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und Bearbeitet von Nikita Noemi Rothenbächer 2016
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"Gott lässt zu, dass es
intersexuelle Menschen gibt"
"Männlich und weiblich erschuf er sie", heißt es
in der Bibel. Doch die Wirklichkeit ist manchmal komplizierter. Nicht immer
lässt sich das Geschlecht eines Menschen biologisch eindeutig festlegen. Ab dem
1. November berücksichtigt ein deutsches Gesetz diese Vielfalt, zumindest ein
kleines Stück weit. Beim Umgang mit der Intersexualität gibt es allerdings
große Unsicherheiten.
"Ist es ein Junge oder ein Mädchen?" – das werden
frisch gebackene Eltern immer wieder gefragt. So leicht die Frage erscheint, so
schwierig ist sie doch manchmal zu beantworten. Eines von 4.500 Babys komme
ohne eindeutiges Geschlecht auf die Welt, sagt die Sexualforscherin Hertha
Richter-Appelt. Intersexualität, wie Mediziner dieses Phänomen nennen, gibt es
in vielen Varianten. Beispielsweise sieht ein Säugling manchmal aus wie ein
Mädchen, hat aber einen männlichen Chromosomensatz. Bei anderen ist das
Erscheinungsbild schon von Anfang an zwischengeschlechtlich.
Während das preußische Allgemeine Landrecht im
"Zwitterparagrafen" die Zwischengeschlechtlichkeit berücksichtigte,
gab es diese Uneindeutigkeit im deutschen Gesetz seit 1949 nicht mehr. Eltern
mussten sich entscheiden, ob ihr Kind männlich oder weiblich ist. Das ändert
sich am 1. November 2013. Ohne große Notiz der Öffentlichkeit hat der Bundestag
das Personenstandsgesetz geändert: "Wenn ein Kind weder dem männlichen
noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden kann, wird die Angabe in das
Geburtenregister weggelassen", heißt es ab sofort.
"Ich denke, dass die Gesetzesregelung ein Anfang
ist", sagt Richter-Appelt, "aber sie wird in keinem Fall
ausreichen." Michael Wunder, Psychologe und Mitglied im Deutschen Ethikrat,
sieht das ähnlich und kritisiert: "Das Gesetz nimmt Druck von den Eltern,
ist aber halbherzig." Der Ethikrat hatte im Februar 2012 Stellung zum
Thema Intersexualität bezogen. "Wir haben vorgeschlagen, neben männlich
und weiblich 'anderes' als weitere Geschlechtsoption aufzunehmen", sagt
Wunder. Die Option, nichts einzutragen, sei falsch. "Kein Eintrag sieht
aus wie kein Geschlecht. Aber diese Menschen haben natürlich ein
Geschlecht."
Viele Fragen bleiben unbeantwortet
Zudem bleiben viele offene Fragen vorerst unbeantwortet:
Müssen sich die Betroffenen irgendwann für ein Geschlecht entscheiden? Dürfen
sie heiraten? Oft wird die Zwischengeschlechtlichkeit auch erst in der Pubertät
entdeckt. Was ist mit diesen Menschen? Nach jetzigem Stand greift das Gesetz
bei ihnen nicht. Ganz zu schweigen von den intersexuellen Menschen, die heute
bereits auf der Welt sind und sich einen anderen Personeneintrag wünschen.
Auf diese Fragen können und müssen Antworten gefunden
werden. Doch es gibt noch eine gewichtige Kritik an der Gesetzesänderung. Sie
kommt vor allem von Verbänden wie "zwischengeschlecht.org". Sie
fürchten, dass es mit dem Gesetz zu mehr Genitalverstümmelungen kommen wird.
Bereits seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts versuchten Mediziner,
fehlende Geschlechtseindeutigkeit durch Operationen und hormonelle Behandlung
zu beheben.
Diese Praxis kritisieren intersexuelle Menschen schon lange.
Nicht nur, weil das angepasste Geschlecht nicht zwangsläufig zum eigenen
Empfinden passt. Viele der Behandlungen sind stark traumatisierend – körperlich
und seelisch. Legen Ärzte etwa eine künstliche Vagina an, soll diese nicht
wieder zusammenwachsen. Deshalb werden schon Kleinkindern unter Schmerzen
Gegenstände eingeführt. "Es ist wie sexuelle Gewalt gegen Kinder", sagt
Claudia Janssen, Leiterin des Studienzentrums für Genderfragen in Kirche und
Theologie der EKD.
Jahre der psychischen
und körperlichen Gewalt
Lucie Veith, Vorsitzende* von Intersexuelle Menschen e.V.,
unterstützt die Gesetzesänderung als ersten Schritt. Doch auch sie hat
Bedenken: "Man kann nicht von der Hand weisen, dass der
Normalisierungsdruck auf Eltern zunimmt", sagt Veith. Es bräuchte jedoch
den Respekt vor dem Leben und der Schöpfung. Claudia Janssen sieht in dem
geänderten Personenstandsgesetz eine wichtige Zäsur und die Möglichkeit, aktiv
zu werden: "Dazu gehört ein Schuldeingeständnis, über all die Jahre an der
psychischen und physischen Gewalt beteiligt gewesen und nicht vehement dagegen
vorgegangen zu sein. Das gilt auch für die Kirchen." Mit der Änderung
werde zudem sichtbar, was offiziell nicht vorkommen durfte. "Die
Eindeutigkeit von zwei Geschlechtern ist nun offiziell aufgehoben", sagt
die Theologin.
"Es sind auch nicht drei oder fünf Geschlechter",
sagt Hertha Richter-Appelt. Das biologische Geschlecht setze sich aus
verschiedenen Aspekten – wie den Chromosomen, den Geschlechtsteilen und den
Gonaden – zusammen. Ganz verschiedene Gene seien dafür verantwortlich.
"Man könnte sagen, es gibt Tausende Geschlechter", sagt die Forscherin.
Und das ist kein Zufall, sagt Michael Wunder vom Ethikrat: "Gott lässt zu,
dass es intersexuelle Menschen gibt."
Die
Kirchen haben bisher meist geschwiegen
Claudia Janssen sieht deshalb die Kirche in der Pflicht:
"Der Wunsch nach Eindeutigkeit und Normierung ist groß. Hier braucht es
den Mut der Kirche. Sie muss die Ängste wahrnehmen – und sie nehmen", sagt
sie. In Gemeinden könne das heißen, behutsam anzusprechen, dass es eine
Vielfalt von Geschlechtern gebe. "Das ist keine Bedrohung, das ist unsere
Wirklichkeit. Da haben wir als Kirche biblisch und theologisch viel zu
sagen", sagt Janssen. Trotzdem haben die Kirchen zu diesem Thema vor allem
geschwiegen. Auf einer Fachkonferenz zum Thema Vielfalt der Liebesbeziehungen
und den Herausforderungen für Theologie und Kirche im Juni sagte Lucie Veith:
"Die Kirchen haben intersexuelle Menschen aus ihrem Gedächtnis
verloren."
Im Gegensatz dazu sieht Claudia Janssen die Bibel. So habe
Gott den ersten Menschen nach seinem Bilde geschaffen. Erst umfasste Adam - das
Menschenwesen - alle Geschlechter. Dann wurde es in Mann und Frau, Adam und
Eva, geteilt. "Intersexuelle Menschen sind diesem ersten Adam viel näher
als dem getrennten", sagt Janssen. Was bedeutet das für das 1. Buch Mose,
wo es heißt "als männlich und weiblich erschuf er sie"? "Es wäre
spannend, wenn man diese Stelle so liest, dass in jedem Menschen beides steckt,
Männlichkeit und Weiblichkeit", sagt Janssen.
"Religiöse intersexuelle Menschen beschäftigen sich
ebenfalls mit der Frage und ihrer Rolle in Gottes Schöpfung. Sie sehen sich als
Teil ihrer Vielfalt und von Gott gewollt", schreibt Claudia Lang in dem
Buch "Intersexualität – Menschen zwischen den Geschlechtern." Die
Autorin zitiert die Organisation "Intersex Support Group International",
ein Zusammenschluss christlicher Intersexueller: "Wir wissen, dass Gott
keinen Fehler gemacht hat, als Er uns geschaffen hat", sind sie überzeugt.
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