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Nikita Noemi Rothenbächer 2015
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Paragraf 175: Kaum Hoffnung
auf schnelle Rehabilitierung
Klaus Born musste 1969 wegen seiner Homosexualität sechs
Wochen lang in Einzelhaft verbringen
Wegen seiner Homosexualität war er einst eingesperrt worden,
am Montag traf Klaus Born Bundesjustizminister Heiko Maas Im Interview erklärt
der 69-Jährige, wie das Gespräch verlaufen ist und warum er trotz positiver
Signale aus der Bundesregierung nicht an eine schnelle Rehabilitierung der
"175er" glaubt.
Wie war Ihre Begegnung mit dem Justizminister?
Klaus Born: Die Atmosphäre war überraschend sehr locker. Wir
haben zwei Stunden mit dem Minister gesprochen. Zunächst habe ich mich bei ihm
für seine Rede beim Charity-Dinner [der Hirschfeld-Stiftung] bedankt, und ich
habe ihm dann meine Lebensgeschichte erzählt. Ich habe ihm erzählt, dass ich im
Gefängnis gesessen habe. Ich habe ihm erzählt, dass man damals dachte, ich
könnte die anderen Insassen "anstecken" – also schwul machen.
Wie bitte?
Ja, deswegen musste ich 1969 im Alter von 21 Jahren sechs
Wochen Einzelhaft absitzen – keine Musik, keine Zeitung, nichts. Das ist ganz
schön schwer.
Wie hat der Minister auf die Ausführungen reagiert?
Er hat ein unwahrscheinliches Interesse gezeigt. Er hat
immer sehr detailliert nachgefragt, er wollte wirklich etwas wissen. Wir hatten
ja auch keinerlei Zeitlimit.
Haben Sie Hoffnungen, dass diese Regierung endlich die
Unrechtsurteile aufhebt?
Nein, meine Erwartungen sind praktisch bei Null. Die SPD hat
ja nur 26 Prozent – und CDU und CSU haben das Sagen. Wenn die das nicht wollen,
dann passiert nichts. In einer Legislaturperiode kann viel erreicht werden,
aber nur, wenn man will.
Ist der Wille bei der Union Ihrer Meinung nach überhaupt
nicht da?
Ich glaube nicht daran, weil es ja auch noch die Kirchen
gibt, die starken Einfluss auf die christlichen Parteien haben. Alle anderen
Parteien im Bundestag wollen ja die Sache mit dem Paragrafen 175 endlich aus
der Welt schaffen. Vielleicht müssen wir auf eine andere Regierungskoalition
warten, aber ich wünsche mir, dass es nicht so lange dauert.
Haben Sie große Hoffnungen auf eine Entschädigung?
Ich habe dem Minister zumindest ein Schriftstück von Moabit
übergeben. Mein Problem ist, dass ich kein Urteil habe und dass man dieses erst
suchen muss. Eine automatische Rehabilitierung oder Entschädigung wird es hier
nicht geben. Und wenn, dann stehen mir nur Entschädigung für sechs Wochen Haft
zu. Aber es gibt keine Entschädigung dafür, dass ich als Vorbestrafter
jahrelang für wenig Geld arbeiten musste – immerhin hatte ich Arbeit gekriegt,
anderen ging es noch schlechter.
Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung der letzten Jahre?
Ja, es wird jetzt anders als früher über das Thema
gesprochen. Ich hatte schon Interviews mit dem NDR, RBB und Stern TV und habe
in zwei Wochen einen Termin mit dem Bayerischen Rundfunk, die ein Video drehen
wollen. Aber ich bin fast der einzige, der für die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld
ständig Videos macht, um meine Geschichte zu erzählen. Es wäre aber schön, wenn
mehr Leute ihre Geschichte an die Öffentlichkeit bringen. Ich gehe davon aus,
dass ich nicht der einzige noch Lebende bin, der wegen seines Schwulseins
eingesperrt wurde. Aber viele trauen sich immer noch nicht mit Videos an die
Öffentlichkeit. Die Magnus-Hirschfeld-Stiftung macht aber auch Interviews für
spätere Generationen, die jetzt noch keiner zu hören kriegt. Die Leute müssen
auch in Zukunft erfahren, dass man für so was mal in den Knast gekommen ist.
Justizministerkonferenz
fordert Rehabilitierung der Opfer des §175
Auf ihrer Frühjahrskonferenz setzten sich die Justizminister
der Bundesländer auch für eine Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare ein.
Die Justizminister der 16 deutschen Bundesländer haben auf
ihrer Frühjahrskonferenz am Mittwoch und Donnerstag in Stuttgart
richtungsweisende Beschlüsse gefasst. Zum einen forderten sie in einem
Mehrheitsbeschluss (PDF) die Öffnung der Ehe für lesbische und schwule Paare.
Wörtlich heißt es darin: "Im Sinne einer umfassenden
Gleichstellung halten sie die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare
für angemessen und geboten." Festgehalten wurde dabei, dass dafür keine
Grundgesetzänderung erforderlich sei, sondern eine einfachgesetzliche Regelung
ausreiche.
Zum anderen beschloss die Justizministerkonferenz, dass die
Opfer antihomosexueller Strafverfolgung durch §175 StGB und andere Bestimmungen
zeitnah durch ein Bundesgesetz rehabilitiert und entschädigt werden müssen
(PDF). Weiter heißt es: "Die Justizministerinnen und Justizminister begrüßen,
dass Berlin den diesbezüglichen Entschließungsantrag vom 28. April 2015 im
Bundesrat eingebracht hat. Mit großem Interesse erwarten sie
die für Ende 2015 in Aussicht gestellten Ergebnisse des Forschungsprojekts zur
Aufarbeitung und Dokumentation der strafrechtlichen Verfolgung und
Diskriminierung homosexueller Menschen in Rheinland-Pfalz, das vom Institut für
Zeitgeschichte München – Berlin in Zusammenarbeit mit der Bundesstiftung
Magnus-Hirschfeld durchgeführt wird."
LSVD: Verfassungsrechtliche Bedenken vorgeschoben
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)
begrüßte die beiden Beschlüsse: "Die Gegner der Öffnung der Ehe wie der
Rehabilitierung verschanzen sich gerne hinter der dem Vorwand, beides sei verfassungsrechtlich
nicht möglich", erklärte LSVD-Vorstand Axel Hochrein. "Es ist ein
wichtiges Signal, dass die große Mehrheit der Justizministerinnen und
Justizminister diesen vorgeschobenen rechtlichen Bedenken eine klare Absage
erteilt." Der Gleichstellung und Rehabilitierung stehe nicht die
Verfassung entgegen, "sondern allein der Starrsinn der CDU/CSU-Führung,
die weiter diskriminieren will", so Hochrein.
Die Justizministerkonferenz ist ein regelmäßiges Treffen der
deutschen Justizminister der Länder, welcher der Bundesjustizminister als Gast
beiwohnt. Sie dient zur Koordination in Justizangelegenheiten und findet
zumeist zweimal jährlich statt. Vorbereitet werden die
Justizministerkonferenzen von vorangehenden Treffen der Staatssekretäre und
Staatsräte der Landesjustizministerien. In diesem Jahr hat der
baden-württembergische Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) den Vorsitz
inne.
Gutachten warnt vor
Rehabilitierung der §175-Opfer
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags hat
"beachtliche verfassungsrechtliche Bedenken" gegen ein
Amnestiegesetz.
Rund 50.000 Männer sollen weiterhin vorbestraft bleiben, nur
weil sie schwulen Sex hatten. Nach einem Bericht des "Spiegel" warnt
ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags vor
einer Aufhebung der nach 1945 gefällten Urteile nach Paragraf 175 in der
Bundesrepublik bzw. Paragraf 151 in der DDR.
Wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung bestünden gegen
eine pauschale Aufhebung "beachtliche verfassungsrechtliche
Bedenken", so das bereits Ende letzten Jahres erstellte Gutachten. Rechtmäßige
Urteile aufzuheben, nur weil sie einer modernen Gesellschaft Jahrzehnte später
rechtswidrig erscheinen, würde einen Präzedenzfall schaffen. Außerdem beträfen
manche Urteile auch "Taten, die auch aus heutiger Sicht strafwürdige
Elemente wie den Einsatz von Zwangsmitteln beinhalten".
In Auftrag gegeben wurde die Studie vom schwulen
CDU-Bundestagsabgeordneten Stefan Kaufmann, der sich für eine Rehabiltierung
einsetzt. Die Fraktionsführung der Union sieht dafür jedoch keinen
Handlungsbedarf.
"Wir können nicht das gesamte Strafrecht der
Nachkriegszeit aufrollen"
Bundesjustizminister Heiko Maas hatte im Mai 2014 im
Interview mit queer.de angekündigt, eine Aufhebung der Urteile zu prüfen –
seitdem ist allerdings nichts passiert. Bei einem Treffen mit verurteilten
Schwulen im vergangenen Herbst hatte der SPD-Politiker die Verurteilungen
homosexueller Männer als "Unrecht" und den Paragrafen 175 als
"von Anfang an verfassungswidrig" bezeichnet – und damit Hoffnungen
auf eine Rehabiltierung geweckt.
Doch offensichtlich wird Maas auch vom eigenen Ministerium
ausgebremst. Seine Mitarbeiter sehen ein Amnestiegesetz kritisch, da der
sogenannte Schwulen-Paragraf 1957 vom Bundesverfassungsgericht als
grundgesetzkonform erklärt wurde und bisher kein anderslautendes Urteil
vorliegt. In der Justizverwaltung wird darüber hinaus befürchtet, dass auch
andere Verurteilte Rehabilitierung fordern könnten, etwa die Vermieter, die
noch in den 1960er-Jahren wegen "Kuppelei" verurteilt wurden, weil
sie unverheiratete Paare bei sich wohnen ließen. "Wir können nicht das
gesamte Strafrecht der Nachkriegszeit aufrollen", zitiert der
"Spiegel" einen hochrangigen Regierungsbeamten.
Volker Beck hält die Bedenken für vorgeschoben
Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck hält die
Bedenken dagegen für vorgeschoben: "Niemand wird gegen ein
Rehabilitierungsgesetz klagen: es ist eine verfassungspolitische Entscheidung,
die nichts als politischen Willen erfordert", erklärte der
Oppositionspolitiker. "Der demokratische Rechtsstaat hat die Stärke,
Fehler zu erkennen, und die Aufgabe, Opfer von schweren
Menschenrechtsverletzungen zu entschädigen und ihnen ihre Ehre wieder
zurückzugeben."
Bundesjustizminister Heiko Maas sei "feige und kuscht
vor der Union", so Beck. "Jetzt ist endlich mal Mut zur Entscheidung
gefragt."
Berlin: Rot-Schwarz will Opfer
des Paragrafen 175 rehabilitieren
Die Berliner Stadtregierung setzt sich auf Bundesebene für
eine Aufhebung der in der Bundesrepublik und der DDR gefällten
"Unrechtsurteile" gegen schwule Männer ein.
Der Senat von Berlin setzt sich dafür ein, alle Urteile
gegen schwule Männer aufzuheben, die nur wegen ihrer sexuellen Orientierung
bestraft wurden. Am Dienstag hat die Stadtregierung eine dementsprechende
Bundesratsinitiative beschlossen. Darin soll der Bund aufgefordert werden, die
Urteile nach Paragraf 175 in Westdeutschland und nach Paragraf 151 in der DDR
aufzuheben.
Zwischen 1945 und 1994 wurden zehntausende Männer wegen
ihrer sexuellen Orientierung verurteilt. In der DDR traf es zwischen 1969 und
1989 in einer abgeschwächten Version auch lesbische Frauen.
"Der Paragraf 175 war von Anfang bis Ende ein
Unrechtsparagraf. Es ist beschämend, dass die bis 1994 ergangenen Urteile bis heute
nicht aufgehoben wurden", erklärte dazu CDU-Fraktionsvize Stefan Evers.
"Wenn die Große Koalition in Berlin dieses Thema so beherzt und hartnäckig
angeht, dann muss das auch im Bund möglich sein! Die von einigen
Bundestagskollegen immer wieder vorgetragenen Bedenken entbehren nach meiner
festen Überzeugung jeder rechtlichen und moralischen Grundlage."
Die schwarz-rote Koalition in Berlin hatte bereits 2012
einen ähnlichen Antrag initiiert, der auch vom Bundesrat mehrheitlich
beschlossen wurde (queer.de berichtete). Allerdings hat die Bundesregierung
bislang nicht gehandelt.
Bundesregierung prüft noch
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat zwar bereits vor
rund einem Jahr im Interview mit queer.de versprochen, eine Aufhebung der
Urteile zu prüfen. Es gibt aber noch "beachtliche verfassungsrechtliche
Bedenken", wie es in einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes heißt
(queer.de berichtete). Rechtmäßige Urteile aufzuheben, nur weil sie einer
modernen Gesellschaft Jahrzehnte später rechtswidrig erscheinen, würde einen
Präzedenzfall schaffen, warnen Kritiker der Initiative.
Zwar hat der Bundestag bereits 2002 gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP die Rehabilitierung von Opfern des Paragrafen 175 beschlossen,
allerdings betraf das nur Urteile aus der Zeit der NS-Herrschaft. Der Lesben-
und Schwulenverband kritisierte damals, dass das Parlament die Urteile nach
1945 unangetastet ließ, obwohl der Paragraf 175 in Westdeutschland noch bis
1969 in der Nazi-Fassung beibehalten wurde.
Mehrere andere Bundesländer hatten sich zuletzt für die
Aufhebung der Urteile eingesetzt: So forderte Schleswig-Holstein vor gut vier
Monaten die Rehabilitierung schwuler Männer und entschuldigte sich für die
Verfolgung
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