächer
Aus Unwissenheit verstümmelt und diskriminiert
Der Umgang mit
Intersexuellen mutet mittelalterlich an. Lange Zeit wurde ihnen wie Knetmasse
das eine oder andere Geschlecht modelliert - mit zum Teil schweren psychischen
und physischen Folgen. Der Deutsche Ethikrat macht auf dieses Problem
aufmerksam. Gut, dass er damit zum Hinschauen zwingt.
Es klingt nach Behandlungsmethoden aus dem Mittelalter: Ein
Mensch wird ohne seine Zustimmung kastriert oder ähnlich folgenschwer an den
Genitalien verstümmelt, und keiner regt sich groß drüber auf. Es ist aber eine
Behandlung, die in Deutschland bis Ende des 20. Jahrhunderts praktiziert wurde:
Ärzte, aber auch Eltern, spielten Gott und entschieden für intersexuelle
Kinder, ob sie als Frau oder als Mann erwachsen werden sollten. Wie Knetmasse
wurde Menschen das eine oder das andere Geschlecht modelliert, mit gravierenden
Folgen für ihre Psyche und ihre Fortpflanzungsfähigkeit.
Man kann sich diese Leiden kaum vorstellen, man kann sich
überhaupt wenig vorstellen über die "Zwischengeschlechtlichen", über
ihr Befinden und ihre Bedürfnisse. Es gibt ja nicht einmal Zahlen darüber, wie
viele sie sind - die Schätzungen reichen von 8000 bis hin zu 120.000. Umso
verdienstvoller ist es, dass sich der Deutsche Ethikrat nun dieser Gruppe
angenommen und Empfehlungen für einen besseren Umgang mit denjenigen abgegeben
hat, die oft schon allein aus Unwissen diskriminiert werden.
Hoch anzurechnen ist ihm das aber nicht nur im Sinne der
Intersexuellen - die Frage im Zentrum der Debatte betrifft letztlich viel mehr
Menschen: Inwieweit dürfen Menschen überhaupt ohne ihre ausdrückliche
Zustimmung an den Geschlechtsorganen operiert werden? Dieses Problem stellt
sich zum Beispiel auch im Umgang mit geistig Behinderten: Von Rechts wegen
können sie gegen ihren Willen, aber mit Zustimmung des Betreuers kastriert oder
sterilisiert werden. Das ist noch so ein Bereich, über den die Leute wenig
wissen, weil sie wenig drüber wissen wollen. Es ist gut, dass der Ethikrat von
Zeit zu Zeit zum Wissen zwingt.
Das Mädchen Lena - wie ein Mann
Was ist,
wenn ein Kind kein eindeutiges Geschlecht hat? Dann beginnt das Lügen und
Verheimlichen. Und die große Ratlosigkeit.
"Mit dem Unmöglichen konfrontiert, gab es keine andere
Wahl, als es normal zu finden." Jeffrey Eugenides, Middlesex.
Allein beim Gedanken daran scheint die Mutter zu frösteln.
Sie schlingt die dicke Strickjacke noch enger um den Körper, blickt nach
draußen auf das Baumhaus im Garten, schüttelt den Kopf. Nein, sie hat keinen
Plan. Vielleicht wird sie weinen. Oder erleichtert sein, dass das Versteckspiel
endlich ein Ende hat. Unzählige Male hat sie sich im Kopf auf den Tag
vorbereitet, an dem alles auffliegen wird. Hat sich Sätze zurechtgelegt und
sogleich wieder verworfen. Morgen, hat sie sich geschworen, morgen wird sie
ihrer Tochter endlich die Wahrheit sagen.
Lena. Ihr Name ist wie der ihrer Eltern und der anderen
Betroffenen eigentlich ein anderer. Auf dem Familienfoto in der Küche strahlt
sie mit ihren beiden jüngeren Brüdern um die Wette. Bildhübsch ist Lena, 19
Jahre alt, blonde, dünne Haare, Pagenschnitt, weißer Lidschatten.
Schon gleich nach der Geburt hat Eva Veitl gespürt, dass mit
ihrer Tochter etwas nicht stimmt. Die Klitoris war ungewöhnlich groß, doch die
Ärzte beruhigten sie: "Das kommt von der Geburt und verschwindet von selbst."
Aber es verschwand nicht. Ebenso wenig wie die Zweifel der Mutter. Markus
Veitl, ein selbständiger Unternehmer, weit über das schwäbische Dorf hinaus
bekannt, hat damals gehofft, dass seine Frau endlich Ruhe geben würde. Doch Eva
Veitl zog mit Lena von Arzt zu Arzt. "Alles ganz normal", bekam sie
überall zu hören. Erst nach acht Monaten testete ein Labor die Chromosomen
ihrer Tochter. Der Arzt bestellte die Eltern zu sich. Er sagte nicht viel - nur
diesen einen unfassbaren Satz: "Ihre Tochter ist eigentlich ein
Sohn."
Intersexualität ist auch in modernen Gesellschaften kaum
bekannt. Obwohl Schätzungen davon ausgehen, dass allein in Deutschland 80.000
bis 100.000 Menschen mit nicht eindeutigem Geschlecht leben, bleibt
Intersexualität ein medizinisches Faktum, das weitgehend totgeschwiegen wird.
Auch der große Erfolg des Romans "Middlesex", in dem der US-Autor
Jeffrey Eugenides die Geschichte des Hermaphroditen Cal Stephanides erzählt,
hat daran nicht viel verändert.
Nur selten, wie kürzlich im Fall einer Leichtathletin aus
Südafrika, dringt das Tabu an die Öffentlichkeit. Caster Semenya war bei der
Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Berlin auf der 800-Meter-Strecke schneller
als alle anderen Frauen. Auffallend schneller. Sofort fragte sich alle Welt: Wer
ist diese Frau ohne Taille, ohne Busen? Hat sie nicht etwas zu viele Muskeln?
Und ein zu kantiges, maskulin anmutendes Gesicht?
Semenyas Tränen nach dem Sieg waren bald keine Freudentränen
mehr. Nicht genug damit, dass die 18-Jährige bereits vor dem Rennen unwürdige
Geschlechtstests über sich ergehen lassen musste. Nach dem Gewinn der
Goldmedaille wurde alles noch schlimmer. Konkurrentinnen fühlten sich
benachteiligt, weitere Tests folgten. Jetzt, zwei Monate später, weiß Semenya
noch immer nicht, ob sie ihren Titel behalten darf. Und der
Leichtathletik-Weltverband hat noch immer keine Entscheidung im Fall S.
gefällt. Bis auf weiteres vertagt, hieß es auch in dieser Woche.
"Gemischte Gonadendysgenesie" lautete die Diagnose
bei Lena Veitl. Aber was nutzte ihren Eltern dieses Wissen? Sie hielten ihr
Wunschkind in den Armen, ahnungslos, ratlos, fassungslos. Die junge Mutter,
damals Anfang 20, mittlere Beamtenlaufbahn, ging in die Bibliothek, wälzte
Fachbücher, befragte Spezialisten, suchte nach anderen Betroffenen. "Aber
immer wieder wurde uns gesagt, es gäbe keine anderen Fälle", sagt die
heute 41-Jährige. Jahrelang glaubten die Eltern, sie seien mit ihrem Schicksal
allein. "Das war das Allerschlimmste."
Damit es anderen Eltern nicht so ergeht wie ihnen, ist Eva
Veitl bereit zu erzählen. Sie steht in ihrer säuberlich aufgeräumten Küche im
adretten Neubau und wird zornig, wenn sie darüber nachdenkt, was Caster Semenya
alles über sich ergehen lassen muss. "Sie ist doch kein Täter, sondern
selbst ein Opfer", sagt sie. Menschen wie Eva Veitl wissen, dass in vielen
Fällen die Betroffenen als Letzte von ihrem Schicksal erfahren.
Auch ihre Tochter ahnt bis heute nicht, dass sie anders ist.
"Sie können Ihren Sohn weiter als Mädchen erziehen", gab der Arzt den
Eltern damals mit auf den Weg. Noch am Abend zerriss Eva Veitl das einzige
Foto, auf dem das beunruhigende Genital zu sehen war, warf Holzautos, rote
Strampler und grüne Mützchen in den Müll. Sogar der blaue Pulli, ein Geschenk
der Oma, flog in die Tonne. Nur Rosa durfte bleiben - als könnte die
Kleiderfarbe die Chromosomen verändern. Nächtelang habe sie damals geheult,
erzählt Eva Veitl. "Mein Kind ein "Zwidder?" Sie spricht das
Wort mit weichem "d". Aber am liebsten nimmt sie es gar nicht in den
Mund. "Es klingt so vulgär, so unanständig, so abartig."
Dass die Übergänge zwischen den Geschlechtern fließend sein
können, war schon in der Antike bekannt. Menschen zwischen Mann und Frau
benannte man nach dem Sohn des Hermes und der Aphrodite, den die Götter mit einer
Quellnymphe für ewig verschmolzen hatten. Seither sind Hermaphroditen ein
beliebtes Motiv der bildenden Kunst.
Unter dem Begriff Intersexualität verstehen Mediziner
verschiedene Störungen der Geschlechtsentwicklung, kurz DSD genannt,
"Disorders of Sex Development". Anders als transsexuelle Menschen,
die mit ihrem biologisch eindeutigen Geschlecht unzufrieden sind, trägt ein
intersexueller Körper sowohl weibliche als auch männliche Anlagen in sich.
Wie ein entgleister
Zug
Tatsächlich ist das Männliche eine Variante eines
undifferenzierten, aber weiblich ausgerichteten Urprogramms. Damit aus einem
Embryo mit einem männlichen Chromosomensatz ein Junge wird, müssen verschiedene
hormonelle Schalter umgelegt werden. Die Weichenstellung von Frau auf Mann erfolgt
normalerweise von der siebten Schwangerschaftswoche an, wenn männliche
Sexualhormone den Embryo überfluten. Daraufhin springen wieder andere Gene an.
Sie bewirken, dass Hoden entstehen und keine Eierstöcke, dass keine Gebärmutter
wächst, sondern ein Penis.
Doch in etwa einem von 4500 Fällen gerät dieser Fahrplan ins
Stocken, zum Beispiel, wenn die Hoden zu wenig männliche Sexualhormone
ausschütten oder die Rezeptoren der Körperzellen diese Androgene nicht
erkennen. Dann bleibt die Geschlechtsentwicklung einfach stehen, wie ein
entgleister Zug. So kann es kommen, dass Neugeborene äußerlich eindeutig
männlich oder weiblich erscheinen und dennoch einen davon abweichenden
Chromosomensatz haben. In diesen Fällen wird die untypische
Geschlechtsentwicklung erst in der Pubertät oder gar noch später entdeckt. In
anderen Fällen bildet sich ein nicht eindeutiges Genital. So wie bei Lena.
"Klitoris, 1,7 Zentimeter" ist auf einem der
unzähligen Arztbriefe zu lesen - zu viel für ein Mädchen und zu wenig für einen
Jungen. Als die Eltern ihr Kind in die Uniklinik Heidelberg bringen, rückt der
Professor gleich mit einer ganzen Schar von Assistenzärzten und Studenten an.
In dem kleinen Untersuchungsraum drängen sich 15 Menschen in weißen Kitteln um
das nackte, heulende Kind. Als Markus Veitl sieht, dass auch seiner Frau die
Tränen in den Augen stehen, bricht es aus ihm heraus: "Schluss, alle raus hier!"
Die Ärzte raten den Eltern, dass sie dringend etwas
unternehmen müssen. Als Lena 15 Monate alt ist, lassen sie die Klitoris
verkürzen. Doch trotz Ballettunterricht, rosa Kleidchen und Barbiepuppen wird
Lena kein normales Mädchen. Schon im Kindergarten rauft sie sich mit Jungs,
reißt ihren Barbies die Arme aus, will unbedingt ins Fußballtraining. "Ich
kann sowieso nie Kinder kriegen", sagt sie eines Tages plötzlich. Da ist
sie gerade mal fünf Jahre alt. Ihrer Mutter wird heiß und kalt. Ahnt das Kind etwas?
Die Frage, ob Lena nicht auch als Junge hätte aufwachsen
können, hat sich damals nicht gestellt. "It's easier to make a hole than
building a pole" (Es ist einfacher ein Loch zu graben, als eine Stange zu
bauen) lautete noch in den 90er Jahren die medizinische Maxime. Und dass
überhaupt operiert werden musste, stand für viele Experten außer Frage. Mehr
als 80 Prozent der betroffenen Erwachsenen haben heute mindestens eine
Operation hinter sich. Zu 90 Prozent wurden dabei Mädchen geschaffen.
Quelltext: http://www.sueddeutsche.de/leben/intersexualitaet-das-maedchen-lena-wie-ein-mann-1.148999
Männlich,
weiblich, unbestimmt
Historische Entscheidung in Sydney: Das Oberste Gericht
in Australien hebt die Geschlechtereinteilung in "männlich" und
"weiblich" auf. Menschen mit Merkmalen beider Geschlechter dürfen
offiziell als Neutrum gelten.
Menschen, die mit Merkmalen beider Geschlechter auf die Welt
kommen, dürfen in Australien nun
offiziell als Geschlecht "unbestimmt" gelten. Das Oberste
australische Gericht hat entschieden, dass ein Mensch nicht als männlich oder
weiblich eingeordnet werden muss, sondern dass als Geschlechtsangabe auch
"non-specific" (unbestimmt) zulässig ist.
Das Recht, als Neutrum zu gelten, hatte Norrie May-Welby
durch alle Instanzen eingeklagt. Norrie wurde als Mann geboren, unterzog sich
aber 1983 einer Operation und beschloss, weder als Mann noch als Frau
zu leben. Die ZeitungSydney Morning Herald sprach von einer
"historischen Entscheidung mit weitreichenden Auswirkungen" für
Institutionen und Einzelpersonen in Australien.
Demnach wird ein intersexuelles Kind, das also nicht
eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden kann, ohne Angabe des Geschlechts
in das Geburtenregister eingetragen. Das Geschlecht "neutral" bzw.
"unbestimmt" existiert juristisch in Deutschland nicht.
Interessenverbände kritisieren dies.
Im Fremdkörper
Georg Selb wächst als Mädchen auf, fühlt sich aber immer
fremd in seinem Körper. Er ist schon über 30, als er erfährt: Genetisch ist er
ein Mann. Und die Qualen, die er leiden muss, sind die Qualen eines
Intersexuellen. Eine Gesetzesänderung soll sie nun lindern.
Am 1. November wird das sogenannte Personenstandsgesetz
geändert: Bei Kindern mit uneindeutigen Geschlechtsorganen muss ins
Geburtenregister kein Geschlecht mehr eingetragen werden. Es wird also endlich
auch von Amts wegen anerkannt, dass es Intersexuelle gibt. Aber ob solch ein
bürokratischer Akt diesen Menschen helfen wird?
"Mei", sagt Georg Selb und zuckt mit den
Schultern, "mei, vielleicht zeigt es den Eltern solcher Kinder, dass es
immer besser ist zu warten, als dass man das Neugeborene in ein Geschlecht
zwängt." Selb, der in Wahrheit anders heißt und als Journalist in München
lebt, macht seinen Eltern keine Vorwürfe mehr, ihn nach der Geburt als Mädchen
aufgezogen haben. "Ich wunder' mich nur, dass die nicht irgendwann gemerkt
haben, dass mit mir was anders ist."
Noch heute ist "was anders" mit Selb: kantiger
Schädel, Bartwuchs, starke Augenbrauen und eine tiefe Stimme. Dazu ein feiner
Mund, eine Stupsnase und mandelförmige Augen mit geschwungenen Wimpern. Er ist
mit dem Motorrad zu unserem Treffen gekommen und spielt manchmal mit dem
Schlüsselbund, an dem ein Bayern-Anhänger klimpert. Die Hände aber, die diesen
Anhänger durch die Finger gleiten lassen, sehen weiblich aus. Kurzum: In Selbs
Gesicht und seinen Gesten überlagern sich männliche und weibliche Anteile auf
derart irritierende Art und Weise, dass es wie eine Kippfigur wirkt, eines
dieser Bilder, in denen man verschiedene Motive erkennen kann, je nachdem, wie
man gerade den Blick fokussiert. Ah, doch eher eine Frau - nein, ein Mann.
Nun wehren sich Intersexuelle ja gerade gegen solche
Festlegungen. Gegen den Zwang, sich eindeutig verorten zu lassen, wenn ihr
Körper nun mal uneindeutig ist. Und genau der Blick, mit dem man Selb festlegen
will auf Mann oder Frau, um die eigene Irritation loszuwerden, ist das,
worunter diese Menschen leiden.
"Schamlippen - Mädchen - Name"
Als Selb im Jahr 1967 zur Welt gekommen war, gaben ihm seine
Eltern einen Mädchennamen. Wie auch nicht. "An Säuglingen macht man ja
keine gynäkologischen Untersuchungen", sagt Selb. "Schamlippen -
Mädchen - Name - erledigt". Selb sagt das ohne jeden Vorwurf. Woher
sollten die Eltern wissen, dass die Hoden ihres Babys zu einem frühen Zeitpunkt
der Schwangerschaft verkümmert waren und jetzt winzig klein irgendwo neben der
Blase lagen; dass sich wegen dieser Verkümmerung eine Vagina ohne Eierstöcke
und Uterus gebildet hatte; dass die unsichtbaren Hoden trotzdem Testosteron
produzieren würden und er eine männliche DNA besitzt.
Aber hätten seine Eltern nicht spüren müssen, dass etwas mit
ihm anders war? "Als ich mich mit zwei Jahren mal beim Spielen dreckig
gemacht habe, haben es zwei Tanten mit vereinten Kräften nicht geschafft, mich
in ein sauberes Kleid zu zwängen. Ich wollte eine Hose. Und als mein Vater sich
mal eine Puppe wünschte, damit ich mir auch eine wünsche, hab ich die Puppe an
den Haaren ins Wohnzimmer geschleift und ihm gesagt: Das hast dir du gewünscht,
nicht ich."
Weibliche Kindheit in der Er-Form
Auch im Nachhinein spricht er von der Zeit, als er noch als
Mädchen galt, von sich in der Er-Form. "Als ein Nachbarskind mal zu mir
sagte, ich sei kein richtiger Junge, weil ich ja kein Schwänzchen hätte, hab
ich ihm erklärt, mein Penis sei nach innen gewachsen, das stülpe sich schon
noch aus."
Zorn empfindet Selb nur dem Arzt gegenüber, der ihm im Alter
von elf Jahren einen Testosteron-Blocker mit Östrogen verschrieb. "Der
muss gewusst haben, dass ich intersexuell bin und hat mir trotzdem weibliche
Hormone aufgezwängt." Mit dem Resultat, dass ihm riesige Brüste wuchsen,
sein sonstiger Körper aber das Wachstum praktisch einstellte und weiterhin
Testosteron produzierte. Seither weiß Selb, was das heißt: Fremdkörper sein.
Der ganze Körper war ihm fremd. "Die Dinger", so nennt er heute die
behaarten Brüste. Er musste sich an den Beinen und Armen rasieren. "Gesagt
wurde mir damals nur, dass ich zu wenig Östrogen produziere. Und dass ich
Gefahr laufe, an Osteoporose zu erkranken, wenn ich die Hormone nicht
nehme." Also nahm er sie. Jahrelang. "Ich war ja allein mit mir, das
war vor dem Internet, wer hätte mich bestärken sollen in meinem
Widerwillen?"
Quelltext: http://www.sueddeutsche.de/leben/gesetzesaenderung-fuer-intersexuelle-im-fremdkoerper-1.1805603
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